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Dienstag, 20. Januar 2015

In & Out

Es wird komplizierter in der Kirche durch das "Hausrecht des Unglaubens" und das latente Schisma wird immer offensichtlicher:
Gründe, nicht mehr in der Kirche zu sein, gibt es heute viele und gegensätzliche. Der Kirche den Rücken zu kehren, fühlen sich heute nicht mehr bloß Menschen gedrängt, denen der Glaube der Kirche fremd geworden ist, denen die Kirche zu rückständig, zu mittelalterlich, zu welt- und lebensfeindlich erscheint, sondern auch Menschen, die die geschichtliche Gestalt der Kirche, ihren Gotesdienst, ihre Unzeitgemäßheit, den Widerschein des Ewigen in ihr liebten. Ihnen scheint, dass die Kirche dabei ist, ihr Eigentliches zu verraten, dass sie dabei sei, sich an die Mode zu verkaufen und damit ihre Seele zu verlieren: Sie sind enttäuscht wie ein Liebender, der den Verrat einer großen Liebe erleben muss und erwägen ernstlich, ihr den Rücken zu kehren.

Umgekehrt gibt es aber auch recht gegensätzliche Gründe, in der Kirche zu bleiben: In ihr bleiben nicht nur alle die, die unentwegt den Glauben an ihre Sendung festhalten, oder jene, die sich von einer lieben, alten Gewohnheit nicht lösen wollen (selbst wenn sie von dieser Gewohnheit wenig Gebrauch machen). In ihr bleiben heute mit größtem Nachdruck auch diejenigen, die ihr ganzes geschichtliche Wesen ablehnen und den Inhalt, den ihre Amtsträger ihr zu geben oder festzuhalten versuchen, mit Leidenschaft bekämpfen. Obwohl sie das, was die Kirche war und ist, beseitigen wollen, sind sie entschlossen, sich nicht aus ihr hinausweisen zu lassen, um aus ihr das zu machen, was sie ihrer Meinung nach werden soll.


aus: Joseph Ratzinger/ Benedikt XVI.: Credo für heute; Was Christen glauben; Herder spektrum Bd. 5683; Herder Verlag Freiburg im Br.; AD 2006; S. 190f, aus: Das Credo der Kirche - Warum ich noch in der Kirche bin, in: Hans Urs von Balthasar/ Joseph Ratzinger, Zwei Plädoyers. Kösel-Verlag, München 1971, S. 57-75


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Montag, 19. Januar 2015

Joseph Ratzinger: Die Folgen der Vermischung des Glaubens mit dem Nichtglauben in der Kirche

Kirche ragt in ihrem soziologischen Radius nach noch immer weit über den Kreis der eigentlich Glaubenden hinaus und ist durch diese institutionalisierte Unwahrheit in ihrem wahren Wesen tief verfremdet. Die Publizitätswirkung des Konzils und die scheinbar möglich werdende Annäherung von Glaube und Nichtglaube, die die Berichterstattung fast zwangsläufig vortäuschte, hat diese Verfremdung aufs Äußerste radikalisiert: Der Beifall für das Konzil kam zum Teil auch von denjenigen, die selbst gar nicht vorhatten, Gläubige im Sinn der christlichen Überlieferung zu werden, aber einen "Fortschritt" der Kirche in Richtung auf ihren eigenen Entscheid als Bestätigung ihres Weges begrüßten.

Zugleich ist freilich auch in der Kirche selbst der Glaube in eine erregende Gärung geraten. das Problem der geschichtlichen Vermittlung lässt das alte Credo in ein schwer deutbares Zwielicht treten, in dem die Umrisse der Dinge sich verwischen; der Einspruch der Naturwissenschaften oder mehr noch dessen, was man für modernes Weltbild hält, tut das Seinige, um diesen Prozess zu verschärfen.

