Posts mit dem Label Paradies werden angezeigt. Alle Posts anzeigen
Posts mit dem Label Paradies werden angezeigt. Alle Posts anzeigen

Donnerstag, 8. Mai 2014

Maiandacht 8. Tag - Seelenadel durch die heiligmachende Gnade

 

Weiß ist dein Kleid wie Schnee,
dein Antlitz wie die Sonne.
Mit des Heils Gewändern hat der Herr mich bekleidet,
wie eine Braut, geschmückt im Brautgeschmeide.
(Brevier zu Maria Empfängnis)



Die Bewahrung vor der Erbsünde und aller Sündenmakel ist ein ganz einzigartiger Vorzug der lieben Gottesmutter. Hoch erhaben steht sie dadurch über uns sündigen Menschen. Doch nicht nur von Sündenlosigkeit erzählt uns das Bild der Unbefleckten Empfängnis, es kündet uns auch von dem Reichtum, dem Adel ihrer Seele.

Im Paradiese erfreuten sich die Menschen des vertrauten Umgangs und der Freundschaft mit Gott. Das bewirkte in ihnen die heiligmachende Gnade. Die Sünde zerriss diese Freundschaft; sie schuf einen tiefen Abgrund zwischen Gott und der gefallenen Menschheit. Christi Kreuz und Blut sollten diese Kluft überbrücken, diesen Abgrund schließen.

Für Maria hat diese Kluft nie bstanden. Durch ihre unbefleckte Empfängnis ist sie vom ersten Augenblicke ihres Daseins an im Stande der heiligmachenden Gnade, in der innigsten Liebe und Freundschaft mit Gott verbunden. Sie steht Gott ganz nahe als der ewigen Reinheit geliebteste Braut. Eine Blume ist um so schöner, je mehr Sonnenlicht sie in sich hineintrinken kann. Auch Menschenseelen sind wie Blumen, und Gott ist die Sonne der Seelen. Maria steht dieser Sonne am nächsten.

Was eine Menschenseele vom Leben und Reichtum Gottes nur zu fassen vermag durch die Gnade, das hat die Seele Mariens in sich aufgenommen. Sie ist voll der Gnade. Weil sie Gott so nahesteht, so innig mit ihm verbunden ist, darum ist sie auch das herrlichste Abbild seiner Vollkommenheit. Deshalb sagt ein heiliger Gottesgelehrter, Gott hätte wohl einen schöneren Himmel und eine bessere Erde schaffen können, nimmer aber seinem Sohne eine herrlichere Mutter als die gnadenvolle Jungfrau Maria.

Vielleicht ahnen wir jetzt, was die heiligmachende Gnade wert ist. Als Brautschmuck für sein liebstes Geschöpf findet der allmächtige Gott im Himmel und auf Erden nichts Schöneres als die heiligmachende Gnade und die schenkt er Maria in überreichem Maße.

Am Bild der Unbefleckten Empfängnis sehen wir, wie wahr der Katechismus lehrt: "Die heiligmachende Gnade ist das Kostbarste, was wir auf Erden besitzen können. Daher muss es unsere größte Sorge sein, sie nicht zu verlieren, sie vielmehr ständig zu vermehren und sie möglichst bald wieder zu erlangen, wenn sie verloren gegangen ist."

In der heiligen Taufe haben wir dieses Gnadengeschenk erhalten. Als das Taufwasser über unsere Stirn floss, da schwand die Kluft zwischen uns und Gott. Er zog uns voll Erbarmen an sich, in seine heilige Nähe. Mehr noch: er nahm uns auf in die innigste Verwandtschaft als seine Kinder, machte uns "teilhaftig seiner göttlichen Natur".

Durch die heiligmachende Gnade lässt Gott uns teilnehmen an dem Reichtum seines übernatürlichen, göttlichen Lebens. "Seht, welche Liebe uns der Vater erwiesen hat", ruft darum der Liebesjünger Johannes, "dass wir Kinder Gottes heißen und es auch sind."

