Die große, die lehrende Kirche weiß immer mehr
als ihre gerade modischen Strömungen.
Ida Friederike Görres in "Aus der Welt der Heiligen" (s. Quellen)
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"Die Vorstellung, man könne pastorale Praxis von der Glaubenslehre trennen, ist genauso absurd wie die Idee, man könne die architektonisch- künstlerische Gestaltung einer Brücke ohne Berücksichtigung der statischen Berechnungen umsetzen."
"Dass in Lehre und Praxis der Kirche von heute wahr sein könnte, was gestern Irrtum war, ist undenkbar, wenn wir an das Wirken des Heiligen Geistes glauben, der die Kirche in alle Wahrheit einführt. Auf die Lebenswirklichkeit der heutigen Gesellschaft einzugehen und zu antworten, ist damit keinesfalls ausgeschlossen, sondern selbstverständlich und notwendig. Allerdings kann dieses niemals dazu führen, dass Lehre und Praxis der Kirche dem jeweiligen Mainstream angepasst werden."
Brandmüller erinnerte an den Satz, den Augustiner-General Egidius von Viterbo in der Eröffnungsrede zum 5. Laterankonzil gesagt habe: "Es gelte nicht, das Heilige dem Menschen anzupassen, sondern die Menschen dem Heiligen." Ebenso verwies der Kirchenhistoriker auf die johanneischen Schriften des Neuen Testamentes, in denen ausdrücklich ein "notwendige(r) Kontrast zwischen 'dieser' Welt' und dem Reich Gottes'" konstatiert werde. Diese neutestamentliche Sichtweise sei bei den Auseinandersetzungen um die Richtung der Kirche "dem Blick entschwunden" gewesen.
"Worum es also gehen muss ist dies: Den heute lebenden Menschen einsichtig zu machen, dass die in der leib-geistigen Natur des Menschen begründeten Normen des natürlichen Sittengesetzes den einzigen Weg zu einem geglückten Leben weisen – noch bevor von der Botschaft des Evangeliums die Rede ist."
"[...D]ieses Problem (Anm.: der Lagerbildung) hatte schon das Erste Vatikanum beschäftigt. Dabei bestand der Gegensatz zwischen jenen, die eine nicht risikolose Anpassung, und den anderen, die Konfrontation für geboten hielten. Diese Spannung wurde nicht gelöst, sie setzte sich in der Modernismuskrise um die Wende zum zwanzigsten Jahrhundert fort."
"Inwiefern die bekannten Forderungen bezüglich Homosexualität, Scheidung und Wiederheirat eigentlich modernistische Wurzeln haben, wäre im Einzelnen zu prüfen. Möglicherweise sind sie nur Äußerungen des Zeitgeistes. Jedenfalls aber ist die Auffassung, dass sich die Glaubens- und Sittenlehre der Kirche ändern könne, eindeutig modernistisch. Schon das Erste Vatikanische Konzil hat in seiner Konstitution „Dei Filius“ diese Ansicht eindeutig verurteilt."
"Grundlage für die Lehre der Kirche ist die von den Aposteln empfangene und von ihnen weitergegebene Offenbarung Jesu Christi. „Ich habe vom Herrn empfangen, was ich euch überliefert habe“, sagt der Apostel Paulus. An dieses Glaubensgut stellt nun jede Zeit ihre spezifischen Fragen und es waren namentlich die Konzilien, die unter der Leitung des Heiligen Geistes darauf ihre Antwort gaben. Dies gewiss in der Sprache und mit den Begriffen ihrer jeweiligen Zeit, doch in bruchloser Übereinstimmung mit der überlieferten Wahrheit."
Quelle: Die Tagespost, 06.12.2014, Nr. 145, S. 5