Die Grenzen zwischen Auslegung und Leugnung werden, gerade im Herzen des Ganzen, immer unkenntlicher: Was heißt "auferstanden von den Toten" eigentlich? Wer glaubt, wer legt aus, wer leugnet? Und hinter dem Streit um die Grenzen der Auslegung verschwindet zusehends das Antlitz Gottes. "Tod Gottes" ist ein ganz realer Prozess, der heute bis tief in die Kirche hineinreicht. Gott stirbt in der Christenheit, so scheint es. Denn wo Auferstehung zum Widerfahrnis eines in überholten Bildern empfundenen Auftrags wird, da handelt Gott nicht.

Handelt er überhaupt? Das ist die Frage, die auf dem Fuße folgt. Aber wer will so reaktionär sein, auf einem realistischen "Er ist auferstanden" zu bestehen? So ist dem ein Fortschritt, was der andere für Unglaube halten muss und das bislang Undenkliche wird normal, dass Menschen, die das Credo der Kirche längst verlassen haben, sich guten Gewissens als die wahrhaft fortgeschrittenen Christen ansehen. Für sie aber ist der einzige Maßstab, an dem die Kirche zu messen ist, die Zweckmäßigkeit, mit der sie funktioniert; freilich bleibt noch die Frage, was zweckmäßig ist und wozu das Ganze eigentlich funktionieren soll. Für Gesellschaftskritik, für Entwicklungshilfe, für Revolution? Oder für gemeindliche Feiern? Auf jeden Fall muss man von Grund auf neu anfangen, denn für all das war Kirche ursprünglich nicht gemacht und in ihrer gegenwärtigen Form ist sie ja wohl auch wirklich nicht funktionstüchtig dafür.

So steigt das Unbehagen bei Gläubigen und Ungläubigen. Das Hausrecht, das der Unglaube in der Kirche gewonnen hat, lässt beiden die Lage immer unerträglicher erscheinen; vor allem ist tragischerweise durch diese Vorgänge das Programm der Reform in eine merkwürdige und vielen kaum noch auflösbare Zweideutigkeit geraten.


aus: Joseph Ratzinger/ Benedikt XVI.: Credo für heute; Was Christen glauben; Herder spektrum Bd. 5683; Herder Verlag Freiburg im Br.; AD 2006; S. 195f, aus: Das Credo der Kirche - Warum ich noch in der Kirche bin, in: Hans Urs von Balthasar/ Joseph Ratzinger, Zwei Plädoyers. Kösel-Verlag, München 1971, S. 57-75

Donnerstag, 4. September 2014

Den Kosmos zum Klingen bringen

Grundlagen der Erneuerung einer angemessenen Kirchenmusik

Inspiriert vom Geistbraus, der die zeitgenössische Kirchenmusik beleben retten und mit sphärischen Harmonien Großes schaffen möchte, versuche ich für mich selbst einmal, die Grundlagen liturgischer Musik freizulegen. Sicher mehr als ein Aspekt findet sich zu diesem Thema in einem Beitrag von Joseph Kardinal Ratzinger, dem späteren Papst Benedikt XVI., aus dem Jahre 1980. Daraus ein Zitat, das Wesentliches aufzeigt:
Man hat im Judentum immer, auch nach der Zerstörung des Tempels festgehalten, dass die Herrlichkeit Gottes nur im Tempel von Jerusalem weilt. Die Christen sind demgegenüber der Auffassung, dass Gottes Herrlichkeit bei der Kreuzigung Christi, als der Vorhang des Tempels zerriss, von dort auszog und nun da weilt, wo Jesus Christus ist, also im Himmel und in der Kirche, die sich mit Christus versammelt.

Demgemäß werden jetzt Himmel und Erde als Ort des Lobgesangs angegeben (1). Das aber bedeutet, dass die Kirche nun doch etwas ganz anderes ist als die Synagoge, die im Judentum nach der Zerstörung des Tempels übrig blieb und nie den Tempel ersetzen wollte und konnte.