Der heilige Petrus schrieb deshalb den Getauften: "Ihr seid ein auserwähltes Geschlecht, ein königliches Priestertum, ein heiliges Volk, ein zu eigen erworbenes Volk." Durch dieses göttliche Leben, das wir heiligmachende Gnade nennen, ist auch unsere Seele ein herrliches Abbild der ewigen Schönheit Gottes, ja, ein lebendiger Tempel Gottes, in dem der dreifaltige Gott wohnt, heiliger und kostbarer in den Augen Gottes als der wertvollste Tabernakel in den steinernen Gotteshäusern.

Nun wollen wir, wie es uns am Taufbrunnen gesagt ist, untadelig unsere Taufe hüten. Wir waren einst Finsternis, nun aber sind wir Licht im Herrn und wollen als Kinder des Lichtes wandeln. Im Sonnenlicht der Gottesnähe wird das göttliche Leben in uns wachsen zur vollkommenen Gottähnlichkeit. Durch das Gebet und die heiligen Sakramente, am meisten durch die Gottesnähe Christi im heiligen Messopfer und in der heiligen Kommunion werden wir zunehmen an Gnade und heranreifen zum "Vollalter Christi".

Wir beten ein Ave Maria, dass Maria uns helfe, die heiligmachende Gnade zu bewahren und ständig in ihr zu wachsen:
Gegrüßet seist du, Maria, voll der Gnade,
der Herr ist mit dir!
Du bist gebenedeit unter den Frauen
und gebenedeit ist die Frucht deines Leibes: Jesus!
Heilige Maria, Mutter Gottes, bitte für uns Sünder,
jetzt und in der Stunde unseres Todes. Amen.

Wisset ihr nicht, dass ihr Tempel Gottes seid?
Der Tempel Gottes ist heilig, und der seid ihr! (1 Kor 3,16.17)
Wer gerecht ist, übe weiter Gerechtigkeit;
und wer heilig ist, heilige sich weiter. (Offb 2,11)


Gebet:
O Gott, du hast die unvergleichliche Jungfrau Maria mit allem Reichtum deiner Gnade geschmückt, sie zur Zierde der Erde gemacht und über alle Chöre der Engel begnadet. Gib auch uns deine Gnade und lass uns durch die Bitten dieser heiligsten Jungfrau den Reichtum deines göttlichen Lebens erlangen und in Ewigkeit bewahren. Amen
 

Maiandachtsbüchlein für Kirche und Haus von Pfarrer Joseph Willmes; A. Laumannsche Verlagsbuchhandlung Dülmen /Westf.;  AD 1935; S. 29-31; (s. Quellen)



Bild: Krönung Mariens; Fra Angelico

Mittwoch, 7. Mai 2014

Maiandacht 7. Tag - Immakulata


Ganz schön bist du, Maria;
in dir ist nicht der Erbsünde Makel.
In deiner Empfängnis hast du Gnade vom Herrn empfangen, Erbarmen von Gott, deinem Heile.
(Brevier von Mariä Empfängnis)


Von Ewigkeit her hat der dreifaltige Gott sich mit Maria beschäftigt. Der Herr besaß sie im Anfang seiner Wege.  An der Schwelle des verlorenen Paradieses und in den folgenden Zeiten hat er ihre Ankunft den Menschen kundgetan. Nun tritt sie hinaus aus den Plänen Gottes, hinein in die Welt: "Meine Freude ist es, bei den Menschenkindern zu sein." (Spr 8,32)

Da steht sie unter uns sündigen Menschenkindern als die Sündenlose, als die Lilie unter den Dornen, als das wiedergefundene Paradies. Immakulata nennen wir sie. Die Sünde unsere Stammeltern ist allen Menschen zum Verhängnis geworden, zu unserer aller Erbschuld. Wir alle treten mit der Erbsünde behaftet ins Dasein. "Sieh, in Ungerechtigkeit bin ich empfangen und in Sünden hat meine Mutter mich geboren." (Psalm 50,7)

Nur vor Maria macht die Flut der Sünde halt. Emporgehoben von Gott in lichte, reine Höhen, kann Maria nicht berührt werden von den unreinen Wogen des Sündenstromes. Die heilige katholische Kirche lehrt: "Die allerseligste Jungfrau Maria ist im ersten Augenblick ihrer Empfängnis durch ein ganz einzigartiges Gnadengeschenk des allmächtigen Gottes in Hinblick auf die Verdienste Jesu Christi, des Erlösers des Menschengeschlechtes, von jeder Makel der Erbsünde rein bewahrt geblieben."

