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Montag, 23. September 2013

Gedanken über das christliche Menschenbild



Thomas von Aquin, der große Magister der abendländischen Christenheit, hat sich dafür entschieden, das christliche Menschenbild in sieben Thesen auszusprechen, die man folgendermaßen wiedergeben kann:
Erstens: der Christ ist ein Mensch, der - im Glauben - der Wirklichkeit des dreieinigen Gottes inne wird.

Zweitens: der Christ spannt sich - in der Hoffnung - auf die endgültige Erfüllung seines Wesens im Ewigen Leben.

Drittens: der Christ richtet sich - in der göttlichen Tugend der Liebe - mit einer alle natürliche Liebeskraft übersteigenden Bejahung auf Gott und den Mitmenschen.

Viertens: der Christ ist klug, das heißt, er lässt sich den Blick für die Wirklichkeit nicht trüben durch das Ja oder nein des Willens, sondern er macht das Ja oder Nein des Willens abhängig von der Wahrheit der wirklichen Dinge.

Fünftens: der Christ ist gerecht, das heißt, er vermag in Wahrheit "mit dem andern" zu leben, er weiß sich als Glied unter Gliedern in der Kirche, im Volk und in aller Gemeinschaft.

Sechstens: der Christ ist tapfer, das heißt, er ist bereit, für die Wahrheit und für die Verwirklichung der Gerechtigkeit Verwundungen und, wenn es sein muss, den Tod hinzunehmen.

Siebentens: der Christ hält Maß, das heißt, er lässt es nicht zu, dass sein Haben-wollen und sein Genießen-wollen  zerstörerisch und wesenswidrig wird. 

Diese sieben Thesen bedeuten, dass die Ethik der klassischen Theologie als Darlegung des Menschenbildes wesentlich Tugendlehre ist, näherhin: dass sie das Schrift-Wort von der Vollkommenheit des Christen interpretiert durch das siebenfältige Bild der drei göttlichen und der vier Kardinaltugenden.

Es ist, glaube ich, eine nicht unwichtige Bemühung, dieses großgeartete, aber vielfach verblasste und, noch schlimmer, vielfach übermalte Fresko des Menschenbildes der klassischen Theologie  dem Gemeinbewusstsein unserer Zeit wieder in seiner ursprünglichen Gestalt vor Augen zu bringen.

Nicht um eines "historischen Interesses" willen, nicht um festzustellen und zu zeigen, "wie es eigentlich gewesen ist", sondern: weil diese Interpretation des letzten menschlichen Richtbildes nicht nur gültig geblieben ist, sondern weil es, wie ich glaube, gradezu lebensnotwendig für uns ist, dieses Menschenbild wieder klar zu sehen und zu bejahen.


Josef Pieper in: "Über das christl. Menschenbild"; Verlag Jakob Hegner Leipzig; S. 13 ff 

Mittwoch, 19. Juni 2013

"Stehet fest im Glauben!"



Der Glaube ist die Grundlage unserer Verbindung mit Christus. Ihr wisst, dass dieser Glaube heute zerstörenden Strömungen ausgesetzt ist. Manche sind der Meinung, die Frohbotschaft könne dem Menschen von heute nur nahegebracht werden, wenn man den durch das kirchliche Lehramt überlieferten Inhalt der Glaubenswahrheiten ändert, anstatt sich um größere Klarheit des Ausdruckes zu bemühen. Unser Maß, mit dem wir messen, darf nicht der Mensch sein, sondern Christus und sein heiliges, unvergängliches Wort. Mit dem heiligen Petrus rufen Wir euch deshalb zu: «Stehet fest im Glauben!» (1 Petr. 5, 9).

Papst Paul VI.; Schreiben an die deutschen Katholiken anlässlich des 82. Deutschen Katholikentages in Essen (30.08.1968)


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Sonntag, 22. Juli 2012

Discretio - die Mutter aller Tugenden


Gregor (der Große) rühmt an Benedikts Regel vor allem den Geist des Maßes. Diese Weisheit des Maßes beruht auf der Tugend der discretio, auf dem Unterscheidungsvermögen. Unterscheiden-Können (discernere, wovon discretio abgeleitet ist) galt schon den Altvätern Ägyptens als die Mutter aller Tugenden.

Auch bei Johannes Cassian, der sozusagen Benedikts Lieblingsautor war, spielt die Unterscheidungsgabe eine ganz entscheidende Rolle. Etwa vom Jahr 385 an hat Cassian rund zehn Jahre unter den Mönchen Ägyptens gelebt. In der Form von Vierundzwanzig "Unterredungen" (Collationes") hat Cassian später die geistlichen Unterweisungen berühmter Altväter niedergeschrieben. In der Zweiten Unterredung spricht Altvater Moses zu Cassian und seinem Freund Germanus ausführlich über die Tugend der discretio.

Aus seiner Knabenzeit erinnert sich Moses, daß sich eines Tages beim Heiligen Antonios (den man in Ägypten damals schon den "Großen" zu nennen pflegte) eine Reihe ehrwürdiger Altväter versammelt hatte. Es war beinahe eine Art Konzil, denn sie hatten eine wichtige Frage zu klären.

Die ganze Nacht über suchten sie zu ergründen, auf welchem Pfade der Mönch am sichersten zum Gipfel der Vollkommenheit gelangen könne, und was ihm am zuverlässigsten vor den Täuschungen und Fallstricken des Teufels bewahren werde.

Da waren einige, die erhofften sich am meisten von Fasten und Nachtwachen: der dadurch ernüchterte Geist werde sich umso leichter Gott einen können.

Andere setzte mehr auf totalen Besitzverzicht: eine Seele, die durch keine Habgier mehr gefesselt sei, werde umso ungehinderter zu Gott streben.

Wieder andere hielten die Einsamkeit und Stille  einer Eremitenzelle für ein unübertreffliches Mittel, nur noch Gott anzuhangen. Was dann freilich wieder die Gegenfrage heraufbeschwor, ob nicht nach dem Evangelium die Werke der Barmherzigkeit noch wichtiger seien.

Jeder der Altväter hatte für die Wahl seiner Haupttugend gewichtige Argumente aufzubieten. Schließlich ergriff Antonios das Wort. Für einen Menschen, der nach Gott dürste, seien alle hier aufgezählten Tugenden notwendig und nützlich - freilich nur dann, wenn sie mit der gebührenden discretio geübt würden. Ohne den Geist der Unterscheidung und des Maßes könne jede andere Tugend entarten.

Es gibt nicht nur Exzesse der Gier, sondern auch Exzesse der Entsagung.

Unerleuchteter Eifer beim Üben einer Tugend kann in Untugend umschlagen.

Die Tugend der discretio lehrt den "königlichen Weg" der Mitte, der die Extreme nach beiden Seiten hin vermeidet.


aus Gertrude und Thomas Sartory: Benedikt von Nursia - Weisheit des Maßes; Herderbücherei Bd. 884; AD 1981, S. 118/119 (s. Quellen)


(Hervorhebungen in Fettdruck durch Admin)

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