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Sonntag, 12. Juni 2016

Predigten von P. Engelbert Recktenwald FSSP auf SoundCloud

 


Seit wenigen Monaten können Sonntagspredigten von P. Engelbert Recktenwald online auf SoundCloud abgerufen werden: bitte hier klicken!

P. Recktenwald betreut die Gläubigen um die FSSP-Niederlassung im Ruhrgebiet und ist außerdem Herausgeber der Internetplattform "kath-info.de", einer überaus informativen wie umfangreichen Materialsammlung zu aktuellen und immerwährenden wichtigen Themen rund um den katholischen Glauben.

Frischer Wind begrüßt und dankt für die Initiative und würde wünschen, dass noch mehr Predigten glaubenstreuer Priester den Weg ins Netz finden.


Eine Auswahl anderer Predigtportale glaubenstreuer Priester:



Euntes docete omnes gentes - Gehet und lehret alle Völker
(Inschrift an der Kanzel der Benediktinerabtei Ottobeuren)
Bild ©FW

Montag, 2. Februar 2015

Fest der Darstellung des Herrn (Mariä Lichtmess) - Eintritt in das Heiligtum der Kirche



Am Fest der Darstellung des Herrn [...], der Station zwischen der weihnachtlichen und der österlichen Ankunft des Heils, geht es um den Einzug des Lichtes in das Heiligtum Gottes unter den Menschen, den Tempel. Dass Jesus selbst das strahlende Licht ist, davon legt der greise Simeon in seinem wundervollen Abgesang, dem Nunc dimittis des kirchlichen Nachtgebetes, Zeugnis ab:
Nun entlässest Du, Herr, Deinen Knecht,
wie Du verheißen hast, in Frieden,
denn meine Augen haben Dein Heil geschaut,
das Du bereitet hast im Angesicht der Völker;
das Licht zur Erleuchtung der Heiden
und die Ehre Deines Volkes Israel. (Lk 2,29-32)

Die Ankunft des "strahlenden Lichtes aus der Höhe" (Lk 1,78) im alttestamentlichen Tempel weist nun aber deutlich hinaus in die Zukunft und stellt bereits den Eintritt in das Heiligtum der Kirche dar, die Jesus begründen wird. Das geht aus einigen bezeichnenden Einzelheiten deutlich hervor:
  • Bei den beiden Gestalten im Tempel, Simeon und Hanna, handelt es sich um hochbetagte Menschen, die am Ende ihrer Lebenstage stehen und dadurch anzeigen, dass sie dem Neuen, das nun mit dem Kind in den Armen der jungfräulichen Mutter anbricht, Platz machen.
  • Die Worte des greisen Simeon, der vom "Licht zur Erleuchtung der Heiden" spricht, kündigen die Erfüllung der alttestamentlichen Prophezeiung von der künftigen Herrschaft des wahren Gottes auch über die Heidenvölker an, einen Vorgang also, der Jahrzehnte später durch das Wirken des heiligen Paulus Gestalt gewinnen wird und wesentlich ein Werk der Kirche ist.
  • Ein Indiz dafür, dass es bei der Darstellung des Jesuskindes schon um die Kirche geht, ist auch die Stellung Mariens in diesem Geschehen. Sie ragt über das alte Gottesvolk und seinen Tempel hinaus in ganz andere Dimensionen und steht schon für das neue Volk und Heiligtum Gottes, ja verkörpert es gleichsam dadurch, dass sie der erste Ruheort für den menschgewordenen Herrn auf Erden ist, den sie in ihrem Schoß umfangen hat und jetzt zu den Menschen trägt.
  • Außerdem wissen wir, dass der Tempel zu Jerusalem nicht mehr lange, d. h. nur noch knapp 70 Jahre, bestehen wird, um dann von den Römern gänzlich zerstört zu werden. An seine Stelle wird das Heiligtum des Leibes Christi treten, das, nachdem es in der Passion niedergerissen wurde, nach drei Tagen durch die Macht Gottes wunderbar wieder errichtet (Joh 2,19) und an Pfingsten vom Heiligen Geist gesalbt werden wird. Dieser neue und ewige Tempel soll für immer die Stätte sein, an der wir den Vater in Geist und Wahrheit anbeten (Joh 4,24); die Stadt auf dem Berge, deren Licht nicht verborgen bleibt (Mt 5,14), sondern die ganze Welt erleuchtet.

So zieht Jesus bei Seiner Darstellung nicht nur in einen Tempel ein, der bereits dem Untergang geweiht ist; vielmehr stellt Er in diesem geheimnisvollen Vorgang schon zeichenhaft Seinen Eintritt in die heilige Kirche und in die einzelnen Kirchengebäude dar. In ihnen wird Er im heiligen Sakrament wohnen und die gläubigen Herzen mit Seinem hellen und wärmenden Licht bestrahlen.


P Bernward Deneke FSSP  in: "Die doppelte Lichtquelle"; "Schweizerisches Katholisches Sonntagsblatt (SKS)" Verlag Schmid-Fehr AG, 2/2015, Seite 3


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Gebete zur Kerzenweihe und Messtexte zum Fest Mariä Lichtmess, sowie eine kurze Einführung zum Festgeheimnis: bitte klicken!



Samstag, 24. Januar 2015

Primizpredigt: Man kann an das Werk Gottes nicht die Meßlatte des Trends ansetzen

Von P. Bernward Deneke FSSP, Wigratzbad

„Ist denn da auch etwas los?“ So fragen junge Leute von heute gerne, wenn sie zu einer Veranstaltung eingeladen werden. Dabei verstehen sie unter „etwas los sein“, daß es lebhaft zugehe. Sie wollen etwas ihren Vorstellungen Entsprechendes geboten bekommen. Neudeutsch ausgedrückt: Es soll action geben. Wäre ja auch schrecklich, irgendwo hinein zu geraten, wo man sich langweilen muß!

Und so sehen sich denn auch die Organisatoren großer Veranstaltungen, wenn sie ein eingermaßen modernes Publikum ansprechen wollen, im Vorfeld zu bunten, „aufgegagten“ Werbekampagnen verpflichtet. Das Ereignis selbst muß dann natürlich das Versprochene halten, muß tatsächlich action bieten. - 

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Liebe Gläubige, wie aber verhält es sich mit dieser Veranstaltung? „Was ist hier los?“ Welchen Erlebnis- und Unterhaltungswert hat unsere Nachprimiz? 

Vom Erwartungshorizont trendbewußter Leute von heute aus betrachtet einen denkbar geringen. Oder sagen wir es geradeheraus: Der Unterhaltungswert der Primiz dürfte beinahe gleich null sein. Gewiß, es wird gesungen und Orgel gespielt, eine Rede wird gehalten und ansonsten eine ausgedehnte Zeremonie vollzogen. Aber das wär’s dann auch schon. Mehr „ist“ hier wirklich „nicht los“. 

Nicht einmal die neuen Möglichkeiten, eine Eucharistiefeier für den modernen Menschen ach so interessant zu gestalten, werden ausgenutzt, geschweige denn ausgeschöpft. Keine rhythmusbetonte Musik, kein liturgischer Tanz, keine Showeinlagen, kein Händchenhalten und -schütteln, nicht einmal das Gesicht des Primizianten bekommen wir während eines Großteils der Messe zu sehen. 

Täuschen wir uns also nicht: Die „Welt“ kann mit diesem Ereignis herzlich wenig anfangen. Und wenn der Neupriester ansonsten auch schon vor einer handvoll Gläubigen - oder sogar ohne diese – die Messe ohne große Feierlichkeit hält, dann wird die Angelegenheit für die allermeisten - auch für viele Katholiken - völlig unverständlich... 

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Liebe Gläubige, das sind ja schöne Aussichten zu unserer Feierstunde! Ist das nicht ein gar zu düsteres Bild? Und zugleich ein Anschlag auf die festliche Freude, die uns beseelt, gleich, wenn ich eine solche Einschätzung nicht für mich behalte, sondern gerade hier und heute öffentlich äußere? 

Ich meine: „Nein“. Denn unsere Freude ist ja nicht ein an Äußerlichkeiten entfachtes Feuer. Sie hängt nicht ab von der Mode des Tages und von der Meinung der Mehrheit. Und sie erfaßt uns auch nicht auf dem Weg einer raffinierten Werbepsychologie. Wäre dem so, dann müßten wir freilich um sie bangen. Nun aber speist sich unsere Freude eben doch aus ganz anderen Quellen. Sie hat ihren Grund in einem Geheimnis des Glaubens. 

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Wenn unser Neupriester in etwas mehr als einer halben Stunde sich über den Kelch, gefüllt mit Wein, beugt und die heilige Wandlung vollzieht, dann wird er, uralter Überlieferung entsprechend, in die Worte Jesu die Worte der Kirche einfügen: „Mysterium fidei - Geheimnis des Glaubens“. Damit aber ist nicht nur über die heilige Messe selbst, sondern auch über das ganze Priestertum der Kirche Wichtigstes gesagt. Priestertum und heilige Messe sind mysterium fidei, Geheimnis des Glaubens.

Liebe Gläubige, liegt nicht hier der Grund dafür, daß wir unsere heutige Festfreude nicht so ohne weiteres jedem mitteilen können? Ja, sie bleibt vielen unzugänglich, weil sie nur im Glauben verständlich ist. Nur wer zu dem mysterium fidei sein Ja sagt, wird vom Ereignis der heiligen Messe - und besonders einer Primiz - innerlich berührt, erfaßt, begeistert, ja hingerissen sein. Berührt, erfaßt, begeistert und hingerissen noch weitaus mehr, als irgendein Film- oder Fußball- oder Musikenthusiast es vom Gegenstand seines Kultes je zu sein vermag. Und warum? Weil das, was dieses Glaubensgeheimnis beinhaltet und was sich darin ereignet, jedes Ereignis unendlich weit hinter sich läßt, in dem nur „etwas los ist“. 

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Äußerlich betrachtet finden wir tatsächlich wenig, was uns übermäßig anspricht. Der junge Mann, der vor einigen Monaten zum Priester geweiht wurde, hat sich dadurch nicht sichtlich verändert in Erscheinungsbild, Größe, Sprache und so weiter. Ebenso verändert sich gleich bei der Konsekration nichts an der Erscheinung des Brotes und des Weines, nichts, aber auch rein gar nichts. Für den, der nicht vom Glauben an eine tiefere Wirklichkeit durchdrungen ist, besteht also keinerlei Grund, um Priesterweihe und Meßzelebration groß Aufhebens zu machen. 

