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Samstag, 28. August 2021

Online-Tagung über Leo Kardinal Scheffczyk

Die "Internationale Theologische Sommerakademie Aigen" befasst sich in diesem Jahr am 30. und 31. August (also Montag und Dienstag dieser Woche!) mit der Theologie des Dogmatikers Leo Kardinal Scheffczyk:

 

„Kardinal Leo Scheffczyk als Wegweiser des Glaubens.

Akademie aus Anlass seines 100. Geburtstages und

 des 20. Jahrestages seiner Kardinalserhebung“


Die Veranstaltung findet ausschließlich online statt. Anmeldungen können - trotz abgelaufener Anmeldefrist - noch getätigt werden. Die Verbindung erfolgt über die Plattform "Zoom".

Scheffczyk hat unter anderem theologisch begründet, warum der Kommunionempfang für geschiedene und wiederverheiratete Katholiken nicht möglich ist (s. hier).


Das Programm der Akademie 2021 finden Sie hier, die Möglichkeiten zur Anmeldung hier.

 

 
Fotogalerie im Scheffczyk-Archiv des Klosters Thalbach,
wo sich der gesamte Nachlass des Kardinals befindet.
(Führungen sind möglich und sehr zu empfehlen!)



Grab Leo Kardinal Scheffczyks
auf dem Klosterfriedhof des Klosters Thalbach (Bregenz, Österreich)
 
 
 

Sonntag, 10. September 2017

Verdunkelt "Amoris Laetitia" die Wahrheit von Gut und Böse?

Der Philosoph Josef Seifert verteidigt dankenswerterweise mit einer neuen Stellungnahme zu Amoris Laetitia die Wahrheit und die ihr entsprechende katholische Morallehre gegen deren Relativierung. Dafür wurde er - für gläubige Katholiken völlig unverständlich - von Erzbischof Javier Martinez Fernandez (Granada, Spanien) scharf kritisiert und aus dem Lehrbetrieb entlassens. LifeSiteNews vom 05.09.2017 und kath.net vom 06.09.2017.


Im Folgenden die Anfrage des renommierten Philosophen im Wortlaut:

 

Droht reine Logik die gesamte Morallehre der katholischen Kirche zu zerstören?


Josef Seifert*


Dies ist eine aus dem englischen Original vom Autor ins Deutsche übersetzte Fassung des Aufsatzes, die jedoch – in Antwort auf erste Einwände gegen den englischen Text – einige Zusätze enthält, die im Original fehlen.


Der Text wird hier unter der Creative-Commons-Namens-nennung-Lizenz (CC BY 3.0) veröffentlicht.

Erscheinungsdatum 09.09.2017


Zusammenfassung


Die Titelfrage dieses Beitrags richtet sich an Papst Franziskus und alle katholischen Kardinäle, Bischöfe, Philosophen und Theologen. Es handelt sich um einen Zweifel, eine rein logische Konsequenz einer Aussage in Amoris Laetitia betre ffend, und endet mit einem Appell an Papst Franziskus, mindestens eine These in AL zurückzuziehen, wenn die Titelfrage dieses kurzen Aufsatzes mit Ja beantwortet werden muß. Und wenn in der Tat aus dieser einen Behauptung in AL eine reine Logik, aus evidenten logischen Gesetzen, die Zerstörung der gesamten katholischen Morallehre ableiten kann.

Amoris Laetitia hat zweifellos viel Verunsicherung und widersprüchliche Auslegungen in der katholischen Welt hervorgerufen. Ich möchte hier nicht diese ganze Kontroverse erneut darlegen und die Stellungnahme, die ich zu diesem Thema in einem vorangegangenen Artikel in drei Sprachen verteidigt habe, wiederholen. (1)

Hier geht es uns jedoch um eine einzige Aussage in AL, die nichts mit einer Anerkennung der Rechte des subjektiven irrenden Gewissens oder der Willensschwäche zu tun hat (unter Bezugnahme auf die Rocco Buttiglione die volle Harmonie zwischen dem moralischen Lehramt des heiligen Papstes Johannes Paul II und Papst Franziskus behauptet) – gegen die von Robert Spaemann und anderen geäußerte Feststellung eines vollständigen Bruches zwischen beiden. Buttiglione argumentiert, daß, in Bezug auf ihre grundverschiedene Lehre über die sakramentale Disziplin, der hl. Papst Johannes Paul II dann recht hat, wenn man nur den objektiven Inhalt der menschlichen Handlungen berücksichtige, während Papst Franziskus recht habe, wenn man, nach der nötigen Prüfung und Unterscheidung, den subjektiven Faktoren und fehlenden Bedingungen der Todsünde (mangelhafter ethischer Erkenntnis und Schwäche des freien Willens) die von ihnen verlangte Anerkennung zuteil werden läßt.

Im Gegensatz zu Passagen, in denen AL von diesen subjektiven Elementen spricht, behauptet jedoch die Stelle von AL, die ich hier untersuchen möchte, einen völlig objektiven göttlichen Willen, den wir laut AL (mit gewisser Sicherheit) erkennen können. Man kann daher diesen Text wohl unmöglich als eine „Verteidigung der Rechte der menschlichen Subjektivität,“ wie Buttiglione behauptet, deuten, sondern er besagt, daß diese intrinsisch ungeordneten und objektiv schwer sündhaften Handlungen, deren objektiv sündhaften Charakter Buttiglione zugibt, von Gott erlaubt, ja sogar von Ihm geboten werden (Sein Wille sein) können.

Wenn dies nun wirklich das ist, was AL behauptet, so bezieht sich aller Alarm über AL’s direkte Aussagen zu Fragen der Änderung der sakramentalen Disziplin,(2) nur auf die Spitze eines Eisbergs, auf den schwachen Beginn einer Lawine oder auf die ersten wenigen, durch eine moraltheologische Atombombe zerstörten Gebäude. Bei näherer Betrachtung scheint diese Atombombe das ganze moralische Gebäude der 10 Gebote und der katholischen Morallehre niederzureißen.

In der vorliegenden Arbeit werde ich jedoch nicht behaupten, daß dies der Fall ist. Im Gegenteil, ich überlasse die Beantwortung der Frage, ob es zumindest eine Aussage in Amoris Laetitia gibt, deren logische Konsequenz die Zerstörung der gesamten katholischen Morallehre nach sich zöge, oder nicht, ganz dem Papst oder anderen Lesern. Ich muß jedoch zugeben, daß das, was ich über eine Kommission lese, die vom Papst einberufen wurde, um Humanae Vitae, eine Enzyklika, die, wie später Veritatis Splendor, Jahrzehnten der ethischen und moraltheologischen Debatten ein definitives Ende setzte, „erneut zu prüfen", diese Titelfrage meiner Abhandlung provoziert hat und vielen Katholiken große Sorge bereitet.

Betrachten wir den entscheidenden Text (AL-303), der von Papst Franziskus auf den Fall der ehebrecherischen Beziehungen oder sonstiger sexueller Aktivitäten von Paaren „in unregelmäßigen Situationen“ angewendet wird, die sich entscheiden, die Aufforderung der Enzyklika Familiaris Consortio des heiligen Papstes Johannes Paul II an solche „unregelmäßige Paare“ nicht zu befolgen.

Papst JohannesPaul II lehrt diese Paare, daß sie sich entweder völlig trennen, oder, ist dies nicht möglich, ganz enthaltsam leben und auf Geschlechtsverkehr verzichten müssen. Papst Franziskus hingegen schreibt (AL 303):
„Doch dieses Gewissen kann nicht nur erkennen, dass eine Situation objektiv nicht den generellen Anforderungen des Evangeliums entspricht. Es kann auch aufrichtig und ehrlich das erkennen, was vorerst die großherzige Antwort ist, die man Gott geben kann, und mit einer gewissen moralischen Sicherheit entdecken, dass dies die Hingabe ist, die Gott selbst inmitten der konkreten Vielschichtigkeit der Begrenzungen fordert, (3) auch wenn sie noch nicht völlig dem objektiven Ideal entspricht. (4)
Dieser Satz heißt wohl, neben der euphemistisch klingenden Bezeichnung eines objektiven Zustands einer (nach dem Urteil der Kirche) schweren Sünde als „noch nicht vollständig das ideale Ziel erreichend“, daß wir mit „einer gewissen moralischen Sicherheit“ wissen, daß Gott selbst will, daß wir, um „größere Übel zu verhindern“, weiterhin in sich schlechte Handlungen begehen, wie Ehebruch oder aktive Homosexualität.

Demnach könnten wir erkennen, daß wir in bestimmten Situationen Handlungen begehen dürfen, ja sogar, wie aus einer anderen Stelle von AL hervorgeht, begehen sollen, die in sich schlecht sind und immer von der Kirche als solche betrachtet wurden.

Da man Gott sicherlich nicht ein fehlendes oder mangelhaftes ethisches Erkennen, ein „irrendes Gewissen“ oder eine Schwäche des freien Willens zuschreiben kann, geht es hier nicht um einen rein subjektiven Glauben des Gewissens, oder gar um ein irrendes Gewissen.

Der Papst spricht hier ferner nicht von einer (potentiell falschen) Überzeugung des Gewissens, sondern von einer Erkenntnis. Und eine Erkenntnis kann man nie von etwas Falschem haben. Der Grad der Gewißheit hat damit nichts zu tun. Er bestimmt nur, ob ein problematisches, assertorisches oder apodiktisches Urteil begründet werden kann. Doch hat dies nichts mit der Wahrheit zu tun. Denn aus der Wahrheit eines problematischen oder assertorischen Urteils folgt auch die Wahrheit eines apodiktischen Urteils. Und sicher kann der von uns betrachtete Text nicht meinen, daß die Erkenntnis, daß Gott einen in sich schlechten Akt erlaubt oder gar fordert, niemals wahr sein und dieser Fall nie eintreten kann.

Kann und muß reine Logik unter dieser Annahme nicht fragen:

„Wenn nur ein Fall einer in sich unsittlichen Handlung von Gott erlaubt und sogar gewollt werden kann, muß dies nicht für alle Handlungen, die vom Lehramt der Kirche bisher als „intrinsece malum“ („intrinsisch schlecht“) bezeichnet wurden, gelten? Wenn es stimmt, daß Gott wollen kann, daß ein ehebrecherisches Paar weiterhin im Ehebruch leben soll, sollte dann nicht auch das Gebot „Du sollst nicht ehebrechen!“ neu formuliert werden: „Wenn Ehebruch in Deiner konkreten Situation nicht das kleinere Übel ist, begehe keinen Ehebruch!Wenn Ehebruch in Deiner Lage das kleinere Übel ist, lebe ihn weiter!“?