Die Synagoge ist der Ort eines reinen Laiengottesdienstes, der als solcher auch ein reiner Wortgottesdienst ist. Wer die Kirche auf Laiengottesdienst und Wortgottesdienst reduzieren möchte, der betreibt nicht das christlich Neue, sondern der setzt sie mit der Synagoge gleich und lässt gerade den Weg zu Christus aus.

Als Kirche übernimmt sie mit Christus in einer veränderten Weise auch das Erbe des Tempels; liturgisch drückt sich dies darin aus, dass sie nicht nur zu Lesung und Gebet, sondern zum eucharistischen Opfer zusammenkommt. Aber das heißt dann auch, dass sie in der Gestalt ihrer Feier Anspruch auf das Erbe des Tempels erheben darf und muss. Das bedeutet, dass die kirchliche Liturgie, die nun den Kosmos als Tempel betrachtet, selbst kosmischen Charakter haben, den Kosmos zum Klingen bringen muss. (...)
(1) vgl. E. Peterson, Von den Engeln, In: ders. Theologische Traktate. München 1951, S. 323-407, hierzu 356

und Kardinal Ratzinger resümiert:
Liturgie verlangt die aus dem Geist des Glaubens kommende künstlerische Transposition der Musik des Kosmos in die menschliche Musik der Verherrlichung des fleischgewordenen Wortes. Solche Musik folgt einem strengeren Gesetz als die Musik des Alltags, sie ist dem Wort verpflichtet und der Führung zum Geist.

Kirchenmusik muss daher immer wieder in einem Ringen nach zwei Seiten hin ihren Weg suchen: Sie muss dem puritanischen Hochmut gegenüber die notwendige Inkarnation des Geistes  im musikalischen Geschehen rechtfertigen; sie muss der Alltäglichkeit gegenüber die Richtung des Geistes und des Kosmos auf das Göttliche suchen.

Wo solches gelingt, ist es allemal ein Geschenk; aber das Geschenk wird nicht gegeben ohne die Bereitung, die wir ihm durch unsere Mühe entgegenbringen. Wo solches geschieht, wird aber vor allem nicht bloß ein unverbindliches Hobby ausgeübt , sondern eine notwendige Dimension des Christusglaubens gelebt und darin zugleich eine notwendige Dimension des Mensch-Seins festgehalten, ohne deren Gegenwart Kultur und Humanität von ihrer Mitte her unaufhaltsam zerfallen.


Joseph Kardinal Ratzinger: "Grundlegung der Kirchenmusik im Wesen der Liturgie" in "Theologische Probleme der Kirchenmusik"; Musicae sacrae ministerium; Anno XXVI-XXVII, No. 1&2: Congressus Generalis Augus. Vindelicorum a die 31 m. Maii usque ad diem 3 m. Iunii A.D. 1990 (Nachdruck aus Communio 9/2 (1980), 148ff)


 Ensemble "Sonoritas", Innsbruck:


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Freitag, 12. April 2013

Von der Verkümmerung des innerlichen Menschen


Der Gekreuzigte ist die wahre Weisheit (2)

Fortsetzung von hier

Das Evangelium bietet uns so die großen Linien, um die es in der Menschheitsgeschichte und in jedem einzelnen Menschenleben geht. Paulus hilft uns mit der Lesung (Eph 3,13 -21), diese Botschaft ins Praktische unseres täglichen Lebens zu übersetzen. Er betet für uns und zeigt uns mit seinem Beten die Richtung, in die wir gehen müsen.

Seine erste Bitte ist es, der Herr möge uns geben, dass wir stark werden dem inneren Menschen nach. Paulus beleuchtet damit von einer anderen Seite her, worin die wesentliche Krankheit des Menschen besteht: in der Verkümmerung des inneren Menschen.

Diese Krankheit ist in den letzten zweihundert Jahren in einer bedrohenden Weise immer weiter fortgeschritten und heute an einem wahrhaft lebensgefährlichen Punkt angelangt. Der innere Mensch, das heißt jene Tiefe des Menschen, in der sein Herz den verborgenen Gott anrührt und so sein Blick hell wird, wurde immer mehr als unnütz, weil unproduktiv angesehen.

