Posts mit dem Label hl. Paulus werden angezeigt. Alle Posts anzeigen
Posts mit dem Label hl. Paulus werden angezeigt. Alle Posts anzeigen

Samstag, 28. Juni 2014

Es gibt kein richtiges Leben im falschen

Ein Gastbeitrag von P. Bernward Deneke FSSP, Wigratzbad

„Es gibt kein richtiges Leben im falschen.“ Vor einigen Jahren, als in der Presse von einer „Lockerung des Kondomverbotes“ durch Papst Benedikt XVI. die Rede war, gewann dieser wohl berühmteste Satz des Philosophen Theodor W. Adorno neue Brisanz. Übertragen in die Sphäre des Religiös-Sittlichen, erinnert er uns daran, daß geringfügige Verbesserungen, die im Kontext der schweren Sünde geschehen, noch keinen Wandel zum Guten bewirken. Hinter einem falschen Vorzeichen ist eben kein richtiges, kein Gott gefälliges Leben möglich.

Das klingt reichlich abstrakt; deshalb sei es an dem erwähnten Beispiel erläutert. Benedikt XVI. hatte in seinem Interviewbuch „Licht der Welt“ mit Recht darauf hingewiesen, daß es einen gewissen Fortschritt bedeutet, wenn ein HIV-infizierter Mensch, anstatt jegliche Verantwortlichkeit für die Gesundheit seiner Sexualpartner von sich zu weisen, Maßnahmen zu deren Schutz ergreift. Damit hat der Papst allerdings nicht behauptet, die Verwendung von Präservativen sei erlaubt im Sinne von „sittlich gut“. Vielmehr haben wir seine Aussage so zu verstehen, daß der Gedanke an das Wohl des Mitmenschen innerhalb der dunklen Abgründe von Unmoral und Perversion einen Schimmer von Menschlichkeit darstellt. Ja, es könnte sich dabei durchaus um den Anfang eines Umdenkens handeln – aber leider auch um den letzten noch verbliebenen Rest von Anständigkeit...

Besser als das Heer oberflächlicher Journalisten, das auf spannende Nachrichten und reißerische Schlagzeilen aus ist, haben die glaubens-, moral- und hierarchiekritischen Kreise in der Kirche diese Nuance in Benedikts Worten verstanden. Sogleich bemäkelten sie nämlich, es gehe dem Papst gar nicht um eine neue Positionierung in Fragen der Sexualmoral. Der von ihm angeführte Extremfall habe mit dem Leben der gewöhnlichen Menschen wenig zu tun. Für diese bestehe doch weiterhin die strenge Weisung, die natürliche Hinordnung der geschlechtlichen Vereinigung auf das Kind nicht unnatürlich zu unterbinden. Also noch immer ein „Kondomverbot“ (um das sich freilich diejenigen, die am lautesten darüber klagen, am wenigsten scheren dürften!). -

Zurück zu Adornos Satz über die Unmöglichkeit, innerhalb eines falschen ein richtiges Leben zu führen. Welches die Kennzeichen eines solchen „falschen Lebens“ sind, sagt uns die Heilige Schrift mit göttlicher Verbindlichkeit; einer Verbindlichkeit, an die sich die Kirche für immer gebunden weiß. Im Epheserbrief warnt der heilige Paulus davor, „dahinzuleben wie die Heiden in der Nichtigkeit ihres Sinnes: Verdunkelt sind sie in ihrem Denken, dem Leben Gottes entfremdet wegen der Verständnislosigkeit in ihrem Innern, wegen der Verstocktheit ihres Herzens. Haltlos geworden, gaben sie sich der Ausschweifung hin, um unersättlich jeder Art von Unreinheit nachzugehen.“ (4,17-19)

Für den Völkerapostel ist dieses „falsche Leben“ näherhin gekennzeichnet durch die „Werke des Fleisches“, deren Aufzählung er mit „Unzucht, Unreinheit, Ausschweifung“ beginnt, um am Ende das harte Wort auszusprechen: „Davon sage ich im voraus, wie ich es schon früher sagte: Die solches treiben, werden das Reich Gottes nicht erben.“ (Gal 5,19-21) Nicht anders lesen wir im Epheserbrief: „Kein Unzüchtiger oder Unreiner oder Habsüchtiger ... hat Anteil am Reiche Christi und Gottes“ (4,6); oder in der Apokalypse des Johannes, in der die „Unzüchtigen“ am Ende außerhalb der heiligen Stadt bleiben müssen (22,15) und ihren Anteil empfangen werden „in dem See, der von Feuer und Schwefel brennt, das ist der zweite Tod“ (21,8).

Daher der dringliche Aufruf des heiligen Paulus: „Fliehet die Unzucht! Jede Sünde, die ein Mensch sonst begeht, ist außerhalb des Leibes, wer aber Unzucht treibt, der sündigt gegen seinen eigenen Leib. Oder wißt ihr nicht, daß euer Leib ein Tempel des Heiligen Geistes ist, der in euch wohnt? Ihn habt ihr von Gott und gehört also nicht euch selbst.“ (1 Kor 6,18-19) Daher soll unter Christen „von Unzucht und jeder Art von Unreinheit oder Gier nicht einmal die Rede sein, wie es Heiligen geziemt, und ebenso wenig von schamlosen Dingen“ (Eph 5,3 f.).

Stellen wir auf dem Hintergrund dieser Schriftstellen die Frage nach dem Gebrauch von Präservativen, dann besteht kein Zweifel mehr daran, welcher Art von Leben sie angehören: dem falschen, nicht dem richtigen. Schon die Aufmachung dieser Produkte läßt keinen Zweifel daran – man bemerkt es sogleich bei einem flüchtigen Blick auf einen Kondomautomaten! Und wenn man den Herstellern nachforscht, landet man alsbald in der menschenverachtenden, eiskalt kommerzialisierten Pornowelt, jenem glitzernden Eintrittstor zur Hölle...

Weil sie uns davor mehr als vor allem anderen bewahren will, kann die Kirche keine Kompromisse mit dem falschen Leben eingehen, das dem endgültigen Untergang geweiht ist.


+     +      +


Die Taten eines Menschen sind die Konsequenzen aus seinen Grundsätzen; 
sind die Grundsätze falsch, dann werden die Taten nicht richtig sein.

sel. Bernhard Lichtenberg


+      +      +

Donnerstag, 29. Mai 2014

Maiandacht 29. Tag - Maria, Hilfe der Christen

 
Freu dich, Jungfrau Maria!
Alle Irrlehren hast du allein überwunden.
Gar schön bist du und liebreich,
schrecklich bist du wie ein geordnetes Schlachtheer!
(Ant. Marienfest)


Trösterin der Betrübten und Zuflucht der Sünder ist die wunderbare Mutter. Ob ihrer mütterlichen Gesinnung aber, die Maria in besonderer Weise allen Christgläubigen gegenüber offenbart, rufen wir zu ihr: Du Hilfe der Christen, bitte für uns! Das ist Gruß und Bitte, die seit Jahrhunderten von Menschenmund gesprochen werden.

Der Apostel Paulus bekennt von sich: "Die Liebe Christi drängt mich." Kann nicht Maria weit mehr so sprechen? Es drängt sie, den Christen zu helfen, dieselbe Liebe, die in Christus war und ihn drängte, uns zu erlösen.

Es drängt sie aber auch die Liebe zu Christus, wie er heute noch fortlebt in der Welt. Sie sieht den fortlebenden Christus in der ganzen Christenheit, sieht ihn in jedem einzelnen Menschen, der an Christus glaubt. Alle Glieder der Kirche sind Glieder Christi, Glieder des einen geheimnisvollen Leibes, von dem Christus das Haupt ist. Die mütterliche Liebe Mariens geht darauf hinaus, dass alle Menschen heranwachsen zum "Vollalter Christi", dass in den Menschen und durch die Menschen die Kirche vollendet werde und makellos dastehe am Tage der Vollendung.

Als sorgende Mutter hat Maria Christus in seinem irdischen Leben zur Seite gestanden, hat ihn bewahrt und behütet, ihn genährt und gepflegt, ist mit ihm den Lebensweg gegangen. Im Leidenskampfe hat sie ihm beigestanden bis zur Vollendung seines Opferlebens. Sie will ihm beistehen auch jetzt in seinem Wirken durch die Gnade.

So ist Maria die mütterliche Schützerin des fortlebenden Christus, die Schutzfrau und Schutzherrin der heiligen Kirche. Nur die Art ihrer Hilfe ist eine andere: heute hilft sie durch ihre Fürbitte. Damit kämpft sie gegen das Reich der Finsternis, dass es uns nicht überwältige. Erschrecklich wie ein geordnetes Schlachtheer ist Maria in den Augen des bösen Feindes.

"Du allein, o Maria", so betet die Kirche, "hast alle Irrlehren überwunden." In den großen Glaubenskämpfen aller christlichen Jahrhunderte hat Maria den Weg gezeigt aus allem Irrtum. Maria ist die Mutter Gottes: der Gedanke hat auf dem Konzil zu Ephesus (341) alle Irrlehren über die Gottheit Christi abgetan. 

Maria, unsere liebe Frau, hat seit dem Mittelalter die Menschen entflammt zu heiligem Kampf gegen die Türken, die mit Waffengewalt das Christentum vernichten wollten. Wo man Maria treu blieb zur Zeit der unglückseligen Glaubensspaltung in unserem Vaterland, da ist man Christus treu geblieben und seiner heiligen Kirche.

Wer zur reinsten Jungfrau und Mutter aufschaut, der bewahrt auch heute klare Sicht in allen Gefahren; er weiß, dass Gott und nur er allein Mittelpunkt des Lebens ist - und nicht der Mensch.

Mitkämpferin gegen Satans Reich ist Maria für einen jeden von uns. Sie erfleht uns Gnade, damit wir wachsen von Stufe zu Stufe und immer mehr vollendet werden in Christus Jesus. Versuchungen und Kämpfe warten auf uns im Leben. Maria ist unsere Hoffnung und Zuversicht. Stürme und Gefahren sind der Anteil unserer Seele in diesem Erdental. Maria will unsere mächtige Helferin sein, die uns sicher geleitet im wahren Glauben und uns heimführt zur ewigen Gottesschau.

Für so viele Hilfe in Glaubens- und Seelennot haben wir der Gottesmutter zu danken. Nun bitten wir sie heute von Neuem: Verlass uns nicht, bis "wir Jesum schauen - einst in Himmelsauen".

Aber damit nicht genug; wir bitten auch: lass uns an deine Seite treten, lass uns deine Sorge um den fortlebenden Christus mit dir teilen. Öffne uns das Auge des Glaubens, dass wir Christus sehen in unseren Mitmenschen. Lass die Eltern und Erzieher Christus sehen in den Kindern, die Vorgesetzten ihn sehen in den Untergebenen, der Freund ihn sehen im Freunde. 

Ja, Mariens Sorge wollen wir teilen, wollen lehren und ermahnen, wollen hüten und bewahren, wollen beten und opfern, dass Christus in allen Menschen mehr und mehr Gestalt gewinnt, dass alle zum "Vollalter Christi" gelangen.