Für den aber, der glaubt, der wirklich und tief glaubt, sieht die Sache vollkommen anders aus. Im Licht des Glaubens erkennt er, daß derselbe Mann von vor 20, 10 oder 5 Jahren, von vor 5 oder 3 Monaten seit der Priesterweihe eben doch ein ganz anderer Mensch geworden ist. Die Priesterweihe war seine dritte übernatürliche Verwandlung. 

In der Taufe hatte er, bereits in frühestem Alter, eine erste Verwandlung erfahren: die Verwandlung vom Kind Adams unter dem Fluch der Sünde zum Kind Gottes im Segen der Gnade. Bei der Firmung dann hatte sich, aufbauend auf der ersten, eine zweite Verwandlung ereignet: vom unmündigen Gotteskind zum Zeugen und Streiter Jesu Christi im feurigen Wehen des Heiligen Geistes.

Und in der Priesterweihe nun die dritte Verwandlung: Vom Empfänger der Gnadengaben Gottes ist der Primiziant zusätzlich zu ihrem aktiven Ausspender geworden; vom passiven Glied am geheimnisvollen Leib Christi, der Kirche, zusätzlich zum aktiven Stellvertreter des Hauptes, Jesus selbst; und vom allgemeinen Priester, der sich das von anderen vergegenwärtigte und dargebrachte Opfer Christi zu eigen machen kann, ist er zusätzlich zum amtlichen Priester geworden, der dieses Opfer selbst vergegenwärtigt und darbringt. 

„Zusätzlich“, das will sagen: Er ist geblieben, was er vorher war, und hat doch sozusagen eine neue Qualität erhalten. Als Mensch und katholischer Christ ist er weiterhin auf das Wirken Gottes in der Kirche durch andere Priester angewiesen. So kann er sich beispielsweise weder selbst von seinen Sünden lossprechen noch sich selbst die letzte Ölung spenden. Aber er kann diese Sakramente nun selbst anderen spenden; und er kann in geheimnisvoller Personeinheit mit Christus dessen heiliges Opfer vergegenwärtigen und im Namen der ganzen Kirche Gott darbringen. Und das konnte er vor einigen Monaten noch nicht. 

Liebe Gläubige, das alles ist so schrecklich leicht und schnell dahingesagt. Aber wenn wir es näher bedenken, am besten: betend betrachten, dann kommen wir wohl aus dem Staunen gar nicht mehr heraus. Ja, „Großes hat an ihm getan der Mächtige, und heilig ist Sein Name!“ 

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Und ganz ähnlich verhält es sich mit der heiligen Messe, insbesondere der heiligen Wandlung: Wo unsere körperlichen Augen nichts zu sehen bekommen als ein irdisches Geschehen, einen jungen Mann, umgeben von einigen anderen, der am Altar verschiedene Gebete verrichtet und Handlungen vornimmt, da öffnet sich unsichtbar und doch wirklich der Himmel in seiner ganzen, überwältigenden Herrlichkeit. 

Wo wir bloß eine gewisse Anzahl anderer uns teils bekannter, teils unbekannter Menschen um uns erblicken, da treten in Wahrheit die unermeßlichen Scharen der himmlischen Geister und der Heiligen in ihrer atemberaubenden Vielfalt hinzu. 

Wo wir nur zuerst eine weiße Hostie, dann einen Kelch sehen, die vom Priester emporgehoben werden, da wird unter uns doch Jesus Christus gegenwärtig mit Gottheit und Menschheit, mit Leib und Seele, mit Fleisch und Blut, wahrhaft, wirklich und wesentlich, und aus dem geöffneten Herzen Seines verklärten Leibes fließt der Strom des Erbarmens, Sein unendlich kostbares Blut, hervor.

Und wo unsere leiblichen Ohren nichts vernehmen als vielleicht einige geflüsterte Worte, das Läuten der Glocke und das Rauschen der Gewänder (ja, man sollte ganz still sein in diesem Moment!), da ertönt in Wirklichkeit wiederum wie damals die Stimme des Vaters: Das ist Mein geliebter Sohn, an dem Ich Mein Wohlgefallen habe, - und die Stimme des Sohnes selbst: Vater, vergib ihnen, denn sie wissen nicht, was sie tun, und: Mich dürstet (nämlich nach Dir!), und: Siehe da, Deine Mutter, und: Es ist vollbracht, und: Vater, in Deine Hände lege Ich Meinen Geist, - und da ertönt wohl auch das Geschrei der teuflischen Mächte, die sich mit Heulen und Zähneknirschen von ihrem Besieger abwenden, und das Seufzen der Armen Seelen im Fegefeuer, die nach dem erlösenden Blut des Herrn verlangen, und der Klang der Myriaden von Engeln und Heiligen, die vor dem geopferten Lamm das Neue Lied singen. 

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Liebe Gläubige, ist in der Heiligen Messe, ist in dieser Primiz „etwas los“? Ach, es könnte in Wahrheit nirgendwo so viel geschehen wie in dem Augenblick der Wesenverwandlung, des Opfers. Denn wo wir, menschlich betrachtet, nichts sehen und nichts hören als Irdisches, da eröffnet uns der Glaube Auge und Ohr, und wir nehmen eine überirdische Wirklichkeit wahr, die unsere höchsten und kühnsten Vorstellungen um Unendliches überragt. Aber, das sei deutlich gesagt: Es öffnet uns nur der Glaube den Zugang zu alledem. Nur eine Pforte führt hinein in dieses größte aller Geschehen: die Pforte der göttlichen Offenbarung. Und der Schlüssel zu dieser Pforte ist der katholische Glaube.

Ohne Schlüssel gelangen wir also nicht hinein. Wir könnten der heiligen Messe ohne den Schlüssel vielleicht eine kulturelle und ästhetische Wertschätzung wie einer gelungenen Neuinszenierung eines großen Theaterstücks entgegenbringen. Wir könnten eine gewisse Ehrfurcht verspüren wie ein europäischer Tourist vor dem hingebungsvoll zelebrierten Kult eines afrikanischen Stammes. Aber die heilige Messe selbst bliebe uns ohne den Schlüssel des Glaubens doch ein Buch mit Sieben Siegeln. 

Und das nicht bloß ohne den Schlüssel, sondern auch mit einem falschen oder verfälschten Schlüssel. Wenn einige Zinken fehlen oder verbogen sind, gibt das Schloß einfach nicht nach. Und wenn der katholische Glaube in einer mangelhaften oder verbogenen Gestalt vorliegt, dann öffnet sich die Tür zum mysterium fidei eben nicht. 

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Liebe Gläubige, hier genau liegt das Verheerende der innerkirchlichen Entwicklung der letzten Jahrzehnte. Die Meister vom Schlüsseldienst haben vielfach dabei zugeschaut, wie man den Gläubigen ihren Schlüssel des Glaubens im Namen der Liebe verbog, im Namen der Wissenschaft zerstörte oder im Namen der Freiheit sogar völlig wegzuwerfen riet. Und jetzt stimmen die, die wachen sollten - wenigstens teilweise - in das Klagelied über die schweren Schäden an, die entstanden sind, besonders über den Rückgang des Meßbesuches. 

Als ob es für die Menschen ohne die Klarheit des katholischen Glaubens besonders attraktiv sein könnte an der - oft noch entsakralisierten - Sonntagsmesse teilzunehmen! Muß man nicht volles Verständnis für die Scharen katholisch getaufter Sonntagslangschläfer haben angesichts der Misere in der Glaubensunterweisung? Nein, es macht wirklich nicht gerade Spaß, ohne passenden Schlüssel vor einer verschlossenen Tür zu stehen. Ebenso freudlos ist ein Absitzen der heiligen Messe für den, der nicht mehr im Glauben um ihre Inhalte weiß. Wenn man vor der Tür steht und nicht hinein kann, dann will man auch bald nicht mehr hinein und geht eben ganz weg. 

Lieber Neupriester, Du weißt, was in dieser Beziehung zu tun ist! In dem Maße Du als geweihter Priester nun noch größeren Anteil hast an dem so wichtigen Schlüsseldienst des Glaubens, gelten Dir die Worte des Apostels: „Verkünde das Wort, tritt auf, sei es gelegen oder ungelegen, rüge, ermahne, weise zurecht in aller Geduld und Lehrweisheit; denn es kommen Zeiten (ach, sie sind schon lange gekommen!), da man die gesunde Lehre nicht erträgt, sondern sich zum Ohrenkitzel nach eigenen Gelüsten Lehrer beschafft. Von der Wahrheit aber wird man das Ohr abwenden und sich Fabeleien zuwenden.“ Diesen Fabeleien wirst Du begegnen durch eine erleuchtete und kraftvolle Verkündigung der Wahrheit des mysterium fidei, dessen sind wir gewiß. 

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Liebe Gläubige, nur mit dem Schlüssel unseres katholischen Glaubens haben wir Zugang zum Verständnis des katholischen Priesters und zum Heiligtum des Meßopfers. Was den Außenstehenden als rückständiger Aberglaube, mit dem ein aufgeklärter Mensch nichts mehr anzufangen weiß, erscheint, als hinterweltlerisches Getue, als folkloristisches Spektakel ohne ernsthaften Anspruch an ernsthafte Menschen, - das ist den Gläubigen das Alpha und Omega, Inbegriff göttlicher Wahrheit und Liebe. 

Und deshalb danken die Gläubigen Jesus für die Einsetzung des Priestertums. Sie nehmen mit ganzem Herzen an den Feierlichkeiten der Priesterweihe teil. Sie erbitten vom Neupriester den so kostbaren Erstlingssegen und küssen seine frischgesalbten Hände, gesalbt, um den Sohn Gottes zu berühren, zu umfassen, als Opfergabe zum Himmel emporzuheben und als himmlische Speise den Gläubigen zu reichen. 

Auf diese Weise entsteht ein enger Zusammenschluß zwischen den Gläubigen und ihren Priestern. Es ist eine Vertrautheit und Liebe, die wiederum nicht vom rein Menschlichen ihren Ausgang nimmt, sondern im Glauben wurzelt. Je tiefer und lebendiger der Glaube, desto inniger das Band, das den Priester und das Kirchenvolk, den Priester und jeden einzelnen Gläubigen umschlingt. 