„Müssen dann nicht auch die anderen 9 Gebote, Humanae Vitae, Evangelium Vitae, und alle vergangenen, gegenwärtigen und künftigen kirchlichen Dokumente, Dogmen oder Konzilsbeschlüsse, die die Existenz von in sich schlechten Handlungen lehren, fallen? Muß dann nicht die neue, von Papst Franziskus zur Überprüfung von Humanae Vitae einberufene Kommission schlußfolgern, daß dieVerwendung von Verhütungsmitteln in manchen Situationen gut oder sogar obligatorisch und von Gott gewollt sein kann? Stimmt es dann nicht mehr, wenn die Kirche unter Berufung auf das Naturrecht verboten hat, Verhütungsmittel zu verwenden, und war dann nicht die Lehre von Humanae Vitae ein gewaltiger Fehler, eine Lehre, die unzweideutig besagt hat, daß (absichtliche) Empfängnisverhütung in keiner Situation moralisch gerechtfertigt ist, geschweige denn von Gott befohlen werden kann?

„Können dann nicht auch Abtreibungen, wie Mons. Fisichella, der damalige Präsident der Päpstlichen Akademie für das Leben, behauptete, in einigen Fällen gerechtfertigt und jene Antwort sein, ‘die Gott selbst inmitten der konkreten Vielschichtigkeit der Begrenzungen fordert, auch wenn sie noch nicht völlig dem objektiven Ideal entspricht’“? (AL 303) „Müssen dann nicht nach den Gesetzen reiner Logik Euthanasie, Selbstmord und Beihilfe zum Selbstmord, Lügen, Diebstähle, Meineide,Verleugnungen Christi, wie die des hl. Petrus oder auchMord, unter manchen Umständen und nach sorgfältigen ‘Unterscheidungen’, aufgrund der Komplexität einer konkreten Situation gut und lobenswert genannt werden? Kann dann nicht Gott auch verlangen, daß ein Sizilianer, der sich verpflichtet fühlt, die unschuldigen Glieder einer Familie auszulöschen, deren Haupt ein Mitglied seiner Familie ermordet hat, mit seinem Mordplan getrost voranzuschreiten?

Wenigstens dann, wenn z.B. sein Handeln verhindert, daß sein radikalerer Bruder gleich vier Familien auslöscht? Kann dann auch Mord jene Antwort sein, ‘die Gott selbst inmitten der konkreten Vielschichtigkeit der Begrenzungen fordert, auch wenn sie noch nicht völlig dem objektiven Ideal entspricht’“ (AL 303)?

„Verlangt die reine Logik also nicht, daß wir diese Konsequenz aus der zitierten Aussage von AL ziehen?“

Wenn jedoch die Titelfrage dieses Aufsatzes bejahend beantwortet werden muß, wie es der Fall zu sein scheint, würde es dann nicht folgen, daß die gesamte Morallehre der Kirche von Amoris Laetitia zerstört würde? Wenn die Titel-Frage dieses Essays bejaht wird, muß dann nicht eine eiserne und kühle Logik unweigerlich verlangen, die zitierte Aussage von Papst Franziskus zurückzuziehen? Sollte dieser Satz daher nicht zurückgezogen und von Papst Franziskus selbst, der zweifellos solche ethischen Folgen verabscheut, verurteilt werden?

Wenn Papst Franziskus dieser logischen Schlußfolgerung zustimmt, und die Titelfrage dieses Aufsatzes bejahend beantwortet, so möchte ich mit der Heiligen Katharina von Siena unseren obersten geistlichen Vater auf Erden, unseren ‘süßen Christus auf Erden’, wie diese Heilige einen der Päpste nannte, unter dessen Pontifikat sie lebte, während sie ihn heftig kritisierte, leidenschaftlich bitten, die genannte Aussage zurückzuziehen. Wenn die eisernen logischen Konsequenzen dieser Aussage nichts weniger als eine totale Zerstörung der Morallehren der katholischen Kirche androhen, sollte dann nicht der ‘geliebte Christus auf Erden’ seine eigene Aussage zurückziehen? Wenn die genannte These die unweigerliche logische Konsequenz mit sich führt, die Existenz in sich moralisch unrechter Handlungen zu leugnen, die unter allen Umständen und in allen Situationen verboten sind, und wenn diese Behauptung daher, nach Familiaris Consortio und Veritatis Splendor, ebenso Humanae Vitae und viele andere feierliche Lehren der Kirche niederrisse, sollte sie dann nicht verworfen werden?

Gibt es nicht offenbar solche Handlungen, die immer in sich schlecht und daher niemals gerechtfertigt oder gottgewollt sein können, so wie es andere Handlungen gibt, die immer gut sind? (5) Und sollte dann nicht jeder Kardinal und Bischof, jeder Priester, Mönch, jede geweihte Jungfrau und jeder Laie in der Kirche ein sehr lebhaftes Interesse an diesem Thema haben und dieses leidenschaftliche Plädoyer eines „armseligen Laien“, eines einfachen Professors der Philosophie, und unter anderem der Logik, sich zu eigen machen?


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(1)
(Ich überlege, auch dies noch in einer Antwort auf einige kritische Bemerkungen meines engen persönlichen Freundes Rocco Buttiglione, mit dem ich hinsichtlich fast aller anderen philosophischen und kirchlichen Fragen übereinstimme, zu tun.) Siehe Josef Seifert, „Amoris Laetitia. Joy, Sadness and Hopes“. In: Aemaet 5.2 (2016), 160-249, http://aemaet.de, urn:nbn:de:0288-2015080654. Josef Seifert „Die Freude der Liebe: Freuden, Betrübnisse und Hoffnungen“. In: Aemaet 5.2 (2016), 2-84, http://aemaet.de, urn:nbn:de:0288-2015080660. Josef Seifert „La Alegría del Amor: Alegrías, Tristezas y Esperanzas“. In: Aemaet 5.2 (2016), 86-158, http://aemaet.de, urn:nbn:de:0288-2015080685.

(2)
Nämlich, auf Grund gewissenhafter Unterscheidung, manche Ehebrecher, aktive Homosexuelle und andere „irreguläre“ Paare in ähnlichen Situationen zu den Sakramenten der Beichte und der Eucharistie (und logischerweise auch der Taufe, der Firmung und der Ehe) zuzulassen, ohne deren Bereitschaft, ihr Leben zu ändern und in voller sexueller Enthaltsamkeit zu leben. (Dies hat Papst Johannes Paul II in Familiaris Consortio als Bedingung der Zulassung solcher Paare zu den Sakramenten gefordert).

(3)
Amoris Laetitia 303. Aus dem vorherigen ebenso wie aus dem späteren Kontext geht klar hervor, daß dieser „Wille Gottes“ sich hier darauf bezieht, weiterhin das, was objektiv eine schwere Sünde ist, zu leben. Vgl. z. B. AL 298, Fußnote 329:
„Viele, welche die von der Kirche angebotene Möglichkeit, ‘wie Geschwister’ zusammenzuleben, kennen und akzeptieren, betonen, dass in diesen Situationen, wenn einige Ausdrucksformen der Intimität fehlen, ‘nicht selten die Treue in Gefahr geraten und das Kind in Mitleidenschaft gezogen werden’ [kann].“ (Zweites Vatikanisches Konzil, Past. Konst. Gaudium et spes über die Kirche in der Welt von heute, 51).

In Gaudium et Spes, 51, woher das letzte Zitat entnommen ist, wird dieser Gedanke als ungültiger Einspruch gegen die moralische Forderung, nie einen Akt der Empfängnisverhütung zu begehen, genommen. AL hingegen löst sie erstens vom Zusammenhang mit der Ehe, in dem sie in GS steht, los, und wendet sie auf die „Treue“ ehebrecherischer Paare einander gegenüber an, und versteht sie zweitens in dem oben erläuterten Sinne als eine Rechtfertigung, weiterhin objektiv gesehen schwer sündhafte, ehebrecherische Handlungen zu begehen. Und zwar versteht AL diese nicht nur als subjektiv entschuldbare Folgen eines Gewissensirrtums, sondern behauptet, daß es sogar dem objektiven Willen Gottes entspricht und als gottgewollt erkannt werden kann, Akte des Ehebruchs und andere, die ein intrinsece malum sind, zu begehen.

(4)
346 Relatio Finalis 2015 85.235.

(5)
Dies ist die Grundaussage von Veritatis Splendor. Vgl. auch Josef Seifert, „The Splendor of Truth and Intrinsically Immoral Acts: A Philosophical Defense of the Rejection of Proportionalism and Consequentialism in ‘Veritatis Splendor’.“ In: Studia Philosophiae Christianae UKSW 51 (2015) 2, 27-67. „The Splendor of Truth and Intrinsically Immoral Acts II: A Philosophical Defense of the Rejection of Proportionalism and Consequentialism in ‘Veritatis Splendor’.“ In: Studia Philosophiae Christianae UKSW 51 (2015) 3, 7-37.




* Der Autor ist Gründungsrektor der Internationalen Akademie für Philosophie im Fürstentum Liechtenstein; Inhaber des Dietrich von Hildebrand Lehrstuhls für realistische Phänomenologie an der IAP-IFES Granada, Spanien; vom heiligen Papst Johannes Paul II als ordentliches (lebenslanges) Mitglied der Päpstlichen Akademie für das Leben berufen; (eine Aufgabe, die mit der Statutenänderung und der Entlassung aller PAV Mitglieder durch Papst Franziskus im Jahr 2016 und der Nicht-Wiederwahl als Mitglied einer, grundlegend veränderten, PAV im Jahr 2017 endete).

Epost: jmmbseifertXYZcom (ersetze ‘XYZ’ durch ‘12@gmail.’)
Der Autor ist postalisch zu erreichen über: Calle Angel Ganivet 5/7 D - 18009
Granada (Granada) - Spanien/España.


Aemaet Bd. 6, Nr. 2 (2017) 11-21, http://aemaet.de

urn:nbn:de:0288-20130928664


Weiterführende Links:




Dienstag, 25. August 2015

Es gibt nichts Neues unter der Sonne...