Wir beten ein Ave Maria, dass Maria die ganze Christenheit vor allem Unheil bewahren wolle:
Gegrüßet seist du, Maria, voll der Gnade,
der Herr ist mit dir!
Du bist gebenedeit unter den Frauen
und gebenedeit ist die Frucht deines Leibes: Jesus!
Heilige Maria, Mutter Gottes, bitte für uns Sünder,
jetzt und in der Stunde unseres Todes. Amen.

O Maria, du Mutter vom Siege,
Erflehe uns den Sieg über die Feinde unseres Heils.
Maria, du Hilfe der Christen, bitte für uns alle!


Gebet:
O Gott, der du gewollt hast, dass die Mutter deines eingeborenen Sohnes die immerwährende Hilfe der Christen auf Erden sei, verleihe uns die Gnade, sie in allen Anliegen Leibes und der Seele vertrauensvoll anzurufen: damit wir, durch ihren Schutz und Beistand gerettet, zur immerwährenden Anschauung deiner Herrlichkeit im Himmel gelangen mögen. Durch Christus unsern Herrn. Amen.
(Gebet nach der Litanei von der immerwährenden Hilfe)


Maiandachtsbüchlein für Kirche und Haus von Pfarrer Joseph Willmes; A. Laumannsche Verlagsbuchhandlung Dülmen /Westf.;  AD 1935; S. 87-89 (mit kleinen Änderungen); (s. Quellen)



Samstag, 19. April 2014

Wahrhaft auferstanden!

In der Ostkirche ist es üblich, sich zum Osterfest mit der Freudenbotschaft zu begrüßen: „Christus ist auferstanden“ (griechisch: „Christos anesti“; russisch: „Christos woskres“). Der Angesprochene antwortet darauf: „Er ist wahrhaft auferstanden“ (griech. „alithos anesti“; russ. „woistinu woskres“). Dieser Dialog hat seine Grundlage im Neuen Testament. Als die Emmausjünger von ihrem denkwürdigen Osterweg wieder nach Jerusalem zurückkehren, vernehmen sie dort aus dem Mund der Apostel, was sie selbst bereits erkennen durften: Jesus ist „wahrhaft“ auferstanden (Lk 24,34).

Die Schilderungen des leeren Grabes und der Erscheinungen des Herrn rücken das Wort wahrhaft in helles Licht. Demnach ist es nicht genug, sich die Auferstehung als eine bloß innerliche Erfahrung der Jünger zu denken. Auch ein gruppendynamisches Erleben reicht für dieses wahrhaft nicht aus. So sehr die Evangelisten das Geistige, Übernatürliche des Geschehens betonen, so sehr legen sie doch auch auf die geradezu handgreifliche Realität des auferstandenen Herrn Wert.

Zwar vermag Er durch verschlossene Türen zu gehen (Joh 20,19). Aber Er ist kein „Gespenst“, vielmehr hat Er berührbares Fleisch und Gebein (Lk 24,39), wovon sich der skeptische Thomas ja überzeugen soll (Joh 20,27). Sogar Speisen nimmt der Auferstandene zu sich: Einen gebratenen Fisch verzehrt Er demonstrativ vor den Augen der Apostel (Lk 24,42f.), und vermutlich geschieht das nicht nur einmal, denn später wird Petrus im Haus des römischen Hauptmanns Kornelius bezeugen, mit dem Auferstandenen gegessen und getrunken zu haben (Apg 10,41).

„Christus ist auferstanden. Ja, Er ist wahrhaft auferstanden.“ Das Wörtchen wahrhaft hat es gerade heute „in sich“. Während sich in der frühen Kirche manche Kreise schwertaten zu glauben, dass der ewige Gottessohn wahrhaft gelitten habe, bereitet es Theologen der Gegenwart größere Probleme, die Auferstehung als wirkliches Ereignis zu betrachten. Sinngemäß hat einer von ihnen festgestellt: „Man kann doch nicht in einer Welt leben, die durch die Naturwissenschaft entzaubert ist, kann doch nicht hochkomplizierte Maschinen bedienen und die Möglichkeiten der modernsten Datenverarbeitung ausnutzen – und dann daran glauben, dass ein Toter reanimiert aus dem Grab ersteht!“ Meine Frage: Warum denn eigentlich nicht?

Gewiss, man liegt falsch, sieht man die Auferstehung als eine Reanimation an, vergleichbar der eines klinisch Toten. Jesus ist auch nicht in das vorherige Leben zurückgekehrt, sondern hat sich den Seinen als der verklärte Herr gezeigt. Aber es entspricht nicht dem Evangelium, dieses zentrale Ereignis nur als ein rein innerliches „Widerfahrnis“ der Apostel zu verstehen. Wer – wie manche prominenten Theologen – erklärt, die Auferstehung habe „in den Glauben der Jünger hinein“ stattgefunden; es sei dies die plötzliche Erfahrung gewesen, dass die „Sache Jesu“ mit Seinem Tod nicht vorüber sei, sondern irgendwie weitergehe, der sagt entschieden zu wenig!

Leider aber ist diese Entwirklichung der Auferstehung nur allzu verbreitet. Und sie hinterlässt ihre Spuren im gesamten Glaubensdenken und Glaubensleben der Christen. Denn wenn Jesus nicht wahrhaft auferstanden ist, wenn Sein Grab nicht leer war und Er nicht wirklich den Aposteln erschienen ist, dann stellt sich doch die Frage: Wie steht es denn anderswo mit dem Wörtchen wahrhaft? Um nur ein Beispiel zu nennen: Die Kirche lehrt uns, Christus sei wahrhaft im allerheiligsten Sakrament des Altares gegenwärtig. Schwer zu glauben, wenn Er nicht wahrhaft auferstanden sein soll!

Der heilige Paulus hat im 15. Kapitel des Ersten Korintherbriefes für alle Zeiten gültig die Konsequenz einer Leugnung der wirklichen Auferstehung beschrieben: „Ist aber Christus nicht auferweckt worden, so ist damit unsere Predigt nichtig, und nichtig ist euer Glaube. Dann stehen wir als falsche Zeugen Gottes da, weil wir gegen Gott bezeugen, Er habe Christus auferweckt, während Er Ihn doch gar nicht auferweckt hat!“ (14f.) Der Völkerapostel weist auch darauf hin, dass wir ohne die Auferstehung Jesu noch in unseren Sünden wären (17). Das ist logisch: Ohne wahrhafte Auferstehung keine wahrhafte Reinigung unseres Herzens! Nach Paulus wären wir sogar die „bedauernswertesten unter allen Menschen“ (19), betrogene Betrüger, die ihre Hoffnung auf eine Chimäre setzen und andere ebenfalls dazu verführen. Wenn Er nicht auferstanden ist, werden auch wir nicht auferstehen; „dann lasst uns essen und trinken, denn morgen sind wir tot.“ (32)

Um so freudiger werden wir beim diesjährigen Osterfest wieder einander unseren festen Glauben bekennen:

 „Christus ist auferstanden. – Ja, Er ist wahrhaft auferstanden!“




P. Bernward Deneke FSSP, Wigratzbad


Hinweise: 
- mit freundlicher Genehmigung des Verfassers 
- der Beitrag erschien bereits im Schweizerischen Katholischen Sonntagsblatt (SKS)
- Foto: Deckengemälde der Pfarrkirche St. Margareta in Heimenkirch (Allgäu)




 +      +      +


Liebe Freunde, Kommentatoren, 
Leser und Besucher meines Blogs,
Ihnen/ Euch allen ein frohes und gesegnetes Osterfest 
in der Freude des wahrhaft auferstandenen Herrn!

Ihr/ Euer 
Frischer Wind



+      +      +

Samstag, 29. März 2014

Und führe uns nicht in Versuchung...

Oft schon bin ich von Gläubigen gefragt worden, warum uns Jesus Christus im Vaterunser beten heißt: „Und führe uns nicht in Versuchung“. Der himmlische Vater sei doch unendlich gut und liebevoll, und deshalb könne Ihm nichts ferner liegen, als Seine Kinder in Versuchung zu führen. Bedeute also diese Vaterunserbitte nicht eine geradezu beleidigende Unterstellung, ähnlich der Bitte einer Ehefrau an ihren stets treuen Gatten, er möge sie doch nicht betrügen? 

Die Bibelfesteren können sich hier sogar auf die Schrift berufen: „Keiner, der in Versuchung gerät“, schreibt der heilige Jakobus, „soll sagen: Ich werde von Gott in Versuchung geführt. Denn Gott kann nicht in die Versuchung kommen, Böses zu tun, und Er führt auch selbst niemanden in Versuchung.“ (Jak 1,13) 

Das freilich ergibt ein völlig anderes Bild als die Befürchtung, die in der Vaterunserbitte zu liegen scheint. Und so könnte man tatsächlich geneigt sein, die Worte „Und führe uns nicht in Versuchung“ durch andere zu ersetzen. 

Verschiedene Vorschläge dafür liegen denn auch vor. Manche greifen z.B. auf die frühere, immerhin bis in das Jahr 1967 offizielle Fassung des Herrengebetes in französischer Sprache zurück: Ne nous laissez pas succomber à la tentation, das bedeutet: „Lass uns nicht unterliegen in der Versuchung“, oder sie formulieren die Bitte einfach ein wenig um: „Und führe uns in der Versuchung.“ 

Entspricht diese Wortwahl nicht viel besser dem, was uns der Glaube über den himmlischen Vater sagt? Und lehrt sie uns nicht deutlich, wessen wir in der Versuchung besonders bedürfen: Seiner Führung, die uns ja auch im Gotteswort selbst zugesagt ist: „Mit Seinen Flügeln beschirmt Er dich, unter Seinen Fittichen bist du geborgen; Seine Treue ist dir ein schützender Schild, du musst nicht fürchten das nächtliche Grauen, nicht am Tage den fliegenden Pfeil, nicht die Pest, die umgeht im Dunkel, nicht die Seuche, die hereinbricht am Mittag – und fallen auch tausend an deiner Seite, zu deiner Rechten zehntausend, dich wird es nicht treffen“ (Ps 91,4-7)? 

Solche und ähnliche Überlegungen zu der problematischen Bitte sind nicht unberechtigt. Und dennoch lehrt uns Jesus nun einmal, mit exakt diesen Worten zu beten: „Und führe uns nicht in Versuchung“ (Mt 6,13). Auch in der Parallele des Lukasevangeliums (11,4) stehen sie nicht anders. Eine Veränderung des Wortlautes ist folglich, mag sie noch so gut gemeint und theologisch richtig sein, eine Deutung des Herrengebetes, aber nicht mehr dieses selbst. 

Stellt sich die Frage nach der Bedeutung der dunklen Formulierung. Sie zu beantworten, sollten wir uns klarmachen, dass die Ausdrücke „jemanden in Versuchung führen“ und „jemanden versuchen“ in gleichem Sinne verstanden werden können, jedoch nicht müssen. 