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Und trotzdem muß auch die andere Seite der Wirklichkeit gesehen werden. So sehr der Neupriester hier und heute die Anteilnahme des Kirchenvolkes erfährt, so sehr er sich über die wundervolle Verbundenheit freut, - so sehr bleibt er doch im tiefsten auch allein. Ja, seit gestern ist seine Einsamkeit bis zu einem Grad angewachsen, der auf dieser Welt nicht seinesgleichen hat. 

Weshalb? Weil er das, was mit ihm geschehen ist, und das, was er heute und morgen und tagtäglich vollzieht, letztlich keinem Menschen mitteilen und so mit niemandem teilen kann. Nicht einmal er selbst begreift ja dieses mysterium fidei, das in seiner Seele seit gestern besteht. Es ist für den Priester selbst viel zu hoch, als daß er es durchschauen könnte. War er sich als Geschöpf und Kind Gottes schon vorher selbst ein Geheimnis, jetzt ist er es noch viel mehr. Und was sich gleich unter seinen Händen ereignen wird, wie vermöchte er das zu erfassen, geschweige denn wirklich auszusprechen?

Ob sich die Wandlung der eucharistischen Gaben für den Zelebranten in erfahrbarer Wundermacht offenbart oder - was vermutlich ein ganzes Leben lang so sein wird - mit dunklem, vielleicht manchmal jeden Gefühls entblößtem Glauben erlebt wird: In beiden Fällen reichen doch keine menschlichen Worte hin, um es einem anderen Menschen auch nur halbwegs mitteilen zu können.

Zwar hat Jesus im Moment Seines Todes den Tempelvorhang zerrissen, so daß wir nun alle durch Sein Blut Zugang zum Allerheiligsten haben und daher den Priester auf Seinem Weg zum Altar Gottes betend und mitopfernd begleiten. Und doch ist er in anderer Hinsicht auch wieder einsam und allein. Einsam und allein wie Moses, der, das Volk zurücklassend, in das Wolkendunkel des Gottesberges aufstieg. Einsam und allein wie der Hohepriester des Alten Bundes, der einmal im Jahr die Schwelle überschritt, die das Heilige vom Allerheiligsten trennte. Einsam und allein wie Zacharias, der Vater des Täufers, da ihm im Tempel die Botschaft vom heiligen Erzengel Gabriel überbracht wurde: Als er wieder herauskam, vermochte er niemandem von dem Geschauten Kunde zu überbringen, denn er war stumm geworden. Hier aber, liebe Gläubige - hier ist unendlich viel mehr als nur ein Engel Gottes! 

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Lieber Neupriester, in einem dunklen, verschwiegenen Raum, in der stillen Nacht des Glaubens, geschieht das Größte, das auf Erden geschehen kann. Würdest Du dieses auch nur ein einziges Mal gläubig und würdig vollziehen, Dein ganzer langer Weg zum heiligen Priestertum, alle Verzichte und Entbehrungen, hätten sich überreich gelohnt. 

Und doch wirst Du diese Freude letztlich mit keinem Menschen hier auf Erden je teilen können. Selbst wenn Deine nächsten Verwandten, Vater und Mutter und Geschwister, die weite Reise nach Europa auf sich genommen hätten: Du stündest doch als ein Einsamer unter dem Kreuz, dem Lebensbaum, der bei der heiligen Wandlung aus Deinen Händen hervorwächst. Diese Einsamkeit muß der Priester aushalten. Er darf vor ihr nicht flüchten in äußere Geschäftigkeiten, nicht in Liebhabereien und Liebeleien, wie es so häufig geschieht. 

Nur einen Menschen gibt es, der ein Höchstmaß an Verstehen für das Tun des Priesters hat. Es ist diejenige, die den Herrn der Welt im heutigen Festgeheimnis als die neue Bundeslade zu Elisabeth getragen hat - und Johannes der Täufer begann im Schoß seiner Mutter sich zu regen und vor Ihm zu tanzen wie einst König David in heiliger Entzückung vor der Lade des alten Bundes. Und es ist die, von der der Herr auch gleich bei der Vergegenwärtigung Seines Opfers vom Kreuz herab zum Priester spricht: Siehe da, Deine Mutter, - und zu der Er, auf den Zelebranten weisend, sagt: Siehe da, Dein Sohn. Diese Mutter, lieber Primiziant, wird Dir heute ganz neu geschenkt. Schenke auch Du Dich ihr ganz neu! 

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Liebe Gläubige, was ist denn bei dieser Feier los? Welche Tricks müssen wir uns einfallen lassen, um die Menschen bei der Stange zu halten? Welche Meßgestaltung ist auf- und anregend genug, um dem modernen Menschen etwas zu sagen?

Angesichts des mysterium fidei wird uns klar, wie verfehlt solche Fragestellungen bereits in ihrem Ansatz sind. Man kann an das Werk Gottes nicht die Meßlatte des Trends ansetzen. Die heilige Messe entzieht sich jeder Bewertung durch die Tagesmeinung. Sie stellt alle Ansprüche an uns und nicht wir an sie.

Nur den einen Anspruch freilich dürfen wir - zwar nicht an die heilige Messe selbst, aber doch an ihre Form - stellen: Daß in ihr das Geheimnis des Glaubens, das Opfer unseres Herrn Jesus Christus, zum Ausdruck komme. Und daß deutlich werde: Der Priester hat hier nicht die Gemeinde mit fröhlichem Gesicht und gutgelaunten Einfällen zu unterhalten, sondern hat für die Versammelten (wie der Hebräerbrief sagt) in das nicht von Menschenhand gemachte Heiligtum Gottes einzutreten, um ihnen eine ewige Erlösung zu erwirken. 

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Lieber Neupriester, dies zu tun, hast Du Dich für die überlieferte, unangepaßte Form der heiligen Messe entschieden. Und Du hast eine gute, hast die beste Wahl getroffen. Aus dieser Liturgie leuchtet das mysterium fidei in ungebrochener Strahlkraft hervor. Viele Menschen, die im echten, katholischen Glauben an das heilige Opfermysterium stehen und folglich auf alle äußere Aktualisierung und Interessantmachung getrost verzichten können, haben in ihr die kostbare Perle gefunden, für die es sich lohnt, vieles, ja alles hinzugeben. 

Gemeinsam mit den Gläubigen, die zu Deiner ersten heiligen Messe gekommen sind, bete ich heute, daß diese traditionelle Meßliturgie, die Meßliturgie Deiner Primiz, auch die Deiner letzten und aller (hoffentlich möglichst vieler) heiligen Messen sei, die Du zwischen der ersten und der letzten zelebrieren darfst. 

Und nun trete gläubigen und glühenden Herzens hin zum Altar und bringe das reine, makellose und heilige Opfer des Neuen und Ewigen Bundes dar, das mysterium fidei zum Lob und Ruhm des Namens Gottes, zum Segen für uns und die ganze heilige Kirche! Amen


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Dienstag, 15. Juli 2014

Christliche Selbstverwirklichung

Predigt von P. Karl Franz Banauch FSSP 
über die Selbstverwirklichung im christichen Sinne;
Herz Jesu und Mariä-Sühnekirche in Wigratzbad
Predigt vom 10. Sonntag nach Pfingsten 
am 05.08.2012 ab 2:50 min





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Mittwoch, 4. Juni 2014

Kardinal Angelo Giuseppe Roncalli (später Papst Johannes XXIII.) über Papst Pius X.

"Heiliger Pius X. - ein Reformpapst vor den Herausforderungen des neuen Jahrhunderts"

Unter diesem Motto veranstaltet das "Päpstliche Komitee für historische Wissenschaften" am 12. Juni 2014 in Rom einen Studientag über Papst Pius X. (1903-1914). Anlass sind der 100. Todestag des Papstes am 20. August sowie die Heiligsprechung Pius X. vor 60 Jahren, am 29. Mai 1954. (s. auch kathweb)


Das sei Anlass zu hören, was Kardinal Angelo Giuseppe Roncalli, damals Apostolischer Nuntius in Frankreich, über Pius X. sagte. Er tat dies anlässlich der Weihe der unterirdischen Kirche bei der Grotte der Allerseligsten Jungfrau von Lourdes am 24. März 1958, etwa sieben Monate bevor er nach dem Tode Pius XII. selbst als Papst Johannes XXIII. aus dem  Konklave hervorging und den Stuhl Petri bestieg:
Das neue Gotteshaus, das wir heute geweiht haben zur Anbetung des einen und dreieinigen Gottes, zur Verehrung der Mutter Jesu und unserer Mutter erfährt eine glückliche Ergänzung durch die Weihe an den Namen des hl. Pius X. (...),  den einige von uns noch gekannt, den sie mit eigenen Augen gesehen und dessen Stimme sie noch vernommen haben.

Zu diesen gehört auch der Kardinal, der heute zu Ihnen spricht, der die Weihe vorgenommen hat und der auf seinem Haupte noch heute die verehrungswürdigen Hände des Papstes fühlt, der ihn gesegnet hat. (...)

Da ist die Heiligkeit seines Lebens und seines Beispiels. Ein waches Bewusstsein der höchsten Verantwortung, weite und tiefe Schau der grundlegenden Fragen der menschlichen und christlichen Gesellschaft, eine Ausübung des Lehramtes im Geiste der Sanftmut und Demut Jesu, gleichzeitig aber auch ein klares und unerschütterliches Einstehen für die Wahrheit, für die Gerechtigkeit, für einen Frieden ohne Schwäche und ohne Kompromisse mit der Bereitschaft, Leiden, ja selbst den Tod zu ertragen: Das war der hl. Papst Pius X., wie er heute vor unseren Augen steht.

Pius X. war unablässig bemüht, der Welt den Sinn für das Übernatürliche wiederzugeben. Das Jahrhundert vor ihm war im Siegesgeschrei eines völligen Rationalismus untergegangen. Der Einfluß des Scientismus hatte versucht, und es war ihm auch teilweise gelungen, das religiöse Denken und die religiöse Hoffnung aus der Welt zu verbannen. Und dies so sehr, dass sich selbst die Christen der Gefahr dieser verführerischen Illusion nicht zu entziehen vermochten.

