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Samstag, 16. November 2013

Prof. G. May: Die andere Hierarchie - Teil 11: Das Rätesystem auf Ebene des Bistums - Der Priesterrat

Prof. Dr. Georg May

Die andere Hierarchie
Teil 11


Verlag Franz Schmitt Siegburg AD 1997




§ 4  Das Rätesystem auf der Ebene des Bistums

Weil die maßgebenden Glieder der Hierarchie, die Bischöfe, in erschütterndem Ausmaße vor ihrer Aufgabe versagt haben, kam es zum Entstehen einer anderen Hierarchie. Ich meine das Rätesystem. Seit dem Zweiten Vatikanischen Konzil wurde vom Pfarrgemeinderat über den Dekanatsrat sowie das Zentralkomitee bis zum Päpstlichen Laienrat eine ungeheure Organisation von Gremien geschaffen, die sich neben die Hierarchie göttlichen Rechtes setzt und eine Aktivität entfaltet, die in Konkurrenz, teilweise in Gegensatz zu jener tritt.


I.  Der Priesterrat

1.  Rechtliche Ausgestaltung

Im bischöflichen Bereich entstand zuerst der Priesterrat. Er wurde vom Zweiten Vatikanischen Konzil etabliert, offenbar als Konzession an die demokratische Bewegung in der Öffentlichkeit. Der Priesterrat ist nach dem Priesterdekret "Presbyterorum ordinis" Nr. 7 in jeder Diözese pflichtmäßig einzurichten. Er soll die Priesterschaft der Diözese repräsentieren und den Bischof in der Leitung der Diözese beraten. Das Wort "repräsentieren" bedeutet an dieser Stelle soviel wie sichtbar machen, darstellen, vertreten.

Die Grundordnung des Priesterrates ist in den cc. 495-502 CIC niedergelegt. Dazu treten die Satzungen der einzelnen diözesanen Priesterräte (1). Der Priesterrat ist "ein Kreis von Priestern, der als Repräsentant des Presbyteriums gleichsam Senat des Bischofs ist". Die Aufgabe besteht darin, den Bischof bei der Leitung der Diözese nach Maßgabe des Rechtes zu unterstützen (c. 495 §1). Der Diözesanbischof ist der Vorsitzende des Priesterrates (c. 500 §1). Dieser kann nicht ohne den Bischof handeln (c. 500 §3).

Dem Priesterrat "obliegt die Sorge um Dienst und Leben der Priester, um den Priesternachwuchs sowie die Aus- und Weiterbildung der Priester". Er hat die Aufgabe, "über die pastorale Tätigkeit in der Diözese zu beraten und sie zu fördern". Der Priesterrat hat lediglich beratende Funktion. Der Bischof muss ihn aber bei Angelegenheiten von größerer Bedeutung anhören und in wenigen, vom Recht festgelegten Fällen sogar seine Zustimmung einholen. Nicht zu verstehen ist, dass nach dem Würzburger Statut dem Priesterrat auch Nichtpriester, nämlich Diakone und ein Theologiestudent angehören (2). Die Mitgliedschaft im Priesterrat ist zeitlich begrenzt. Der gesamte Rat oder ein Teil muss innerhalb von fünf Jahren erneuert werden (c. 501 §1).


2. Beurteilung

Zur Beurteilung der neuen Einrichtung ist folgendes zu bemerken. Ich halte sie für überflüssig und schädlich. Dass sich der Bischof mit seinen Priestern besprechen soll, ist unbestritten. Doch dafür gibt es viele Möglichkeiten. Einmal soll der Bischof engen Kontakt nicht bloß zu einigen, sondern zu allen Priestern und jedem einzelnen pflegen. Er ist der Seelsorger seiner Seelsorger. Von ihnen kann er erfahren, wie die Lage und was zu tun ist. Freilich muss er sich dazu in seiner Diözese aufhalten und nicht fortwährend auf Reisen oder in Konferenzen sein. Der Diözesanbischof, der seine Pflicht erfüllt, hat andauernde,  unmittelbare Verbindung mit seinen Priestern; er benötigt keine Vermittlungsstelle in Gestalt des Priesterrates. Er ist in seinem Bistum anwesend und besucht Pfarrei um Pfarrei, hört selbst die Priester an und vernimmt ihre Anliegen.

Sodann soll der Bischof in die Dekanatskonferenzen gehen. Hier hat er die Priester eines überschaubaren Teils seiner Diözese vor sich und kann sich über regionale Fragen und Desiderate unterrichten.

Weiter gibt es die Konferenz der Dekane. Wenn diese ihr Amt richtig verstehen und verwalten, dann bündeln sich in ihnen gleichsam die Anregungen und Wünsche, Probleme und Schwierigkeiten der Diözese. Von ihnen kann der Diözesanbischof Informationen und Beratung empfangen.

Schließlich besitzt der Bischof in seinem Domkapitel ein qualifiziertes Beratungsorgan. Sein unschätzbarer Vorteil liegt darin, dass es nicht auf Wahl oder Wiederwahl angewiesen und daher unabhängig ist. Von ihm kann und muss der Bischof Dinge hören, die er vielleicht nicht hören will. Außerdem sammeln sich in den Domkapiteln die Nachrichten aus der gesamten Diözese. Seine Mitarbeiter erwerben durch ihre regelmäßige jahrzehntelange Tätigkeit eine umfassende Kenntnis der diözesanen Angelegenheiten und eine breitgestreute Erfahrung bei ihrer Behandlung, die den temporären Angehörigen des Priesterrates unmöglich sind.

Den meisten Mitgliedern der Priesterräte fehlen Vorbildung und Kompetenz zur Beratung in den Fragen, die anstehen, wie sie den jahrzehntelang in der Verwaltung der Diözese tätigen Domkapitularen eigen sind. Den Mitgliedern des Priesterrates, die von Wahlperiode zu Wahlperiode wechseln, fehlt die bleibende Verantwortung. Der vielbeschäftigte Seelsorger hat gar keine Zeit, sich um Angelegenheiten, die seinen Sprengel übersteigen, zu kümmern; einen Überblick über die gesamte Diözese zu gewinnen ist ihm unmöglich.

Der Priesterrat ist auch in der Regel kein Querschnitt der Priesterschaft eines Bistums, sondern überwiegend eine Ansammlung von Klerikern, die meinen, Zeit für die mehrfach im Jahre abgehaltenen Sitzungen erübrigen zu können. Gerade die wertvollsten Seelsorger, die sich im unermüdlichen Dienste der ihnen anvertrauten Gläubigen verzehren, bleiben den Priesterräten regelmäßig fern.