In der oben angeführten Stelle aus dem Jakobusbrief ist mit der Aussage „Ich werde von Gott in Versuchung geführt“ ganz offensichtlich gemeint: „Gott versucht mich.“ Im Vaterunser aber verhält es sich anders. Hier wird unser Blick auf jene allgemeine Führung gerichtet, die unser Herr uns unentwegt angedeihen lässt, und dann auf die Tatsache, dass unser Weg durch das Leben nicht ohne Versuchungen sein kann. Demnach führt uns Gott eben auch dorthin, wo der Teufel umherschleicht und sucht, wen er verschlinge (1 Petr 5,8). Selbst Seinen Sohn hat der himmlische Vater ja vom Heiligen Geist in die Wüste, den Ort der Versuchung, treiben lassen (vgl. Mk 1,12), doch das bedeutet mitnichten, Er selbst habe Jesus versucht! 

Wenn wir also darum beten, dass Er uns nicht in Versuchung führe, unterstellen wir Gott keineswegs versucherische Absichten. Wir erbitten von Ihm vielmehr eine Führung, die uns, soweit das möglich ist, vor feindlichen Bedrängnissen verschont. Vor allem soll Er solche Versuchungen von uns fernhalten, in denen wir fast zwangsläufig zu Fall kommen würden: die raffinierte Attacke des Satans in einer Lage, in wir ohnehin schon geschwächt sind; den Druck eines gewissenlosen und grausamen Vorgesetzten, der unsere Existenz bedroht, wenn wir ihm nicht in sündhaften Dingen zu Willen sind; eine verkommene und zugleich verlockende menschliche Umgebung, die unseren Widerstand unmerklich bricht und uns immer tiefer herabzieht... 

Am besten erklärt der heilige Paulus, was mit der Vaterunserbitte gemeint ist. „Wer darum steht, der sehe zu, dass er nicht falle“, mahnt er, fügt dann aber hinzu: „Gott ist treu. Er wird es nicht zulassen, dass ihr über eure Kräfte versucht werdet, sondern wird mit der Versuchung auch einen Ausgang schaffen, der euch das Ertragen ermöglicht.“ (1 Kor 10,12f.) 

Ja, Er wird unseren Absturz nicht zulassen und uns einen Ausgang schaffen, wenn wir Ihn demütig darum bitten. Genau das aber tun wir mit den Worten: „Und führe uns nicht in Versuchung“!


P. Bernward Deneke FSSP, Wigratzbad



Hinweise:
- mit freundlicher Genehmigung des Verfassers
- der Beitrag erschien bereits im Schweizerischen Katholischen Sonntagsblatt (SKS)

Samstag, 22. März 2014

Visionen

Von P. Bernward Deneke FSSP, Wigratzbad 

Was sollten der Präsident der USA, der Topmanager eines Pharmakonzerns, die Kulturbeauftragte einer Bank und ein neugewählter Bischof haben? Die Antwort ist einfach: Visionen! Denn ohne sie wird man heute nichts mehr, erreicht man nichts, bringt man nichts weiter. 
 
Wir leben in einem visionären Zeitalter, überall begegnen uns Visionen. Bei Martin Luther King lautete die Losung noch eher bescheiden: I have a dream. Jetzt aber reicht das nicht mehr aus. Nicht Träume, Visionen müssen es sein. Und wem keine gegeben sind, der macht sie sich eben selbst – oder lässt sie sich von anderen entwerfen. „Wir haben eine Vision für die nächsten Jahre entwickelt“, heißt es in so profanen Zusammenhängen wie der Marktstrategie einer Brauerei oder der Müllentsorgung. 
 
Der Wandel des Wortes Vision ist erstaunlich. Ursprünglich im religiösen, ja mystischen Bereich beheimatet, ist es inzwischen fast gleichbedeutend mit den Worten „Strategie“, „Programm“ und „Plan“ geworden, nur dass es ihnen gegenüber einen hohen, feierlichen Ton anschlägt. 
 
Selbst unter Christen verbindet man mit Visionen immer seltener übernatürliche Schauungen der Glaubensgeheimnisse. Ist z.B. davon die Rede, ein Bischof habe Visionen, wer stellt sich dann wohl einen Kirchenmann vor, der im einsamen Beten ergriffen die Welt Gottes schaut? Fast niemand. Nur bestimmten Kreisen bleibt es vorbehalten, noch heute unter Visionen zuallererst die himmlischen Gesichte begnadeter Seher zu verstehen. So krause und unglaubwürdig vieles davon auch sein mag, es kommt dennoch der eigentlichen Bedeutung von Vision näher als der augenblicklich moderne Gebrauch des Wortes. 
 
In der Heiligen Schrift spielt das Thema eine bedeutende Rolle. Das Alte Testament beschreibt, zumal in den prophetischen Büchern, eine nahezu unüberschaubare Fülle von eindrucksvollen, zuweilen dunklen und schwer verständlichen Schauungen. Im Neuen Testament hört das keineswegs auf. Petrus weist in seiner ersten Predigt am Pfingsttag mit den Worten des Propheten Joel darauf hin: „In den letzten Tagen wird es geschehen, spricht der Herr: Da will ich von meinem Geist ausgießen über alles Fleisch, und ihre Söhne und ihre Töchter werden weissagen, und die Jünglinge werden Gesichte schauen, und Greise werden Träume haben.“ (Joel 3,1; Apg 2,17)
 
Später wird Petrus durch eine dreimalige, eher unangenehme Vision darüber belehrt, dass er nichts von dem, was Gott für rein erklärt hat, unrein nennen soll (Apg 10,11-16). Im Heiligen Geist sieht der Erzmartyrer Stephanus „die Himmel offen und den Menschensohn zur Rechten Gottes stehen“ (Apg 7,55f.). Paulus wird auf dem Weg nach Damaskus durch eine leuchtende Vision Jesu Christi hingestreckt und bekehrt (Apg 9,4ff; 22,6ff; 26,13ff.), später sogar „bis zum dritten Himmel entrückt“, wo er „unsagbare Worte“ vernimmt, „die einem Menschen auszusprechen versagt sind“ (2 Kor 12,2-4). Von der Apokalypse des Johannes, in der zwischen der erschütternden Christusvision zu Beginn und der Schau des himmlischen Jerusalem am Ende eine Reihe gewaltiger Gesichte steht, braucht hier gar nicht gesprochen zu werden. 
 
Allen diesen Visionen ist eines gemeinsam: Sie sind nicht Menschenwerk, nicht vom Schauenden erdacht, entworfen und entwickelt, sondern stammen von oben. Sie handeln auch von dem, „was droben ist“, nämlich von Gottes Wesen, Willen und Werken. Und sie haben sich bewährt, indem sie der Prüfung des Glaubens und des Lebens standhielten und Frucht trugen für das Reich des Herrn. So sollte es während der ganzen Geschichte der Christenheit bleiben: Immer wieder hat es wirkliche Visionäre gegeben; gottverbundene Beter, denen unverdienterweise die Wahrheiten der Offenbarung in ihrer Herrlichkeit und Lebendigkeit gezeigt wurden und die daraus oft auch Aufträge für die Kirche empfingen. 
 
Denken wir nur an die heilige Juliana von Lüttich (1193-1258), der bereits in jungen Jahren das merkwürdige Bild der Mondscheibe mit einem schwarzen Streifen gezeigt wurde. Erst später erklärte ihr eine Stimme, das Geschaute stehe für den Kreis des Kirchenjahres, in dem noch eine Lücke klaffe: das fehlende Fest zu Ehren des Allerheiligsten Altarsakramentes! Die Botschaft, die Juliana der kirchlichen Hierarchie zu künden hatte, brachte ihr vor allem Spott und Ablehnung, Leiden und Vertreibung ein. Aber ihre Vision bestand den Härtetest; noch zu Lebzeiten der Heiligen wurde in Lüttich 1246 das erste Fronleichnamsfest gefeiert. Bald sollte es sich über den ganzen Erdkreis ausdehnen. 
 
Die vorsichtige, prüfende Haltung der Kirche gegenüber derartigen Phänomenen ist notwendig und hat sich zigfach bewährt. Sie entspricht der Aufforderung des Völkerapostels, prophetische Rede, die ja oft die Folge echter Schauungen ist, nicht zu verachten, alles zu prüfen, das Gute aber zu behalten (1 Thess 5,20f.). Umso wichtiger ist es, die besonderen Gaben Gottes nicht mit jenen „Visionen“ zu verwechseln, die heute leichtfertig in aller Munde sind.




Hinweise:
- mit freundlicher Genehmigung des Verfassers
- der Beitrag erschien bereits im Schweizerischen Katholischen Sonntagsblatt (SKS)
- Bild: Vision des hl. Evangelisten Johannes auf Patmos; Jan van Memmelynghe (etwa –1494)

Freitag, 3. Januar 2014

Dialog über die Unauflöslichkeit der Ehe

Anlässlich des Postings "Pastorale Wege nur im Licht der Wahrheit der Glaubenslehre möglich" (hier) entspann sich im Kommentarbereich ein nicht uninteressanter Dialog über das göttliche Gebot von der Unauflöslichkeit der Ehe. Nicht uninteressant deswegen, weil es noch einmal notwendige Unterscheidungen deutlich macht, die wichtig sind, um den Streit im deutschen Katholizismus, der um das Ehesakrament tobt, besser einordnen zu können. Mir unsachlich erscheinende Aussagen beider Seiten habe ich weggelassen... Ergänzt habe ich einige sachdienliche Links.



Anonym:
Als ob diese verallgemeinernden Pauschalisierungen des KKK über den konkreten Fall einer gescheiterten Ehe urteilen könnte. Vielleicht ist Anmaßung und die Vereinnahmung Gottes die schwerwiegendere Sünde als die Sehnsucht des gescheiterten Christen nach Christus in der Kommunion!


Frischer Wind an  @Anonym:
1. Ich sehe keinen Grund, warum die „Sehnsucht eines gescheiterten Christen nach Christus in der Kommunion“ eine Sünde sein sollte. Aber vielleicht meinen Sie etwas ganz anderes?

2. Rein theoretisch: Wenn „Anmaßung und die Vereinnahmung Gottes Sünde“ wäre, wie könnte diese Sünde noch schwerwiegender sein, als eine Todsünde? Schlimmer geht nimmer…

3. Die oben angeführten Artikel aus dem KKK handeln nicht über die Ehe, sondern sprechen von den Voraussetzungen und Wirkungen des Kommunionempfangs, bzw. erläutern, was eine Todsünde ist. Sie erheben also gar nicht den Anspruch, über eine gescheiterte Ehe zu urteilen.

4. Der KKK enthält keine „verallgemeinernden Pauschalisierungen“ (was übrigens auch noch ein Pleonasmus ist) um über irgendwelche konkreten Fälle zu urteilen, sondern er ist „Bezugstext für eine aus den lebendigen Quellen des Glaubens erneuerte Katechese“. Eine Zusammenfassung und Erklärung dessen, was wir glauben und was aus diesem Glauben folgt. Man könnte auch sagen: ein Nachschlagewerk über unseren Glauben, den wir in die Tat umzusetzen berufen sind. In der Tat befasst sich der Katechismus in der Regel nicht mit konkreten Fällen, sondern ist deshalb allgemein gehalten, weil er die Grundlagen christlichen Handelns darlegt.