In den Methoden der wissenschaftlichen Forschung, in den falschen Ideen, die in die öffentliche Meinung, ja selbst in die Art zu reden und zu schreiben Eingang gefunden hatten, überall waren die Auswirkungen dieser Entstellung der reinen Lehre der Kirche zu verspüren.

Wenn schon die Christen Gefahr liefen, ohne es zu wissen, zu Rationalisten zu werden, was sollen wir dann von der Menge jener Gleichgültigen sagen, die mit der Kirche nur gelegentlich in Berührung kommen oder ihr gar ferne stehen?

So sehr wir auch heute nach 50 Jahren noch irrige Anschauungen und das Weiterbestehen geistiger Übelstände zu beklagen haben, so sehr wir auch feststellen müssen, dass der Geist der Finsternis auch heute noch alles einsetzt, um das Wiederaufleben der katholischen Aktivität zu verhindern, wobei dieser Einsatz zum Teil die schlimmsten Formen annimmt, so ist dieses Wiederaufleben doch eine unbestreitbare Tatsache.

Die erhabene Lehre Pius X. hat also den Sieg davongetragen. Wohl lebt der Scientismus noch unter verschiedenen Namen weiter und wir geben uns darüber keiner Täuschung hin, dass er so lange weiterleben wird, als der "Fürst dieser Welt" seine Bemühungen fortsetzen wird, um die Herrschaft über die Welt an sich zu reißen. Pius X. ist ihm offen entgegengetreten. Freilich flackert der Irrtum von Zeit zu Zeit wieder neu auf. Doch handelt es sich dabei eher um das rauchende Weiterglühen eines Balkens, den der Schutt eines niedergebrannten Hauses bedeckt.

Die edlen und tapferen Nachfolger Pius X., Benedikt XV., Pius XI. und Pius XII. sind den Spuren Pius X. mutig gefolgt; im Lichte seines Namens und seines Geistes.

Was aber sollen wir sagen, meine Brüder, über die neue Quelle von Gnaden und geistlichen Kräften, die wir dem Heiligen Vater Pius X. verdanken durch seine Förderung des Eucharistischen Kultes unter den Gläubigen, vor allem den unschuldigen Kindern?

Hat man nicht schon gesagt, dass erst die kommenden Generationen das Andenken Pius X. gebührend preisen und segnen werden für diese unschätzbaren Reichtümer an christlicher Tugend und apostolischem Eifer, die sich auf die breiten Straßen der ganzen Menschheit ergießen?

Was sollen wir sagen über die klare Formulierung der Lehre Jesu, genauer gesagt, eines Katechismus, der der Fassungskraft aller angepasst und dem Klerus vor allem zum Gebrauch in den Volksschulen in die Hand gegeben wurde, der aber auch eifrigen Laien als beste Form des Apostolates der katholischen Aktion dienen sollte?

Was sollen wir sagen zu dem kühnen Unternehmen einer Neuregelung des kirchlichen Rechtes im Verlaufe seines Pontifikates, das auf die Erneuerung des gesamten kirchlichen Lebens ausgerichtet war?

Was sollen wir sagen über die Planung und entschlossene Reform im Bereich der Liturgie, des kirchlichen Gesanges und der biblischen Studien, alles mit dem Ziel, dass die Kirche, die Braut Christi, vor der Welt in strahlender Schönheit, ohne Makel und Runzel dastehe?

Was sollen wir zu dem sagen, was die Großen dieser Welt, Politiker und Diplomaten, Wissenschaftler und Literaten, in Erstaunen versetzt hat: die Verteidigung der Rechte der Kirche auf ihre Freiheit gegenüber den Mächtigen und Hochmütigen, selbst um den Preis von Gefahren und Opfern?

Selbst die Stimmen jener, die ein Kompromiss befürworteten, um einige irdische Güter zu retten, in der irrigen Meinung, dadurch eine bessere Sicherung zu schaffen, sind heute verstummt. Und man hat erkannt, dass die Opfer, die damals auferlegt wurden, zu einer Quelle großer Segnungen geworden sind.

Das ist der Ruhm des schlichten Landpfarrers, des schlichten Bischofs und Kardinals, des schlichten Dieners der Diener Gottes, der Ruhm Pius X., dass er das Verlangen geweckt hat, es in der Erfüllung der großen Aufgaben den berühmten Vorgängern an Eifer gleichzutun, in jenen, die einmal seinen Platz einnehmen würden, jenen Platz, den er so ehrenvoll ausgefüllt hat. Er hat den breiten und lichtvollen Weg aufgezeigt, wie man dem römischen Papsttum inmitten der Bedrängnisse und Schwierigkeiten der Kirche, inmitten der Not der gesamten Welt in der Gegenwart Einfluß und Ansehen sichern kann.

Meine Herren, meine Brüder! Ein Name umschließt eine ganze Lehre, einen ganzen Schatz an erhabensten und wertvollsten Leitgedanken des menschlichen Lebens und der Geschichte, einen Aufruf zum edelsten Wettstreit zur Erreichung eines herrlichen Ideals, im Hinblick auf einen wahren Ruhm hienieden und auf die ewige Herrlichkeit des Himmels.

Wenn der Name, den wir auf die Front dieses Gotteshauses schreiben, der eines Heiligen von der Größe Pius X. ist, dann wird dieser Name selber zu einem Zeichen und zu einer Bürgschaft des Schutzes. (...)


aus: Johannes XXIII. - Erinnerungen eines Nuntius; Verlag Herder KG Freiburg im Breisgau AD 1965; S. 161-166

Angelo Giuseppe Roncalli, Johannes XXIII., (1881 - 1963) wurde am 27. April 2014 zusammen mit Johannes Paul II. (1920-2005) von Papst Franziskus heilig gesprochen.



Samstag, 9. November 2013

Moral, Moralismus und Moralin

Von P. Bernward Deneke FSSP, Wigratzbad

Der christliche Glaube sei kein Moralsystem, sein Symbol nicht der erhobene Zeigefinger, die Kirche nicht eine Institution zur Überwachung der Sitten. Mit moralinsauren Predigten erwecke man niemanden zu Begeisterung und Hingabe. Daher solle man den Menschen nicht mit Verboten zu Leibe rücken, sondern ihnen vor allem anderen von Jesus Christus, dem Herrn und Erlöser, und von seiner barmherzigen Liebe erzählen.

So weit, so gut. Es ist wahr, dass der Moralismus der echten Moral schadet, manchmal mehr als offene Unmoral. Denn worin liegt der Unterschied zwischen Moral und Moralismus? In einer Umkehrung der Verhältnisse. Moral richtet sich nach dem Grundsatz Agere sequitur esse, „Das Handeln folgt dem Sein.“ Christliches Handeln ergibt sich also aus dem christlichen, getauften Sein: aus der Gotteskindschaft, durch die wir Anteil an der göttlichen Natur haben (2 Petr 1,4), und aus der Gliedschaft am Leib Christi, der Kirche. Als derart erhöhte und beschenkte Geschöpfe sollen wir auch unserem neuen Sein entsprechend leben.

Der hl. Papst Leo der Große gibt eine treffliche Zusammenfassung christlichen Moralverständnisses: „Christ, erkenne deine Würde! Du bist der göttlichen Natur teilhaftig geworden, kehre nicht zu der alten Erbärmlichkeit zurück und lebe nicht unter deiner Würde. Denk an das Haupt und den Leib, dem du als Glied angehörst! Bedenke, daß du der Macht der Finsternis entrissen und in das Licht und das Reich Gottes aufgenommen bist." (vgl. KKK 1691)

Solchem Primat des Seins vor dem Handeln widersetzt sich der Moralismus. Er stellt die Forderung auf, wir müssten zuerst einmal als anständige, sittliche Menschen handeln, um dann auch Christen sein zu können, und verbindet damit viele Einzelforderungen, die rasch zu einem unüberschaubaren Katalog der Gebote und Verbote anschwillen. Deutlich ins Hintertreffen geraten dabei die Tatsachen, dass Gott uns zuerst geliebt hat (1 Joh 4,19) und Jesus für uns gestorben ist, als wir noch Sünder waren (Röm 5,6), dass also die Erwählung, Erlösung und Erhöhung des Menschen – und nicht ein riesenhafter Verhaltenskodex – Grundlage, Mitte und Ziel des christlichen Lebens bilden. Unser Glaube bringt daher die Ablehnung des Moralismus mit sich und unser guter Geschmack die Abneigung gegenüber allem, was sich mit dem Kunstwort „Moralin“ verbindet: penetrante, hochdosierte, oft ungenießbar-salbungsvolle Sittenpredigt.

Und dennoch, der christliche Glaube ist zutiefst mit sittlichen Anforderungen verbunden. Im Alten Testament tut der Herr dem erwählten Volk seinen Namen kund und schließt mit ihm seinen Bund, nicht ohne es durch sein Gesetz in die Pflicht zu nehmen. Leben mit Gott und Einhalten seiner Gebote sind seither untrennbar miteinander verbunden. Bei Jesus Christus ist es nicht anders: Nur der liebt ihn in Wahrheit, der auch seine Gebote hält (vgl. Joh 14,21); Gebote, die bekanntlich alles andere als anspruchslos sind.

Nicht selten gewinnt man den Eindruck, manche Kirchenvertreter vermieden es tunlichst, von Moral zu sprechen (ausgenommen die Worte zu sozialer und wirtschaftlicher Moral, die niemandem wehtun), um nicht in Moralismusverdacht zu geraten. Ihre Predigten beschwören unablässig die Freude am Erlöstsein. Die „Nur keine Angst haben!“-Aufrufe und die Ermunterung, möglichst alles positiv zu sehen, erinnern an Animationen eines Psychocoachs. Vom Ernst der Gebote und den Konsequenzen ihrer Übertretung hört man in solchen Zusammenhängen wenig bis nichts.

Mehrere Irrtümer dürften dem zugrunde liegen: a) die Verwechslung authentischer christlicher Moral mit dem beschriebenen, zutiefst unchristlichen Moralismus; b) die illusorische Meinung, mit Freudenappellen allein lasse sich die Schwerkraft der Sünde überwinden; c) das Vergessen des Verblendungszusammenhanges, in dem sich der Sünder befindet und der ihn weitgehend unfähig macht, die Herrlichkeit des Glaubens recht zu erkennen; d) das Übersehen der Tatsache, dass der heilsame Schrecken, der sich bei einer starken Verkündigung der göttlichen Gebote einstellen mag, für die Zuhörer eine lebensverwandelnde Gnade bedeuten kann.