Sodann sammeln sich im Priesterrat nicht ganz selten unzufriedene Elemente der Priesterschaft einer Diözese und bilden evtl. dessen Mehrheit oder jedenfalls dessen agilsten Teil. Es gibt Priesterräte, in denen progressistisch aufgeheizte Geistliche, welche die katholische Orientierung verloren haben, den Ton angeben; sie benutzen ihre Position, um die kirchliche Entwicklung in Richtung auf den Protestantismus voranzutreiben.

Ich fasse mein Urteil dahin zusammen: Der Priesterrat ist kein Fundament, auf dem sich etwas Solides erbauen ließe, sondern Treibsand, der von den Fluten der Zeitströmung hin- und herbewegt wird. In den Sitzungen wird viel Zeit vertan, unerleuchtete Meinungen melden sich häufig zu Wort. Der bürokratische Aufwand, den Priesterräte verursachen, ist beträchtlich. Ich komme um das Urteil nicht herum: Der Priesterrat ist eine eklatante Fehlkonstruktion.


(1)  Z. B. Statut des Priesterrates im Bistum Erfurt vom 15. Mai 1995 (Archiv für katholisches Kirchenrecht 164, 1995, 158-160); Satzung des Priesterrates des Erzbistums Hamburg vom 4. Dezember 1995 (Pfarramtsblatt 69, 1996, 61-63)
(2)  Statut des Priesterrates der Diözese Würzburg vom 17. Juni 1996 (Pfarramtsblatt 69, 1996, 268-273) Art. 2



Fortsetzung folgt in unregelmäßigen Abständen

Freitag, 8. November 2013

Prof. G. May: Die andere Hierarchie - Teil 7: Die Bischöfe - Rechtliche Stellung

Prof. Dr. Georg May

Die andere Hierarchie
Teil 7

Verlag Franz Schmitt Siegburg AD 1997 


§ 3 Die Bischöfe

I. Rechtliche Stellung

1. Die Einzelbischöfe

Die Bischöfe folgen aufgrund göttlicher Einsetzung durch den Heiligen Geist, der ihnen gegeben ist, den Aposteln nach, um selbst Lehrer des Glaubens, Priester des heiligen Gottesdienstes und Diener in der Leitung zu sein (c. 375 §1). Durch die Bischofsweihe wird die Fülle des Weihesakramentes übertragen (Lumen gentium Nr. 21). Um sie unbehindert ausüben zu können, bedarf der Geweihte der kanonischen Sendung. Er vereinigt in seiner Hand die volle Weihegewalt und eine der Primatialgewalt des Papstes untergeordnete Hirtengewalt.

Der Bischof ist aufgrund der Weihe und der kanonischen Sendung Haupt einer Ortskirche, der er im Namen und in der Vollmacht Christi als Hirt, Lehrer und Priester vorsteht. Dem Diözesanbischof kommt in der ihm anvertrauten Diözese die ganze ordentliche, eigenberechtigte und unmittelbare Gewalt, deren Vollzug und Umfang jedoch von der höchsten kirchlichen Autorität geregelt werden (Lumen gentium Nr. 27). Die Oberhirtengewalt ist ordentliche Gewalt, weil sie aus dem Bischofsamt fließt, und sie ist unmittelbare Gewalt, weil sie sich ohne rechtliche Bindung an Zwischenglieder auf alle anvertrauten Gläubigen bezieht. Die Oberhirtengewalt des Bischofs ist territorial begrenzt; sie umfasst alle im Gebiet seiner Diözese wohnhaften Gläubigen. Der Bischof ist das sichtbare Haupt der ihm anvertrauten Gläubigen und verbindet sie zur Einheit. Er hat die Glaubens- und Sittenlehre den Gläubigen darzulegen und zu erklären sowie die Unversehrtheit und Einheit der Glaubenslehre mit geeigneten Mitteln zu schützen (c. 386).

Er leitet die ihm anvertraute Teilkirche mit gesetzgebender, ausführender und richterlicher Gewalt (c. 391 §1); d. h. er ist für die Gesetzgebung, Verwaltung und Rechtsprechung zuständig. Der Bischof hat die Diözese nach außen hin zu vertreten (c. 369); seine Vertretungsmacht teilt er nicht mit anderen. Der Bischof muss die Einheit mit der Gesamtkirche wahren, die gemeinsame Ordnung der ganzen Kirche fördern und auf die Einhaltung aller kirchlichen Gesetze drängen (c. 392 §1). Er hat jedem Missbrauch der kirchlichen Ordnung, vor allem bei der Verkündigung und beim Gottesdienst, zu wehren (c. 392 §2). Der Bischof untersteht in der Ausübung seiner oberhirtlichen Gewalt der Autorität des Papstes; er ist an übergeordnetes Recht gebunden. Zusammenfassend kann man in einem richtigen Sinne sagen: Die katholische Kirche ist eine Bischofskirche.


2. Das Bischofskollegium

Die Bischöfe sind untereinander verbunden. Ihre Gesamtheit bildet das Bischofskollegium. Der Papst ist der Nachfolger Petri und das Haupt des Bischofskollegiums (cc. 330 und 331). Das Bischofskollegium folgt dem Apostelkollegium nach (cc. 336 - 341). In das Bischofskollegium tritt man ein kraft der sakramentalen Konsekration und durch die hierarchische Gemeinschaft mit dem Haupt und den Gliedern dieses Kollegiums. Die Zugrehörigkeit zum Bischofskollegium verlangt ein entsprechendes solidarisches Verhalten.


3. Die Bischofskonferenz

Die Bischöfe treten heute häufiger als vor dem Zweiten Vatikanischen Konzil in der Mehrzahl auf, als Bischofskonferenz. Die Bischofskonferenz ist eine kirchliche Einrichtung, in der die Bischöfe einer Region ihren Hirtenauftrag gemeinsam wahrnehmen. (c. 447). Die Weisen ihres Handelns sind verschieden. Sie dient der Information und der Beratung der in ihr versammelten Bischöfe, aber auch der Koordination und der Abstimmung von Tätigkeiten.

Die Bischofskonferenz darf verbindliche Beschlüsse nur in den im Recht genannten oder besonders zugewiesenen Fällen fassen. Institutionen neigen dazu, ihr Personal und ihre Aktivitäten auszuweiten. Die Deutsche Bischofskonferenz hat einen beträchtlichen Apparat geschaffen; er beträgt 300 Personen. Die Deutsche Bischofskonferenz hat als dauernde Organe den Vorsitzenden, den Ständigen Rat, das Sekretariat und 14 Kommissionen. Dazu treten die zweimaligen Vollversammlungen im Jahr.

An sich wäre es möglich, lediglich die Diözesanbischöfe mit beschließendem Stimmrecht in die Versammlungen der Bischofskonferenz auszustatten. In Deutschland hat man es allen, also auch den Hilfsbischöfen gegeben. Die Zahl der Hilfsbischöfe überschreitet die Zahl der Diözesanbischöfe bei weitem. Die für ihre Diözesen hauptverantwortlichen Oberhirten werden dadurch in die Minderheit gedrängt. Die Kosten der Bischofskonferenz gehen in die Millionen.