Um den „konkreten Fall“ zu klären, ist dasen Kirchrecht (CIC) besser gerüstet.

5. Sie können trefflich über meinen Gnadenstand oder den von Erzbischof Müller oder Kardinal Kasper oder von wem immer sie wollen, spekulieren, und selbst wenn ich in Todsünde lebte: würde das an oben genannten Tatsachen nichts ändern. Diese Tatsachen haben weder mit „Anmaßung“ zu tun, noch mit der „Vereinnahmung Gottes“, es ist schlicht die Lehre der Kirche.

Niemandem wird der katholische Glaube aufgezwungen. Es steht Ihnen frei, zwischen diesem und anderen zu wählen. Wir sollten uns von der Empörung freimachen, derer sich manche bemächtigt fühlen, sobald ihnen jemand diesen Hinweis gibt. Es ist ein Akt der Wahrhaftigkeit, einzugestehen, dass man den Glauben der katholischen Kirche nicht teilt (wenn denn dem so ist). Das andere wäre m. E. Heuchelei oder (Selbst-)Täuschung. Es ist auch eine Gewissensentscheidung. Wenn für Sie die Lehre der Kirche, so wie sie das Lehramt zu glauben vorlegt, nicht richtig zu sein scheint und deshalb für Sie nicht maß-geblich (!) ist, so müssen Sie ihrem Gewissen folgen und dem folgen, was Sie stattdessen als richtig und wahr erkannt haben (die katholische Religion scheint für Sie ja dann nicht wahr zu sein). Wenn Sie demnächst die Wahrheit in der katholischen Religion erkennen (wieder entdecken), so können Sie auch jederzeit wieder zum Glauben der Kirche zurückkehren. Es ist doch keine Schande, seinem Gewissen zu folgen, nur: ehrlich sollte man sein. Nicht möglich ist, dass die Kirche den katholischen Glauben Ihrem Geschmack anpasst.

Seiner (!) Kirche hat Jesus Christus aufgetragen, zu allen Völkern zu gehen, sie zu seinen Jüngern zu machen und zu taufen und er fügte hinzu: „…und lehrt sie alles zu befolgen, was ich euch geboten habe. Seid gewiss: Ich bin bei euch alle Tage bis zum Ende der Welt.“ Mt 28,19f


Anonym:
Wo sagt Jesus denn, dass eine geschiedene Frau nicht mehr heiraten darf? Und diese wiederverheiratete Frau zu verurteilen, da bleibe ich dabei, ist anmaßend!


Frischer Wind an  @Anonym:
Niemand verurteilt die Frau, aber es steht fest, dass der Ehepartner (ob Mann oder Frau, hier sind beide gleich betroffen) gegen Gottes Gebot handelt. Gott hat aber die Gebote gegeben, damit der Mensch lebe, zum Heil des Menschen (vgl. Predigt des Papstes).

Handelt der Mensch Gottes Geboten entgegen (sündigt er), muss er auch die Konsequenzen daraus tragen und alle Gläubigen hoffen mit ihm, dass er bald zu Gott zurückkehren möge. Die ganze Kirche betet für die Sünder, die wir alle sind – für ihre Umkehr, aber sie maßen sich nicht an (und jetzt sind wir bei dem, was „anmaßend“ ist bzw. wäre!), Gottes Gebote außer Kraft zu setzen oder zu ignorieren.

Es hat gar nichts mit „verurteilen“ zu tun, vielmehr ist es ein geistliches Werk der Barmherzigkeit, den Mitbruder, die Mitschwester über den Sachverhalt aufzuklären und zu warnen.
(s. Die Werke der Barmherzigkeit)
Nun zu Ihrer Frage, wo denn Jesus sagt, dass eine geschiedene Frau nicht mehr heiraten dürfe. Folgende Textstellen z.B. sprechen hier ganz unzweideutig:

Mk 10,11f:
„Er antwortete ihnen: Wer seine Frau aus der Ehe entlässt und eine andere heiratet, begeht ihr gegenüber Ehebruch. Auch eine Frau begeht Ehebruch, wenn sie ihren Mann aus der Ehe entlässt und einen anderen heiratet. Mk 10,11f

und

1 Kor 7,10:
Den Verheirateten gebiete nicht ich, sondern der Herr: Die Frau soll sich vom Mann nicht trennen - wenn sie sich aber trennt, so bleibe sie unverheiratet oder versöhne sich wieder mit dem Mann - und der Mann darf die Frau nicht verstoßen.

Die Kirche hat im Jahre 1563 nach evangelischer und apostolischer Lehre folgendes Dogma, d h.. einem Glaubenssatz, dem jeder Gläubige zustimmen kann, über die Unauflöslichkeit der Ehe (bis zum Tode des einen Ehepartners) verkündet:

“Wer sagt, die Kirche irre, wenn sie gelehrt hat und lehrt: Nach evangelischer und apostolischer Lehre (Mt 19, 6 ff; Mk 10, 6 ff; 1 Kor 7, 10 ff) könne wegen eines Ehebruchs des einen Ehegatten das eheliche Band nicht gelöst werden und beide, auch der unschuldige Teil, der keinen Anlaß zum Ehebruch gegeben hat, könne zu Lebzeiten des andern Ehegatten keine andere Ehe eingehen; und der Mann begehe einen Ehebruch, der nach Entlassung der ehebrecherischen Frau eine andere heirate, ebenso die Frau, die nach Entlassung des ehebrecherischen Mannes sich mit einem anderen vermähle, der sei ausgeschlossen.”

(Josef Neuner, Heinrich Roos, Der Glaube der Kirche in den Urkunden der Lehrverkündigung, neubearbeitet von Karl Rahner und Karl-Heinz Weger, 12. Auflage, Regensburg 1986, S. 473)


Anonym: 
Sie wissen hoffentlich, dass es jüdischen Frauen unmöglich war, ihre Männer aus der Ehe zu entlassen. Dieser Vers ist Jesus aus heidenchristlicher Perspektive in den Mund gelegt! Und wenn Sie das 7. Kapitel des Korintherbriefes einmal weiter lesen, dann erfahren Sie von Paulus auch, dass Ehen aufgelöst werden können. So viel zum Gesetz Gottes!


Frischer Wind an  @Anonym:
Im Judentum hatte - durch eine von Mose gegebene Dispens - nur der Mann das Recht, einen Scheidebrief auszustellen und die Frau aus der Ehe zu entlassen (von Mose gegen die ursprünglich von Gott gegebene Absicht erlaubt, „nur weil ihr so hartherzig seid“, wie Jesus betont).

„In der griechisch-römischen Welt zur Zeit Jesu aber war auch der Frau das Recht zuerkannt, Scheidung zu beantragen und den Mann zu verlassen. Dies fand auch in Judentum Eingang.“ Denken Sie nur an das Beispiel der Herodias, die mit König Herodes in verbotener Ehe lebte. Das war ja auch der Grund, weshalb Johannes der Täufer letztlich auf „Wunsch“ der Herodias hingerichtet wurde: Er hatte es gewagt, festzustellen, dass es dem Herodes nicht erlaubt war, die (geschiedene) Frau seines Bruders zu ehelichen. „Daher ist es nicht nötig im Vers Mk 10,12 eine Beifügung des Evangelisten zu sehen, der damit Jesu Lehre auf die Verhältnisse in Rom übertragen habe.“ (Zitate vgl. Echter-Bibel)

Entgegen einer unwissenschaftlichen und mit nichts zu erhärtender Spekulation, der Verfasser des Evangeliums (oder gar jemand anderes) habe den Vers Mk 10,12 Jesus „aus heidenchristlicher Perspektive in den Mund gelegt“, ist es vielmehr denkbar und wahrscheinlich, dass Jesus öfter auch von dieser Scheidungspraxis im Umfeld des Judentums gesprochen hat, Markus die Worte Jesu in diesem Zusammenhang wichtig erachtete und sie deshalb auch überlieferte. Es ist also davon auszugehen, dass es ein authentisches Wort Jesu ist.

Was Ihren zweiten Einwand angeht, man solle den Korintherbrief weiterlesen, um festzustellen, „dass Ehen aufgelöst werden können!“, dann stelle ich fest, ist es an der Zeit, sich klarzumachen, wovon wir hier überhaupt reden.

Das, was Paulus nämlich im Anschluss beschreibt ist das, was man das „Paulinische Privileg“ nennt. Kurz gefasst heißt das, dass eine (naturrechtliche, nichtsakramentale, weil von Ungläubigen miteinander geschlossene) Ehe aufgelöst werden kann, wenn sich von den beiden nichtchristlichen Ehepartnern der eine zum Christentum bekehrt, der andere aber nicht, und dieser zweite nun durch das Glaubensleben seines Ehepartners beeinträchtigt ist, und deshalb die Ehe nicht weiterführen will. Von solcherart Ehe geht es aber in der Diskussion um die Ehescheidung im kirchlichen Bereich nicht.

Es geht in der Diskussion um Ehescheidung und Wiederverheiratung im kirchlichen Bereich (also das, wovon z.B. die im Oktober veröffentlichte Handreichung des Bistums Freiburg handelt) nur um die sakramentale, gültig geschlossene und vollzogene Ehe! Alles andere sind (seltene) Sonderformen, die hier nicht behandelt werden. Dies zu vermischen, kommt dem Werfen von Nebelkerzen gleich.

Nochmals: das, was Paulus im Anschluss an 1 Kor 7,11 sagt, betrifft nicht die Diskussion die wir hier führen. Uns interessiert bei der Diskussion die sakramentale, gültig geschlossene und vollzogene Ehe. Diese ist von keiner Macht der Welt auflösbar, denn Gott selbst hat das Eheband geknüpft und es nicht in die Verfügbarkeit des Menschen gelegt, so wie Jesus es vor den Pharisäern bestätigt:
„Am Anfang der Schöpfung aber hat Gott sie als Mann und Frau geschaffen. Darum wird der Mann Vater und Mutter verlassen, und die zwei werden ein Fleisch sein. Sie sind also nicht mehr zwei, sondern eins. Was aber Gott verbunden hat, das darf der Mensch nicht trennen.“ (Mk 10,6-9)

Diese Verbindung ist ein Abbild der Verbindung von Gott mit den Menschen, von Christus und der Kirche, und auch das zeigt, dass eine Trennung und die Vereinigung mit einem Anderen nichts anderes als Untreue und Ehebruch wäre. Die Unauflöslichkeit der sakramentalen, gültig geschlossenen und vollzogenen Ehe ist ein göttliches Gebot und deswegen nicht verhandelbar – und nicht zu vergessen, auch wenn das in der konkreten Situation oft nicht einzusehen ist – zum Wohle und zum Heil des Menschen.