Jedenfalls stimmt es traurig, wenn bei katholischen Großveranstaltungen mit jungen Menschen nicht auch die Gelegenheit ergriffen wird, ihnen einige sehr konkrete Dinge für ihr christliches Leben mitzugeben. Diese könnten z.B. die Treue zum unverkürzten katholischen Glauben und den regelmässigen Gottesdienstbesuch betreffen, ebenso die Voraussetzungen für einen würdigen Kommunionempfang, den Schutz des Lebens, die gottgewollte Ordnung im Bereich des Geschlechtlichen sowie den Mut, gegen den Strom zu schwimmen. Solche moralismus- und moralinfreie Moralverkündigung ist notwendig und wendet viele Not.



Hinweise:
- mit freundlicher Genehmigung des Verfassers
- der Beitrag erschien bereits im Schweizerischen Katholischen Sonntagsblatt (SKS)




Weiteres zum Thema "Moral im Christenleben":

Dienstag, 5. November 2013

Prof. G. May: Die andere Hierarchie - Teil 5: Die Lage (1)

Prof. Dr. Georg May

Die andere Hierarchie

Teil 5


Verlag Franz Schmitt Siegburg AD 1997



II.  Die Lage

1.  Fakten

Der Heilige Vater (Anm.: d. i. im Jahre 1997: Johannes Paul II.) ist rastlos tätig, vor allem mit Reden und Reisen. Beides macht ihn als Bischof der katholischen Kirche präsent, und dafür ist ihm zu danken.

Von einer kraftvollen und entschiedenen Regierung der Gesamtkirche ist jedoch wenig zu spüren. Es ist eine offenkundige Tatsache, dass der Heilige Vater oft und immer wieder vor Pressionen, die von Ortskirchen ausgingen, zurückgewichen ist. Ich nenne einige Beispiele.

Wider bessere Einsicht ließ sich Paul VI. von Kardinal Döpfner die unselige Handkommunion abtrotzen (3). Man sagte damals, es gehe lediglich um eine disziplinäre Anordnung. In Wirklichkeit stand und steht das Übergehen von der kniend empfangenen Mundkommunion zur stehend empfangenen Handkommunion in engem Zusammenhang zum Glauben. Es sei darum noch einmal ausgesprochen: Die Handkommunion hat sich durchgesetzt, weil der Glaube an den vollen Inhalt des eucharistischen Opfersakramentes bei der großen Mehrheit der Christen zusammengebrochen ist. Ihre Beibehaltung ist ein Element des weitergehenden Abbaus des katholischen Glaubens betreffend das allerheiligsten Sakrament des Altares.

Die sogenammte Würzburger Synode hatte im Januar 1973 die Predigt von Laien in der Eucharistiefeier grundsätzlich gutgeheißen (Die Beteiligung der Laien an der Verkündigung Nr. 3) (4). Im gleichen Jahre 1973 gewährte der Heilige Stuhl den deutschen Bischöfen das Indult, bei der hl. Messe in "außerordentlichen Fällen" die Predigt durch Laien halten zu lassen. (5). Dies geschah, obwohl nach dem Zweiten Vatikanischen Konzil die Predigt "ein Teil der liturgischen Handlung" (Sacrosanctum Concilium Nr. 35) ist. Derselbe Priester, der das Opfer Christi darbringt, soll auch die Botschaft des Herrn dem versammelten Volk darbieten. Deswegen ist nicht jeder, der Theologie studiert hat, befähigt, das Wort Gottes zu verkündigen, sondern nur jener, der in der Weihe die besondere Teilhabe am dreifachen Amt Christi erhalten hat (Presbyterorum ordinis Nr. 1).

Das kirchliche Gesetzbuch ist wieder zu gesunden Grundsätzen zurückgekehrt. Die Predigt von Laien in der hl. Messe ist verboten (c. 767). In vielen deutschen Pfarreien schert sich niemand um dieses Verbot. Die Laienpredigt ist zur Regel geworden. Ein Laie fragte: "Wessen Aufgabe ist es eigentlich, dafür zu sorgen, dass solche Anordnungen beachtet werden? Oder haben wir in Deutschland jetzt so etwas wie eine 'Nationalkirche', die sich von Rom abgekoppelt hat und nach eigenen Gesetzen lebt?" (6)

Das Messbuch Pauls VI. kannte lediglich männliche Ministranten (7). Viele Geistliche in Deutschland hielten sich nicht an dieses Gebot und führten weibliche Ministranten ein; die Bischöfe sahen, mit einer einzigen Ausnahme, duldend oder wohlwollend zu. Schließlich wurde, wie so oft, der Missbrauch vom Apostolischen Stuhl sanktioniert, diesmal auf dem Wege einer dubiosen authentischen Interpretation des c. 230 CIC (8). Der Theologe Fries wies triumphierend darauf hin, dass der Heilige Stuhl sich anfangs gegen Ministrantinnen ausgesprochen habe, als sie in Deutschland schon zum gewohnten Erscheinungsbild gehörten, dass sie aber heute "auch im Gefolge des Papstes" auftreten (9).

Das Ökumenische Direktorium vom 14. Mai 1967 (10) ließ interkonfessionelle Gottesdienste am Sonntag nicht zu. Allzu deutlich sind die Gefahren, die von solchen Veranstaltungen ausgehen. Sie sind geeignet, den Rang des Messopfers herabzustufen und die Verpflichtung zum sonntäglichen Messbesuch in Vergessenheit geraten zu lassen.. Doch die protestantischen Religionsverbände und die katholischen Ökumeniker gaben keine Ruhe und gingen gegen das Verbot sonntäglicher ökumenischer Gottesdienste an.

Wiederum gab der Heilige Stuhl nach. Im Ökumenischen Direktorium vom 25. März 1993 (11) ist aus dem Verbot ökumenischer Gottesdienste am Sonntag ein bloßes Abraten von solchen geworden (Nr. 115). Es ist sicher, dass die ökumenisch Beflissenen sich nicht abraten lassen. Die Folgen dieses Einbruchs werden nicht lange auf sich warten lassen. Rang und Wert des hl. Messopfers werden verdunkelt, die Stellung des katholischen Priesters wird eingeebnet, das Gebot, am Sonntag eine hl. Messe mitzufeiern, wird ausgehöhlt.

Das Zweite Vatikanische Konzil kennt nur Priester als für die Ausbildung der Priesterkandidaten geeignete Personen (Optatam totius Nr. 5). Der Heilige Stuhl hat nach dem Konzil angeordnet, dass in theologischen Fakultäten die Professoren für gewöhnlich Priester sein sollen (12). Nichtpriester sollten nur ausnahmsweise zum Lehramt in einer theologischen Disziplin zugelassen werden (13). Diese Vorschrift bleibt in steigendem Maße unbeachtet. Im Fachbereich Katholische Theologie an der Universität Mainz ist das Verhältnis umgekehrt. Acht Nichtgeweihten stehen fünf Priester gegenüber, von denen vier über sechzig Jahre alt sind.

Der Heilige Stuhl hat sich die Entscheidung, ob jemand zum Theologieprofessor auf Lebenszeit ernannt werden kann, vorbehalten (14), und das ist richtig, ja notwendig; denn die Lehre eines Theologieprofessors geht die gesamte Kirche an und wird auch, wenn er über die entsprechende Lobby verfügt, in der gesamten Kirche bekannt gemacht.

Es gibt Fälle, in denen dem Heiligen Stuhl die lehrmäßige Unzuverlässigkeit deutscher Theologiedozenten bekannt war und er die Unbedenklichkeitserklärung nicht geben wollte, er aber durch die massive Intervention deutscher Bischöfe in die Knie gezwungen wurde. Er erteilte das Nihil obstat, und das vorhergesehene Verhalten der betreffenden Professoren trat prompt ein. Wenn der Heilige Stuhl wider Erwarten einmal fest bleibt, erhebt sich sogleich der Protest.

Als der Frankfurter Theologe Siegfried Wiedenhofer nicht das Nihil obstat zur Übernahme eines Lehrstuhls in Graz erhielt, trugen 205 Theologieprofessoren gegen dieses Vorgehen bei den deutschsprachigen Bischöfen Einwände vor (15).

Bischof Lehmann behauptete, "Kirchenleitungen" hätten "vielleicht eine gewisse Neigung zum Misstrauen" und überschätzten auch negative Phänomene. Die lehramtlichen Instanzen sollten bei der Erteilung der Unbedenklichkeitserklärung für Theologen nicht "zu engherzig oder kleinlich" vorgehen (16). Mit dieser Äußerung kann Lehmann nur auf den Heiligen Stuhl zielen. Angesichts der skandalösen Verhältnisse in der deutschen Theologenschaft sind derartige Bemerkungen völlig unangebracht. Sie dienen folglich dazu, die Herrschaft falscher Lehren noch fester zu etablieren.