Das war für Maria ein schönes Geschenk: Das Blut ihres Sohnes am Kreuze hat diese Gnade ihr schon im Voraus verdient. Es war also eine reine Immakulata-Gabe. Großes hat an ihr getan, der da mächtig und dessen Name heilig. Maria aber hat zu dieser Gabe noch etwas hinzugefügt: ihre Gesinnung, den Willen, dieser Gabe entsprechend zu leben. Das ist jene feine, edle Haltung der Seele, die sich ganz rein, ganz unschuldig bewahren will, vor dem kleinsten Flecken und Fehler. Das ist Immakulata-Gesinnung. Mit der Gnade Gottes hat Maria durch ihr ganzes Leben  ihre Seele rein bewahrt; nie hat auch nur der geringste Hauch von Sünde und Begierlichkeit den hellen Glanz ihrer Seele getrübt. So ist sie denn die ganz Unversehrte, Schöne, Makellose.

Vor diesem Bild der Allerreinsten fühlen wir so recht, was wir durch die Sünde der Stammeltern verloren haben; spüren wir doppelt den Riss, der seitdem durch jedes Menschenleben geht, den Kampf zwischen Geist und Fleisch. Ein tiefes Heimweh wird in uns wach nach der Ruhe, nach dem Frieden der Sündenlosigkeit, wie er aus dem Bilde der Immakulata uns entgegenstrahlt.

Dieser Friede war einst auch unser Reichtum. Zwar sind wir in der Erbsünde auf die Welt gekommen; das Blut Christi hat uns nicht davor bewahrt wie Maria, aber es hat auch an uns Großes getan: es hat uns abgewaschen und gereinigt von aller Schuld im heiligen Sakrament der Taufe. Da leuchtete auch unsere Seele in Paradiesesunschuld!

Und wenn unsere Seele auf dem Wege durch die Welt nicht frei blieb vom Staub und Schmutz der Sünde, dann wird das Blut Christi durch Priesterhand auch heute uns wieder reinigen, wenn wir in Demut und Reue zum heiligen Sakramente der Buße kommen. Unsere Seele ist nicht sündenlos erschaffen, soll aber sündenlos werden, eine Immakulata-Seele. So ist es Gottes Wille und tiefste Sehnsucht des eigenen Herzens.

Der Weg dazu ist auch für uns die Gesinnung der Immakulata. Am Taufbrunnen haben wir es im Taufgelöbnis versprochen: "Ich widersage dem Satan und allen seinen Werken und all seiner Pracht." Diesen Immakulatageist wollen wir treu im Herzen pflegen durch die zarte Scheu, Gott auch nur in den kleinsten Dingen zu beleidigen, und durch Wachsamkeit in den Versuchungen, damit unsere Seele unter dem Schutze der reinsten und unbefleckten Jungfrau und Gottesmutter Maria das weiße Kleid rein und unbefleckt zu Gott trage.

Wir beten ein Ave Maria, damit Maria uns die Reinheit des Herzens erflehe und bewahre:
Gegrüßet seist du, Maria, voll der Gnade,
der Herr ist mit dir!
Du bist gebenedeit unter den Frauen
und gebenedeit ist die Frucht deines Leibes: Jesus!
Heilige Maria, Mutter Gottes, bitte für uns Sünder,
jetzt und in der Stunde unseres Todes. Amen.