Zusehends zählte nur noch, was man messen und wägen kann; was einen greifbaren Nutzen in der Ausgestaltung der Welt bringt. Innerlichkeit erschien als Flucht vor der Aufgabe, eine neue Welt zu bauen. Alle Kräfte mussten dazu dienen, die Gesetze der Natur und des gesellschaftlichen Lebens zu erkennen, um dann die schlechte Welt zu verändern und eine bessere aufzubauen.

Aber woher weiß man, was besser ist und wie soll die Besserung zustande kommen, wenn die Quellen der Güte und des Guten verstopft werden? Nach der Wahrheit und nach dem Guten, gar nach Gott zu fragen, erschien als Zeitverlust. Nur die nach außen gerichtete Aktion zählte.

So sind unsere Erkenntnisse über die materielle Welt und unsere technischen Möglichkeiten ins Ungeheure gewachsen, aber der Mensch ist dabei zum Krüppel geworden. Einige Organe sind überdimensioniert, aber das Herz ist fast verdorrt. (weiterlesen)



Joseph Kardinal Ratzinger in einer Predigt vom 24.09.1995 in der Benediktinerabtei Sainte-Madeleine in Le Barroux anlässlich eines feierlichen Pontifikalamtes im alten Ritus (Teil 1, 3, 4, 5)

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Lesung und Evangelium des 16. Sonntags nach Pfingsten:


Deshalb bitte ich euch, nicht wegen der Leiden zu verzagen, die ich für euch ertrage, denn sie sind euer Ruhm. Daher beuge ich meine Knie vor dem Vater, nach dessen Namen jedes Geschlecht im Himmel und auf der Erde benannt wird, und bitte, er möge euch aufgrund des Reichtums seiner Herrlichkeit schenken, dass ihr in eurem Innern durch seinen Geist an Kraft und Stärke zunehmt. Durch den Glauben wohne Christus in eurem Herzen. In der Liebe verwurzelt und auf sie gegründet, sollt ihr zusammen mit allen Heiligen dazu fähig sein, die Länge und Breite, die Höhe und Tiefe zu ermessen und die Liebe Christi zu verstehen, die alle Erkenntnis übersteigt. So werdet ihr mehr und mehr von der ganzen Fülle Gottes erfüllt. Er aber, der durch die Macht, die in uns wirkt, unendlich viel mehr tun kann, als wir erbitten oder uns ausdenken können, er werde verherrlicht durch die Kirche und durch Christus Jesus in allen Generationen, für ewige Zeiten. Amen.

Die Heilung eines Wassersüchtigen am Sabbat

Als Jesus an einem Sabbat in das Haus eines führenden Pharisäers zum Essen kam, beobachtete man ihn genau. Da stand auf einmal ein Mann vor ihm, der an Wassersucht litt. Jesus wandte sich an die Gesetzeslehrer und die Pharisäer und fragte: Ist es am Sabbat erlaubt zu heilen, oder nicht? Sie schwiegen. Da berührte er den Mann, heilte ihn und ließ ihn gehen. Zu ihnen aber sagte er: Wer von euch wird seinen Sohn oder seinen Ochsen, der in den Brunnen fällt, nicht sofort herausziehen, auch am Sabbat? Darauf konnten sie ihm nichts erwidern.