(3)   Georg May, Die sogenannte Handkommunion. Ein Beitrag zur Praxis der kirchlichen Rechtsetzung in der Gegenwart ( = Schriftenreihe der Una Voce - Deutschland Heft 5/1970), 1.-3. Aufl., Berlin 1970
(4)   Gemeinsame Synode 175f
(5)   Amtsblatt für das Erzbistum München und Freising Jg. 1974 S. 295-298
(6)   Deutsche Tagespost Nr. 24 vom 15. Februar 1997 S. 15
(7)   Missale Romanum ex Decreto Sacrosancti Oecumenici Concilii Vaticani II instauratum Auctoritate Pauli Papae VI promulgatum. Editio typica, Vatikanstadt 1971, 45 Nr. 70
(8)   Wolfgang Waldstein, Eine "authentische Interpretation" zu can. 230 §2 CIC: Archiv für katholisches Kirchenrecht 163, 1994, 406 - 422. Vgl. Ludger Müller, Authentische Interpretationen - Auslegung kirchlicher Gesetze oder Rechtsfortbildung?: Archiv für katholisches Kirchenrecht 164, 1995, 353 - 375, hier 372f
(9)   Glaube und Leben Nr. 47 vom 19. November 1995 S. 10
(10)  Acta Apostolicae Sedis 59, 1967, 574-592
(11)  Päpstlicher Rat zur Förderung der Einheit der Christen, Direktorium zu Ausführung der Prinzipien und Normen über den Ökumenismus (= Verlautbarungen des Apostolischen Stuhls 110), Bonn 1993
(12)  Ratio fundamentalis institutionis sacerdotalis, Editio apparata post Codicem Iuris Canonici promulgatum vom 19. März 1985, Rom 1985, Nr. 33
(13)  Dekret der Kongregation für das katholische Bildungswesen vom 20. April 1972 (= Verlautbarungen des Apostolischen Stuhls Heft 9, 2. erg. Aufl., Bonn 1971, 59)
(14)  Apostolische Konstitution "Sapientia Christiam" vom 15. April 1979 Art. 27 §2 1979 Art. 19 §1 (Acta Apostolicae Sedis 71, 1979, 500 - 521, hier 505)
(15)  Glaube und Leben Nr. 42 vom 20. Oktober 1996 S. 2



Fortsetzung folgt in unregelmäßigen Abständen

Samstag, 29. Juni 2013

Marianische Volksfrömmigkeit

Von P. Bernward Deneke FSSP, Wigratzbad

Hier rümpft der aufgeklärte Katholik die Nase: Die gefühlsduselige Verehrung der Mutter Jesu ist seine Sache nicht. Sie geht ihm gegen den Geschmack. Mit derlei Sentimentalitäten will er weder etwas zu tun haben noch in Verbindung gebracht werden, denn sie widersprechen seiner Meinung nach der Vernünftigkeit des Glaubens, die ein wichtiges Charakteristikum der Religion des Logos, des sinnerfüllten, „logischen“ Gotteswortes, ist. An diesem müsse doch jede echte Frömmigkeit gemessen werden. Der volkstümlichen Marienverehrung aber fehle weithin die biblische Basis. Stattdessen ergehe sie sich in enthusiastischen Äußerungen, die oftmals jeden Bezug zur Mitte der göttlichen Offenbarung, zum menschgewordenen Sohn und seinem Erlösungsgeheimnis, vermissen ließen. 

Darüber hinaus bezweifelt unser kritischer Zeitgenosse sogar den christlichen Ursprung dieser Marienverehrung, wittert er doch hinter dem Kult der Muttergottes die Relikte des Kultes einer Muttergottheit. Verbirgt sich hinter dem Marienbild nicht das Urbild der Magna Mater, der Grossen Mutter, die uns in den Mythen der alten Völker als Gaia, Kybele, Isis usw. begegnet? Da scheint es denn auch kein Zufall zu sein, dass nicht wenige Heiligtümer der Gottesmutter sich an ehemaligen Kultstätten solcher weiblichen Gottheiten befinden. „Rückfall ins Heidentum“, lautet die Diagnose – mit der Einschränkung: „sofern das Heidentum denn überhaupt jemals überwunden wurde“! 


Die Vorwürfe treffen hart. Einfache Gläubige, die täglich den Rosenkranz beten und ihre Anliegen der Fürsprache Mariens anempfehlen, die im Monat Mai und auch sonst das Bildnis der Jungfrau schmücken und in Ehren halten, die gelegentliche Wallfahrten zu ihren Gnadenorten unternehmen und manches mehr tun, ihre kindliche Liebe zur Gottesmutter zu zeigen, können sich gegen die Attacke kaum wehren. Und wenn sie es dann erleben müssen, dass ihre Seelsorger, infiziert vom Virus jener Kritik, einen marianischen Kahlschlag anrichten und Kirchenraum wie Gottesdienstordnung von den Elementen der verachteten Volksfrömmigkeit „reinigen“, ziehen sie sich oft still zurück, sammeln sich mit Gleichgesinnten und praktizieren das, was ihnen in der Pfarrei nicht zugestanden wird, andernorts. Dort freilich, wo ihnen der nötige kirchenamtliche Halt fehlt, steigern die Frommen ihre Marienverehrung nicht selten bis zu einem ungesunden Überschwang, vermischen sie mit schwärmerischem Beiwerk, das ihrer eigenen Phantasie oder fragwürdigen Visionen entstammt, und bestätigen so nur das, was ihnen die angeblichen Aufklärer vorwerfen... 

Wo liegt der Ausweg aus diesem Teufelskreis? In einer zweifachen Erneuerung, nämlich der Erneuerung der Mariologie und der Erneuerung echter Volksfrömmigkeit. Die Mariologie, d.h. die theologische Lehre von der Gottesmutter, ist in den zurückliegenden Jahrzehnten vielfach in einer skeptischen und besserwisserischen Haltung betrieben worden. Mir erzählte ein Priesteramtskandidat, sein – übrigens namhafter – Dogmatikprofessor habe die entsprechende Vorlesung derart gehalten, als wäre es ihm nur darum gegangen zu zeigen, „woher diese Mythen und Legenden über Maria stammen“. 

Dass es nicht so sein muss, haben in unserer Zeit und unserem Sprachraum Theologen wie Leo Scheffczyk und Joseph Ratzinger/Benedikt XVI. (z.B. in seinem kleinen und doch großen Buch „Die Tochter Zion“) bewiesen. Kristallklar tritt bei ihnen die Scheidelinie zwischen heidnisch-mythischen Muttergottheiten und der heiligen Gottesmutter hervor. Aus der Fülle der Schrift, aus Kirchenvätern und theologischer Tradition, aus Liturgie und Lehramt zeigen sie die Einbettung des Mariengeheimnisses im Erlösungswerk und lassen das feine Beziehungsgeflecht tiefer Zusammenhänge, in denen die Gottesmutter zu allen Bereichen von Glaubenslehre und Glaubensleben steht, aufstrahlen. Solche Mariologie, mag sie auch gläubige Leser ohne Vorkenntnisse eher überfordern, bestätigt doch deren Frömmigkeit. 

Daher kann und soll mit der Erneuerung der marianischen Theologie auch die der marianischen Volksfrömmigkeit einhergehen. Beide Bereiche können und dürfen ja niemals voneinander getrennt sein oder gar gegeneinander stehen. Daher werden Hirten, Prediger und Priester gesucht, die es verstehen, anstatt die gelegentlich wenig erleuchteten Äußerungen in der Verehrung der Gottesmutter einfach abzuwürgen, diese vielmehr mit dem Licht der wahren Lehre zu erhellen und mit der Glut geläuteter Liebe zu erfüllen! Indem wir um solche Erneuerung beten, wirken wir mit an der Ankunft eines neuen „marianischen Frühlings“, der immer zugleich auch Wegbereitung des Reiches ihres Sohnes ist.



Hinweise:
- mit freundlicher Genehmigung des Verfassers
- der Beitrag erschien bereits im Schweizerischen Katholischen Sonntagsblatt (SKS)

Sonntag, 9. Juni 2013

Kardinal Meisner: Herzmitte der Kirche in Deutschland ist der eucharistische Herr



„Unsere Kirche ist kein frommer Zweckverband zur Durchsetzung religiöser Interessen, sondern die Kirche ist der Leib Christi in unserem Land. Und die Herzmitte dieser Kirche ist der eucharistische Herr.“

Joachim Kardinal Meisner am 09.06.2013 zum Abschluss des Nationalen Eucharistischen Kongresses in Köln (Bericht und Wortlaut der Predigt: bitte hier klicken!)


Grafik: von Alipius

Sonntag, 2. Juni 2013

Die aus der Selbstgenügsamkeit herausgetretene Kirche

Predigt am 2. Sonntag nach Pfingsten
von Pater Bernhard Gerstle FSSP

Evangelium: Lk 14,16-24

Vielleicht erinnern Sie sich an meinen Artikel im letzten Infoblatt (Nr. 241; Mai 2013) und das Zitat von Papst Franziskus vor dem diesjährigen Konklave. Darin sagte er:

“Wenn die Kirche nicht aus sich herausgeht, um das Evangelium zu verkünden, wird sie selbstbezüglich und dann wird sie krank. Die Wurzeln der Übel, die zu allen Zeiten kirchliche Einrichtungen heimgesucht haben, liegen in ihrer Selbstbezüglichkeit, in einer Art theologischem Narzissmus. In der Offenbarung des Johannes sagt Jesus, er stehe vor der Tür und klopfe an. Offensichtlich meint der Text, dass er von außerhalb an die Tür klopft, um hinein zu gehen....Aber ich denke daran, dass Jesus häufig von innen her anklopft, damit wir ihn herauslassen. Die selbstbezügliche Kirche sucht Jesus in ihrem Innern festzuhalten. Sie lässt ihn nicht heraus kommen. Er darf aber nicht in uns eingeschlossen werden, sondern er muss anderen weiter gegeben werden. Nur so wird das Leben Gottes in uns fruchtbar.”
Die Worte des Papstes sind ein Aufruf zur Mission, ein Appell an jeden Einzelnen von uns, das Geschenk des Glaubens anderen weiter zu geben.

Die Voraussetzung, dass wir die Tür unseres Herzens öffnen und den von innen her klopfenden Herrn, wie sich Papst Franziskus ausdrückt, heraus kommen zu lassen, um ihn anderen Menschen weiter zu schenken, ist natürlich, dass er zunächst einmal wirklich in uns lebt.

Wer Ihn nicht in seinem Herzen aufgenommen hat, der kann ihn auch nicht weitergeben. Der Appell des Papstes richtet sich folglich an jene, die bereits “in Gott” sind, die Ihn auch wirklich in ihrem Herzen durch den Glauben, die Hoffnung und die Liebe aufgenommen haben.

Bei den Worten des Heiligen Vaters müssen wir ferner berücksichtigen: sie richten sich in erster Linie an die Kardinäle, an die Bischöfe und Priester. Sie sind kraft ihres Amtes aufgerufen zur Mission. Und von ihrer Berufung her kann der Papst mit Recht erwarten, dass sie “in Christus sind”, in seiner Gnade und damit die Voraussetzung erfüllen, zur Mission fähig zu sein. Denn nur wer hat, kann geben. Nur wer in Christus ist, kann ihn den Menschen weiter schenken.