Das letzte Wort über Nutzen und Schaden der Bischofskonferenzen neuen Typs ist noch nicht gesprochen. Auf dem Zweiten Vatikanischen Konzil wurden die Gefahren, welche die Bischofskonferenzen für den Primat  und für die Verantwortung des Einzelbischofs mit sich bringen, deutlich gesehen. Das Konzil sagt daher vorsichtig, dass die Bischofskonferenzen hilfreich sein "können" (Lumen gentium Nr. 23). Die Bischofskonferenzen neuen Typs haben tasächlich mannigfache Nachteile. Die ständigen Organe der Bischofskonferenz (Vorsitzender, Ständiger Rat, Sekretariat, Kommissionen) bringen einmal die Gefahr mit sich, dass immer mehr Angelegenheiten von ihnen angezogen werden.

Es ist eine offenkundige Tatsache, dass die Bischofskonferenzen die Verantwortung des Einzelbischofs lähmen und die Flucht in das Kollektiv begünstigen. Der Einzelbischof wagt kaum mehr, selbstverantwortlich zu entscheiden. Denn in der Bischofskonferenz wird er zur Rede gestellt, wenn er einen Alleingang wagt. Ein Bischof muss aber frei und deckungslos handeln. Er darf sich nicht hinter Mehrheitsbeschlüssen verkriechen. Seine Verantwortung ist eine höchst persönliche und kann ihm von niemandem abgenommen werden.

Für die Richtung, in die Bischofskonferenzen gehen, ist sodann regelmäßig die Einstellung ihres Vorsitzenden entscheidend. Bei ihm laufen die Fäden zusammen, er vermag im Vorfeld der Verhandlungen die Weichen zu stellen. In Deutschland ist offenkundig, dass die Bischöfe in den Versammlungen der Bischofskonferenz auf den progressistischen bzw. liberalen Kurs ihres Vorsitzenden festgelegt werden (Anm.: Vorsitzender der DBK war 1997, also in dem Jahr, in dem diese Schrift herausgegeben wurde (und zwar seit 1987), bis zum Jahr 2008 der Mainzer Bischof Karl Kardinal Lehmann; aber auch für dessen Nachfolger, Erzbischof Robert Zollitsch von Freiburg dürfte diese Feststellung weiterhin zutreffen).

Dafür kann ich ein bezeichnendes Beispiel berichten. Als ich den gegenwärtigen Vorsitzenden der Deutschen Bischofskonferenz einmal darauf hinwies, dass der frühere Bischof von Essen, Hengsbach, großzügig sei im Erteilen der Erlaubnis, die tridentinische Messe zu feiern, entgegnete er mir: "Der kommt ja auch nicht zur Bischofskonferenz." Diese Äußerung kann nur besagen: Wenn der Essener Bischof öfter zur Bischofskonferenz käme, würde man ihm dort seine Großzügigkeit schon ausgetrieben haben.

Die Bischofskonferenzen entwickeln sich auch immer mehr zu pressure groups gegen den Apostolischen Stuhl. Mit dem Einzelbischof vermag der Papst leicht fertig zu werden; gegen eine Bischofskonferenz kann er sich immer weniger durchsetzen. Der Widerspruch beginnt da, wo der Papst spricht und deutsche Bischöfe reden. Ich erwähne ein bezeichnendes Beispiel: Der Papst lehrt die ausnahmslose Geltung der sittlichen Normen über die Empfängnisverhütung. Deutsche Bischöfe lehren das Gegenteil (1).

Unbequeme Entscheidungen werden dagegen von der Bischofskonferenz ab- und dem Heiligen Stuhl zugeschoben. ich erinnere an den Vorbehalt der Priesteweihe an Angehörige des männlichen Geschlechts. Robert Spaemann schreibt richtig: "Allzu oft haben sie (nämlich die Bischöfe) sich durch Rom die Kastanien aus dem Feuer holen lassen, um dann anschließend die wachsende Dominanz der römischen Zentralgwalt zu beklagen" (2).


4. Die Bestellung der Bischöfe

In der lateinischen Kirche ist die fast überall übliche Weise der Bischofsbestellung die freie Ernennung durch den Papst. Nur in wenigen Ländern bestehen mehr oder weniger eingeschränkte Wahlrechte (c. 377 §1).

Seit geraumer Zeit wird nun eine breitere Beteiligung der "Ortskirche" bei der Ernennung von Bischöfen gefordert (3). Dazu sind einige Fragen zu stellen.

Erstens.
Wer ist die "Ortskirche", der mehr Rechte bei der Bestellung von Bischöfen eingeräumt werden sollen? Sind das die frommen Gläubigen, die das Bußsakrament regelmäßig empfangen und die Werktagsmesse besuchen, oder sind das die Berufslaien, die sich fortwährend durch Schwadronieren zu Wort melden? Gehören dazu die stillen, treuen Priester, die sich in der Arbeit für das Heil der Seelen verzehren, oder sind darunter die gremienbeflissenen Geschaftlhuber zu verstehen?

Zweitens.
Woher wissen die an der Mitsprache Beteiligten, wie ein Bischof nach Gottes Willen aussehen muss? Woran nehmen sie das Maß? Sehen sie ihr Bischofsideal in einem Oberhirten, der unermüdlich sein Bistum durch Wort und Weisung, Gottesdienst und Sakrament zum Vollalter Christi führt, oder suchen sie nach einem progressistischen Manager, der den Menschen nach dem Munde redet, einen antirömischen Affekt besitzt und sich von Teufel und Hölle verabschiedet hat?

In manchen Diözesen ist die breitere Beteiligung der "Ortskirche" an der Bischofsbestellung bereits ausgeführt. Der Bischof von Graz-Seckau erließ am 4. Februar 1993 sogar eine Ordnung zur Mitwirkung der "Ortskirche" an der Bischofsbestellung (4). Die "Ortskirche" schrumpft in diesem Papier auf die Delegierten des Domkapitels, des Diözesanrates, und des Priesterrates sowie die Dechanten zusammen. Dabei wird in einem zweifachen Vorschlagsverfahren eine doppelte Kandidatenliste erstellt. Dass die Verschwiegenheit, die dabei zu beobachten ist, gehalten wird, ist illusorisch. Der Apostolische Nuntius wird bei Sedisvakanz von den Stimmenzählern über die Namen der drei Meistgenannten unterrichtet. Diese Mitteilung hat eindeutig den Zweck, den Heiligen Stuhl bei der Bestellung des Bischofs zu praeformieren. Man ahnt, welch ein Sturm der Entrüstung durch die Diözese Graz gehen würde, wenn der Heilige Stuhl keinen der drei Meistgenannten zum Bischof befördern würde. Ich erinnere an die Drohungen, die der Innsbrucker Bischof Stecher ausstieß, falls der Heilige Stuhl nicht die Wünsche der "Ortskirche" berücksichtigen sollte.