Mahnung zur Bescheidenheit

Als er bemerkte, wie sich die Gäste die Ehrenplätze aussuchten, nahm er das zum Anlass, ihnen eine Lehre zu erteilen. Er sagte zu ihnen: Wenn du zu einer Hochzeit eingeladen bist, such dir nicht den Ehrenplatz aus. Denn es könnte ein anderer eingeladen sein, der vornehmer ist als du, und dann würde der Gastgeber, der dich und ihn eingeladen hat, kommen und zu dir sagen: Mach diesem hier Platz! Du aber wärst beschämt und müsstest den untersten Platz einnehmen. Wenn du also eingeladen bist, setz dich lieber, wenn du hinkommst, auf den untersten Platz; dann wird der Gastgeber zu dir kommen und sagen: Mein Freund, rück weiter hinauf! Das wird für dich eine Ehre sein vor allen anderen Gästen. Denn wer sich selbst erhöht, wird erniedrigt, und wer sich selbst erniedrigt, wird erhöht werden.

Donnerstag, 11. April 2013

Der Gekreuzigte ist die wahre Weisheit

Im Folgenden eine Predigt des ehemaligen Kardinals Joseph Ratzinger und späteren, nun emeritierten, Papstes Benedikt XVI., die dieser am 24. September 1995 in der französischen Benediktinerabtei Sainte-Madeleine in Le Barroux im Rahmen eines von ihm zelebrierten feierlichen Pontifikalamtes im alten Ritus gehalten hat. (vgl. Informationsblatt der Priesterbruderschaft St. Petrus Nr. 55). Die Predigt wurde dokumentiert in der "Umkehr" Nr. 5, Februar 1996.


Der Gekreuzigte ist die wahre Weisheit (1)

Der wassersüchtige Mann des heutigen Evangeliums (Lk 14,1-11; 16. Sonntag nach Pfingsten) ist ein Bild für Adam, für den Menschen nach dem Sündenfall, für uns alle. Wer könnte heute übersehen, dass die Menschheit krank ist? Der große Optimismus der Aufklärung, nun werde in einer Zeit der sozialen und geistigen Freiheit der neue Mensch und eine glücklichere neue Welt erscheinen - dieser Optimismus hat Schiffbruch erlitten. 

Der technische Fortschritt hat die Möglichkeit zum Bösen nicht weniger vermehrt als zum Guten; aber auch jene, die von ihm begünstigt werden, sind nicht glücklicher geworden. Der Mensch ist krank. Eine innere Störung wirkt in ihm, die keiner der Ingenieure der neuen Zeit zu beheben vermag. So stehen wir erneut vor Jesus, der freilich nocht immer wie im Evangelium von einer Welle der Feindseligkeit und der Besserwisserei umgeben ist.

Worin aber besteht die Krankheit des Menschen und welches kann der Weg ihrer Heilung sein? Der zweite Teil des Evangeliums gibt uns eine erste Antwort: Die Krankheit des Menschen rührt davon her, dass er sich einen falschen Platz im Gastmahl Gottes aneignet. Sie beruht darauf, dass jeder der erste sein will und den anderen als Konkurrenten ansieht. 

Die Sünde Adams geht immer weiter, der keinen Gott über sich anerkennen, sondern selbst ein Gott sein wollte und der damit auch sein Menschsein erniedrigte, weil er die Wahrheit verkehrte; weil er die Grundbeziehung zerstörte, auf der das Gleichgewicht und die Schönheit menschlichen Lebens beruht: das Geliebtsein von Gott.

Die Sünde des Menschen ist, was die Alten Hybris nannten. Das ist mehr, als wir noch mit dem Wort Hochmut auszudrücken vermögen. Denn Hybris bedeutet mehr als eine moralische, es ist eine theologische Kategorie: Das Aufbegehren gegen Gott; die Selbstherrlichkeit, die nicht möchte, dass Gott mich sieht, weil er als Störung meiner eigenen Freiheit und meiner Größe erscheint.

Die Heilung besteht dann im Gegenteil zur Hybris; in jenem Gegenteil, das wir gewöhnlich Demut nennen. Aber auch hier sagt unser modernes Wort viel zu wenig. Was Demut wirklich ist, müssen wir von Christus her neu verstehen lernen. (weiterlesen)


(Teil 2, 3, 4, 5)

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Freitag, 22. Februar 2013

Die Demut des Glaubens

Der Gekreuzigte ist die wahre Weisheit (3)

Fortsetzung von hier

Der erste Platz, auf den wir uns (...) zu setzen meinten, hat uns nicht gut getan. Die Seele muss wieder atmen lernen. Der innere Mensch muss wieder wachsen, und auch in der Kirche gilt das. Denn auch in ihr gibt es zu viel Aktion, zu viel Politik und zu wenig Innerlichkeit. Auch in ihr ist Innerlichkeit als Flucht verdächtigt worden.