Selbstgenügsam wäre nach Papst Franziskus eine Kirche, die um sich selbst kreist, die einzig und allein darauf bedacht wäre, ihren Besitzstand zu wahren.

In unserer deutschen Teilkirche hat sich diese Selbstgenügsamkeit spürbar breit gemacht. Oder hat man nicht manchmal den Eindruck, dass man sich hierzulande in unserer Kirche mehr darum sorgt, dass die Finanzen stimmen und die getauften Katholiken brav ihre Kirchensteuer zahlen, als darum, dass so viele den Kontakt zur Kirche und zu den hl. Sakramenten verloren haben? Ist da etwas von heiliger Unruhe in Bezug auf die Sorge um das Heil der Seelen zu spüren? Merken Sie etwas von dieser heiligen Sorge in ihren Diözesen und Pfarreien?

Der äußere Apparat funktioniert. Zu besonderen Anlässen sind die Kirchen sogar noch voll. Wenn Pfarrfeste veranstaltet werden, dann machen alle noch fleißig mit. Aber wie sieht es um unsere verwaisten Beichtstühle aus? Wird überhaupt noch in jeder Kirche regelmäßig Beichtgelegenheit angeboten? Sind wir Priester telefonisch in der Regel erreichbar und persönlich zu sprechen? Welche Werbung wird für das von Papst Benedikt ausgerufene Glaubensjahr gemacht? Was tut sich da an Neuevangelisierung in unseren Pfarreien? Eine Antwort auf diese Fragen wollen wir uns sparen und statt dessen den Blick auf das heutige Evangelium richten, wo im Gleichnis vom Gastmahl eine Thematik zur Sprache kommt, die ganz nah bei den Ausführungen von Papst Franziskus liegt.

In diesem Gleichnis gibt es drei Kategorien von Menschen.

Die Einladung richtet sich zunächst nur an die erste Gruppe. Sie bleibt komplett dem Gastmahl fern und sich mit fadenscheinigen Gründen.

Die zweite Gruppe sind Arme und Schwache, Lahme und Blinde. Aber noch alles Bewohner der Stadt. Sie nehmen die Einladung an.

Die dritte Gruppe sind Leute, die von draußen kommen, die eigentlich nicht mehr dazu gehören. Auch sie kommen dankbar zum Mahl.

Sehen wir einmal von dem heilsgeschichtlichen Hintergrund mit Juden und Heiden ab und wenden wir dieses Gleichnis auf unsere Zeit an.

Dann können wir in der ersten Gruppe die gewohnheitsmäßigen Katholiken erkennen, jene, auf die sich unsere Pfarreien so viele Jahre stützen konnten. Doch sie sind satt geworden. Man könnte auch sagen: des Glaubens müde. Sie glauben schon noch. Aber das Feuer ist erloschen, der frühere Eifer dahin. Sie haben sich den Verhältnissen angepasst, sich mit der neuheidnischen Gesellschaft arrangiert. Papst Franziskus würde sie die “Selbstgenügsamen” nennen. Sie halten sich immer noch für die guten Katholiken. Denn sie gehen schon ab und zu noch zur Kirche. Sie beten vielleicht sogar noch ihr Morgen- und Abendgebet, aber ihr Glaube ist lau und lasch geworden, selbstgenügsam, selbstzufrieden.

Wenn von Umkehr die Rede ist, dann fühlen sie sich selbstverständlich nicht angesprochen und wenn von Beichte die Rede ist, dann verweisen sie mit selbstzufriedener Miene auf die Bußandachten, die sie schon seit Jahren einmal im Jahr besuchen. Wenn da nicht eine Bombe einschlägt, wachen diese Leute nicht mehr auf! Dann merken sie erst, wenn es zu spät ist, wie weit sie sich schon von Christus entfernt haben.

Kommen wir zur zweiten Gruppe. Sie nehmen die Einladung dankbar an. Wie schon erwähnt, Bewohner der Stadt, also getaufte Katholiken. Aber solche, die den Glauben kaum praktiziert haben. Die möglicherweise zwischenzeitlich ausgestiegen waren, ob offiziell mit Kirchenaustritt oder nur in ihrem Herzen macht keinen Unterschied. Höchstens in Bezug auf die Kirchensteuer.

Mit Freuden nehmen sie die Einladung an. Gott hat die Armen und Lahmen, d.h. die abständigen Katholiken nicht vergessen. Jeder bekommt eine zweite Chance. Und einige von ihnen nutzen sie. Sie kehren mit Freude zurück und zeigen sich dankbar über das neu gefundene Glück des Glaubens. Sie wissen aus Erfahrung, dass das Leben ohne Gott und Kirche nicht glücklich macht. Dass alle Versprechungen, den Himmel auf Erden herab zu holen, leere Versprechungen sind. Sie sind von diesen Lügen geheilt und kommen von den Rändern in die Mitte der Kirche zurück.

Ein großer Teil derer, die heute noch die Kirche tragen, ist dieser Gruppe zuzurechnen. Einige prominente Vertreter sind darunter, wie z.B. Matthias Matussek, Gabriele Kuby, Peter Seewald, Gloria von Thurn und Taxis, um nur einige zu nennen.

Wir haben dann noch die dritte Gruppe, an die sich die Einladung richtet und welche sie annehmen, jene den Wegrändern und Zäunen. Sie kommen von außerhalb. Es sind die sogenannten “Konvertiten, meistens kommen sie aus dem protestantischen Lager. Einige aber waren sogar ungetauft oder gehörten einer anderen Religion an. Besonders die Letzteren, die ohne Taufe oder aus einer anderen Religion kommen entdecken für sich einen völlig neuen Reichtum. Eine neue Welt geht für sie auf. Sie erfahren die Liebe Gottes auf eine für sie bisher unbekannte Weise. Sie sind vergleichbar mit Leuten, die aus Afrika oder Lateinamerika nach Europa kommen und zum ersten Mal in ihrem Leben Schnee sehen. Sie müssen die Sprache des Christentums zunächst neu lernen. Aber ihre innere Offenheit und die Gnade Gottes machen diesen Lernprozess leicht.

Es ist wunderbar, solchen Menschen zu begegnen. Die Freude in ihren Augen zu sehen, das Vertrauen zu spüren, das sie entgegen bringen. Doch wenn wir verschlossen bleiben und uns für sie nicht öffnen, was ist dann? Wenn wir wie Papst Franziskus sagt, selbstgenügsam bleiben?

Tief mit Gott verbundene Menschen haben eine innere Antenne, die ausschlägt, wenn sie solchen Menschen begegnen. Oberflächliche Katholiken gehen an ihnen ahnungslos vorbei. Innerliche Gläubige aber, in denen der Herr das Feuer der göttlichen Liebe entzündet hat, lassen hingegen Christus aus ihrem Herzen heraus und schenken ihn an diese Suchenden weiter. Da kann ein Blick, ein Wort, eine Geste den Funken zum Überspringen bringen. Und schon wird ein Mann oder eine Frau, ein junger oder ein bereits älterer Mensch, vom Wegrand über den Zaun gehoben und in das Geheimnis der Kirche eingeführt. 

Die Kirche der Zukunft, Geliebte im Herrn, wird keine Kirche der Satten und Selbstzufriedenen sein. Es wird vielmehr eine Kirche sein, in der sich die nach dem Wort Gottes Hungrigen, nach Heil Dürstenden, nach wahrer Liebe sich Sehnenden, von der Sünde Verwundeten nach Heilung Suchenden sich sammeln und das neue Volk Gottes bilden. Eine Kirche, die zahlenmäßig klein, materiell arm, aber geistig und spirituell wieder reich geworden ist. Eine Kirche, die wieder als die Stadt auf dem Berge zu leuchten beginnt. Eine Kirche, in der es keine Funktionäre und Beamten, dafür aber wahre Hirten und Seelsorger gibt. Eine Kirche, wie sie sich Papst Franziskus wünscht und wie sie auch Papst Benedikt XVI. immer wieder angemahnt hat.

Eine Kirche, in der dann auch hoffentlich Du und ich zu finden sein werden. Amen.


2. Sonntag nach Pfingsten, Recklinghausen



Weiterer Beitrag von P. Gerstle:

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Priesterbruderschaft St. Petrus (FSSP)
Haus St. Ludgerus

P. Bernhard Gerstle, P. Francesco Riegger 

Bahnstraße 8
45891 Gelsenkirchen-Erle
Tel.: 0209/420 32 19

Ruhrgebietsrundbriefe und Infos: allgemein / Juni 2013


Regelmäßige Gottesdienstzeiten:

Sonntags: 10.45 Uhr  Update: 10:00 Uhr in St. Michael, Recklinghausen-Hochlarmark
Donnerstags: 18.00 Uhr in St. Josef, Recklinghausen-Grullbad
Freitags: 18.00 Uhr in St. Josef auf Schalke
Samstags: 08.00 Uhr in St. Josef auf Schalke

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Dienstag, 21. Mai 2013

Bischof Konrad Zdarsa: Wahrhaft Geistbegabte bezeugen ihren Glauben durch ihr Kommen

Predigt S. E. des hwst. Herrn Bischofs von Augsburg, Dr. Konrad Zdarsa in Maria Vesperbild am Pfingstsonntag, den 19.05.2013: 


Liebe Schwestern und Brüder in Christus! 

Verwöhnte Kinder sind wir. –  Bis in den Wortklang hinein erinnere ich mich an die Äußerung meines viel älteren belgischen Mitbruders und späteren Kardinals. Ich hatte ihm vom Lebensstandard und den Verhältnissen in der DDR erzählt, nachdem wir gemeinsam im belgischen Gent miteinander zum Einkaufen gewesen waren. 

Verwöhnte Kinder sind wir, - das möchte ich aber gar nicht nur auf Wohlstand und materielle Lebensverhältnisse angewandt haben. Nicht weniger deutlich könnten wir nämlich zu einer solchen Selbsteinschätzung kommen, wenn wir an die Verkündigung und das Wirken der Päpste in den vergangenen Jahrzehnten zurückdenken. Wir könnten uns in der Tat als verwöhnte Kinder vorkommen angesichts der richtungweisenden Predigten und Enzykliken der Päpste, soweit ich mich erinnern kann. 