Wen werden die befragten Personen für die Besetzung des Bischofsstuhles benennen? Wer bekannt und beliebt ist. Wie wird man bekannt und beliebt? Indem man sich in den liberalen Trend eingliedert. Bekanntsein und Beliebtsein sind kein Maßstab für Qualität. Die "Mitentscheidung der Ortskirche" bei der Ernennung von Bischöfen besagt unter den heutigen Verhältnissen, dass derjenige am meisten Aussicht hat, Bischof zu werden, der den Menschen am besten nach dem Munde redet. Die Personen, die die Masse der Menschen auf dem Bischofsstuhl sehen will, sind in der Regel nicht die Oberhirten, welche die Diözesen brauchen.

Aus diesen Gründen kann vor einer Verbreiterung der Beteiligung an der Auswahl der Bischöfe nur eindringlich gewarnt werden. Wollte man gar die Gesamtheit der Kirchensteuerzahler entscheiden lassen, wer Bischof einer Diözese werden soll, würde man das entscheidende Kirchenamt der Demagogie überantworten. Der Heilige Stuhl hat bei Bischofsernennungen  nicht selten Fehler gemacht, ist getäuscht worden oder hat dem Druck nachgegeben. Was aber bei der Bestellung von Bischöfen durch maßgebenden Einfluß der sogenannten Ortskirchen herauskommen würde, verhielte sich gegenüber diesen Mängeln wie eine Lungentuberkulose zu einem Schnupfen.


(1)  Z. B. Freundeskreis Maria Goretti Informationen 42, 1990, 4f
(2)  Rheinischer Merkur, Nr. 46 vom 17. November 1995 S.26
(3)  Anton Ziegenaus, Zur Kontroverse: Bischofswahl: Forum Katholische Theologie 13, 1997, 176 - 186
(4)  Archiv für katholisches Kirchenrecht 162, 1993, 240f


Fortsetzung folgt in unregelmäßigen Abständen


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      Dienstag, 5. November 2013

      Prof. G. May: Die andere Hierarchie - Teil 5: Die Lage (1)

      Prof. Dr. Georg May

      Die andere Hierarchie

      Teil 5


      Verlag Franz Schmitt Siegburg AD 1997



      II.  Die Lage

      1.  Fakten

      Der Heilige Vater (Anm.: d. i. im Jahre 1997: Johannes Paul II.) ist rastlos tätig, vor allem mit Reden und Reisen. Beides macht ihn als Bischof der katholischen Kirche präsent, und dafür ist ihm zu danken.

      Von einer kraftvollen und entschiedenen Regierung der Gesamtkirche ist jedoch wenig zu spüren. Es ist eine offenkundige Tatsache, dass der Heilige Vater oft und immer wieder vor Pressionen, die von Ortskirchen ausgingen, zurückgewichen ist. Ich nenne einige Beispiele.

      Wider bessere Einsicht ließ sich Paul VI. von Kardinal Döpfner die unselige Handkommunion abtrotzen (3). Man sagte damals, es gehe lediglich um eine disziplinäre Anordnung. In Wirklichkeit stand und steht das Übergehen von der kniend empfangenen Mundkommunion zur stehend empfangenen Handkommunion in engem Zusammenhang zum Glauben. Es sei darum noch einmal ausgesprochen: Die Handkommunion hat sich durchgesetzt, weil der Glaube an den vollen Inhalt des eucharistischen Opfersakramentes bei der großen Mehrheit der Christen zusammengebrochen ist. Ihre Beibehaltung ist ein Element des weitergehenden Abbaus des katholischen Glaubens betreffend das allerheiligsten Sakrament des Altares.

      Die sogenammte Würzburger Synode hatte im Januar 1973 die Predigt von Laien in der Eucharistiefeier grundsätzlich gutgeheißen (Die Beteiligung der Laien an der Verkündigung Nr. 3) (4). Im gleichen Jahre 1973 gewährte der Heilige Stuhl den deutschen Bischöfen das Indult, bei der hl. Messe in "außerordentlichen Fällen" die Predigt durch Laien halten zu lassen. (5). Dies geschah, obwohl nach dem Zweiten Vatikanischen Konzil die Predigt "ein Teil der liturgischen Handlung" (Sacrosanctum Concilium Nr. 35) ist. Derselbe Priester, der das Opfer Christi darbringt, soll auch die Botschaft des Herrn dem versammelten Volk darbieten. Deswegen ist nicht jeder, der Theologie studiert hat, befähigt, das Wort Gottes zu verkündigen, sondern nur jener, der in der Weihe die besondere Teilhabe am dreifachen Amt Christi erhalten hat (Presbyterorum ordinis Nr. 1).

      Das kirchliche Gesetzbuch ist wieder zu gesunden Grundsätzen zurückgekehrt. Die Predigt von Laien in der hl. Messe ist verboten (c. 767). In vielen deutschen Pfarreien schert sich niemand um dieses Verbot. Die Laienpredigt ist zur Regel geworden. Ein Laie fragte: "Wessen Aufgabe ist es eigentlich, dafür zu sorgen, dass solche Anordnungen beachtet werden? Oder haben wir in Deutschland jetzt so etwas wie eine 'Nationalkirche', die sich von Rom abgekoppelt hat und nach eigenen Gesetzen lebt?" (6)

      Das Messbuch Pauls VI. kannte lediglich männliche Ministranten (7). Viele Geistliche in Deutschland hielten sich nicht an dieses Gebot und führten weibliche Ministranten ein; die Bischöfe sahen, mit einer einzigen Ausnahme, duldend oder wohlwollend zu. Schließlich wurde, wie so oft, der Missbrauch vom Apostolischen Stuhl sanktioniert, diesmal auf dem Wege einer dubiosen authentischen Interpretation des c. 230 CIC (8). Der Theologe Fries wies triumphierend darauf hin, dass der Heilige Stuhl sich anfangs gegen Ministrantinnen ausgesprochen habe, als sie in Deutschland schon zum gewohnten Erscheinungsbild gehörten, dass sie aber heute "auch im Gefolge des Papstes" auftreten (9).

      Das Ökumenische Direktorium vom 14. Mai 1967 (10) ließ interkonfessionelle Gottesdienste am Sonntag nicht zu. Allzu deutlich sind die Gefahren, die von solchen Veranstaltungen ausgehen. Sie sind geeignet, den Rang des Messopfers herabzustufen und die Verpflichtung zum sonntäglichen Messbesuch in Vergessenheit geraten zu lassen.. Doch die protestantischen Religionsverbände und die katholischen Ökumeniker gaben keine Ruhe und gingen gegen das Verbot sonntäglicher ökumenischer Gottesdienste an.