Ihr seid abgewaschen, ihr seid geheiligt und gerechtfertigt 
im Namen unseres Herrn Jesus Christus. (1 Kor 6,11)
Wasche meinen Frevel gänzlich ab
von meiner Sünde mach mich rein.
Ein reines Herz erschaff in mir, o Gott;
den rechten Geist erneuere in meinem Innern. (Ps 50)


Gebet:
O Gott, du hast durch die Unbefleckte Empfängnis der Jungfrau Maria deinem Sohne eine würdige Wohnstätte bereitet: du hast sie im Hinblick auf den Tod deines Sohnes vor aller Makel bewahrt. Deshalb bitten wir dich, lass uns durch ihre Fürsprache rein werden und so zu dir gelangen. Durch denselben Jesus Christus, unsern Herrn, der mit dir lebt und herrscht in der Einheit des heiligen Geistes, Gott von Ewigkeit zu Ewigkeit. Amen.
(Kirchengebet vom Fest Mariä Empfängnis)


Maiandachtsbüchlein für Kirche und Haus von Pfarrer Joseph Willmes; A. Laumannsche Verlagsbuchhandlung Dülmen /Westf.;  AD 1935; S. 26-29 (mit kleinen Änderungen); (s. Quellen)



Freitag, 2. Mai 2014

Maiandacht 1. Tag - Gruß an Maria

Glücklich bist du, o Jungfrau Maria,
und allen Lobes überaus würdig!
Denn aus dir ist hervorgegangen
die Sonne der Gerechtigkeit: Christus, unser Gott!
(Offertorium der Marienmesse)

O seligste und reinste Mutter Maria! Wir kommen, dich zu grüßen. Wieder hat sich die Zeit genaht, die dir in besonderer Weise geweiht ist. Du bist des Maien Königin. Darum wollen wir dich heute und an jedem Tage dieses Monats mit freudigem Herzen preisen! Denn ganz schön bist du und keine Makel der Sünde ist an dir. Ja, groß bist du vor allen Menschen und alles Lobes überaus würdig. Lass uns deine Größe schauen, auf dass du uns werdest ein leuchtend Vorbild im Dunkel unseres Erdenlebens.

Von Urbeginn sah Gott in den unergründlichen Tiefen seines Geistes dich als die zur Gottesmutter Erwählte, dich, o Maria! Dich erkor er, dienend mitzuwirken am Heile der Menschheit. Zwar hatte Gott die Menschen erschaffen, nach seinem Ebenbilde und Gleichnis; voll Liebe wollte er sie teilnehmen lassen an seinem göttlichen Leben. Die Menschen aber sündigten. Da versank das Paradies in Schuld - für immer; so hätte es der Gerechtigkeit Gottes entsprochen.

Doch Gottes Erbarmen war größer. Obschon der Mensch sich von ihm abgekehrt hatte, wollte Gott doch nicht die Menschheit ewig in Ungnade lassen. Und er sandte Erlösung für sein Volk. Dich aber, o Maria, du Reinste, bestimmte seine Allweisheit zur Mutter dessen, der da kommen sollte, das Heilswerk zu vollbringen und die Menschheit zu befreien vom Joch der Sünde. Dich erwählte Gott, der teuflischen Schlange den Kopf zu zertreten. In die Nacht der Sünde leuchtet schon von fern verheißend dein Bild, o vielheilige Frau!

Und dann kam die Stunde, da Gott dich rief. Durch Engelsmund sandte er dir die Botschaft: Mutter des Gottessohnes, des Weltheilandes zu werden! Und du sprachest dein demuterfülltes Jawort. Millionenfach steigt seither vom ganzen weiten Erdenrund der Gruß zu dir empor, mit dem der Engel dich grüßte: Ave Maria, gratia plena. Auch wir wollen es voll Freude wieder dir sagen: Du Gnadenvolle, sei uns gegrüßt!