Nach wie vor stehe ich zu dem, was ich in meiner Not unmittelbar nach der Rücktrittsankündigung Papst Benedikt XVI. gerade einmal zu sagen wusste. Und dass es jetzt gelte, über seine Botschaft an uns nachzudenken. 

Natürlich wurde ich kürzlich bei einem Schulbesuch von Schülern der 9. und 10. Klasse auch über Papst Franziskus befragt und ob von ihm möglicherweise Entscheidungen zu Fragen zu erwarten wären, die zur Zeit vorwiegend im deutschen Sprachraum nahezu permanent thematisiert werden. In diesem Zusammenhang erklärte ich den Schülern zunächst einmal, dass viele solcher Fragen, die bei uns als so bedeutsam und dringlich hingestellt werden, in anderen Ländern oder gar in Übersee, nur ungläubiges Kopfschütteln und Unverständnis hervorrufen würden. Ich erklärte ihnen aber auch, dass der neue Papst, der sich uns zuerst als Bischof von Rom vorgestellt hat, dennoch der Nachfolger des Apostels Petrus ist und weit mehr als nur ein Primus inter pares. Dass der Bischof von Rom seit Anfang der Kirche bei allen möglichen Differenzen zwischen den Ortskirchen das letztentscheidende Wort zu sagen hat. Dass er vor allem auf das achten und entscheiden muss, was Vorrang für die Einheit einer Weltkirche hat und nicht nur für eine Teilkirche, die sich möglicherweise immer noch für den Nabel der Welt hält. Denn wenn es im vergangenen März nur um die Ernennung eines neuen Jurisdiktionsträgers für die römische Diözese gegangen wäre und nicht um den Papst der Katholischen Kirche, hätten die Kardinäle nicht bis ans Ende der Welt gehen müssen, wie Papst Franziskus selbst sagte, um ihn im Hl. Geist für das höchste Amt der Kirche zu wählen. 

Pfingsten ist die Vollendung von Ostern, die Entfaltung der Gabe des Hl. Geistes, die der auferstandene Herr den Seinen nach dem Zeugnis des Johannes noch am Tag der Auferstehung selbst verliehen hat. 

Darum stehen die Liturgischen Texte dieses Hochfestes der Kirche nicht im geringsten Widerspruch zueinander. Was die Versammlung der Apostel empfangen hat, wird kraft ihrer Vollmacht zur Sündenvergebung zur Gemeinschaft aller, die den Geist empfangen haben und zum prophetisch-priesterlich-königlichen Volk Gottes geworden sind. 

„Alle wurden mit dem Heiligen Geist erfüllt“, heißt es in der Lesung aus der Apostelgeschichte und wird im ersten Brief des Apostels Paulus an die Korinther wiederholt und entfaltet: „Durch den einen Geist wurden wir in der Taufe alle in einen einzigen Leib aufgenommen, Juden und Griechen, Sklaven und Freie, und alle wurden wir mit dem einen Geist getränkt.“ 

Ich muss mich immer wieder an unseren Reiseführer in Israel vor mehr als 20 Jahren erinnern. An den heiligen Stätten wurde er nicht müde zu beteuern: „Man muss die Bibel richtig lesen!“ Das gilt gewiss nicht nur für die Reisenden, die das Heilige Land besuchen, sondern für alle und jeden, der sich einmal auf den Pilgerweg des Glaubens gemacht hat. Das gilt nicht weniger für alle Verkündigung im Gottesdienst der Kirche. Es mag unser Dilemma und ein Zeichen unserer Begrenztheit sein, dass wir am Tisch des Wortes immer nur abschnittweise, auswahlweise und stückweise teilhaben. Darum darf erst recht alle Verkündigung der Kirche nicht mit dem Vortrag der Lesungen, des Evangeliums und der Predigt abgeschlossen sein. Sie muss Anstoß sein, dem Inhalt nachzugehen, darüber nachzusinnen um ihn schließlich zu beherzigen und so den Schatz des Wortes zu erschließen und zu bewahren. 

Die Pfingsterzählung des Evangelisten Lukas am Anfang der Apostelgeschichte will weit mehr sein als eine minutiöse aber letztlich doch distanzierte Schilderung dessen, was sich da an jenem 50. Tag nach Ostern in Jerusalem abgespielt und wie es sich im Einzelnen zugetragen hat. Seit Tausenden von Jahren haben die Christen aller Zeiten die gewaltige Bildsprache von der österlich-pfingstlichen Frucht einer neuen Gesellschaft noch lange nicht ausgeschöpft. 

Jeder der zusammengeströmten Menge in Jerusalem hörte sie – so wird es uns berichtet – „… in seiner Sprache reden“. Und noch einige Zeilen davor „… alle wurden mit dem Heiligen Geist erfüllt und begannen, in fremden Sprachen zu reden, wie es der Geist ihnen eingab.“. 

Da ist noch von keinem einzigen Wort, geschweige denn von einer Predigt des Petrus die Rede. Zunächst nämlich kommt es darauf an, dass sich die Gläubigen wie die Jüngerschar alle am gleichen Ort befinden. Dass sie damit die Bereitschaft signalisieren, sich vom Heiligen Geist erfüllen zu lassen, um ihre Stimme überhaupt so erheben zu können, wie es ihnen der Geist eingibt. 

Diese Forderung ist keineswegs nur an die gerichtet, die gerade noch zur Pfarrgemeinde zählen, sondern an jeden von uns. Auch die zum innersten Kreis der Jüngerschaft gehören, sind nicht davor gefeit, sich gegen diese grundlegende Voraussetzung für die Begabung mit dem Heiligen Geist zu verfehlen, wie uns am Beispiel des Apostels Thomas gezeigt wird. 


Liebe Schwestern und Brüder, liebe Firmbewerber, 

wahrhaft Geistbegabte bezeugen ihren Glauben, ihre Bereitschaft, sich mit den Gaben des Geistes ausrüsten zu lassen, durch ihr Kommen, durch ihr Dasein und ihre Anwesenheit. Die messianische Gemeinde ist nicht nur eine geistliche, sondern eine leibhafte Realität, in der die Anwesenheit eines jeden unbedingt zählt. Jeder, der nicht zur Versammlung der Gemeinde kommt, liefert sich dem Widersacher aus, schreibt der Hl. Ignatius von Antiochia am Ende der neutestamentlichen Zeit. 

An jedem Sonn- und Feiertag werden wir aufs Neue vor die Entscheidung gestellt, ob wir uns als Geisterfüllte immer tiefer mit dem Menschensohn verbinden lassen oder wieder ein Stück mehr von ihm abfallen wollen. Für den, der vom Geist begabt und von ihm erfüllt ist, kann es dabei keinen Stillstand, keinen Status quo geben. Wir kommen Christus näher oder wir fallen von ihm ab. Dazwischen ist nichts. Und erst dann, wenn wir überhaupt dazu bereit sind, werden wir einem jedem Rede und Antwort stehen können, der nach der Hoffnung fragt, die uns erfüllt.[1] 

Den meist noch jungen Firmbewerbern sage ich immer wieder: Was Gott in der Taufe an Euch begonnen hat, soll im Firmsakrament vollendet, gefestigt und besiegelt werden. Gott will Euch stärken mit den Gaben des Heiligen Geistes. In Euch soll eine Fähigkeit grundgelegt werden, damit Ihr Eure Aufgaben im rechten Geist und mit der rechten Gesinnung erfüllen könnt, eine Fähigkeit, die Euch keine Macht der Welt mehr nehmen kann. Aber eine Fähigkeit – so müssen wir am heutigen Pfingsttag hinzufügen – die von vornherein nicht zur Anwendung und zum Zuge kommen kann, wenn Ihr Euch dieser großen Gabe nicht bewusst seid oder ihrer fortan nicht mehr gedenkt. Sich der Gabe des Geistes, des großen Geschenks von Gott bewusst zu bleiben, bedeutet jedoch nicht, sogleich in einen ungebremsten Aktionismus zu verfallen. Seiner ganz persönlichen Verantwortung, die ihm aus dieser Gabe Gottes erwächst, wird damit dennoch keiner von uns enthoben. 

„Maria aber bewahrte alles, was geschehen war, in ihrem Herzen und dachte darüber nach.“[2] – wird uns von der Gottesmutter wiederholt am Anfang des Evangeliums nach Lukas verkündet. Wortlos stand sie zuletzt unter dem Kreuz und ließ sich von ihrem sterbenden Sohn der Obhut des Jüngers anvertrauen. 

Weltweit ehrt das gläubige Gottesvolk die Gottesmutter an unzähligen Wallfahrts- und Gnadenstätten als Leidensmutter mit dem toten Sohn auf dem Schoß. Sie hat ausgehalten und Situationen durchgestanden, die den Verheißungen, die einst an sie ergangen waren, ganz und gar entgegenstanden. Zu Recht bezeichnet sie die Kirche als die Braut des Heiligen Geistes. Noch im Tod hält sie dem Bräutigam die Treue. Die bleibende Gebetsgemeinschaft mit den übrigen Getreuen aber macht die Geistbegabte wiederum empfänglich für die Gabe des Heiligen Geistes. 

Kann sich denn ein höherer Anspruch für uns ergeben als der aus ihrem Vorbild? Kann denn aber zugleich ein tieferer Trost für uns erwachsen? Manch einer mag sich vielleicht bessere Zeiten vorstellen können als die, die unsere Kirche gegenwärtig durchleben muss. Uns als verwöhnte Kinder anzusehen, haben wir dennoch keinen Grund, weil das der Selbstbezichtigung als gedankenlose, undankbare, lieblose Blagen gleichkäme. 

Denn nach wie vor sind wir Kinder Gottes, sind reich von Gott Beschenkte und im Heiligen Geist Hochbegabte. Gerüstet und befähigt zu jeder guten Tat und für jede Prüfung und Bewährung unseres Glaubens. Wir sollten keine Gelegenheit versäumen, uns vor aller Welt als solche zu erweisen. Amen.


[1] Vgl. 1Petr 3,15
[2] Lk 2,19


Bilder vom Pfingstfest in Maria Vesperbild: hier!


Hinweise:
Es gilt das gesprochene Wort.
Quelle: Wallfahrtsdirektion Maria Vesperbild (Ziemetshausen)



Foto: Bischof Dr. Konrad Zdarsa von Augsburg (2009); BOGoerlitz; wikipedia 
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