      Wiederum gab der Heilige Stuhl nach. Im Ökumenischen Direktorium vom 25. März 1993 (11) ist aus dem Verbot ökumenischer Gottesdienste am Sonntag ein bloßes Abraten von solchen geworden (Nr. 115). Es ist sicher, dass die ökumenisch Beflissenen sich nicht abraten lassen. Die Folgen dieses Einbruchs werden nicht lange auf sich warten lassen. Rang und Wert des hl. Messopfers werden verdunkelt, die Stellung des katholischen Priesters wird eingeebnet, das Gebot, am Sonntag eine hl. Messe mitzufeiern, wird ausgehöhlt.

      Das Zweite Vatikanische Konzil kennt nur Priester als für die Ausbildung der Priesterkandidaten geeignete Personen (Optatam totius Nr. 5). Der Heilige Stuhl hat nach dem Konzil angeordnet, dass in theologischen Fakultäten die Professoren für gewöhnlich Priester sein sollen (12). Nichtpriester sollten nur ausnahmsweise zum Lehramt in einer theologischen Disziplin zugelassen werden (13). Diese Vorschrift bleibt in steigendem Maße unbeachtet. Im Fachbereich Katholische Theologie an der Universität Mainz ist das Verhältnis umgekehrt. Acht Nichtgeweihten stehen fünf Priester gegenüber, von denen vier über sechzig Jahre alt sind.

      Der Heilige Stuhl hat sich die Entscheidung, ob jemand zum Theologieprofessor auf Lebenszeit ernannt werden kann, vorbehalten (14), und das ist richtig, ja notwendig; denn die Lehre eines Theologieprofessors geht die gesamte Kirche an und wird auch, wenn er über die entsprechende Lobby verfügt, in der gesamten Kirche bekannt gemacht.

      Es gibt Fälle, in denen dem Heiligen Stuhl die lehrmäßige Unzuverlässigkeit deutscher Theologiedozenten bekannt war und er die Unbedenklichkeitserklärung nicht geben wollte, er aber durch die massive Intervention deutscher Bischöfe in die Knie gezwungen wurde. Er erteilte das Nihil obstat, und das vorhergesehene Verhalten der betreffenden Professoren trat prompt ein. Wenn der Heilige Stuhl wider Erwarten einmal fest bleibt, erhebt sich sogleich der Protest.

      Als der Frankfurter Theologe Siegfried Wiedenhofer nicht das Nihil obstat zur Übernahme eines Lehrstuhls in Graz erhielt, trugen 205 Theologieprofessoren gegen dieses Vorgehen bei den deutschsprachigen Bischöfen Einwände vor (15).

      Bischof Lehmann behauptete, "Kirchenleitungen" hätten "vielleicht eine gewisse Neigung zum Misstrauen" und überschätzten auch negative Phänomene. Die lehramtlichen Instanzen sollten bei der Erteilung der Unbedenklichkeitserklärung für Theologen nicht "zu engherzig oder kleinlich" vorgehen (16). Mit dieser Äußerung kann Lehmann nur auf den Heiligen Stuhl zielen. Angesichts der skandalösen Verhältnisse in der deutschen Theologenschaft sind derartige Bemerkungen völlig unangebracht. Sie dienen folglich dazu, die Herrschaft falscher Lehren noch fester zu etablieren.



      (3)   Georg May, Die sogenannte Handkommunion. Ein Beitrag zur Praxis der kirchlichen Rechtsetzung in der Gegenwart ( = Schriftenreihe der Una Voce - Deutschland Heft 5/1970), 1.-3. Aufl., Berlin 1970
      (4)   Gemeinsame Synode 175f
      (5)   Amtsblatt für das Erzbistum München und Freising Jg. 1974 S. 295-298
      (6)   Deutsche Tagespost Nr. 24 vom 15. Februar 1997 S. 15
      (7)   Missale Romanum ex Decreto Sacrosancti Oecumenici Concilii Vaticani II instauratum Auctoritate Pauli Papae VI promulgatum. Editio typica, Vatikanstadt 1971, 45 Nr. 70
      (8)   Wolfgang Waldstein, Eine "authentische Interpretation" zu can. 230 §2 CIC: Archiv für katholisches Kirchenrecht 163, 1994, 406 - 422. Vgl. Ludger Müller, Authentische Interpretationen - Auslegung kirchlicher Gesetze oder Rechtsfortbildung?: Archiv für katholisches Kirchenrecht 164, 1995, 353 - 375, hier 372f
      (9)   Glaube und Leben Nr. 47 vom 19. November 1995 S. 10
      (10)  Acta Apostolicae Sedis 59, 1967, 574-592
      (11)  Päpstlicher Rat zur Förderung der Einheit der Christen, Direktorium zu Ausführung der Prinzipien und Normen über den Ökumenismus (= Verlautbarungen des Apostolischen Stuhls 110), Bonn 1993
      (12)  Ratio fundamentalis institutionis sacerdotalis, Editio apparata post Codicem Iuris Canonici promulgatum vom 19. März 1985, Rom 1985, Nr. 33
      (13)  Dekret der Kongregation für das katholische Bildungswesen vom 20. April 1972 (= Verlautbarungen des Apostolischen Stuhls Heft 9, 2. erg. Aufl., Bonn 1971, 59)
      (14)  Apostolische Konstitution "Sapientia Christiam" vom 15. April 1979 Art. 27 §2 1979 Art. 19 §1 (Acta Apostolicae Sedis 71, 1979, 500 - 521, hier 505)
      (15)  Glaube und Leben Nr. 42 vom 20. Oktober 1996 S. 2



      Fortsetzung folgt in unregelmäßigen Abständen

      Montag, 24. Juni 2013

      Unbarmherziges Kirchenrecht gegen barmherzige Pastoral?

      Keineswegs. Mag. theol. Michael Gurtner erklärt den Zusammenhang von Kirchenrecht und Pastoral so:
      "Das Dogma geht dem Gesetz voraus und gibt ihm seine Grundgestalt. Nicht der Zeitgeist oder das Mehrheitsvotum bestimmen, was im sakramentalen und dogmatischen Bereich rechtens ist, sondern allein die Wahrheit, welche als solche immer von Gott, dem Schöpfer aller Dinge, entstammt. (...)

      Es denkt deshalb falsch, wer meint, das Kirchenrecht sei „Schuld“ an der Praxis, wie sie die Universalkirche im Umgang mit wieder-verheirateten Geschiedenen vorschreibt, um nur ein ständig diskutiertes Beispiel zu benennen. Es ist keine Frage des Kirchenrechtes, sondern der Sakramententheologie, welche dann im Kirchenrecht rezipiert wird und dort ihren rechtlichen Ausdruck findet. (...)