Das zeigen auch die gegenwärtigen Diskussionen um Ehe und Familie innerhalb der katholischen Kirche. Eigentlich sind die Grundlagen einer kirchlichen Haltung und Pastoral gegenüber zivil wiederverheirateten Geschiedenen oder gegenüber gleichgeschlechtlichen Partnerschaften, um die zwei zur Zeit wohl meistdiskutierten Themenbereiche zu nennen, längst gelegt. Es gibt zahlreiche kirchliche bzw. lehramtliche Dokumente, die sich mit diesen Problemen der gegenwärtigen Glaubenskrise befassen und Hilfen und Lösungen für alle Menschen guten Willens vorschlagen.

Dennoch lassen sich selbst (oder gerade?) Theologen bei der Lösungssuche immer wieder von denselben Fallstricken einwickeln, sodass sie den hilfebedürftigen Gläubigen, die sich in "Lebenswirklichkeiten" verstrickt haben, die außerhalb des Heilsplans Gottes liegen, nicht wirklich eine Hilfe sind. Stattdessen versuchen sie, die Sünde zu relativieren oder gar zur Tugend zu erklären - vielleicht auch deshalb, um Kirchenmitglieder (Kirchensteuerzahler) bei Stange zu halten.

Besonders abwegig wird es, wenn nicht-glaubenskonforme gelebte "Wirklichkeiten" auf einmal als authentischer Ausdruck des übernatürlichen Glaubenssinns (Sensus fidei) erklärt werden sollen, nach dem sich das kirchliche Lehramt zu richten habe. Erklärt wird dieser Anspruch zumeist aus der Geschichtlichkeit von biblischen Texten und kirchlicher Lehre, die - wie übrigens auch die Dogmen - einer Neuentdeckung und Neuinterpretation für die heutige Zeit bedürfen.

Diese Sichtweise wurde von der Kirche stets verurteilt und abgewiesen bzw. korrigiert. Einblick und Auskunft geben die Dokumente, die für alle, in viele Sprachen übersetzt, über das Internet - z. B. auf den Seiten des Vatikans - öffentlich zugänglich sind.

So heißt es beispielsweise in einem Schreiben der Kongregation für die Glaubenslehre vom 29.12. 1975 zu einigen Fragen zur Sexualethik:

4. Zu Unrecht behaupten (...) heute viele, daß man weder in der menschlichen Natur noch im geoffenbarten Gesetz eine andere absolute und unveränderliche Norm als Regel für unsere einzelnen Handlungen finden könne als jene, die im allgemeinen Gebot der Liebe und der Achtung vor der menschlichen Würde zum Ausdruck kommt. Als Beweis für diese Behauptung führen sie an, daß die sogenannten Normen des Naturgesetzes oder die Vorschriften der Heiligen Schrift nur als Ausdruck einer besonderen Kulturform in einem bestimmten geschichtlichen Augenblick angesehen werden können.

In Wirklichkeit jedoch weisen die göttliche Offenbarung und, in dem ihr eigenen Bereich, auch die philosophische Erkenntnis dadurch, daß sie echte Erfordernisse der Menschheit aufzeigen, notwendig auf die Existenz unveränderlicher Gesetze hin, die in die konstitutiven Elemente der menschlichen Natur eingeschrieben sind und die in allen vernunftbegabten Wesen als identisch erscheinen.

Ferner hat Christus seine Kirche als »die Säule und das Fundament der Wahrheit« gegründet.(1) Unter dem Beistand des Heiligen Geistes bewahrt sie ununterbrochen und übermittelt sie ohne Irrtum die Wahrheiten der sittlichen Ordnung und interpretiert authentisch nicht nur das geoffenbarte positive Gesetz, sondern »auch die Prinzipien der sittlichen Ordnung, die aus dem Wesen des Menschen selbst hervorgehen« (2) und die volle Entfaltung und die Heiligung des Menschen betreffen. Die Kirche aber hat im ganzen Verlauf ihrer Geschichte bestimmten Vorschriften des Naturgesetzes immer eine absolute und unveränderliche Geltung zuerkannt und in deren Übertretung einen Widerspruch zur Lehre und zum Geist des Evangeliums gesehen.

5. Da die Sexualethik bestimmte Grundwerte des menschlichen und christlichen Lebens betrifft, wird diese allgemeine Lehre in gleicher Weise auch auf sie angewandt. Es gibt in diesem Bereich Prinzipien und Normen, die die Kirche ohne Zögern stets als einen Bestandteil ihrer Lehre überliefert hat, wie sehr auch die Meinungen und Sitten in der Welt zu ihnen im Gegensatz gestanden haben mögen. Diese Prinzipien und Normen haben ihren Ursprung keineswegs in einer bestimmten Kulturform, sondern in der Erkenntnis des Gesetzes Gottes und der menschlichen Natur. Deshalb können sie auch nicht unter dem Vorwand einer neuen kulturellen Situation als überholt angesehen oder in Zweifel gezogen werden. (...)


 (1) 1 Tim 3, 15.
 (2) Dignitatis Humanae, Nr. 14: AAS 58 (1966), S. 940; vgl. Pius XI., Enz. Casti Connubii, 31. Dez. 1930: AAS 22 (1930), S. 579-580; Pius XII., Ansprache vom 2. Nov. 1954: AAS 46 (1954), S. 671-672; Johannes XXIII., Enz. Mater et Magistra, 15. Mai 1961: AAS 53 (1961), S. 457; Paul VI., Enz. Humanae Vitae, 25. Juli 1968, Nr. 4: AAS 60 (1968), S. 483.

Die Dokumente haben bis heute nichts von ihrer Aktualität eingebüßt. Würden dem Volk Gottes nicht viele längst überflüssige Diskussionen und Holzwege erspart bleiben, wenn die lehramtlichen Verlautbarungen des Heiligen Stuhls mehr gelesen und rezipiert würden - von Laien, aber auch von Theologen?


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Montag, 9. Februar 2015

Von mündigen Laien und doppelzüngigen Verführern

Mag. Michael Gurtner (Salzburg) warnt vor falschen Propheten in und außerhalb der Kirche. Unumwunden benennt er die Gefahren, die ganz aktuell das Leben und das Seelenheil der Gläubigen gefährden: rhetorische Unehrlichkeiten und das Bestreben, die unveränderliche Lehre der Kirche - beispielsweise über die Ehe -  zu untergraben und zu ändern, Umschmeicheln der Gläubigen mit falschen Barmherzigkeitsversprechen oder mit der Anbiederung an ein dem Mainstream angepasstes (atheistisches) Familien- und Gesellschaftsbild - die Wölfe im Schafspelz und Verführer ziehen viele Register.

"Ein undifferenzierter Vertrauensvorschuss an die Theologen und Geistlichen ist derzeit nicht berechtigt und eher als gefährlich einzustufen", gibt Gurtner zu bedenken, mahnt zur Wachsamkeit und zur jeweiligen Prüfung der Vorschläge von Theologen und vom Unglauben infizierten Kirchenmännern.

Der Österreicher macht eine Beschleunigung der "Phalanx jener 'mündigen Laien'" aus, "welche die katholische Ehelehre und das klassische Bild der Kirche von Familie immer lauter verteidigen". Vier Punkte nennt Gurtner, die glaubenstreue, katholische Familien von der Kirche erwarten dürfen:
  1. dass sie die katholische Lehre nicht verwässert und aufweicht, sondern verteidigt und gerade in jenen Zeiten hochhält, in denen sie von außen angegriffen wird
  2. die unverkürzte Darlegung der Lehre Christi
  3. die systematische Begründung: sagen, was die erkannte Wahrheit ist und wie der Erkenntnisgang dorthin sich begründet
  4. den Menschen auch praktische Hilfestellungen geben, wie sie in ihrem eigenen Leben und in ihrer eigenen Familie die katholische Lehre umsetzen können

Ein Auszug aus dem Beitrag von Michael Gurtner auf dem unabhängigen katholischen Nachrichtenportal kath.net am 09.02.2015:
Diejenigen, welche die kirchliche Ehelehre neu (und dabei freilich verändert) schreiben wollen, spielen nur teilweise mit offenen Karten. Sehr oft findet sich auch eine große Unehrlichkeit in ihren Worten mit dem Ziel, die Gegner einer solchen Änderung zu beruhigen und deren Widerstand so zu dämpfen. Klassische anmutende Argumente wie der Gehorsam oder die Leitung der Kirche durch den Heiligen Geist werden dabei gerne ge- und missbraucht, weil sie traditionell klingen, bei den Gegnern der Neuerungen daher einen Beruhigungseffekt haben und vortäuschen, es sei alles mit der bisherigen Lehre der Kirche in bestem Einklang und Harmonie.

Diese Unehrlichkeiten werden sehr gezielt positioniert und wollen suggerieren, man wäre besonders dann ein guter Katholik, wenn man alle angestrebten Änderungen der Kirche abnickt – auch dann wenn sie der Lehre Christi und seines Heiligen Evangeliums widersprechen. Man sagt, die Lehre würde sich nicht ändern, allein die Praxis würde verfeinert, sensibler gehandhabt und das Moment der „Barmherzigkeit“ würde nun erst zu ihrer eigentlichen Bedeutung geführt. Dass man durch eine scheinbare Barmherzigkeit die wirkliche Barmherzigkeit in ein schiefes Licht rückt, stört sie dabei im übrigen nicht weiter. Und natürlich wäre es keine Verarmung, sondern eine Bereicherung, so sagt man, was insofern nicht wirklich verwundert, da jeder Marktschreier seine Ware lobt.

Nur ist die Frage zu stellen, ob diese und ähnliche Behauptungen auch wirklich stimmen? Man versucht mit Salamitaktik und Beschwichtigungsrhetorik, der es an Wahrheit oftmals ermangelt, den Widerstand zu reduzieren und so neuen, unwahren Lehren bzw. Praxis die Wege zu bahnen...
Der ganze lesenswerte Beitrag befindet sich HIER.


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Weiteres zum Thema "Glaubensabfall innerhalb der katholischen Kirche":



Bild: Wolf im Schafspelz; von der Website "Courageous priest"

Freitag, 5. September 2014

Communio personarum - Der Schatz der "Theologie des Leibes" von Papst Johannes Paul II.

Im Jahre 1985 haben die Eheleute Norbert und Renate Martin die bis dahin gehaltenen Katechesen und Aussagen von Johannes Paul II. über das Thema "Ehe und Familie" in einem dreibändigen Werk veröffentlicht: die ersten beiden Bände enthalten Katechesen, der dritte Band weitere Ansprachen und Aussagen des Papstes.