Anonym:
Ihre Ausführungen sind ein Ausbund an Übertragungen unserer Zeit in die des frühen Christentums, all Ihre Vokabeln und Vorstellungen gab es da noch gar nicht. Sakramentale Ehe, wo gab es die zur Zeit Jesu? Zur Zeit des Paulus? Ihr Beleg der Herodias belegt nur, dass die Scheidung durch eine Frau gerade nicht möglich war, ohne gegen das jüdische Recht zu verstoßen. Alles in allem legen Sie sich die Dinge so zurecht, wie Sie sie aus heutiger Sicht gerne hätten. Hier ein authentisches Jesuswort zu sehen ist grotesk und hat mit Exegese nichts zu tun. Es gibt absolut keinen historischen Beleg für ein Scheidungspraxis von Frauen im Judentum.


Frischer Wind an  @Anonym:
Natürlich hat sich der Glaube und seine Ausdrucksweise im Laufe der Zeit unter dem Beistand des Heiligen Geistes entfaltet und ent-wickelt. Deshalb sind manche „Vokabeln“ erst später entstanden, sie drücken aber das aus, was schon im frühen Christentum angelegt war. Ebenso ist es mit den „Vorstellungen“, die sich zwar ausge-bildet haben, aber auch schon im frühen Christentum vorhanden waren (vgl. Joh 14,26). Das ist das, was man in der Kirche auch als "lebendige Tradition" bezeichnet.

Schließlich war das Christentum nicht so gedacht, auf dem Stand des Jahres 33 oder 50 stehenzubleiben, sondern es war ein Keim gelegt, der sich ausformt, um sich über die ganze Erde in allen Völkern und Kulturen auszubreiten und diejenigen zu sammeln, die sich Christus anschließen wollen um mit ihm durch sein Leiden und Sterben in die Herrlichkeit der Auferstehung zum ewigen Leben mit Gott einzugehen. Wir bleiben nicht im Frühchristentum stehen, sondern sind ein pilgerndes Gottesvolk auf dem Weg zum Himmel.
(Was Sie vertreten, das Verharren auf "Vokabeln und Vorstellungen" der frühchristlichen Zeit, das wäre die Position eines toten, starren Traditionalismus.)

Die Mittel, auf dem Weg voranzukommen, erfüllt mit Gottes lebendigmachendem Geist und heiligmachender Gnade, diese Mittel hat Gott der Kirche anvertraut in den Sakramenten.

Sie fragen: „Sakramentale Ehe, wo gab es die zur Zeit Jesu? Zur Zeit des Paulus?“
Ich schließe aus Ihrer Frage, dass Sie nicht katholisch sind, denn sonst wüssten Sie, dass Jesus Christus selbst sieben Sakramente (darunter auch das der Ehe!) eingesetzt hat. Er ist Ursprung und Urgrund der Sakramente des Kirche:
„Im Anschluß an die Lehre der heiligen Schriften, die apostolischen Überlieferungen und die übereinstimmende Auffassung ... der Väter" bekennen wir, daß „die Sakramente des Neuen Bundes ... alle von unserem Herrn Jesus Christus eingesetzt" sind (Konzil von. Trient: DS 1600-1601) (KKK 1114)

Durch den Geist, der sie „in die ganze Wahrheit" führt (Joh 16, 13), hat die Kirche nach und nach dieses von Christus erhaltene kostbare Vermächtnis erkannt und dessen „Ausspendung" genauer bestimmt, so wie sie dies als treue Verwalterin der Mysterien Gottes [Vgl. ML 13,52; 1 Kor 4, 1] in bezug auf den Kanon der heiligen Schriften und der Glaubenslehre getan hat. So hat die Kirche im Laufe der Jahrhunderte erkannt, daß es unter ihren liturgischen Feiern sieben gibt, die im eigentlichen Sinn vom Herrn eingesetzte Sakramente sind. (KKK1117)

Das Ehesakrament bildet hier also keine Ausnahme. Es bezeichnet die Liebe zwischen Christus und der Kirche, bezeichnet dessen Gnade und teilt diese mit. Die „christliche Ehe ist eine Frucht des Kreuzes Christi“. (KKK1612-1617) Folglich war auch zu frühchristlichen Zeiten eine Ehe zwischen Getauften eine sakramentale Ehe, auch wenn es diese Bezeichnung dafür noch nicht ausdrücklich gab. das Bewusstsein dafür, und das sieht man an den Ausführungen des hl. Paulus, war bereits da.
Zu Ihrer Meinung, ich würde mir die Dinge so zurechtlegen, wie ich sie aus heutiger Sicht gerne hätte, muss ich Ihnen widersprechen. Ich behaupte lediglich, was die Kirche in Ihrer durch zwei Jahrtausende gereiften Weisheit dazu sagt. Sie können das alles im Katechismus oder anderen einschlägigen Werken erfahren und vertiefen.

Sie allerdings, das muss in diesem Zusammenhang denn doch gesagt werden, biegen sich Ihre eigene Auslegung des Glaubens und sogar der Heiligen Schrift zurecht. Die Kirche folgt aber nicht den privaten Meinungen irgendwelcher selbsternannten Ausleger, sondern folgt dem vom Heiligen Geist geleiteten Lehramt. Das ist die Garantie für den authentischen von den Aposteln überkommenen Glauben. Wenn man sieht, wie zerstritten und uneins die Theologen in ihren Meinungen sind, so können wir doch sehr froh sein über die göttliche Einrichtung des katholischen Lehramtes.

Ich bin ein wenig überrascht, dass Sie nicht gleich mitgeteilt haben, dass Sie nicht katholisch sind. Das macht die Diskussion etwas schwieriger, da wir kein gemeinsames Fundament haben, auf dem wir einig wären und aufbauen könnten. Wenn Sie guten Willens sind, werden Sie aber die hier angeführten Argumente erwägen und verstehen können. Versuchen Sie, sich einfach für das Wirken des Heiligen Geistes in Ihnen zu öffnen.

Da ich Ihnen hier nicht den gesamten Glauben erklären kann – soweit man ihn überhaupt erklären kann – halte ich es für am sinnvollsten, dass Sie sich einen Katechismus (Katechismus der katholischen Kirche oder Youcat) kaufen, falls Sie noch keinen haben, oder ihn sich z. B. zu Weihnachten schenken lassen. Vielleicht wird Ihnen dann die Schönheit und Stimmigkeit des katholischen Glaubens aufleuchten. Bei Interesse am Katholisch-Werden wenden Sie sich am besten an einen rechtgläubigen Priester in Ihrer Nähe, der Ihnen ganz bestimmt gerne weiterhilft.

Noch kurz zum „Beleg der Herodias“: Herodias hatte ihren Mann verlassen, um ihren Schwager Herodes Antipas zu heiraten, der seinerseits eine Frau verstieß, um frei zu sein für Herodias. Das zeigt, dass es in – wenn auch nicht sehr frommen – jüdischen Kreisen (zu denen die Familie Herodes gehörte) offensichtlich vorkam, dass Frauen ihre Männer verließen. So wie heute die Ehescheidung und Wiederverheiratung bei vielen keine Reaktion mehr auslöst und nachgeahmt wird, in anderen, vielleicht gottesfürchtigeren Kreisen aber doch noch Widerstand findet, so wird es auch damals gewesen sein. Johannes der Täufer, der sich noch des Willens Gottes bewusst war und diesen laut verkündete, protestierte deshalb gegen die Missachtung des göttlichen Willens in weniger frommen Kreisen (heute würde man den lästigen heiligen Rufer der Unbarmherzigkeit zeihen…).



Linkliste zum Thema "Wiederverheiratete Geschiedene" und Zulassung zum Kommunionempfang

Montag, 28. Oktober 2013

Prof. Georg May: Die andere Hierarchie - Teil 2:. Der Unterschied zwischen Klerus und Laien

Prof. Dr. Georg May

Die andere Hierarchie

Teil 2


Verlag Franz Schmitt Siegburg AD 1997

 

II.  Der Unterschied zwischen Klerus und Laien


1. Gleichheit der Würde als Christen

Die Kirchenglieder werden unterschieden in Kleriker und Laien. Wer eine Weihe empfangen hat, gehört zum Klerus. Die Nichtgeweihten werden als Laien bezeichnet. Kleriker und Laien bilden zusammen das Volk Gottes.

Die Unterscheidung von Klerikern und Laien enthält keinerlei Beurteilung der einen wie der anderen. Kleriker und Laien unterscheiden sich nicht in bezug auf ihren Wert oder ihre Würde als Christen. Zwischen ihnen waltet vielmehr "eine wahre Gleichheit in der allen Gläubigen gemeinsamen Würde und Tätigkeit zum Aufbau des Leibes Christi" (LG Nr 32; c 208). Alle Getauften sind in ihrer Weise des Amtes Christi als Priester, Prophet und König teilhaftig. Alle sind gerufen, je nach ihrer eigenen Lage die Sendung der Kirche auszuführen (c. 204 §1). Alle Gläubigen arbeiten je nach ihrer Lage zum Aufbau des Leibes Christi mit.

Das Amt beinhaltet lediglich einen besonderen göttlichen Auftrag und eine gesteigerte Verpflichtung, nicht einen menschlichen Vorzug seines Trägers. Auch der Kleriker bedarf zur Erlangung seines eigenen Heils der Dienste eines anderen Geweihten.


2.  Das Amt

Die Kirche ist von Jesus Christus gestiftet. Eine Stiftung unterliegt dem Willen des Stifters, nicht dem Willen ihrer Mitglieder oder Destinatäre. Der Herr, der die Kirche gestiftet hat, hat sie danach nicht verlassen. Er leitet und belebt sie in unsichtbarer Weise, wozu er sich der Mitglieder der Hierarchie bedient.

In der Kirche geht nicht alle Macht vom Volke, sondern von Jesus Christus aus. In ihr gibt es keine Volkssouveränität sondern in ihr gibt es Gottes Souveränität. In der Kirche wird die Autorität nicht von unten nach oben übertragen, sondern mit Hilfe des Wirkens Gottes von oben nach unten verliehen. Wahrheit und Gnade stehen nicht zur Disposition des Volkes oder einer Mehrheit. Auch die Amtsträger sind lediglich Diener Christi und Mitarbeiter Gottes. Dieser Sachverhalt wird am Apostolat deutlich.

Der Apostel repräsentiert Christus, steht und handelt an Christi Stelle. Paulus schreibt in 2 Kor 5,20: "An Christi Statt sind wir also gesandt, indem Gott durch uns ermahnt. Wir bitten an Christi Statt: Lasst euch versöhnen mit Gott." Wenn der Apostel Christus, den Stifter der Kirche, in seinem Sein und in seinem Handeln repräsentiert, dann ist ihm auch - freilich in abgeleiteter Weise - Autorität zu eigen. Als Inhaber der Autorität darf er Gehorsam von der Gemeinde fordern (2 Kor 10,5). Was von den Aposteln gilt, das findet auch auf ihre Nachfolger Anwendung. Wer in der apostolischen Sukzession steht, gewinnt am Amte Christi Anteil.