      Das Kirchenrecht schützt die Menschen letztlich vor der Willkür Zeitgeistiger, welche die ewigen Wahrheiten Gottes durch den vergänglichen Strömungen des gegenwärtigen Augenblickes ersetzen wollen. Dieses natürliche Recht der Gläubigen ist es auch, welche die Rechtspflege und die Anwendung des Kirchenrechtes nicht zu einer fakultativen Sache macht, sondern zur strengen Pflicht der Verantwortlichen. (...)

      Deshalb ist die Anwendung des kirchlichen Rechtes eine zutiefst pastorale Tat, das Recht minderzuachten, zu vernachlässigen oder zu negieren würde bedeuten, ein schlechter Hirte zu sein, die ihm von der Kirche übertragenen Aufgaben zu vernachlässigen und somit zutiefst unpastoral zu handeln.

      Im momentanen Wollen einzelner verhaftet zu bleiben wäre oberflächlich und nähme den ernsten Anspruch, welchen das Evangelium an uns stellt – auch im Hinblick auf das Gericht – auf die leichte Schulter. Das Kirchenrecht ist deshalb nicht in Konkurrenz zur Pastoral stehend, sondern gerade deren Hilfsmittel. Denn pastoral zu handeln bedeutet nicht, jedem ungeprüft das zu sagen, zu geben oder zu machen wonach er verlangt, sondern bedeutet das zu tun, was der wahren Lehre der Kirche entspricht und ihm somit zum Heile gereicht, auch wenn das nicht immer das ist, was sich die betreffenden Personen gerade wünschten."


      Mag. theol. Michael Gurtner, kath.net, 30.07.2012

      Freitag, 24. Mai 2013

      Zur Frage: Was ist katholisch? (2)

      Das aus dem Glauben geborene Kirchenrecht (Codex Iuris Canonici CIC) führt aus:

      Can.209 — § 1. Die Gläubigen sind verpflichtet, auch in ihrem eigenen Verhalten, immer die Gemeinschaft mit der Kirche zu wahren.


      Can.750 -§ 1. Kraft göttlichen und katholischen Glaubens ist all das zu glauben, was im geschriebenen oder im überlieferten Wort Gottes als dem einen der Kirche anvertrauten Glaubensgut enthalten ist und zugleich als von Gott geoffenbart vorgelegt wird, sei es vom feierlichen Lehramt der Kirche, sei es von ihrem ordentlichen und allgemeinen Lehramt; das wird ja auch durch das gemeinsame Festhalten der Gläubigen unter der Führung des heiligen Lehramtes offenkundig gemacht; daher sind alle gehalten, diesen Glaubenswahrheiten entgegenstehende Lehren jedweder Art zu meiden.


      § 2. Fest anzuerkennen und zu halten ist auch alles und jedes, was vom Lehramt der Kirche bezüglich des Glaubens und der Sitten endgültig vorgelegt wird, das also, was zur unversehrten Bewahrung und zur getreuen Darlegung des Glaubensgutes erforderlich ist;

      daher widersetzt sich der Lehre der katholischen Kirche, wer diese als endgültig zu haltenden Sätze ablehnt.

      Can. 751 — Häresie nennt man die nach Empfang der Taufe erfolgte beharrliche Leugnung einer kraft göttlichen und katholischen Glaubens zu glaubenden Wahrheit oder einen beharrlichen Zweifel an einer solchen Glaubenswahrheit; Apostasie nennt man die Ablehnung des christlichen Glaubens im ganzen; Schisma nennt man die Verweigerung der Unterordnung unter den Papst oder der Gemeinschaft mit den diesem untergebenen Gliedern der Kirche.

      Can. 752 — Nicht Glaubenszustimmung, wohl aber religiöser Verstandes- und Willensgehorsam ist einer Lehre entgegenzubringen, die der Papst oder das Bischofskollegium in Glaubens- oder Sittenfragen verkündigen, wann immer sie ihr authentisches Lehramt ausüben, auch wenn sie diese Lehre nicht definitiv als verpflichtend zu verkünden beabsichtigen; die Gläubigen müssen also sorgsam meiden, was ihr nicht entspricht. 


      Hervorhebungen durch Fettdruck durch FW 





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      Sonntag, 30. September 2012

      Kirchenrechtler Hartmut Zapp bekommt vor Gericht recht

      Das Bistum Freiburg ist mit seiner Klage gegen den Kirchenrechtler Hartmut Zapp vor dem Bundesverwaltungsgericht unterlegen. Die Richter stellten fest, dass Zapp mit der Erklärung des Austritts aus der „römisch-katholischen Kirche, Körperschaft des öffentlichen Rechts“ ohne Wenn und Aber nach staatlichen Maßgaben gültig aus der katholischen Kirche ausgetreten ist.

      Der emeritierte Freiburger Professor für Kirchenrecht hatte bei seinem rechtlich-administrativen Kirchenaustritt vor dem Standesamt  seiner schriftlichen  Erklärung den Zusatz "Körperschaft des öffentlichen Rechts" als Konkretisierung eingefügt und gleichzeitig vor kirchlichen Instanzen erklärt, dass er weiterhin aktives Mitglied der römisch-katholischen Kirche bleiben wolle und nicht beabsichtige, sich seinen "Pflichten als Mitglied der römisch-katholischen Kirche gemäß den innerkirchlichen Normen zu entledigen" (Presseerklärung der Anwälte Zapps). Auch zur Zahlung eines Beitrags für kirchliche Zwecke "in etwa der Höhe der durchschnittlichen Kirchenbeiträge in vergleichbaren westeuropäischen Ländern" (H. Zapp), erklärte sich der Katholik bereit. Diese betragen etwa ein Zehntel der deutschen Kirchensteuer. Zapp will dabei den Unterschied zwischen einem "Körperschaftsaustritt" und einem "Kirchenaustritt" deutlich machen.

      Die Erzdiözese Freiburg dagegen behauptet die Kongruenz von Körperschafts- und Kirchenaustritt. Sie wollte die Bestätigung des Gerichtes über Nichtigkeit von Zapps einschränkender Erklärung: Der Austritt sei wegen des nicht statthaften Zusatzes "Körperschaft des öffentlichen Rechts" nicht gültig und Zapp somit weiterhin kirchensteuerpflichtig. Dem widersprach nun das Gericht: Es sah den Zusatz als nicht relevant und die Erklärung als gültig an. Die Richter bestätigten, dass Zapp nach deutschem Staatsrecht somit nicht mehr der Kirchengemeinschaft angehöre.