Alle drei Bände stehen erfreulicherweise im Internet als pdf-Dateien zur Verfügung, so dass man sie entweder online lesen und/ oder herunterladen und/ oder ausdrucken kann. Jedes Buch verfügt über ein ausführliches Sach- und Namensverzeichnis.

Dieser Schatz über die Lehre der Kirche bezüglich Ehe und Familie, ihre tiefe Begründung, eine entsprechende Pastoral und verwandte Themenkreise ist gerade im Hinblick auf die in diesem und im nächsten Oktober bevorstehende Bischofssynode über die pastoralen Herausforderungen der Familie im Kontext der Evangelisierung hilfreich und wertvoll. Die Sammlung sei deshalb herzlich zum Schmökern empfohlen.

Johannes Paul II. "Die menschliche Liebe im göttlichen Heilsplan" Katechesen 1978-1981;
Communio personarum Bd.1, hrsg. von Norbert und Renate Martin; Patris Verlag Vallendar Schönstatt A.D. 1985 (Band 1 pdf)

Johannes Paul II. "Die Erlösung des Leibes und die Sakramentalität der Ehe" Katechesen 1981-1984;
Communio personarum Bd.2, hrsg. von Norbert und Renate Martin; Patris Verlag Vallendar Schönstatt A.D. 1985 (Band 2 pdf)

Johannes Paul II. "Die Familie - Zukunft der Menschheit" Aussagen zu Ehe und Familie 1978-1984;
Communio personarum Bd. 3, hrsg. von Norbert und Renate Martin; Patris Verlag Vallendar Schönstatt A.D. 1985 (Band 3 pdf)


Norbert und Renate Martin gehören der von Pater Josef Kentenich gegründeten Schönstattbewegung an und wurden im Jahre 1982 in den "Päpstlichen Rat für die Familie" in Rom berufen. Sie widmen sich, quasi ihr ganzes Leben, der Verkündigung der kirchlichen Lehre über Ehe und Familie und sind ausgewiesene Kenner auf diesem Gebiet.


Weiteres von Norbert und Renate Martin:


Weiteres zur "Theologie des Leibes" von Johannes Paul II.:

Foto: privat

Dienstag, 24. Juni 2014

Prof. Georg May: Die andere Hierarchie - Teil 36: Die Pfarrbeauftragten (2); Das Pastoralteam

Prof. Dr. Georg May

Die andere Hierarchie


Teil 36


Verlag Franz Schmitt Siegburg AD 1997


Fortsetzung von hier (Die Pfarrbeauftragten)

III.  Die Unterbauung durch die progressistische Theologie

Die progressistische Theologie lieferte die pseudotheologische Unterbauung dieser neuen Stufe der anderen Hierarchie.

Der Münchner Dogmatiker Peter Neuner sieht hier "ein gemeindeleitendes Amt für Laien" geschaffen, dem nur die Leitung der Eucharistiefeier und die sakramentale Lossprechung fehlen (7). Dem kann nach ihm unschwer abgeholfen werden. Neuner plädiert denn auch dafür, die Pastoralreferenten in der "Gemeindeleitung" zu "ordinieren" (8).

Nach Ottmar Fuchs können und sollen Nichtgeweihte die Gemeindeleitung zur Gänze mit allen Rechten und Pflichten übernehmen (9). Er stellt sich die wünschenswerte Bestellung des Gemeindeleiters wie folgt vor. Dieser wird von unten, von der Gemeinde her beauftragt. "Die kirchliche Leitung" auf Dekanats- oder Diözesanebene "wird solche Beauftragung in der Regel gutheißen und ... bestätigen" (10). Die Vision eines künftigen Amtes von Fuchs bezieht sich auf Männer und Frauen, Verheiratete und Unverheiratete; die bisherigen "Zulassungsbestimmungen" zum Amt sind lediglich disziplinär (11).


Die deutschen Bischöfe befassten sich mit dieser Angelegenheit in dem Papier "Der pastorale Dienst in der Pfarrgemeinde" (pdf). Leider geht ihm die wünschenswerte Klarheit ab. Wenn es darin heißt, alle Christen seien befähigt "zur Mitwirkung am Leitungsdienst" (I,1,1), so ist das schlicht falsch. Das Papier korrigiert sich denn auch bald selbst und sagt ganz richtig: "Der Dienst der Leitung der Gemeinde als sakramentale Repräsentation des Hirtenamtes Jesu Christi ist an die Weihe ... gebunden" (II,1,7). Einen anderen Leitungsdienst als den sakramental begründeten gibt es aber nicht. Es ist daher abwegig, eine neue hierarchische Leitungsstufe aus solchen zu schaffen, denen die sakramentale Weihe fehlt.

Auf das Zweite Vatikanische Konzil kann man sich dabei nicht berufen. Das Konzil spricht nirgends davon, dass Nichtgeweihte Leitungsaufgaben in der Kirche innehaben können (Lumen gentium Nr. 33; Apostolicam actuositatem Nr. 24). Wenn, wie das Papier "Der pastorale Dienst in der Pfarrgemeinde" weiter erklärt, der Hirtendienst der Gemeindeleitung "unlösbar" mit der Leitung der Feier der Eucharistie verbunden ist (II,1,7), dann ergibt sich auch daraus, dass ein Nichtpriester nicht die Gemeindeleitung innehaben kann.

Die Terminologie des Papiers führt in die Irre, und dadurch wird die ganze Sache falsch. Seine Verfasser haben keine klaren Begriffe. So verstehen sie nicht, den Begrff "Leitung" zu definieren. Leitung ist nicht gleich Betätigung. Leiten besagt führen, anordnen, beaufsichtigen. Leitung haben besagt führende Überlegenheit, d. h. weisungsberechtigte Autorität über andere besitzen.

Mitarbeit ist etwas anderes als Leitung. Es ist falsch, wenn das Papier "Der pastorale Dienst in der Pfarrgemeinde" nun die Verkündigung, den Gottesdienst und die Wohlfahrtspflege unter die Überschrift "Leitungsaufgaben" des Pfarrers subsumiert (III,3,1). Alle drei genannten Tätigkeiten sind zwar Aufgaben des Pfarrers, stellen aber als solche keine Leitung dar. Sie bedürfen der Leitung, sind aber selbst von der Leitung verschieden.

Das Papier "Der pastorale Dienst in der Pfarrgemeinde" warnt schließlich davor, die hauptamtlichen Mitarbeiter einer Pfarrei "faktisch in die Rolle der Gemeindeleitung" zu drängen (III,5,4). Aber eben dies geschieht in der Limburger Ordnung und den Ordnungen, die ihr folgen. Hier werden die Laienfunktionäre geradezu von Amtes wegen in die Gemeindeleitung eingesetzt. Es ist keine Frage, dass damit eine neue hierarchische Stufe von Nichtgeweihten aufgebaut wird. Die Entwicklung ist noch nicht abgeschlossen. Bischof Lehmann bezeichnete das Papier "Der pastorale Dienst in der Pfarrgemeinde" als "Zwischenbilanz", d.h. er rechnete damit, dass die Entwicklung auf Umstülpung der Kirchenverfassung weitergeht, und er ermutigte mit dieser Bezeichnung zu solchen weiteren Verkehrungen.


IV.  Das Pastoralteam

1.  Aufbau

a)  In der Diözese Speyer

Eine andere Weise, den Priesterstand einzuebnen und das Priesteramt zu nivellieren, besteht darin, ihn in ein "Pastoralteam" einzubinden.

Der Speyerer Diözesanpastoralplan führte das "Pastoralteam" ein. Es setzt sich zusammen aus dem Pfarrer oder an dessen Stelle aus einem Diakon oder Laien als Pastoralteamleiter, dem Vorsitzenden des Pfarrgemeinderates, den Verantwortlichen für die drei Grunddienste (Katechese, Liturgie, Caritas), dem Kaplan, dem Ständigen Diakon, dem Pastoral- oder Gemeindereferenten. Dieses Gremium ist allzuständig. Nach diesem famosen Modell gehen die Grunddienste d. h. praktisch alles, was sich in einer Pfarrei tut, in die Hände der Verantwortlichen, d.h. gewöhnlich von Laien über.

Pastoralteamleiter in Pfarreien ohne Pfarrer ist in der Regel ein Laie. Ihm ist die komplette Seelsorge übertragen, soweit sie nicht an die Weihe gebunden ist. Er plant die gesamte Seelsorgearbeit in der Gemeinde und führt sie durch, wobei ihm die Verantwortlichen der Grunddienste zur Seite stehen.

Eine Aufgabenbeschreibung legt seine (Anm.: des Pastoralteamleiters) Kompetenz und seine Verantwortung fest. Er besitzt volle Handlungsverantwortung. Dem Pfarrer bleiben die Feier der Eucharistie und die Spendung der Sakramente. Er ist unmittelbarer Vorgesetzter des Pastoralteamleiters und nimmt die "Führungsverantwortung" wahr. Man fragt sich, was davon für ihn übrig bleibt. Offenbar das, was darauf folgt: "er leitet die regelmäßigen Dienstbesprechungen und trägt Sorge für die notwendige Qualifikation der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter".

b)  In anderen Diözesen

Das Pastoralteam blieb keine Erfindung des Bistums Speyer. Auch in dem Papier "Pastorale Planung" für Mainz taucht das Pastoralteam auf, in dem Priester, Diakone und Laien Pfarreien "leiten" (Nr. 16). Das Konzept "Pfarreiengemeinschaft als Seelsorgeeinheit", das am 2. Februar 1997 in der Diözese Augsburg in Kraft gesetzt wurde, etabliert ebenfalls in den Pfarreiengemeinschaften ein "Seelsorgetam", das Beratungsgremium und Leitungsteam in einem ist (S. 21).


2. Beurteilung

In der Konstruktion des Pastoralteams wird das priesterliche Haupt der Gemeinde bis zur Unkenntlichkeit in Laienfunktionen eingebunden und nivelliert. Christus wird nicht repräsentiert durch ein Pastoralteam, sondern durch das priesterliche Haupt der Gemeinde. Der Priester ist nicht gleichberechtigtes Mitglid eines Teams; der Priester ist von Gott bestellter Hirt.

Verbindliche Beschlüsse fassen kann nur, wer die entsprechende Vollmacht besitzt. Geistliche Vollmacht besitzt nur ein Kollegium, dessen Mitglieder Träger solcher Vollmacht sind. Die laikalen Mitglieder des Pastoralteams besitzen keine Vollmacht, und damit hat auch das Pastoralteam keine kollektive Leitungsvollmacht. Die Leitungsbefugnis des Priesters breitet sich nicht auf die in dem Team befindlichen Nichtgeweihten aus.