O schau in Gnaden auf uns herab, denn wir sind schwach und sündhaft und erdgebunden. Drum schenk uns deine Hilfe, damit wir die Gaben der Erlösung uns erringen. Erflehe uns die Kraft, alles zu meistern, was uns irreführen will. Hilf, dass unser Leben deinem Leben immer näher komme und uns einst werde ewiges Leben. Denn das ist unser Ziel. Dazu berief uns Gott! Dass wir doch dieser unserer Bestimmung stets eingedenk wären! Hilf uns, o Gottesmutter, dass wir immer auf Gottes Willen achten, mit der Gnade Gottes mitwirken, damit wir das Heil erlangen und teilnehmen dürfen am Leben Gottes in der Ewigkeit.

Wir beten ein Ave Maria, dass Maria uns helfe, mit ihr den Weg zum Himmel zu gehen:
Gegrüßet seist du, Maria, voll der Gnade,
der Herr ist mit dir!
Du bist gebenedeit unter den Frauen
und gebenedeit ist die Frucht deines Leibes: Jesus!
Heilige Maria, Mutter Gottes, bitte für uns Sünder,
jetzt und in der Stunde unseres Todes. Amen.

Wie groß bist du o Gott, in deiner Liebe,
dass du den Menschen schufst nach deinem Ebenbild und Gleichnis!
Nur wenig unter deine Engel stelltest du ihn hin;
du kröntest ihn mit Hoheit und mit Würde! (nach Psalm 8)


Gebet:
Ewiger, unendlicher Gott, du hast uns in deiner Liebe Maria geschenkt, die hohe, heilige Frau, die wir als die Größte und Hehrste aller Menschenkinder grüßen dürfen. Auch uns alle hast du in deiner Güte mit Hoheit und Würde gekrönt. Verleihe uns die Gnade, in Maria stets unser Vorbild zu sehen, und ihr Beispiel nachzuahmen, damit wir an ihrer Hand glücklich durch unsere Erdentage wallen und zu dir gelangen. Gib uns deine ewige Herrlichkeit! Amen.


nach: Maiandachtsbüchlein für Kirche und Haus von Pfarrer Joseph Willmes; A. Laumannsche Verlagsbuchhandlung Dülmen /Westf.;  AD 1935; S. 12-14



Samstag, 15. März 2014

Verlorene Himmelssehnsucht

Von Pater Bernward Deneke FSSP, Wigratzbad 

Es ist gar nicht so einfach, dem durchschnittlichen Menschen unserer Tage die himmlischen Freuden schmackhaft zu machen. Womit können wir ihn denn noch locken? Mit der ewigen Ruhe vielleicht, die unsere Liturgie für die Toten erbittet? Wohl kaum, denn damit verbindet sich für die meisten eher der Gedanke an unerträgliche Langeweile als die Ahnung höchsten Glückes. Welche Qual, sich irgendwo aufhalten zu müssen, wo „nichts los ist“! Action ohne Ende wäre da schon attraktiver.

Auch mit der verheißenen Gemeinschaft der Heiligen werden sich die meisten nicht recht anfreunden können. Hatte nicht schon Oscar Wilde angedeutet, dass die Gesellschaft in der Hölle interessanter sein müsse als die himmlische? Das Wort „Heilige“ lässt vor dem inneren Auge des modernen Menschen vermutlich eine Ansammlung entrückter Gestalten mit gefalteten Händen und in die Höhe gerichtetem Blick erstehen. Man fühlt sich recht unwohl bei der Vorstellung, die Ewigkeit mit solchen Wesen in einer Art jenseitigem Kloster verbringen zu müssen.

Und die visio beatifica, die von der Tradition der Kirche als die eigentliche Erfüllung und Beseligung der Erlösten bezeichnet wird; die beseligende Schau also, in der wir Gott sehen werden, wie Er ist (1 Joh 3,2), von Angesicht zu Angesicht (1 Kor 13,12)? Auch der Hinweis auf sie lässt wahrscheinlich nur wenige Herzen höher schlagen. Der Grossteil unserer Zeitgenossen, gewohnt an ein rasches und abwechslungsreiches Leben und Erleben, bringt nicht einmal Verständnis und geistige Kraft für das intensive und verweilende Betrachten einer Landschaft oder eines Kunstwerkes auf, geschweige denn für religiöse Beschaulichkeit. Information und Unterhaltung sind gefragt, nicht Kontemplation. Sinnbild für diese Mentalität ist das Verhalten vieler Menschen vor dem Fernseher: Die Bilderflut eines einzigen Filmbeitrags reicht ihnen nicht aus, deshalb „zappen“ sie beständig von einem Programm ins andere. Wie soll man unter solchen Voraussetzungen ein Verlangen nach der ewigen Anschauung Gottes erwarten?