Wie aber wächst der innere Mensch? Paulus sagt uns dazu dreierlei. An erster Stelle ist der Glaube nötig, der die Tür für Christus auftut, so dass er mit seiner heilenden Kraft hereintreten kann. Glaube ist im tiefsten ein Akt der wahren Demut: Ich anerkenne, dass mein eigenes Denken und Können nicht ausreicht. Ich unterwerfe mich dem Herrn und lasse mir von ihm sagen, was ich nur durch ihn erkennen kann.

Dieses Kleinwerden vor Gott ist zugleich eine Sache der Ehrlichkeit: Ich kann eben nicht auskommen ohne Gott, weder im Bereich des Erkennens noch im Bereich des Tuns. Nur indem ich mich beuge, fange ich an, wahr zu werden; nur so wird mein Leben recht. Denn mit der Demut zieht auch Güte in mein Herz ein, die Fähigkeit, den anderen anzunehmen, ihm zu helfen und mir helfen zu lassen.

Jesus hat die Kleinen seliggepriesen; sie haben gesehen, was den Weisen und Verständigen verborgen blieb (Mt 11,25; Lk 10,21). Wenn die Größe des Verstandes zur Selbstherrlichkeit wird, die sich nicht mehr beugen kann vor dem größeren Gott, dann führt sie zur Blindheit dem Wesentlichen gegenüber.

Wir wollen den Herrn bitten, dass er uns diese rettende Demut des Glaubens schenkt, die der erste und grundlegende Schritt unserer inneren Gesundung ist. Demut des Glaubens aber heißt: Gott so annehmen, wie er sich zeigt. Er zeigt sich uns in der verwundeten und zerschlagenen Gestalt der Kirche.

Nicht wir entscheiden, was letztlich der Sinn der Schrift ist, nicht wir entscheiden, was Offenbarung ist. Die Kirche lehrt es uns. Demut vor Gott bliebe abstrakt, wenn wir schließlich selbst bestimmen würden, was Gott sagt und wo Gott ist. Nein, Gottes Sohn hat Leib angenommen in Christus, und seine Leibhaftigkeit bleibt die Jahrhunderte hindurch ganz real in der Kirche.

Das ist der Skandal für unseren Verstand. Wir möchten es besser wissen, aber nur im Mitglauben mit der Kirche glauben wir wirklich. Nur so beugen wir uns vor dem größeren Gott, der gerade im Kleinwerden groß ist. (weiterlesen)



Joseph Kardinal Ratzinger in einer Predigt vom 24.09.1995 in der Benediktinerabtei Sainte-Madeleine in Le Barroux anlässlich eines feierlichen Pontifikalamtes im alten Ritus (Teil 1, 2, 4, 5)



 Hervorhebung durch Fettdruck von FW

Dienstag, 8. November 2011

Das Eigentliche der Kirche

"... als ob das Eigentliche der Kirche nicht jenseits der Organisation läge, im Trost des Wortes und der Sakramente, den sie gewährt in guten und in bösen Tagen.

Die wirklich Glaubenden messen dem Kampf um die Reorganisation kirchlicher Formen kein allzu großes Gewicht bei. Sie leben von dem, was die Kirche immer ist. Und wenn man wissen will, was Kirche eigentlich sei, muss man zu ihnen gehen.

Denn die Kirche ist am meisten nicht dort, wo organisiert, reformiert, regiert wird, sondern in denen, die einfach glauben und in ihr das Geschenk des Glaubens empfangen, das ihnen zum Leben wird.