Die Konstruktion des Pastoralteams erweist sich somit als grundsätzlich verfehlt. Damit wird wiederum gegen die Verfassung der Kirche verstoßen, die eben gerade nicht, was die seinshafte Grundlage für geistliche Vollmacht angeht, eine Gesellschaft von Gleichen ist.


( 7)   Herder Korrespondenz 49, 1995, 131
( 8)   Herder Korrespondenz 49, 1995, 131
( 9)   Fuchs, Ämter für eine Zukunft der Kirche 121
(10)  Fuchs, Das kirchliche Amt 86f
(11)  Fuchs, Das kirchliche Amt 85


Übersicht: Zu den bisher erschienenen Fortsetzungen


Relevante Dokumente der Deutschen Bischofskonferenz (DBK):
  • "Der pastorale Dienst in der Pfarrgemeinde" vom 28. September 1995 (pdf)
  • Beschlüsse der Gemeinsamen Synode 1971-1975: "Die pastoralen Dienste in der Gemeinde" (pdf) und "Rahmenordnung für die pastoralen Strukturen und für die Leitung und Verwaltung der Bistümer in der Bundesrepublik Deutschland" (pdf)
  • weitere Downloads zur "Gemeinsamen Synode der Bistümer in der Bundesrepublik Deutschland 1971-1975" hier (bis ganz nach unten scrollen)

"Mentalitätswandel":

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Samstag, 12. April 2014

Papst Franziskus fordert von Theologen offenes und unabgeschlossenes Denken für ein "Mehr" an Gott und der Wahrheit

Am vergangenen Donnerstag, den 10. April 2014 empfing Papst Franziskus Mitglieder des Zusammenschlusses der jesuitischen Hochschulen und Institute in Rom in Audienz. Er mahnte eine "Theologie auf Knien" an, d. h. er forderte, dass Theologen und Studenten Gott anbeten und ihm die Ehre geben. Ansonsten würden sie in einen "verabscheuungswürdigen Narzissmus" enden, der eine schlimme Krankheit in der Kirche sei.

Der Heilige Vater verwies auch auf eine Aussage des Kirchenvaters Vinzenz von Lerins, der das Verständnis der katholischen legitimen Dogmenentwicklung erklärt. Solch einer Entwicklung, solchem Fortschritt gegenüber müsse der Theologe immer ein offenes und damit unabgeschlossenes Denken entgegenbringen, das immer offen ist gegenüber dem ,Mehr’ an Gott und der Wahrheit.*

Im Folgenden die Ausführungen des heiligen Vinzenz von Lerins, deren erster (Halb-)Satz Papst Franziskus in seiner Ansprache zitierte (Vinzenz hatte gerade den Fortschritt im Glauben anhand des Wachsens und Reifens während eines Menschenlebens erklärt):
So muß auch die Lehre der christlichen Religion diesen Gesetzen des Fortschrittes folgen, daß sie mit den Jahren gefestigt, mit der Zeit erweitert und mit dem Alter verfeinert werde, dabei jedoch unverdorben und unversehrt bleibe und in dem gesamten Umfang ihrer Teile, sozusagen an allen ihr eigentümlichen Gliedern und Sinnen, vollständig und vollkommen sei, außerdem keine Veränderung zulasse, keine Beeinträchtigung ihrer Eigentümlichkeit und keine Veränderung ihres Wesens erleide.(...)

Was also in dieser Pflanzung der Kirche Gottes durch den Glauben der Väter gesät worden ist, das soll durch den Fleiß der Kinder ausgebildet und gepflegt werden, es soll blühen und gedeihen, wachsen und zur Vollendung kommen. Denn es gehört sich, daß jene alten Lehrsätze einer himmlischen Philosophie im Verlaufe der Zeit weiter ausgebildet, gefeilt und geglättet werden; aber es ist unzulässig, daß sie verändert, unzulässig, daß sie entstellt, unzulässig, daß sie verstümmelt werden; sie mögen an Deutlichkeit, Licht und Klarheit gewinnen, aber sie müssen ihre Vollständigkeit, Reinheit und Eigentümlichkeit behalten. == 
[31] Denn wenn einmal eine solche Willkür gottlosen Betruges zugelassen würde, so würde, ich sage es mit Schrecken, die größte Gefahr der Zerstörung und Vernichtung der Religion die Folge sein. Denn wird einmal auch nur ein kleiner Teil der katholischen Glaubenslehre aufgegeben, so wird auch ein anderer und dann wieder ein anderer und zuletzt einer nach dem anderen wie gewohnheits- und rechtmäßig aufgegeben werden. Wenn aber die einzelnen Teile verworfen werden, was anders wird dann die letzte Folge sein, als daß das Ganze zugleich verworfen wird?
Auf der anderen Seite aber muß, wenn man anfängt, Neues mit Altem, Auswärtiges mit Einheimischem, Unheiliges mit Heiligem zu vermengen, diese Unsitte auf das Ganze hinübergreifen, so daß hernach nichts in der Kirche unberührt, nichts unverletzt, nichts unversehrt, nichts makellos gelassen wird, vielmehr in der Folgezeit dort eine Schandstätte gottloser und häßlicher Irrtümer ist, wo vorher ein Heiligtum keuscher und unversehrter Wahrheit war. Aber diesen Frevel möge von den Herzen der Seinigen die Barmherzigkeit Gottes abwenden, dieser Wahn möge vielmehr den Gottlosen überlassen bleiben!

[32] Die Kirche Christi aber, die eifrige und sorgsame Wächterin der bei ihr hinterlegten Glaubenslehren, ändert an ihnen niemals etwas, nimmt nichts hinweg und tut nichts hinzu; sie schneidet Notwendiges nicht ab und fügt Überflüssiges nicht bei; sie läßt das Ihrige nicht fahren und eignet sich Fremdes nicht an; sie ist vielmehr mit aller Sorgfalt nur darauf bedacht, das Alte treu und weise zu verwalten, und zwar das, was von alters her ungeformt und keimhaft überliefert war, genauer zu gestalten und zu feilen, was schon gehörig ausgedrückt und entwickelt war, zu kräftigen und zu sichern, was schon klar- und festgestellt war, zu bewahren.
Was hat sie denn auch je anderes durch die Beschlüsse der Konzilien bezweckt, als daß das, was früher mit Einfalt hingenommen wurde, später mit mehr Bestimmtheit geglaubt werde; was früher lässiger gepredigt wurde, später nachdrücklicher verkündigt werde; was man früher ruhig bewahrte, später sorgsamer ausgebildet werde?
Das und nichts anderes, sage ich, hat die katholische Kirche immer, durch die Neuerungen der Häretiker veranlaßt, mit ihren Konzilsbeschlüssen erreicht, daß sie das, was sie früher von den Vorfahren nur durch mündliche Überlieferung empfangen hatte, später den Nachkommen auch schriftlich und urkundlich hinterließ, indem sie in wenige Worte vieles zusammenfaßte und oft zum Zwecke des klareren Verständnisses einen nicht neuen Glaubenssinn mit einem passenden neuen Ausdruck bezeichnete (1) .
 
(1)  der Verfasser denkt an Ausdrücke wie "wesensgleich" und „Gottesgebärerin"


aus: Bibliothek der Kirchenväter; Vinzenz von Lerin: Commonitorium 23

* Ein Beispiel hierzu wäre das zuletzt von Pius XII. im Jahre 1954 verkündete Dogma der Himmelfahrt Mariens, das sich aus dem "Keim" des Dogmas der Unbefleckten Empfängnis der Jungfrau und Gottesmutter Maria stringent herleiten lässt. Hätten die Theologen in dieser Sache nicht "weitergedacht", sondern sich in ihrem Kenntnisstand verschlossen, so wäre es vielleicht niemals zu diesem Dogma gekommen.

Gleichzeitig widerspricht diese Erläuterung des katholischen Prinzips der Dogmenentwicklung denjenigen, die behaupten, dass nur solche Dogmen anerkannt werden sollten, die sich unmittelbar aus der Hl. Schrift ableiten lassen, nicht aber solche, die nur mittelbar ableitbar sind oder der mündlichen Tradition entspringen.



Dienstag, 4. März 2014

Kleine Konversation über Philosophie, Erkenntnis und Wahrheit

Was ist Philosophie?

Dem Wortsinn nach ist Philosophie die Liebe zur Weisheit, Streben nach Weisheit. Derjenige ist Philosoph, der weise zu werden sucht und zur Erreichung des Zieles seine ganze Kraft einsetzt.

Der Name Philosophie soll, wie Heraklides, ein Schüler Platos, sagt, zuerst von Pythagoras gebraucht worden sein. Er habe nicht sophos genannt werden wollen, weil Gott allein sophos = weise sei, sondern nur Philosophos, Freund der Weisheit, Liebhaber der Weisheit, weil der Mensch immer nur im Streben nach Weisheit begriffen sei.

Was sagen Plato, Arisoteles und der heilige Thomas dazu?

Schon bei Plato und Aristoteles findet sich der Gedanke ausgesprochen, dass die Menschen aus Verwunderung über die Erscheinungen, die ihnen in der Welt entgegentraten, deren Ursachen sie aber nicht kannten, zu philosophieren angefangen hätten, womit das Ziel der Philosophie klar angedeutet ist: zu den Gründen oder Ursachen der Erscheinungen, ja bis zu den letzten und höchsten Möglichkeiten vorzudringen...

Was ist scientia?

Die scientia, das Wissen oder die Wissenschaft, kann in einem doppelten Sinne genommen werden, nämlich im Sinne von wissenschaftlicher Erkenntnis überhaupt und im Sinne von wissenschaftlicher Disziplin. Man versteht unter wissenschaftlicher Erkenntnis die Erkenntnis der Dinge oder Erscheinungen in ihrem Grunde oder in ihrer Ursache, vorausgesetzt, dass die Erkenntnis auf Evidenz beruht und sicher und gewiss ist. - Cognitio certa et evidens rerum per causas.

Wenn etwas nicht mehr einfach unserer Erkenntnis (nur) vorschwebt, sondern wenn wir erkennen, warum es so sei und so sein müsse, und wenn diese Erkenntnis evident und gewiss ist, können wir sagen, dass wir eine wissenschaftliche Erkenntnis von dieser Sache haben. - Scire est rerum cognoscere causas.