Da sind die Paradiesesvorstellungen des Islam für viele weitaus ansprechender: leckere Speisen, schöne Frauen, Erfüllung aller sinnlichen Sehnsüchte... Ja, ein Schlaraffenland müsste uns im Jenseits erwarten; eine Welt mit Flüssen von Milch, Honig und Wein, mit Häusern aus Kuchen und mit gebratenen Hähnchen, die herumfliegen und auf Wunsch sogleich im geöffneten Mund des beglückten Menschen landen. Und für den Menschen des 21. Jahrhundert könnte das alles noch phantastisch erweitert werden. – Jedenfalls wirkt das ewige Ziel, das uns der christliche Glaube erhoffen heißt, gemessen an solchen Träumen ziemlich blass und wenig reizvoll.

Es stellt sich allerdings die Frage, wer die Schuld daran trägt. Wenn sich z.B. eine große Mehrzahl unserer Zeitgenossen stärker von den aktuellen Eintagsfliegen der Medienwelt als von den Gipfeln unserer Kultur angezogen fühlt: Ist das nicht eher dem geistigen Klima der Zeit und der Einstellung der Menschen als den Werken der herausragenden Dichter und Musiker anzulasten? Niemand wird ernsthaft bezweifeln, dass Bachs Matthäuspassion größere Herrlichkeiten und Kostbarkeiten bereithält als irgendein Hip-Hop-Song. Aber das musikalische Wunderwerk ist eben auch ungleich anspruchsvoller. Es setzt beim Hörer ein höheres Maß an Sensibilität und Hingabe voraus, es will erobert werden. Sollten im Bereich der Religion nicht vergleichbare Gesetze walten? Man muss davon ausgehen.

Somit liegt die Korrekturbedürftigkeit nicht bei der christlichen Lehre von der himmlischen Glückseligkeit, der beseligenden Gottesschau. Korrekturbedürftig ist vielmehr der heutige Mensch, der jeden Sinn für die Kontemplation, diese edle Begabung seiner Seele, verloren hat. Korrekturbedürftig ist eine Welt, die uns mit ihrem polierten Oberflächenglanz und hohlen Dauer-Entertainment zum Kult der Nichtigkeit und zum Haschen nach Wind (Pred 1,14) erzieht; die uns einredet, unser Gott sei der Bauch (Phil 3,19), und uns anleitet, ihm so zu huldigen, dass wir das Verlangen nach der künftigen Sättigung verlieren.

Welche Herausforderung stellt es gerade heute für die Kirche und ihre Verkünder dar, die Sehnsucht der Menschen nach dem Himmel neu zu wecken und sie für die Gottesschau zu bereiten! Die Aufgabe ist gewaltig, aber sie will angegangen sein. 



 Hinweise:
- mit freundlicher Genehmigung des Verfassers
- der Beitrag erschien bereits im Schweizerischen Katholischen Sonntagsblatt (SKS)


 +      +      +

  
Aus der Geheimen Offenbarung des Johannes (Apokalypse) 4:
Danach sah ich: Eine Tür war geöffnet am Himmel; und die Stimme, die vorher zu mir gesprochen hatte und die wie eine Posaune klang, sagte: Komm herauf und ich werde dir zeigen, was dann geschehen muss. Sogleich wurde ich vom Geist ergriffen.
Und ich sah: Ein Thron stand im Himmel; auf dem Thron saß einer, der wie ein Jaspis und ein Karneol aussah. Und über dem Thron wölbte sich ein Regenbogen, der wie ein Smaragd aussah. Und rings um den Thron standen vierundzwanzig Throne und auf den Thronen saßen vierundzwanzig Älteste in weißen Gewändern und mit goldenen Kränzen auf dem Haupt.