      Nach Ansicht der Deutschen Bischofskonferenz (DBK) erfüllt H. Zapp damit (trotz dessen ausdrücklichem gegenteiligen Bekundens) den Tatbestand des formalen Abfalls vom Glauben, eine "schwere Verfehlung gegenüber der kirchlichen Gemeinschaft". Er ist somit auch aus der Sakramentengemeinschaft der Kirche ausgeschlossen und geht sämtlicher kirchlicher Rechte verlustig. (vgl. Statement von Erzbischof R. Zollitsch)

      Dieses deutsche Sonderrecht aber widerspricht den für die gesamte Weltkirche geltenden kirchenrechtlichen Bestimmungen, nach denen für einen formalen Abfall bestimmte Vorraussetzungen erfüllt sein müssen.
      1. Der Abfall von der katholischen Kirche muss, damit er sich gültig als wirklicher actus formalis defectionis ab Ecclesia darstellen kann (...) konkretisiert werden in:

      a) einer inneren Entscheidung, die katholische Kirche zu verlassen;
      b) der Ausführung und äußeren Bekundung dieser Entscheidung;
      c) der Annahme dieser Entscheidung von seiten der kirchlichen Autorität.

      2. Der Inhalt des Willensaktes muss bestehen im Zerbrechen jener Bande der Gemeinschaft – Glaube, Sakramente, pastorale Leitung –, die es den Gläubigen ermöglichen, in der Kirche das Leben der Gnade zu empfangen. Das bedeutet, dass ein derartiger formaler Akt des Abfalls nicht nur rechtlich-administrativen Charakter hat (das Verlassen der Kirche im meldeamtlichen Sinn mit den entsprechenden zivilrechtlichen Konsequenzen), sondern dass er sich als wirkliche Trennung von den konstitutiven Elementen des Lebens der Kirche darstellt: Er setzt also einen Akt der Apostasie, Häresie oder des Schisma voraus.

      3. Der rechtlich-administrative Akt des Abfalls von der Kirche kann aus sich nicht einen formalen Akt des Glaubensabfalls in dem vom CIC verstandenen Sinn konstituieren, weil der Wille zum Verbleiben in der Glaubensgemeinschaft bestehen bleiben könnte.

      Andererseits konstituieren formelle oder (noch weniger) materielle Häresie, Schisma und Apostasie nicht schon von selbst einen formalen Akt des Abfalls, wenn sie sich nicht im äußeren Bereich konkretisieren und wenn sie nicht der kirchlichen Autorität gegenüber in der gebotenen Weise bekundet werden.
      Das Dokument stellt zweifelsfrei fest, dass, um einen gültigen Kirchenaustritt im Sinne des (weltkirchlichen) Kirchenrechts zu produzieren, die Willensbekundung des Austrittswilligen "schriftlich vor der zuständigen kirchlich katholischen Autorität bekundet wird", und der "Ordinarius oder der eigene Pfarrer, dem allein das Urteil darüber zusteht, ob wirklich ein Willensakt des in Nr. 2 beschriebenen Inhalts vorliegt oder nicht", über den Tatbestand entscheidet.

      Im Falle des Kirchenrechtlers Zapp dürfte der zuständige Pfarrer kaum zu dem Urteil kommen, dass Herr Zapp willens ist, sich von der römisch-katholischen Glaubensgemeinschaft zu trennen. Weder Punkt a) noch b) noch c) der vatikanischen Mitteilung sind damit erfüllt und folglich handelt es sich auch nicht um einen formalen Abfall vom Glauben und deshalb auch nicht um einen Kirchenaustritt oder eine Trennung von der Glaubens- und Sakramentengemeinschaft der römisch-katholischen Kirche.

      "Mit dem Körperschaftsaustritt wollte ich auf die Klärung der Frage nach dem "Formalakt des Abfallens von der katholischen Kirche" durch die authentische Inter­pretation des Päpstlichen Rates für Gesetzestexte vom 13. März 2006 hinweisen. Dieser Schritt (Anm.: des Körperschaftsaustritts) bedeutet keinen "Kirchenaustritt", da es sich weder um die "innere Entscheidung, die katholische Kirche zu verlassen", noch um deren "äußere Bekundung", noch um die "Annahme dieser Ent­schei­­dung von seiten der kirch­lichen Autorität" handelt; ich lege großen Wert auf diese Differenzierung und würde die Einladung zu einem Gespräch mit meinem Bischof oder Ver­tretern der Bistumsleitung über die in meinem Artikel behandelte Thematik begrüßen. Sehr schön wäre es, käme es in weiterem Rahmen zur Diskussion zwischen Bischöfen und Kanonisten."

      Es wird also in Zukunft darauf ankommen, was derjenige, der aus der Kirchensteuergemeinschaft austreten will, dem zuständigen Ordinarius erklären wird, der dann entscheiden muss, ob eine Apostasie, eine Häresie oder ein Schisma vorliegt und so dem Kirchenaustritt Gültigkeit verleiht.

      Personen, die nicht der "Einladung" ihres Pfarrers nachkommen um ihm persönlich die Gründe für den Austritt mitzuteilen, bleiben de facto Mitglied der Glaubensgemeinschaft; Personen, die erklären, sich von der Kirche distanzieren zu wollen oder den Glauben der Kirche nicht mehr teilen zu können sind sodann als "von der katholischen Kirche in einem formalen Akt Abgefallene", sprich aus der Kirche ausgetreten, was dann im Taufbuch vermerkt wird, und sind lediglich noch durch das "untilgbare Prägemal" der Taufe ("character indelebilis" nach can. 849 CIC)  mit dem mystischen Leib Christi verbunden.

      Das Allgemeine Dekret der Deutschen Bischofskonferenz vom 24.09.2012 ist in mehreren Punkten mangelhaft und dürfte, da es dem weltweit gültigen Kirchenrecht widerspricht, bei gleichzeitigem Festhalten am Glauben der Kirche, keinerlei Konsequenzen haben für den Status des Gläubigen als Mitglied in der Glaubensgemeinschaft der römisch-katholischen Kirche. Noch einmal wird Rom klarstellen müssen, ob ein Körperschaftsaustritt trotz Bekennens und Bewahrens des Glaubens und der Bereitschaft, die Kirche weiterhin ideell und finanziell zu unterstützen, einem schismatischen Akt gleichkommt, der einen Ausschluss aus der Glaubensgemeinschaft rechtfertigt.


      Aus der Presseerklärung der Anwälte von Hartmut Zapp:

      "Das Bundesverwaltungsgericht hat mit Urteil vom 26.09.2012 (– 6 C 7.12 –) die Klage des Erzbistums Freiburg gegen den von Hartmut Zapp im Juli 2007 vor dem Standesamt der Stadt Staufen erklärten Kirchenaustritt endgültig abgewiesen. Das Erzbistum Freiburg ist danach mit seiner Rechtsauffassung, wonach Hartmut Zapp mit dem erklärten Austritt aus der „römisch-katholischen Kirche, Körperschaft des öffentlichen Rechts“ nicht aus der römisch-katholischen Kirche ausgetreten sei, vollumfänglich unterlegen.