Nur wer erfahren hat, wie über den Wechsel ihrer Diener und ihrer Formen hinweg Kirche die Menschen aufrichtet, ihnen Heimat und Hoffnung gibt, eine Heimat, die Hoffnung ist: Weg zum ewigen Leben - nur wer dies erfahren hat, weiß, was Kirche ist, damals und heute."


Joseph Ratzinger: Einführung in das Christentum; AD 1968 (s. Quellen)


Zum Foto:
Als Jean-Marie Vianny als der neue Pfarrer nach Ars kommt, fragt er einen Jungen nach dem Weg. Als dieser ihm geantwortet hat, sagt er ihm: "Du hast mir den Weg nach Ars gezeigt, ich zeige dir den Weg zum Himmel." DAS ist die eigentliche Aufgabe der Kirche.


Foto: Pentauro

Donnerstag, 29. September 2011

Staat, Kirche, Kirchensteuer

Die Lage in Deutschland

"Die Frage, wie das richtige Verhältnis zwischen Kirche und Staat beschaffen sein muß, muß natürlich immer neu gestellt werden. Solange es einen gesellschaftlichen Konsens darüber gibt, daß die Grundwerte des Christentums auch Vorgabe für die Gesetzgebung sind, kann eine relativ nahe Verflechtung von Staat, Gesellschaft und Kirche durchgehalten werden, gibt Sinn und steht der Freiheit der Religion nicht entgegen.

Aber wenn da keine Überzeugungen mehr dahinterstehen, kann natürlich eine zu starke institutionelle Verflechtung zur Gefahr werden. Deswegen bin ich nicht grundsätzlich dagegen, daß man in entsprechenden Situationen auch zu stärkeren Trennungsmodellen schreitet. Es hat insgesamt der Kirche eher gutgetan, daß sie sich nach dem Ersten Weltkrieg aus den staatskirchlichen Systemen lösen mußte.

Die zu starken Verbindungen sind ihr immer schlecht bekommen. Insofern, denke ich, müssen die Bischöfe in Deutschland ganz realistisch überlegen, welche Formen der Verbindung von Staat und Kirche wirklich von innen her durch Überzeugungen gedeckt und dadurch fruchtbar sind, und wo wir nur Positionen aufrechterhalten, auf die wir eigentlich kein Recht mehr haben. Eine solche Bestands-aufnahme ist sicher angebracht und nötig.
 (...) die Frage der Kirchensteuer, das sind alles Fragen, die man sorgsam und bedachtsam überlegen muß.

(Peter Seewald:) Eine brisante Frage; wie könnte die Antwort aussehen?

Das wage ich nicht zu beurteilen. Im großen ganzen wird,wie mir scheint, das deutsche Kirchensteuersystem heute noch von einem ziemlich breiten Konsens getragen, weil man die Sozialleistung der Kirchen anerkennt.

Vielleicht könnte in Zukunft einmal der Weg in die Richtung des italienischen Systems gehen, das zum einen einen viel niedrigeren Hebesatz hat, zum anderen aber – das scheint mir wichtig – die Freiwilligkeit festhält. In Italien muß zwar jeder einen bestimmten Satz seines Einkommens – 0,8%, glaube ich – einem kulturellen bzw. wohltätigen Zweck zuführen, worunter die katholische Kirche figuriert. Aber er kann den Adressaten frei wählen. Faktisch wählt die ganz große Mehrheit die katholische Kirche, aber die Wahl ist freiwillig."


aus:  Joseph Kardinal Ratzinger, Salz der Erde, Christentum und katholische Kirche an der Jahrtausendwende; Ein Gespräch mit Peter Seewald, Seite 126/127; AD 1996; s. Quellen

(Hervorhebungen durch Administrator)  

Weiteres zum Thema Kirchensteuer:



Foto: Times; Plenarsaal des Dt. Bundestages, Berlin

Donnerstag, 15. September 2011

Wahrheit - oder Diktatur der Beliebigkeit

Cooperatores veritatis - Mitarbeiter der Wahrheit  
lautete der Wappenspruch von Joseph Kardinal Ratzinger, dem jetzigen Papst Benedikt XVI.