Was ist der Unterschied zwischen wissenschaftlicher Erkenntnis und Glaubenserkenntnis:

Der Glaube ist die sichere Erkenntnis einer Wahrheit auf eine für diese Wahrheit Bürgschaft leistende Autorität hin.

Das Wissen dagegen beruht auf der Beweisführung durch welche die Wahrheit eines Satzes zur Evidenz  gebracht und dadurch für unsere Erkenntnis gesichert wird.

Welche Aufgabe hat die Philosophie in Bezug auf die Offenbarung (Gottes)?

Sie besteht darin, dass sie den menschlichen Geist der christlichen Wahrheit wissenschaftlich zuführt. Sie soll nämlich die innere Übereinstimmung dessen, was die Vernunft lehrt, mit den Lehren der Offenbarung nachweisen und dadurch den menschlichen Geist dahin führen, dass er die Erkenntnis der christlichen Wahrheit als die höchste Vollendung seiner Erkenntnis erfasse und hochachte.

Können sich Vernunft und Offenbarungserkenntnisse, also wissenschaftliche und Glaubenserkenntnisse widersprechen?

Wahrheiten, die aus der Vernunft erschlossen werden und Offenbarungswahrheiten können nicht miteinander in Widerspruch stehen, weil beide aus einer Quelle, nämlich aus Gott als der absoluten Wahrheit und Wahrhaftigkeit stammen. Es kann also nicht etwas philosophisch wahr sein, was nach dem Glauben falsch ist, und umgekehrt, eine Wahrheit kann nicht der anderen widersprechen. Der Widerspruch würde ja zuletzt auf Gott fallen, weil eben alle Wahrheit in Gott gründet.

Und wenn es nun doch zu einem Zwiespalt kommt?

Irren ist menschlich. Kommt die Philosophie in ihren Forschungen auf ein Resultat, das mit dem Offenbarungsinhalt in Widerspruch steht, sei es, dass dieser Widerspruch offen daliegt, oder dass die kirchliche Autorität erklärt, es sei das bezügliche Resultat mit dem Offenbarungsinhalte nicht vereinbar, so hat die Philosophie dieses Resultat als falsch zu verlassen und den Prozess der Schlussfolgerung zu revidieren, um den Fehler zu entdecken.

Andererseits ist es auch möglich, dass der Grund des Zwiespalts nich so offen zutage liegt, sondern einer langwierigen Suche und Diskussion bedarf. Es kann sich dabei auch ergeben, dass ein zu enges oder zeitbedingtes Verstehen von Glaubenswahrheit der Grund des scheinbaren Zwiespaltes ist. Dann muss auf ein besseres, umsichtigeres Verständnis des Glaubens oder bestimmter Offenbarungswahrheiten Mühe verwendet werden, als deren Frucht sich die Auflösung des Zwiespalts und Übereinstimmung von Vernunft und Glaube ergeben werden.

Aber duch die Anerkennung der göttlichen Offenbarung als das leitende Prinzip wird die Energie der philosophischen Forschung keineswegs beeinträchtigt, sondern sogar erhöht, weil die Vernunft, an das leitende Prinzip sich haltend, in ihren Forschungen viel energischer und sicherer zuwege gehen kann, als wenn sie derselben entbehrt. Ein Beispiel: Denken wir nur an die Unsicherheit, mit welcher die antike Philosophie, weil ihr jenes leitende Prinzip der göttlichen Offenbarung mangelte, gerade in Bezug auf die höchsten Wahrheiten herumtastete.

In welchem Verhältnis stehen Philosophie und Theologie zueinander?

Beide stehen sich als selbständige Wissenschaften gegenüber, so zwar, dass keine in der anderen aufgehoben werden darf. Denn jede hat ihr eigenes Erkenntnisprinzip. Die Theologie die Offenbarung, die Philosophie die Vernunft und Vernunftprinzipien. Jede hat ihren eigenen Wahrheitskreis: die Theologie die geoffenbarten, die Philosophie die Vernunftswahrheiten. Jede hat ihre eigene Methode: Die Theologie nimmt ihre Beweise aus den Offenbarungsquellen, die Philosophie aus der Vernunft. 

Allerdings greifen beide insoweit ineinander, als die Offenbarung auch solche Wahrheiten in ihrem Inhalte einschließt, welche an und für sich genommen Vernunftwahrheiten sind. Die Theologie hat christliche Mysterien zum Inhalt, an welche die Vernunft für sich allein nicht heranreicht. Z. B: können die Geheimnisse der allerheiligsten Dreifaltigkeit und der Transsubstantiation (Wesensverwandlung) in der heiligen Messe nicht von dr Vernunft, also nicht von der Philosophie erkannt werden. Da ist Christus, der Herr, der Weg, die Wahrheit und das Leben.



nach: Johannes Derksen "Der getreue Verwalter"; St. Benno-Verlag GmbH Leipzig; Imprimatur 1959; S. 126-130 (leichte stilistische Änderungen)



Foto:  Marmor-Büste des Aristoteles, römische Kopie nach dem griechischen Bronze-Original von Lysippos, um 330 vor Chr. Der Alabaster-Mantel ist eine Ergänzung in der Moderne.; Giovanni Dall'Orto

Donnerstag, 27. Februar 2014

Prof. Georg May: Die andere Hierarchie - Teil 23: Schäden durch Theologen (4) - Die Morallehre der Kirche


Prof. Dr. Georg May


Die andere Hierarchie

Teil 23

Verlag Franz Schmitt Siegburg AD 1997


Fortsetzung: V. Schäden/ 2. Im Einzelnen


g)  Die Sittenlehre der Kirche

Dem Kampf gegen die Glaubenslehre der Kirche korrespondiert der Widerstand gegen ihre Sittenlehre. Wie es auf vielen Lehrstühlen für Moraltheologie aussieht, ist bekannt. Von ihnen wird der Kampf gegen die amtliche Morallehre der Kirche geführt.

In dem von Dietmar Mieth herausgegebenen Sammelband "Moraltheologie im Abseits?" wird die Rolle des Lehramtes in Fragen der Moral prinzipiell in Zweifel gezogen. Der päpstlichen Enzyklika "Veritatis splendor" wird der Rang der Verbindlichkeit abgesprochen (42). Wer behauptet, der Moraltheologe dürfe legitim einem Satz des authentischen Lehramtes widersprechen, wenn es nur begründet geschehe, und der Widerspruch des Theologen habe dann Anspruch auf Anerkennung in der Kirche (43), der setzt die theologische Meinung über die Stimme des Lehramtes.

Die progressistische Moraltheologie kennt keine Handlungen, die immer und in sich unsittlich sind. Vielmehr sei durch Güterabwägung festzustellen, dass in einer gegebenen Situation erlaubt ist, was oft sittlich unerlaubt ist. Die sittlichen Normen gelten jeweils nur unter bestimmtem Umständen. "Entsprechend der Güterabwägung können die Tötung Unschuldiger, der Abort, die Scheidung der Ehe, die Falschrede sittlich erlaubt sein" (44).


3.  Die Wirkungen

Die Wirkungen dieser Art von Theologie liegen offen zutage. Im gläubigen Volk ist eine kolossale Verwirrung über das eingerissen, was nach Gottes Willen zu glauben und zu tun ist.

In weiten Teilen der Kirche herrscht nicht mehr die Wahrheit des Glaubens, sondern jener Restbestand, den die progressistischen und modernistischen Theologen davon übriggelassen haben. Was vielleicht das Schlimmste ist: Die progressistischen und modernistischen Theologen untergraben mit ihrer Polemik gegen das Lehramt das Vertrauen zur Kirche. Sie erzeugen Missmut und Unzufriedenheit unter den Gläubigen, ja Abneigung und Hass gegen die Kirche. Gleichzeitig beklagen sie die angebliche oder wirkliche Erbitterung von Christen über das Lehr- und Hirtenamt der Kirche, die sie zum größten Teil selbst erzeugt haben.

Ja, es ist dahin gekommen, dass die Widerspüche der Theologen in zahlreichen Menschen den Verdacht wachrufen, mit der Religion habe es überhaupt nichts auf sich. Rudolf Augstein hat die Bücher der biblischen Schriftgelehrten gründlich studiert. Er kommt aufgrund dieser Studien zu der Frage, "mit welchem Recht die christlichen Kirchen sich auf einen Jesus berufen, den es nicht gab, auf Lehren, die er nicht gelehrt, auf eine Vollmacht, die er nicht erteilt, und auf eine Gottessohnschaft, die er selbst nicht für möglich gehalten und nicht beansprucht hat" (46). Mit der Beschränkung auf die zersetzenden Theologen kann ich Augstein nicht widersprechen.



(42)  Moraltheologie im Abseits? Eine Antwort auf die Enzyklika "Veritatis splendor", Freiburg i. B. 1994
(43)  Johannes Gründel, Menschliches Leben zur Disposition gestellt?: Theologisches 12, 1982, 4531, 4534
(44)  Josef Georg Ziegler, Zwischen Wahrheit und Richtigkeit. Zu F. Böckles moraltheologischem Konzept: Münchner Theologische Zeitschrift 32, 1981, 222- 237, hier 230.
(45)  Jesus Menschensohn, München, Gütersloh, Wien 1972, 7


Dienstag, 25. Februar 2014

Prof. Georg May: Die andere Hierarchie - Teil 22: Schäden durch Theologen (3) - Der Katechismus der katholischen Kirche

Prof. Dr. Georg May


Die andere Hierarchie

Teil 22


Verlag Franz Schmitt Siegburg AD 1997


Fortsetzung: V. Schäden/ 2. Im Einzelnen
 
f)  Der Katechismus der katholischen Kirche

Ein besonders instruktives Beispiel, wie die progressistischen Theologen mit Äußerungen des höchsten kirchlichen Lehramtes umgehen, ist ihr Verhalten gegenüber dem Katechismus der katholischen Kirche.

Ich verweise auf das Buch des Fundamentaltheologen Verweyen (40). Die Behandlung des Lebens Jesu in dem Katechismus charakterisiert er als "einen ... historisierenden Jesus-Roman" (S. 23). Das ist Kritik daran, dass das Buch der unhistorisch-hysterischen Kritik an den Evangelien nicht genügend Raum gibt. Der Katechismus "bürstet ... das Lukasevangelium gegen den Strich" (24). Der unvermittelte Übergang von der Auswahl der Zwölf zur kirchlichen Hierarchie ist "von der Warte theologischer Wissenschaft her geradezu skandalös" (25). Der Umgang der Schrift im Katechismus ist "fundamentalistisch" (25). Der Katechismus fällt in die "neuscholastischen Denkgewohnheiten" zurück (35). Der Vorwurf "neuscholastischer Begrifflichkeit" (137) ist bekanntlich beinahe als solcher tödlich. Und das im Munde der Pluralismuspropheten! Das Zurückgreifen auf das Erste Vatikanische Konzil mit seinen präzisen Aussagen ist für Verweyen gewissermaßen der große Sündenfall des Katechismus.