Von dem Thron gingen Blitze, Stimmen und Donner aus. Und sieben lodernde Fackeln brannten vor dem Thron; das sind die sieben Geister Gottes. Und vor dem Thron war etwas wie ein gläsernes Meer, gleich Kristall. Und in der Mitte, rings um den Thron, waren vier Lebewesen voller Augen, vorn und hinten. Das erste Lebewesen glich einem Löwen, das zweite einem Stier, das dritte sah aus wie ein Mensch, das vierte glich einem fliegenden Adler. Und jedes der vier Lebewesen hatte sechs Flügel, außen und innen voller Augen.

Sie ruhen nicht, bei Tag und Nacht, und rufen: Heilig, heilig, heilig ist der Herr, der Gott, der Herrscher über die ganze Schöpfung; er war und er ist und er kommt. Und wenn die Lebewesen dem, der auf dem Thron sitzt und in alle Ewigkeit lebt, Herrlichkeit und Ehre und Dank erweisen, dann werfen sich die vierundzwanzig Ältesten vor dem, der auf dem Thron sitzt, nieder und beten ihn an, der in alle Ewigkeit lebt. Und sie legen ihre goldenen Kränze vor seinem Thron nieder und sprechen: Würdig bist du, unser Herr und Gott, Herrlichkeit zu empfangen und Ehre und Macht. Denn du bist es, der die Welt erschaffen hat, durch deinen Willen war sie und wurde sie erschaffen.
  
Brücke zum Himmel - Die Liturgie:


+      +      +

Sonntag, 6. November 2011

Wir glauben an das ewige Leben...

Fra Angelico (1395–1455): Jüngstes Gericht

Wir glauben, daß die Seelen aller, die in der Gnade Christi entschlafen sind – ob sie nun noch im Reinigungsort geläutert werden müssen oder ob Jesus sie im Augenblick, da sie ihren Leib verlassen, wie den guten Schächer am Kreuz in das Paradies aufnimmt – zum Volk Gottes gehören – jenseits aller Herrschaft des Todes, der am Tag der Auferstehung, wenn die Seele mit dem Leib vereinigt wird, endgültig besiegt sein wird.

Wir glauben, daß die große Schar derer, die mit Jesus und Maria im Paradies vereinigt sind, die himmlische Kirche bildet. Dort schauen sie in ewiger Glückseligkeit Gott, so wie Er ist (1). Dort sind sie auch, in verschiedenen Abstufungen, mit den heiligen Engeln unter der Herrschaft Christi vereint in Herrlichkeit, legen für uns Fürsprache ein und helfen uns in unserer Schwachheit durch ihre brüderliche Fürsorge.(2)

Wir glauben an die Gemeinschaft aller Christgläubigen: derer, die hier auf Erden als Pilger wandern, der Verstorbenen, die ihre Läuterung abwarten, und der Seligen im Himmel. Alle zusammen bilden sie die eine Kirche. Und in gleicher Weise glauben wir, daß in dieser Gemeinschaft die barmherzige Liebe Gottes und Seiner Heiligen stets unsere Gebete erhört, wie uns Jesus gesagt hat: Bittet und ihr werdet empfangen.(3) Mit eben diesem Glauben und eben dieser Hoffnung erwarten wir die Auferstehung der Toten und das Leben der zukünftigen Welt.


(1) Vgl. 1 Joh 3,2; Denzinger 1000
(2) Vgl. Vgl. II. Vatikanisches Konzil, Dogmatische Konstitution Lumen gentium, 49
(3) Vgl. Lk 11, 9-10; Joh 16, 24



Die letzten Artikel aus "Das Credo des Gottesvolkes" von Papst Paul VI. (30. Juni 1968) 
Related Posts Plugin for WordPress, Blogger...