Im Gespräch mit Peter Seewald erklärt der damalige Präfekt der Kongregation für die Glaubenslehre, warum der Mensch die Wahrheit erkennen und ihr folgen muss:


Bild: wikipedia
"Ich habe im Laufe meines geistigen Weges sehr stark das Problem empfunden, ob es nicht eigentlich eine Anmaßung ist zu sagen, wir könnten Wahrheit erkennen – angesichts all unserer Begrenzungen. Ich fragte mich auch, wie weit man diese Kategorie nicht besser vielleicht zurückdrängen müßte. Im Verfolgen dieser Frage konnte ich dann allerdings beobachten und auch begreifen, daß der Verzicht auf Wahrheit nichts löst, sondern im Gegenteil zur Diktatur der Beliebigkeit führt. Alles, was dann bleiben kann, ist eigentlich nur von uns entschieden und austauschbar. Der Mensch entwürdigt sich selbst, wenn er nicht Wahrheit erkennen kann; wenn alles eigentlich nur Produkt einer einzelnen oder kollektiven Entscheidung ist.

Auf diesem Weg ist mir klargeworden, wie wichtig es ist, daß der Begriff Wahrheit ungeachtet der Bedrohungen, der Gefährdungen, die er zweifellos einschließt, uns nicht verlorengeht, sondern als zentrale Kategorie stehenbleibt. Als eine Forderung an uns, die uns nicht Rechte gibt, sondern die im Gegenteil unsere Demut und unseren Gehorsam verlangt und die uns auch auf denWeg des Gemeinsamen bringen kann. Aus einem längeren Ringen mit der geistigen Situation, in der wir stehen, ist für mich langsam dieser Primat der Wahrheit sichtbar geworden, der, wie gesagt, nicht einfach abstrakt gefaßt werden kann, sondern natürlich Einbindung in Weisheit verlangt."

aus:  Joseph Kardinal Ratzinger, Salz der Erde, Christentum und katholische Kirche an der Jahrtausendwende; Ein Gespräch mit Peter Seewald; s. Quellen

(Hervorhebungen durch Administrator) 

Freitag, 12. August 2011

Mündiges Christsein

Bild: Joseph Shaw, 14.05.2011
"Es gibt Kreise mit nicht geringem Einfluß, die uns das Knien auszureden versuchen. Es passe nicht zu unserer Kultur, sagt man (zu welcher eigentlich?); es schicke sich nicht für den mündigen Menschen, der Gott aufrecht gegenübertrete, oder aber es zieme dem erlösten Menschen nicht, der durch Christus zu einem Freien geworden sei und daher nicht mehr zu knien brauche. (...) Das Knien kommt nicht aus irgendeiner Kultur - es kommt aus der Bibel und ihrer Gotteserkenntnis heraus. (...) Es mag wohl sein, dass moderner Kultur das Knien fremd ist - insofern sie nämlich eine Kultur ist, die sich vom Glauben entfernt hat und den nicht mehr kennt, vor dem zu knien die rechte, ja, von innen her nötige Gebärde ist. Wer glauben lernt, lernt auch knien, und ein Glaube oder eine Liturgie, die das Knien nicht mehr kennte, wäre an zentraler Stelle krank. Wo es verloren gegangen ist, müssen wir es wieder erlernen, damit wir betend in der Gemeinschaft der Apostel und Martyrer, in der Gemeinschaft des ganzen Kosmos, in der Einheit mit Jesus Christus selbst verbleiben." (Hervorhebungen durch Administrator)

Joseph Kardinal Ratzinger in: Der Geist der Liturgie, Eine Einführung, AD2000
 
Der mündige Christ also betet Gott selbstbewusst und in Freiheit demütig an.
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