Unverzeihlich ist für ihn, dass der Katechismus angeblich nicht bei den Vorgaben, die das Zweite Vatikanische Konzil gemacht hat, bleibt, sondern über sie hinweggeht. Diese Anklage kommt in seiner Schrift an vielen Stellen vor. Aus dem Buch von Verweyen ist freilich auch zu ersehen, welche Gefahren die vielfach unklaren, schwammigen Formulierungen des Zweiten Vatikanischen Konzils für den Glauben der Kirche bedeuten. Verweyen beanstandet, dass der Katechismus "eine der Kirche  vom Heiligen Geist verliehene Gabe der geistlichen Auslegung der Schrift behauptet" (51) (vgl. Dei verbum). Offensichtlich existiert sie für ihn nicht. Seine Sympathie gilt modernistischen Theologen wie Alfred Loisy (57).

Zu der Auslegung, die der Katechismus dem Messiasbekenntnis des Petrus zuteil werden lässt, schreibt Verweyen spöttisch: "Als Hellseher war mir Petrus noch nicht bekannt" (66). In solchem nörgelndem Ton ist die gesamte Schrift gehalten.

Es mag durchaus sein, dass nachkonziliaren Christen vieles in dem Katechismus "fremd und manchmal sogar anstößig erscheint (67). Das liegt aber nicht an dem Katechismus, sondern an der nachkonziliaren Theologie, welche das Glaubensbewusstsein der Kirchenglieder entscheidend verdorben hat.

In der Darstellung der Christologie findet Verweyen "einen kleinen Rückfall in den Monophysitismus" (68). In der Darstellung der Jungfräulichkeit Mariens "vermischt sich fromme Spekulation mit theologischer Unschärfe (71). Bei der Lehre von der Kirche stellt er "exegetisch haarsträubende Übergänge" fest (76).

Johannes Paul II. sieht in dem Katechismus "die reifste und vollendeteste Frucht der Lehre des Konzils" (Predigt vom 8. Dezember 1992: L'Osservatore Romano 22, 1992, Nr. 52/53 vom 25. Dezember1992, 10). Verweyen schreibt dagegen: "Hier weht ein anderer Geist als auf dem letzten Konzil" (77). Der Papst erblickt in dem Katechismus eine sichere Norm für die Lehre des Glaubens" und einen Dienst an der "Erneuerung" (Katechismus der katholischen Kirche 34). Verweyen wirft hingegen dem Katechismus "gravierende Fehlinterpretationen" des Konzils vor (80) und spricht in diesem Zusammenhang von einem "Ärgernis", "das in der Geschichte lehramtlicher Aussagen nach seinesgleichen sucht" (80).

Die Ausführungen des Katechismus über die Kirche als Leib Jesu Christi sind "weitestgehend unzutreffend" (79). Eine Aussage über die Sammlung des Gottesvolkes ist "unsinnig" (79). Nach Verweyen haben die Konzilsväter "eine volle Identifikation der Kirche des Credos mit der römisch-katholischen Kirche abgelehnt" (80). Der Katechismus erfährt Lob von Verweyen, wenn er Formulierungen gebraucht, die "geradezu von Hans Küng stammen" könnten (91).

Die Ausführungen des Katechismus über die geschichtliche Seite der Auferstehung bleiben dagegen "im Rahmen vorkonziliarer Apologetik" (92). In den Darlegungen zur Erhöhung Jesu finden sich nach Verweyen ein "Widerspruch" und "Ungereimtheiten" (93). Der Katechismus versucht im Ganzen, "das Rad der verbindlichen katholischen Lehre auf eine vorkonziliare Stellung zurückzudrehen" (95), wobei er "sophistisch" vorgeht (96). Für die in der nachkonziliaren Theologie Aufgewachsenen ist der Katechismus "reaktionär" und "fundamentalistisch" (100). Verweyen wirft dem Katechismus Beteiligung an "der Demontage wirklicher Lehrautorität" vor (113).

So also geht Herr Verweyen, der an der theologischen Fakultät Freiburg die Studierenden in die Fundamente der Theologie einführen soll, mit einem so gewichtigen lehramtlichen Dokument, wie es der Katechismus der katholischen Kirche ist, um. Niemand hat ihn meines Wissens in die Schranken gewiesen.

Ich will noch einen weiteren Kritiker des Weltkatechismus erwähnen, den Redakteur der sattsam bekannten "Herder-Korrespondenz", Ulrich Ruh. Ruh arbeitet mit anderen Mitteln, um den Katechismus um seine Wirkung zu bringen. Er bemerkt, der Katechismus sei "noch nicht von der Kirche rezipiert" (6). Dass er nicht rezipiert wird, dafür wird die Ablehnungsfront der progressistischen Theologen sorgen. Sein Haupteinwand besteht wohl darin, dass der Katechismus der sogenannten historisch-kritischen Exegese, d. h. der Auflösung der Schrift durch vorgefasste Meinungen, nicht folgt (66f). Der Katechismus ist ihm auch nicht genügend selbstkritisch gegenüber der katholischen Kirche ((68f). Ruh rügt, dass im Katechismus der katholischen Kirche "Theologie und Frömmigkeit" des Protestantismus "ausgespart" werden (71).

Der oft gemachte Vergleich mit dem deutschen Erwachsenenkatechismus fällt regelmäßig zu Ungunsten des Weltkatechismus aus (81, 83, u. ö.), was einleuchtet, wenn man bedenkt, dass der deutsche Katechismus von Walter Kasper stammt. Ruh rügt, dass der Katechismus nicht "neuere theologische Theorien oder Überlegungen zur individuellen und kollektiven Eschatologie" aufgreift (91). Dass der Katechismus "ausführlich und affirmierend" über den Ablass handelt, gefällt ihm nicht (95). Auch "ein überhöhtes Priesterbild", das der Katechismus angeblich bietet, passt ihm nicht (98).

Bezüglich der moraltheologischen Partien vermisst Ruh die Berücksichtigung der "Neuorientierung der Moraltheologie" (102). Gemeint sind wohl die irrigen Ansichten von Leuten wie Böckle, Auer und Fuchs. 

Im Katechismus dominiert "das geschichts- und wirklichkeitsenthobene Ordnungsdenken" (110). Die Einwände progressistischer Moraltheologen gegen die verbindliche Sexualmoral der Kirche gelten nach Ruh auch gegenüber dem Weltkatechismus (113f). Im Ganzen ist der Katechismus für die Aufgabe, die er sich gesetzt hat, eher ungeeignet als geeignet, weniger "sichere Norm", mehr "Ausdruck von Unsicherheit und Verlegenheit" (136).

So also behandelt ein Mann, der als Redakteur der Herder-Korrespondenz die progressistische Verbildung der katholischen Laien betreibt, das Lehrdokument des Papstes.

Mancher Gegner des Katechismus lässt es bei verbalen Attacken nicht bewenden. Der Paderborner Theologe Peter Eicher wandte sich deswegen an den Ministerpräsidenten von Nordrhein-Westfalen, den dezidierten Protestanten Rau, und suchte ihn gegen den Katechismus zu mobilisieren. Er wollte erreichen, dass der Weltkatechismus im Lande Nordrhein-Westfalen nicht als ordentliches Lehrmittel zugelassen wird (41). (Anm.: Peter Eicher ist Unterzeichner des Memorandums „Kirche 2011: Ein notwendiger Aufbruch“) So also steht es um die Stellung von Theologen zu Äußerungen des höchsten Lehramtes der Kirche.


(40)  Hansjürgen Verweyen, Der Weltkatechismus: Therapie oder Symptome einer kranken Kirche?, Düsseldorf 1993
(41)  Eicher, Wie kannst Du noch katholisch sein? 173





Weiteres zum Thema "Katechismus": 

Samstag, 22. Februar 2014

Prof. Georg May: Die andere Hierarchie - Teil 20: Schäden für die Kirche durch Theologen

Prof. Dr. Georg May


Die andere Hierarchie

Teil 20


Verlag Franz Schmitt Siegburg AD 1997


V.  Schäden


1.  Im Allgemeinen

(...) Von den theologischen Lehrstühlen nimmt das Unheil seinen Lauf. Priester und Religionslehrer, Pastoralreferenten und Erwachsenenbildner tragen die falschen Lehren in die Gemeinden. "Echte Propheten haben manchmal, falsche Propheten haben immer fanatische Anhänger" (Marie von Ebner-Eschenbach).

Sie verteufeln das Konzil von Trient, aber verstecken sich hinter dem, was sie als das Zweite Vatikanische Konzil ausgeben. Sie attackieren erbarmungslos jeden Bischof, der den Mut hat, der Zersetzung in der Kirche entgegenzutreten, aber sie berufen sich auf die Bischöfe, die in Königstein die katholische Sittenlehre verbogen haben.

Sie fallen über jeden Priester her, der, gelegen oder ungelegen, Gottes Wort verkündigt und den Gottesdienst gemäß den Vorschriften hält, aber sie weinen Krokodilstränen über jene korrupten Pfaffen, die es dahin getrieben haben, dass selbst der nachsichtigste Bischof ihrem Tun nicht länger zusehen konnte.

Dieselben Leute, die sich sonst nicht genug daran tun können, gegen die "Amtskirche" zu geifern, rufen augenblicklich die Amtskirche zu Hilfe, um Personen, Vereinigungn und Unternehmungen fernzuhalten, die nicht in ihr Konzept passen.

Die Massenmedien wie Presse, Rundfunk und Fernsehen halten sich fast ausschließlich an die progressistischen Theologen. Konsequent katholische Theologen kommen bei ihnen so gut wie überhaupt nicht zu Worte. Ich selbst habe elebt, wie ich von einem Sender eingeladen wurde, zu einer bestinmmten Frage zu sprechen, aber alsbald wieder ausgeladen wurde, als sich in der Vorbesprechung ergab, dass ich den Standpunkt der kirchlichen Autorität teilte.