      Vielmehr wurde vom Bundesverwaltungsgericht bestätigt, dass Hartmut Zapp mit seiner Erklärung wirksam, „ohne Wenn und Aber“ aus der römisch-katholischen Kirche ausgetreten ist. Nichts anderes hatte Hartmut Zapp mit seiner Austrittserklärung beabsichtigt. Es ging ihm – entgegen der allgemeinen Medienberichterstattung – zu keinem Zeitpunkt darum, sich seinen Pflichten als Mitglied der römisch-katholischen Kirche gemäß den innerkirchlichen Normen zu entledigen."

      Quelle: kath.net

      Weiteres zum Thema:
      Linkliste zu "Kirchenaustritt", "deutsches Kirchensteuersystem"





      Buchtipp:
      Löffler, René: Ungestraft aus der Kirche austreten?
      Der staatliche Kirchenaustritt in kanonistischer Sicht


      "Zu Recht weist Löffler darauf hin, dass der gegenüber einer staatlichen Behörde erklärte Kirchenaustritt lediglich die „Aufgabe der Mitgliedschaft in einer körperschaftlich verfassten Religionsgemeinschaft mit bürgerlicher Wirkung“ zum Ausdruck bringt und folglich „nach kanonischem Recht kein uneingeschränkter und unbedingter Trennungswille präsumiert werden [darf], da der objektive Inhalt der staatlichen Austrittserklärung darüber keine Aussage macht“ (...) – mit anderen Worten: dass einem aus der Kirche als Körperschaft des öffentlichen Rechts austretenden Katholiken kirchlicherseits nicht (länger) automatisch unterstellt werden darf, er wolle auch die Kirche als Glaubensgemeinschaft verlassen." 

      (Dr. Wolfgang F. Rothe in: "Theologisches", Jan./Febr. 2008, Sp. 21-24)




      Omnium in mentem

      Donnerstag, 2. August 2012

      Unbarmherziges Kirchenrecht

      Einen äußerst wichtigen Aspekt in gegnwärtigen Diskussionen um Forderungen, die, meistens mit der Begründung, die Gesetze der Kirche würden der heutigen Lebenswirklichkeit nicht mehr gerecht, gestellt werden, hat Mag. theol. Michael Gurtner in einem Beitrag auf kath.net in den Blick genommen.

      Es geht um die Bedeutung des Kirchenrechts (CIC), um seinen Anspruch und seine mögliche Anpassung an heutige zeitgeistige Stömungen. Die Forderung mancher Kreise nach einer solchen Anpassung geht oft einher mit dem Ruf nach "Barmherzigkeit" und dem Vorwurf an die Kirche, sie sei unbarmherzig und ihre Ansprüche an die Menschen würden gutgemeinten pastoralen Ansätzen nicht entsprechen. Genau das Gegenteil aber ist der Fall: "Die Gläubigen haben ein natürliches Recht darauf, daß Glaube und Kult in der Kirche rein, vollständig und unverfälscht gepflegt und praktiziert werden" und auch deshalb sei die "Anwendung des kirchlichen Rechtes eine zutiefst pastorale Tat".

      Gurtner unterscheidet im Kirchenrecht verschiedene Bereiche: die einen, die das Leben in einer großen Gemeinschaft von Menschen (societas humana) innerweltlich in eine Ordnung bringen und die anderen, "welche direkt oder indirekt die heiligen Sakramente oder die Kirche selbst zum Inhalt haben." Um letztere geht es hier.

      Dazu erläutert Mag. Gurtner:

      "Das Dogma geht dem Gesetz voraus und gibt ihm seine Grundgestalt. Nicht der Zeitgeist oder das Mehrheitsvotum bestimmen was im sakramentalen und dogmatischen Bereich rechtens ist, sondern allein die Wahrheit, welche als solche immer von Gott, dem Schöpfer aller Dinge, entstammt. Würde man also das Kirchenrecht gegen die dogmatischen Gegebenheiten auszuspielen versuchen, so würde das nichts anderes bedeuten, als sich gegen Gott selbst zu stellen. Nicht weil er das Kirchenrecht als solches eingesetzt hätte, aber doch weil das Kirchenrecht die von Gott geoffenbarten Dinge zu schützen hat."

      Und weiter:

      "Es denkt deshalb falsch, wer meint, das Kirchenrecht sei „Schuld“ an der Praxis, wie sie die Universalkirche im Umgang mit wiederverheirateten Geschiedenen vorschreibt, um nur ein ständig diskutiertes Beispiel zu benennen. Es ist keine Frage des Kirchenrechtes, sondern der Sakramententheologie, welche dann im Kirchenrecht rezipiert wird und dort ihren rechtlichen Ausdruck findet. (...)

      Das Kirchenrecht schützt die Menschen letztlich vor der Willkür Zeitgeistiger, welche die ewigen Wahrheiten Gottes durch die vergänglichen Strömungen des gegenwärtigen Augenblickes ersetzen wollen. Dieses natürliche Recht der Gläubigen ist es auch, welche die Rechtspflege und die Anwendung des Kirchenrechtes nicht zu einer fakultativen Sache macht, sondern zur strengen Pflicht der Verantwortlichen."

      Gurtner stellt denn auch fest, dass es nicht möglich ist, die Vorschriften des Kirchenrechts durch Mehrheitsbeschlüsse oder aus "pastoralen Erwägungen" ändern zu wollen, da es sich eben nicht um willkürlich von Menschen aufgestellte Regeln, sondern um den Willen und die Gebote Gottes gehe.

      "Doch unabhängig davon, ob es Mehrheiten oder Minderheiten sind: Forderungen wie jene nach dem Frauenpriestertum, nach der Abschaffung der Zugangsbedingungen zur Heiligen Kommunion, der Leitung der Pfarreien und anderer kirchlicher Einrichtungen durch Laien, der Sakramentenspendung durch Laien, der Laienpredigt, der kirchenrechtlichen Legitimation einer zweiten Ehe nach Scheidung etc. sind Dinge, welche nicht durch Beschluß geändert werden können. Es handelt sich bei der rechten Handhabung dieser Fragen um ein absolutes Recht der Gläubigen, auf welches sie jedoch auch nicht einfach verzichten können, weil die Sache selbst theologisch gebunden ist" so der Theologe und er resümmiert:

      "Deshalb ist die Anwendung des kirchlichen Rechtes eine zutiefst pastorale Tat, das Recht minderzuachten, zu vernachlässigen oder zu negieren würde bedeuten, ein schlechter Hirte zu sein, die ihm von der Kirche übertragenen Aufgaben zu vernachlässigen und somit zutiefst unpastoral zu handeln..."

      (Hervorhebungen durch Fettdruck von Admin)
       

      Den ganzen Beitrag findet man hier:


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