Fortsetzung folgt in unregelmäßigen Abständen

Predigten von Prof. Georg May: bitte hier klicken!

Montag, 14. Oktober 2013

Unruhig...


In einer anderen Welt ist es anders, aber hienieden heißt leben sich wandeln und vollkommen sein heißt, sich oft gewandelt haben.

John Henry Newman


Bild: Bekehrung Pauli auf dem Weg nach Damaskus; 1767

Donnerstag, 26. September 2013

Papst Franziskus: Über das Lehramt

Als Dienst an der Einheit des Glaubens und an seiner unversehrten Weitergabe hat der Herr der Kirche die Gabe der apostolischen Sukzession geschenkt. Durch sie wird die Kontinuität des Gedächtnisses der Kirche gewährleistet und ist es möglich, sicher aus der reinen Quelle zu schöpfen, aus der der Glaube kommt.

Die Garantie der Verbindung mit dem Ursprung wird also von lebendigen Personen gegeben, was dem lebendigen Glauben entspricht, den die Kirche weitergibt. Er stützt sich auf die Treue der Zeugen, die vom Herrn für diese Aufgabe ausgewählt werden. Deshalb spricht das Lehramt immer in Gehorsam gegenüber dem ursprünglichen Wort, auf das sich der Glaube gründet; und es ist verlässlich, weil es dem Wort vertraut, das es hört, bewahrt und auslegt.(1)

In seiner Abschiedsrede an die Ältesten von Ephesus in Milet, die vom heiligen Lukas in die Apostelgeschichte aufgenommen wurde, bezeugt der heilige Paulus, den ihm vom Herrn anvertrauten Auftrag erfüllt zu haben, »den ganzen Willen Gottes zu verkünden« (Apg 20,27). Dank des Lehramts der Kirche kann dieser Wille unversehrt auf uns kommen und mit ihm die Freude, ihn vollkommen zu erfüllen.


(1) Vgl. II.Vat. Konzil, Dogmatische Konstitution über die göttliche Offenbarung Dei Verbum, 10


Papst Franziskus in der Enzyklika "Lumen fidei"(29.06.2013)

  

Zum Thema "Lehramt" s. auch:


Freitag, 30. August 2013

Wie Erneuerung geht...

Die Heiligen - Vorbilder für jede Erneuerung

"Liebe Freunde, es bleibt dabei: Die Gleichgestaltung mit Christus ist Voraussetzung und Grund aller Erneuerung. Aber vielleicht erscheint uns manchmal die Gestalt Jesu Christi zu hoch und zu groß, als daß wir wagen könnten, daran Maß zu nehmen. Der Herr weiß das. Deshalb hat er für Übersetzungen in Größenordnungen gesorgt, die uns zugänglicher und näher sind.

Paulus hat aus eben diesem Grund seinen Gemeinden ohne Scheu gesagt: Ahmt mich nach, ich aber gehöre Christus. Er war für seine Gläubigen eine Übersetzung von Christi Lebensstil, die sie sehen und der sie sich anschließen konnten. Seit Paulus hat es die ganze Geschichte hindurch immerfort solche Übersetzungen von Jesu Weg in geschichtliche Lebensgestalten hinein gegeben.

Wir Priester können an eine große Schar heiliger Priester denken, die uns als Wegweiser vorangehen: von Polykarp von Smyrna und Ignatius von Antiochien angefangen, über die großen Seelsorger Ambrosius, Augustinus und Gregor dem Großen bis hin zu Ignatius von Loyola, Karl Borromäus und bis zu Johannes Maria Vianney und den Priestermärtyrern des 20. Jahrhunderts und schließlich bis zu Papst Johannes Paul II., der im Tun und Leiden die Gleichgestaltung mit Christus uns als „Gabe und Geheimnis“ vorgelebt hat.

Die Heiligen zeigen uns, wie Erneuerung geht und wie wir ihr dienen können. Und sie lassen uns auch wissen, daß Gott nicht auf die große Zahl und auf die äußeren Erfolge schaut, sondern seine Siege im demütigen Zeichen des Senfkorns erringt."


Papst Benedikt XVI. an die anwesenden Priester bei der Chrisammesse am Gründonnerstag, den 05.04.2012 im Petersdom



Foto: Johannes tauft Christus im Jordan; Glasfenster im Limburger Dom;   © FW

Sonntag, 14. Juli 2013

Wir heißen Kinder Gottes und wir sind es...

Lesung zum 17. Sonntag nach Pfingsten (Vetus Ordo):

Aus dem Brief des Apostel Paulus an die Römer, Kap. 8,12-17
Wir sind also nicht dem Fleisch verpflichtet, Brüder, so dass wir nach dem Fleisch leben müssten. Wenn ihr nach dem Fleisch lebt, müsst ihr sterben; wenn ihr aber durch den Geist die (sündigen) Taten des Leibes tötet, werdet ihr leben. Denn alle, die sich vom Geist Gottes leiten lassen, sind Söhne Gottes.

Denn ihr habt nicht einen Geist empfangen, der euch zu Sklaven macht, so dass ihr euch immer noch fürchten müsstet, sondern ihr habt den Geist empfangen, der euch zu Söhnen macht, den Geist, in dem wir rufen: Abba, Vater! So bezeugt der Geist selber unserem Geist, dass wir Kinder Gottes sind. Sind wir aber Kinder, dann auch Erben; wir sind Erben Gottes und sind Miterben Christi, wenn wir mit ihm leiden, um mit ihm auch verherrlicht zu werden.

Weiteres zum Thema "Gotteskindschaft":
 
+      +      +


Das Gebet, das der Herr uns zu beten gelehrt hat (vgl. Mt 6,9–13 und Lk 11,2–4):

Vater unser im Himmel,
geheiligt werde Dein Name.
Dein Reich komme,
Dein Wille geschehe,
wie im Himmel, so auf Erden.
Unser tägliches Brot gib uns heute,
und vergib uns unsere Schuld, 
wie auch wir vergeben unsern Schuldigern.
Und führe uns nicht in Versuchung,
sondern erlöse uns von dem Bösen. 
Amen.


Lateinischer (universalkirchlicher) Text:

Pater noster, qui es in caelis:
sanctificetur nomen tuum.
Adveniat regnum tuum.
Fiat voluntas tua,
sicut in caelo, et in terra.
Panem nostrum quotidianum da nobis hodie.
Et dimitte nobis debita nostra,
sicut et nos dimittimus debitoribus nostris.
Et ne nos inducas in tentationem,
sed libera nos a malo.
Amen.

Bild: Taufbecken im hohen Dom (Notre Dame) zu Augsburg; ©  FW

Mittwoch, 15. Mai 2013

Papst Franziskus ruft auf zu Gebet für Priester und Bischöfe

In der heutigen Tagespredigt empfahl der Hl. Vater, untenstehenden Text aus der Apostelgeschichte zu lesen und für die Priester und Bischöfe zu beten, damit sie stets Hirten bleiben und nicht zu Wölfen werden. Franziskus sagte:
„Lest diesen schönen Abschnitt und betet dabei, betet für die Bischöfe und Priester. Wir brauchen das so sehr, um treu zu bleiben, um Männer zu sein, die über die Herde und auch über uns selbst wachen, die Wache halten, Männer, deren Herz stets auf ihre Herde ausgerichtet ist“. 

Aus der Apostelgeschichte 20,28-38:
Gebt Acht auf euch und auf die ganze Herde, in der euch der Heilige Geist zu Bischöfen bestellt hat, damit ihr als Hirten für die Kirche Gottes sorgt, die er sich durch das Blut seines eigenen Sohnes erworben hat.

Ich weiß: Nach meinem Weggang werden reißende Wölfe bei euch eindringen und die Herde nicht schonen. Und selbst aus eurer Mitte werden Männer auftreten, die mit ihren falschen Reden die Jünger auf ihre Seite ziehen. Seid also wachsam und denkt daran, dass ich drei Jahre lang Tag und Nacht nicht aufgehört habe, unter Tränen jeden einzelnen zu ermahnen.

Und jetzt vertraue ich euch Gott und dem Wort seiner Gnade an, das die Kraft hat, aufzubauen und das Erbe in der Gemeinschaft der Geheiligten zu verleihen. Silber oder Gold oder Kleider habe ich von keinem verlangt; ihr wisst selbst, dass für meinen Unterhalt und den meiner Begleiter diese Hände hier gearbeitet haben. In allem habe ich euch gezeigt, dass man sich auf diese Weise abmühen und sich der Schwachen annehmen soll, in Erinnerung an die Worte Jesu, des Herrn, der selbst gesagt hat: Geben ist seliger als nehmen.

Nach diesen Worten kniete er nieder und betete mit ihnen allen. Und alle brachen in lautes Weinen aus, fielen Paulus um den Hals und küssten ihn; am meisten schmerzte sie sein Wort, sie würden ihn nicht mehr von Angesicht sehen. Dann begleiteten sie ihn zum Schiff.




Bild: Hl. Apostel Paulus; Paolo Veneziano, Mitte 14. Jh.

Montag, 15. April 2013

Das Eigentliche - die Achse der Welt: Das Kreuz

Der Gekreuzigte ist die wahre Weisheit (5)

Fortsetzung von hier
 
Damit kommen wir zu einem letzten Punkt in der Lesung, der uns auch wieder zum Evangelium zurückführt. Was erkennen wir in der Erkenntnis, die aus Glaube und Liebe hervorwächst? Letzten Endes möchten wir immer das Ganze erkennen - das, "was die Welt im Innersten zusammenhält"; das, worauf es ankommt im Leben und im Sterben.

Wir wissen viele Details, aber je mehr Einzelheiten wir wissen, desto weniger wissen wir von dem, was Weisheit will, was wir alle wollen: das Eigentliche zu erkennen, den inneren Zusammenhang, die Ganzheit des Wirklichen.

Paulus gebraucht hier eine merkwürdige Formel, die er vielleicht einer schon vorhandenen Tradition entnommen, aber ganz von Christus her gedeutet hat. Wer dem inneren Menschen nach reif wird, erkennt die Breite und Länge, die Höhe und Tiefe. Das will sagen: Er erkennt alle Dimensionen der Wirklichkeit.

Aber bei Paulus ist dieses Wort von Breite und Länge, von Höhe und Tiefe ein Hinweis auf das Kreuz Christi, auf die vier Balken des Holzes, an dem er ausgespannt war. Das bedeutet: Wer das Kreuz erkennt, den Gekreuzigten, der hat das Ganze erkannt. Der hat die eigentliche Achse der Welt erfasst, das, was alles trägt und zusammenhält; das Eigentliche, worum es geht.

Das Kreuz ist die Antwort. Der Gekreuzigte ist die wahre Weisheit. Und so fügt denn auch Paulus erklärend hinzu: Zuletzt mündet die Erkenntnis in der Liebe Christi, die größer ist als alles Erkennen. Lieben ist mehr als Erkennen. Das Auge der Liebe reicht weiter als da Auge des Verstandes. Denn Gott ist die Liebe, und nur im Mitlieben erkennen wir ihn.