Eine wichtige Position in der anderen Hierarchie nehmen auch die sogenannten Katholischen Akademien ein. Sie sind, von seltenen Ausnahmen abgesehen, Tummelplätze von Systemveränderern. Thematik, Teilnehmer und Preisgekrönte zeigen eindeutig, in welche Richtung hier gearbeitet wird.

Nach vorsichtigem Urteil wird man für den Bereich der deutschen Sprache festellen müssen, dass die Mehrheit der Theologen der Kirche Schaden zufügt und lediglich eine Minderheit Nutzen stiftet. Erzbischof Dyba sprach von einer "Vergiftung der Atmosphäre in Deutschland" (12). Ihm ist voll und ganz zuzustimmen.


2.  Im Einzelnen

Ich gebe einige Beispiele für den unermesslichen Schaden, den sogenannte katholische Theologen am Glauben anrichten. Dem Siegener Theologen Ingo Broer hat es "nie völlig eingeleuchtet", dass Theologe nur sein kann, wenn man gläubiger Christ ist. (13). Er hat offensichtlich den Zusammenhang von Glaube und Glaubenswissenschaft nicht begriffen. (Anm.: Der Exeget Broer ist Unterzeichner des Memorandums „Kirche 2011: Ein notwendiger Aufbruch“.)


a)  Die Erklärung der Heiligen Schrift

Von grundsätzlicher bedeutung ist das, was sich weithin in der sogenannten kaatholischen Exegese tut. Diese Schriftauslegung ist von ständigem Misstrauen gegen die Zeugen des Lebens Jesu, die Gemeinde und die Autoren bzw. Redaktoren der neutestamentlichen Schriften erfüllt.

Sie betrachtet es als ihre Hauptaufgabe, angeblichen Erdichtungen, Verbildungen und Fälschungen auf die Spur zu kommen. Was von den Schrifterklärern als "später" entstanden bzw. eingefügt angesehen wird, ist regelmäßig verdächtig, unecht oder legendär. 

Der Apostel Johannes ist nicht der Verfasser des vierten Evangeliums. Der darin erwähnte Lieblingsjünger ist keine historische Person, sondern "eine fiktive Gestalt, die entsprechend den theologischen Notwendigkeiten gestaltet ist". Die Texte, die vom Lieblingsjünger sprechen, sind Fiktion, stammen nicht vom Jünger selbst, der eine unbekannte Person ist (14).

In dieser sogenannten Wissenschaft gilt regelmäßig jene Auslegung der Bibel als die treffendste, die am meisten Abstriche an der geschichtlichen Wirklichkeit und dem dogmatischen Gehalt macht. Die Ergebnisse des Wirkens der exegetischen Aufklärer sind verheerend. Alle, die unter ihren Einfluß gerieten, betrachten die Evangelien als eine Art Märchenbücher, in denen Phantasien und Interpretamente der Gemeinde ausgebreitet werden, nicht aber authentische Worte und Machttaten des Gottessohnes überliefert werden. In dieser Exegese wird den Dogmen der Kirche der Boden unter den Füßen weggezogen. Der "Großmeister" dieses Betriebs war der Freiburger Exeget Anton Vögtle (15). Das Heer seiner Gefolgsleute ist unübersehbar.


b)  Die Christologie

Die Auflösung erfasst an erster Stelle die Gestalt, das Leben und das Wirken Jesu Christi. Für Ottmar Fuchs ist die Menschwedung des Gottessohnes ein "Theologumenon" (16). Ein Theologumenon ist "ein Satz, der eine theologische Aussage macht, die nicht unmittelbar als amtliche Lehre der Kirche, als zum Glauben verpflichtender Satz des Dogmas betrachtet werden kann" (17).  (Anm.: Der Priester und Pastoraltheologe Ottmar Fuchs ist Unterzeichner des Memorandums „Kirche 2011: Ein notwendiger Aufbruch“.)

Nach Rupert Lay war Jesus nicht der Messias, sondern erst die Theologie des Paulus machte aus dem Menschensohn Jesus "den erwarteten Christus, den Erlöser" (18). In einer fundamentaltheologischen Untersuchung, welche die Berechtigung des Christentums erweisen will, steht der enthüllende Satz: "Jesus ist... der göttliche Offenbarer... Er ist nicht mehr als ein Mensch, sondern mehr Mensch" (19).

Nach Verweyen ist es ein Bestandteil "der traditionellen, vor-neuzeitlichen Christologie", zu glauben, dass der irdische Jesus "mit besonderen göttlichen, sprich: herrscherlichen Qualitäten ausgerüstet" war. Ein solches Verständnis Jesu ist nach ihm monophysitistisch verklärte Geschichte (20). Diese Art von Wissenschaft ist nicht imstande, zu klären, ob das Grab Jesu leer war oder nicht. Nach Rupert Lay kann das Grab auch nicht leer gewesen sein (21). (Anm.: Dem Priester, Philosophen und Managerberater Rupert Lay SJ wurde im Jahre 1996 die kirchliche Lehrerlaubnis entzogen.)

Für Ohlig sind die Erzählungen vom leeren Grab "narrativ gehaltene Interpretationen des Osterglaubens unter veränderten kulturellen Bedingungen und somit für die historische Frage nach der Auferstehung Jesu nicht verwertbar" (22). Die Berichte von den Erscheinungen des Auferstandenen "widersprechen sich in so gut wie allen Details". Wenn sie historisch gemeint wären, "müsste man sie... für absolut unglaubwürdig halten" (23). Diese Berichte bezeugen nicht etwa das Sichzeigen des Auferstandenen, sondern lediglich "den Glauben der jeweiligen Gemeinden und Autoren an den Auferstandenen". Der Glaube wird also in (erfundene) Erzählungen umgesetzt (24). Jesus hat sein Leiden nicht angekündigt, sondern die ihm in den Mund gelegten Leidensankündigungen sind "frühchristliche Bekenntnisformeln" (25). (Anm.: Der Religionswissenschaftler Karl-Heinz Ohlig leugnet u.a. auch das Dogma der Dreifaltigkeit Gottes.)

 "Historisch greifbar" sind nach Ohlig weder das leere Grab noch die Erscheinungen des  Auferstandenen, sondern lediglich "der Glaube der Gemeinden und Redaktoren an die Auferstehung Jesu" (26). "Die Auferstehung bzw. das Zeugnis über Erscheinungen des Auferstandenen können eine Begründung von Christologie und Christentum nicht bieten" (27). Die Rede von der Auferstehung ist "metaphorische Sprache" (28). Metaphorisch heißt bildlich, übertragen. Die Rede von der Auferstehung geht nach Ohlig nicht auf ein wunderbares Geschehen, sondern auf irgendeine Bedeutsamkeit zurück.

Die Jesus gegebenen Prädikate wie Messias, Menschensohn, Gottessohn und der Auferstandene "sind nichts anderes als kulturbedingte symbolische Umschreibungen" der "Relevanz" Jesu (29). Ohlig behauptet, "dass es grundsätzlich in der Geschichte keinerlei übergeschichtliche Gewissheit geben kann, solange Geschichte fortdauert" (30). Mit dieser These werden Wirklichkeit und Wahrheit in gleicher Weise aufgehoben. (Anm.: Karl-Heinz Ohlig leitet noch heute die Arbeitstelle für Religionswissenschaft an der Universität Saarbrücken.)


c)  Die Eschata des Einzelnen

Jeder Christ, ja jeder Mensch ist brennend daran interessiert, zu erfahren, welches sein Schicksal nach dem irdischen Tod sein wird. Von den progressistischen Theologen erhält er darauf Antworten, die dem Glauben der Kirche widersprechen.

Nach Gisbert Greshake und Gerhard Lohfink geschieht im Tod des Einzelnen auch die Auferstehung (31). Die ewige Hölle wird keinem einzigen Menschen zuteil (32). Dies ist eine totale Verkehrung der christlichen Botschaft. Ihre Konsequenzen sind klar. Wenn es keine Gefahr gibt, ewig verloren zu gehen, dann bedarf es keiner Rettung vor dem ewigen Verderben, und das Christentum als Heilsveranstaltung und Heilsanstalt wird überflüssig.



(12)  Saka-Informationen 20, 1995,83
(13)  Broer, Der Glaube an die Auferstehung Jesu 51f.
(14)  Joachim Kügler, Der Jünger, den Jesus liebte. Literarische, theologische und historische Untersuchungen zu einer Schlüsselgestalt johanneischer Theologie und Geschichte. Mit einem Exkurs über die Brotrede in Joh 6 (= Stuttgarter Biblische Beiträge 16), Stuttgart 1988, 486 (Anm.: Der Priester und Neutestamentler Joachim Kügler ist Lehrstuhlinhaber an der Universität Bamberg und Unterzeichner des Aufrufs Kirche 2011: Ein notwendiger Aufbruch)
(15)  Broer, Der Glaube an die Auferstehung Jesu 57
(16)  Fuchs, Die mythisch-symbolische Dimension 72
(17)  Karl Rahner, Theologoumenon: LThK X, 2. Aufl., 1965, 80
(18)  Lay, Nachkirchliches Christentum 125
(19)  Perry Schmidt-Leukel, Demonstratio christiana, in: Heinrich Döring, Armin Kreiner, Perry Schmidt-Leukel, Den Glauben denken. Neue Wege der Fundamentaltheologie (= Quaestiones disputatae 147), Freiburg i. Br. 1993, 49-145, hier 132
(20)  Verweyen, "Auferstehung" 113
(21)  Lay, Nachkirchliches Christentum136f
(22)  Ohlig, Thesen 84
(23)  Ohlig, Thesen 84
(24)  Ohlig, Thesen 84
(25)  Ohlig, Thesen 85
(26)  Ohlig, Thesen 85
(27)  Ohlig, Thesen 90
(28)  Ohlig, Thesen 92
(29)  Ohlig, Thesen 90
(30)  Ohlig, Thesen 91
(31)  Gisbert Greshake, Jakob Kremer, Resurrectio mortuorum, Darmstadt 1986
(32)  Medhard Kehl, Eschatologie, Würzburg 1986, 295-298; Herbert  Vorgrimler, Hoffnung auf Vollendung. Aufriss der Eschatologie (= Quaestiones disputatae 90), Freiburg i. Br. 1980, 161-163; Gisbert Greshake, Himmel - Hölle - Fegefeuer im Verständnis heutiger Theologie, in: derselbe (Hrsg.), Ungewisses Jenseits. Himmel - Hölle - Fegefeer (= Schriften der Katholischen Akademie in Bayern Bd. 121), Düsseldorf 1986, 79-86



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