Das Kreuz aber ist Gottes Mitlieben mit uns und für uns - die wahre Weltformel. Erkenntnis, die nicht in die Demut des Kreuzes mündet, geht am Wesentlichen vorbei.

So sind wir wieder beim Evangelium vom letzten Platz angelangt: Der Sohn Gottes, er, der wahrhaft der Erste ist, hat den letzten Platz in Gastmahl der Schöpfung eingenommen: das Kreuz.

Diese Demut Gottes ist es, die unseren Hochmut umwirft und unsere Krankheit heilt. Die Kraft dieser Demut und der in ihr verborgenen Liebe ist es, durch die Christus den Wassersüchtigen - uns alle  - bei der Hand nimmt und uns heilt. Christi Heilen ist nicht Vergangenheit, sondern im Sakrament der Buße nimmt er uns bei der Hand und heilt uns durch das Wort der Vergebung.

In der heiligen Eucharistie ist sein Kreuz in unserer Mitte. Er richtet immer neu seinen Sabbat auf, um uns alle an sich zu ziehen (Joh 12,32) und mit den Armen seiner Liebe zu heilen. Eucharistie feiern bedeutet: in das gegenwärtige Geheimnis des Kreuzes hineintreten, sich in die Arme Christi hineingeben und ihn bitten, dass er uns und die ganze Welt in diese seine Arme hineinnehme und heile.

Eucharistie feiern heißt deshalb auch: das Geheimnis des Kreuzes selber leben. Deshalb kann Augustinus in seiner Meditation über Breite und Länge, Höhe und Tiefe sagen: Lata est quippe in transverso ligno, quo extenduntur pendentis manus, et significat opera bona in latitudine caritatis: Die Breite ist der Querbalken des Kreuzes, wo die Hände des Gekreuzigten ausgebreitet sind; sie bedeutet die in die Breite der Liebe ausgeführten guten Werke (Vorträge über das Johannes-Evangelium 118,5).

Wie zeigen dem gekreuzigten Herrn unsere Liebe in der Ehrfurcht, mit der wir Eucharistie feiern. Wir feiern nicht uns selbst, sondern Ihn, und darum suchen wir nicht Rollen und nicht Selbstverwirklichung in der Eucharistie. Die  demütige und liebende Einfügung in den Lobpreis, den der Glaube der Kirche in den Jahrhunderten gewoben hat, ist Ausdruck  unserer Ehrfurcht und unserer Liebe.

Wir suchen nicht den ersten Platz, sondern wir bitten ihn, dass er unter uns der Erste sei und uns lehre, seine Demut zu lieben, mit der er uns die Füße wäscht, mit der er sich in unsere Hände gibt. Diese Ehrfurcht der heiligen Liturgie muss zugleich Schule unseres Lebens sein, die Schule der Demut, des Glaubens und der Liebe, durch die der Herr uns und die Welt gesund machen will. Amen.



Joseph Kardinal Ratzinger in einer Predigt vom 24.09.1995 in der Benediktinerabtei Sainte-Madeleine in Le Barroux anlässlich eines feierlichen Pontifikalamtes im alten Ritus (Teil 1, 2, 3, 4)




Bild: Salus mundi - Das Heil der Welt; Detail aus dem Apsismosaik in der Basilika St. Apollinaris in Classe; wikipedia

Sonntag, 14. April 2013

Wo die Demut des Mitglaubens mit der Kirche verschwindet, löst sich die Erkenntnis auf

Der Gekreuzigte ist die wahre Weisheit (4)

Fortsetzung von hier

So wollen wir auch beten für die Theologie und die Theologen, dass sie diese grundlegende Gebärde der Demut, diese innerste Voraussetzung aller Theologie wieder mit neuer Entschiedenheit aufnehmen: Theologie ist nicht Weltfahrt der isolierten Vernunft des Gelehrten, sondern ist Mitdenken mit dem Glauben der Kirche und Mühen darum, diesen Glauben zu verstehen, auszusagen und so die Wahrheit zu berühren, die unseren Verstand und unser Herz zugleich erleuchtet.

Der große Konvertit Heinrich Schlier ist gerade über dem Studium des Epheserbriefes katholisch geworden; einen der wichtigsten Wegweiser fand er hier, im Text unserer heutigen Lesung (Eph 3,13 -21). Denn Paulus sagt uns hier, dass Glaube und Liebe zur Erkenntnis führen. Das ist die zweite und dritte Aussage in der Beschreibung des Weges der Gesundung, den er uns zeigen will.

Zunächst sagt er uns ganz klar (und das war für den Lutheraner Schlier eine wichtige Entdeckung), dass der Glaube sich in der Liebe bewähren muss. Der Glaube bleibt nur gesund, wenn man ihn lebt. Er ist nicht eine Theorie, er verändert unser Leben. Er öffnet das Herz. Er führt zur Liebe: Wo sie fehlt, ist der Glaube nicht vollständig. Der Glaube dispensiert nicht von den Geboten, sondern durch den Glauben lernen wir sie lieben, weil wir in ihnen das Angesicht des Herrn selbst erkennen.

Paulus fügt noch einen weiteren Schritt hinzu: Glaube und Liebe zusammen führen zur Erkenntnis. Man kann sagen: Wo Glaube und Liebe da sind, wächst auch so etwas wie Theologie. Zwei wichtige Aussagen macht der Apostel darüber: Die Erkenntnis löst den Glauben nicht auf, sie löst die Liebe nicht ab.

Der Glaube wird nie überflüssig. Das hat Paulus dem Hochmut der damaligen Gnostiker gegenüber betont, das müssen wir hochmütigen Theologien gegenüber auch heute betonen. Wo die Demut des Mitglaubens mit der Kirche verschwindet, löst sich auch die Erkenntnis auf.

So ergibt sich von selbst das zweite: Zur Erkenntnis gehört die lebendige Gemeinschaft der Heiligen. Schlier schreibt dazu in seinem Kommentar: "...Es ist eine Erkenntnis, zu deren Wesen es gehört, dass sie mit den anderen geteilt wird... Es ist weder eine private noch eine Konventikelerkenntnis. Erkennt man, so erkennt man, was schon 'die Heiligen' erkannt haben, und man erkennt mit ihnen zusammen" (Seite 170).

Wir könnten sagen: Zur wahren Erkenntnis gehört Heiligkeit, und zur Heiligkeit gehört die Gemeinschaft der Heiligen. Deswegen ist es so wichtig, sich nicht von der lebendigen Gemeinschaft der ganzen Kirche zu trennen. Deswegen ist es so wichtig, in der großen Gemeinschaft der ganzen Kirche aller Orte und aller Zeiten, in ihrer lebendigen Überlieferung zu stehen.

Man kann Christus nicht erkennen ohne seine Heiligen; man kann ihn nicht lieben ohne seine Heiligen. Die Liebe zur ganzen großen Tradition der heiligen Kirche ist nicht ein Luxus einiger, sondern eine Notwendigkeit für uns alle. (weiterlesen)


Schluss folgt


Joseph Kardinal Ratzinger in einer Predigt vom 24.09.1995 in der Benediktinerabtei Sainte-Madeleine in Le Barroux anlässlich eines feierlichen Pontifikalamtes im alten Ritus (Teil 1, 2, 3, 5)

Donnerstag, 7. März 2013

Dr. M. Lugmayr: "Glaube“ und „glauben“ in den biblischen Sprachen - eine philologische Betrachtung

Von Pater Dr. Martin Lugmayr FSSP

Am 4.August 1897 sagte die hl.Therese vom Kinde Jesu wenige Monate vor dem Ende ihres irdischen Pilgerweges: „Erst im Himmel werden wir die Wahrheit über alle Dinge erkennen. Auf der Erde ist das unmöglich. Das gilt sogar für die Heilige Schrift. Ist es nicht traurig, all die Unterschiede in der Übersetzung zu sehen? Wäre ich Priester gewesen, ich hätte Hebräisch und Griechisch gelernt, ich hätte mich nicht mit Latein begnügt. So hätte ich den wahren Text kennengelernt, den der Heilige Geist diktiert hat.“

Selbst die Bedeutung einzelner Begriffe in den biblischen Sprachen entzieht sich nicht selten der Übersetzung in nur einen Begriff. Das gilt auch für „Glaube“ und „glauben“. Die verschiedenen Aspekte darzulegen, ohne sich in Detailuntersuchungen zu verlieren, ist das erste Ziel dieses Artikels. Auf das zweite wird zumindest in Andeutungen verwiesen: Wie die „Liebe des Wortsinns“ (Philologie) für das Leben aus dem Glauben fruchtbar werden kann.

Die Grundbedeutung der Wortwurzel, auf welche Aussagen über „Glaube“ und „glauben“ zurückgehen, ist „fest, sicher, zuverlässig sein“. Wasser erweist sich so, wenn es nicht versiegt (Jes 33,16), ein Diener, wenn er treu ist wie David (1 Sam 22,14), ein Zeuge, wenn er nicht lügt (Spr 14,5). Einmal verheißt Gott: „Ich aber werde mir einen Priester erwecken, der beständig ist; der wird tun, wie es meinem Herzen und meiner Seele gefällt“ (1Sam 2,35). Es besteht eine Beziehung zwischen einem Subjekt und Eigenschaften, die es haben soll, weil sie seinem Wesen entsprechen. Verhält sich z.B. jemand einem Geheimnis gemäß, hält er es geheim: „Wer als Verleumder umhergeht, gibt Anvertrautes preis; wer aber zuverlässigen Sinnes ist, hält die Sache verborgen“ (Spr 11,13).

Dass und wie Gott „treu“ ist, sagt z.B. folgende Schriftstelle: „So erkenne denn, dass der HERR, dein Gott, der Gott ist, der treue Gott, der den Bund und die Güte bis auf tausend Generationen denen bewahrt, die ihn lieben und seine Gebote halten“ (Dtn 7,9). Gott ist treu, weil er den Bund nicht aufkündigt, sich seinen Verheißungen gegenüber als treu erweist (vgl. Jes 49,7). Ein treuloser Gott wäre nicht Gott: „Daher, wer sich im Land segnet, wird sich bei dem Gott der Treue segnen, und wer im Land schwört, wird bei dem Gott der Treue schwören. Denn die früheren Nöte werden vergessen und vor meinen Augen verborgen sein“ (Jes 65,16).

Die Antwort des Menschen ist eine des Herzens und des Lebens, wie es Hiskia in einem Gebet formuliert: „Ach, HERR! Denke doch daran, dass ich vor deinem Angesicht in Treue und mit ungeteiltem Herzen gelebt habe und dass ich getan habe, was gut ist in deinen Augen!“ (Jes 38,3). 

Für uns ungewohnt ist auf den ersten Blick, dass im Hebräischen der Begriff „Wahrheit“ nicht isoliert vorkommt, sondern nur innerhalb eines „Wortfeldes“, wie z.B. im Begriff „ämät“: „Beständigkeit, Dauer, Zuverlässigkeit, Treue, Wahrheit“. Weil „Glaube“, „glauben“ zur selben Wortfamilie gehört, ist „Glaube an die Wahrheit“ immer ein Geschehen zwischen Personen, welches hingebendes Vertrauen beim Glaubenden einschließt.

Berühmt ist in diesem Zusammenhang das Wortspiel in Jes 7,9: „Glaubt ihr nicht, so bleibt ihr nicht“. Auch „bleiben“ geht auf dieselbe Familie wie „glauben“ zurück. Dass „glauben“ und „bleiben“, letzteres im Sinne der Gesamtexistenz und der Sinnhaftigkeit des eigenen Daseins, eng zusammenhängen und ohne Gottesbezug nicht erklärbar sind, fassen pointiert Buber/Rosenzweig mit ihrer Übersetzung ins Wort: „Vertraut ihr nicht, bleibt ihr nicht betreut“. Glauben ist ohne Vertrauen, ohne Anerkennung der Güte Gottes, die uns zur Gegenliebe ruft, nicht möglich. In seinem ersten Brief schreibt Johannes: „Wir haben die Liebe erkannt, die Gott zu uns hat, und ihr geglaubt“ (1 Joh 4,16). Und der sel. John Henry Kardinal Newman sollte später in einer Predigt sagen: „Wir glauben, weil wir lieben“. Und dann bleiben wir auch „betreut“, d.h. von der Treue Gottes getragen und geliebt. 
 
Vielen ist das hebräische Wort „amen“ bekannt, welches wir am Ende von liturgischen Gebeten sprechen. Sage ich oder die gottesdienstliche Versammlung zu Bitte, Dank und Lob, welche sich an Gott richten, „amen“, so bedeutet dies: So soll es sein! (vgl. 1 Kor 14,16), ja man könnte auch sagen: Ich will selbst ganz Bitte, Lob und Dank gegenüber Gott sein (vgl. Eph 1,6) bzw. Wir wollen dies auch als Versammlung vollziehen.

Am Ende des Glaubensbekenntnisses bezeugt das „Amen“ die Treue zum Inhalt des Credos, verbunden mit der Überzeugung von seiner Wahrheit. In der Apokalypse wird Jesus Christus selbst „Amen“ genannt als der „treue und wahrhaftige Zeuge“ (3,14). Dass unser Herr das Ja Gottes schlechthin ist, betont der hl.Paulus: „Denn der Sohn Gottes, Christus Jesus, der unter euch durch uns gepredigt worden ist, durch mich und Silvanus und Timotheus, war nicht Ja und Nein, sondern in ihm ist das Ja geschehen. Denn so viele Verheißungen Gottes es gibt, in ihm ist das Ja, deshalb auch durch ihn das Amen, Gott zur Ehre durch uns“ (2 Kor 1,19-20).

Im Munde Jesu Christi selbst ist „amen“ ein Ausdruck seiner Vollmacht: „Amen, ich sage euch: Bis Himmel und Erde vergehen, wird nicht ein Jota oder Häkchen vom Gesetz vergehen, bevor nicht alles geschehen ist“ (Mt 5,18); „Amen, ich sage euch, wenn ihr nicht umkehrt und werdet wie die Kinder, könnt ihr nicht in das Himmelreich kommen“ (Mt 18,2); „Amen, ich sage euch: Was immer ihr einem dieser meiner geringsten Brüder getan habt, das habt ihr mir getan“ (Mt 25,40). Im Johannesevangelium findet sich auch oft ein zweifaches „Amen“. So sagt Christus zu Nikodemus: „Amen, amen, ich sage dir: Wer nicht von oben geboren wird, kann das Reich Gottes nicht sehen“ (Joh 3,3). Und dann die Erklärung: „Amen, amen, ich sage dir: Wer nicht aus Wasser und Geist geboren wird, kann nicht in das Reich Gottes eingehen“ (Joh 3,5).

Im Griechischen wird „Glaube“ mit pistis und „glauben“ mit pisteuein wiedergegeben. Das Verb bedeutet je nach Kontext für wahr halten, gehorchen und vertrauen, wobei diese Aspekte auch alle mitangesprochen sein können. Als die Hohenpriester und die Ältesten des Volkes die Frage stellen, in welcher Vollmacht Jesus handle, antwortet er: „Auch ich will euch ein Wort fragen, und wenn ihr es mir sagt, so werde auch ich euch sagen, in welcher Vollmacht ich diese Dinge tue. Woher war die Taufe des Johannes? Vom Himmel oder von Menschen?“ Da überlegten diese bei sich: „Wenn wir sagen: vom Himmel, so wird er zu uns sagen: Warum habt ihr ihm dann nicht geglaubt?“ (Mt 21,24f.). Sie hätten Johannes vertrauen, sein Wort für wahr halten und ihm gehorchen sollen.

Das Substantiv pistis meint Treue, Zuverlässigkeit, Vertrauen, Glaube. Auch hier können diese Aspekte miteinander verbunden sein, wie z.B. in Mt 9,2: „Und siehe, sie brachten einen Gelähmten zu ihm, der auf einem Bett lag; und als Jesus ihren Glauben sah, sprach er zu dem Gelähmten: Sei guten Mutes, Kind, deine Sünden sind vergeben“. Nach der Stillung des Seesturms tadelt Jesus die Jünger: „Und er sprach zu ihnen: Warum seid ihr furchtsam? Habt ihr noch keinen Glauben?“ (Mk 4,40).

Im Neuen Testament wird ferner von den Jüngern gesagt: „Sie glaubten der Schrift und dem Wort, das Jesus gesprochen hatte“ (Joh 2,22). Christus verlangt von ihnen: „Ihr glaubt an Gott, glaubt auch an mich!“ (Joh 14,1); und an alle gerichtet: „Die Zeit ist erfüllt, und das Reich Gottes ist nahe gekommen. Tut Buße und glaubt an das Evangelium!“ (Mk 1,15). 

Im Dialog zwischen Jesus und Marta zeigt sich die innere Verknüpfung zwischen der Tugend des Glaubens (fides qua) und dem Inhalt das Glaubens (fides quae), also jemandem und etwas glauben: „Jesus sprach zu ihr: Ich bin die Auferstehung und das Leben; wer an mich glaubt, wird leben, auch wenn er gestorben ist; und jeder, der da lebt und an mich glaubt, wird nicht sterben in Ewigkeit. Glaubst du das? Sie spricht zu ihm: Ja, Herr, ich glaube, dass du der Christus bist, der Sohn Gottes, der in die Welt kommen soll“ (Joh 11,25-27). 

Im zweiten Brief an die Thessalonicher schreibt Paulus über die Hinführung zum Glauben: „unser Zeugnis (martyrion) hat bei euch Glauben gefunden“ (1,10).
 
Aber ganz zentral ist die Bindung des Glaubens an Jesus Christus: „an Jesus glauben“ (Joh 12,11), „an Christus Jesus glauben“ (Gal 2,16), „an den Sohn glauben“ (Joh 3,16), „an den Sohn Gottes glauben“ (1 Joh 5,10), „an den Sohn des Menschen glauben“ (Joh 9,35), „an ihn (Jesus Christus) glauben“ (Joh 2,11 und viele andere Stellen). 
 
Der Inhalt des Glaubens an Jesus Christus wird durch „dass“- Sätze bekannt: „Das ist das Wort des Glaubens, das wir predigen, dass, wenn du mit deinem Mund Jesus als Herrn bekennen und in deinem Herzen glauben wirst, dass Gott ihn aus den Toten auferweckt hat, du errettet werden wirst“ (Röm 10,8-9; vgl. 1 Thess 4,14). „Wenn wir aber mit Christus gestorben sind, so glauben wir, dass wir auch mit ihm leben werden, da wir wissen, dass Christus, aus den Toten auferweckt, nicht mehr stirbt; der Tod herrscht nicht mehr über ihn“ (Röm 6,8-9).

Seine Sendung vom Vater her stellt Christus selbst als Glaubensinhalt dar: „Jesus aber hob die Augen empor und sprach: Vater, ich danke dir, dass du mich erhört hast. Ich aber wusste, dass du mich allezeit erhörst; doch um der Volksmenge willen, die umhersteht, habe ich es gesagt, damit sie glauben, daß du mich gesandt hast. Und als er dies gesagt hatte, rief er mit lauter Stimme: Lazarus, komm heraus!“ (Joh 11,41-43; vgl. Joh 16,27.30, 17,8). In seinem großen Gebet vor dem Leiden wendet sich Jesus an den Vater: „Aber nicht für diese allein bitte ich, sondern auch für die, welche durch ihr Wort an mich glauben, damit sie alle eins seien, wie du, Vater, in mir und ich in dir, dass auch sie in uns eins seien, damit die Welt glaube, dass du mich gesandt hast (Joh 17,20-21).

Eine Kurzformel des Glaubens, nämlich, dass Jesus Christus der Sohn Gottes ist, formuliert Johannes am Ende seines Evangeliums, was bedeutet, dass dieses Bekenntnis auch alles einschließt, was der Sohn getan und gesagt hat: „Auch viele andere Zeichen hat nun zwar Jesus vor den Jüngern getan, die nicht in diesem Buch geschrieben sind. Diese aber sind geschrieben, damit ihr glaubt, dass Jesus der Christus ist, der Sohn Gottes, und damit ihr durch den Glauben Leben habt in seinem Namen“ (Joh 20,30-31).

In einer bestimmten Verbform wird „glauben“ zu einem Fachbegriff für das Christwerden: „Viele aber von denen, die das Wort gehört hatten, wurden gläubig“ (Apg 4,4; vgl. 11,21). Den parteiischen Korinthern ruft der Völkerapostel zu: „Was ist denn Apollos? Und was ist Paulus? Diener, durch die ihr gläubig geworden seid, und zwar wie der Herr einem jeden gegeben hat“ (1 Kor 3,5). 

Es kann auch das Gläubigsein bezeichnet werden: „Wachet, steht fest im Glauben; seid mannhaft, seid stark! Alles bei euch geschehe in Liebe! (1Kor 16,13-14). In 1 Thess 5,8 wird vom „Panzer des Glaubens“, in Eph 6,16 vom „Schild des Glaubens“ gesprochen. Es ist aber auch ein „Wachsen im Glauben“ (2 Kor 10,15; 2 Thess 1,3) möglich, womit die Tugend des Glaubens und die Vertiefung des Glaubensverständnisses angesprochen sind. Das Leben aus dem Glauben ist ebenfalls ein Reichtum. Von den Korinthern sagt Paulus, sie seien „in allem überreich: in Glauben und Wort und Erkenntnis und allem Eifer und der Liebe, die von uns in euch <geweckt> ist“ (2 Kor 8,7).

Der sel. Charles de Foucauld hat in stillen Stunden die Heilige Schrift betrachtet. In Bezug auf die Evangelien tat er es einmal verbunden mit der Frage, wo und wie von der Tugend des Glaubens die Rede ist. Vielleicht können obige Ausführungen eine Hilfe und Anregung sein, es ihm gleichzutun.
Related Posts Plugin for WordPress, Blogger...