Posts mit dem Label II.Vatikanisches Konzil werden angezeigt. Alle Posts anzeigen
Posts mit dem Label II.Vatikanisches Konzil werden angezeigt. Alle Posts anzeigen

Montag, 25. August 2014

Sind gläubige Katholiken intolerant und Fundamentalisten?

Auf diese Frage antwortet Prof. Dr. Robert Spaemann:

[..W]ieso ist der intolerant, der etwas tatsächlich für wahr hält? (Absolute Wahrheit ist ja so etwas wie ein weißer Schimmel. Jede Wahrheit ist absolut, oder sie ist überhaupt keine Wahrheit.) Die gleiche Offenbarung, die uns mit göttlicher Autorität darüber belehrt, daß Jesus für unsere Sünden gestorben, am dritten Tag auferstanden ist und uns vom Tod errettet hat, lehrt uns auch, daß der Glaube eine übernatürliche Gnade, also unerzwingbar, ist. Das gleiche 2. Vatikanische Konzil, das die religiöse Toleranz als Pflicht lehrte, lehrte die "unhinterfragbare" Wahrheit des Dogmas. Intolerant sind unsere liberalen Antifundamentalisten. Denn sie lehren tatsächlich nicht, fremde Überzeugungen zu achten, sondern sie möchten es verbieten, überhaupt Überzeugungen zu haben.

Und schließlich die Ich-Schwäche: Gewiß gibt es das Phänomen des Sektierers, der seinen Kopf bei der Gruppe oder deren Leitung abgibt. Aber gilt das für jeden Katholiken, der der Kirche den Glaubensgehorsam leistet, den das 2. Vatikanische Konzil so eindeutig verlangt? Tatsächlich wird der christliche Glaube im Neuen Testament als ein Akt und eine Haltung des Gehorsams beschrieben. Aber der Gehorsam ist nicht blind. "Ich weiß, wem ich geglaubt habe", schreibt der heilige Paulus. Der Gehorsam wird in Freiheit und Mündigkeit einer Person geleistet. Das Dogma ist ein eindeutiger Satz, der die Zustimmung freier, vernünftiger Wesen verlangt.

Die heute gängige Alternative dazu ist die unreflektierte, halb unbewußte, passive Anpassung an gewisse Trends, deren Inhalt bezeichnenderweise nie klar formuliert wird. So soll es nach Ansicht der katholischen Liberalen nicht auf die Zustimmung zu den Texten des 2. Vatikanischen Konzils ankommen - die Progressisten stehen ja mit viel mehr Sätzen des Konzils auf Kriegsfuß als die Traditionalisten - sondern auf das Weitergehen in einer angeblich vom Konzil gewiesenen Richtung.

Aber was diese Richtung ist, zu welchem Ziel sie führen soll, das soll sich wiederum nicht aus den Sätzen des Konzils ergeben, sondern das hat man zu fühlen, darüber hat man sich sozusagen augenzwinkernd zu verständigen, und es gilt als Mangel an Taktgefühl und gutem Willen, als Ausdruck entweder von Naivität oder von fundamentalistischem Starrsinn, wenn hier jemand um ausdrückliche Auskunft bittet. Überhaupt gehört ein gewisser Irrationalismus, Verdächtigung der Logik und eine seltsame Mischung von Sentimentalität und Erbarmungslosigkeit zu den Kennzeichen liberaler katholischer Antifundamentalisten.


Dieser Text Spaemanns "Wer ist ein Fundamentalist?" erschien zuerst im Rundbrief Nr. 5 von Pro Missa Tridentina im Mai 1993, im Internet in voller Länge nachzulesen auf kath.info, dem Portal zur katholischen Geisteswelt (hier).




+      +      +


Ein Paradebeispiel für den ungerechtfertigten Fundamentalismus-Vorwurf: Bischof Dr. Vitus Huonder von Chur:


+      +      +

Samstag, 19. Juli 2014

Die Kirche ist für das Heil notwendig

Es ist - selbst für Gläubige - heute oft schwierig, Glaubenswahrheiten, die eigentlich ganz klar und eindeutig sind, zu erkennen und auszusagen. Das liegt vor allen Dingen daran, dass in unseren satten und reichen Breitengraden seit Jahrzehnten die Katechese, d. h. die Weitergabe des Glaubensgutes, weitestgehend zum Erliegen gekommen ist. Katechismusunterricht in der Pfarrei, in dem systematisch Kinder und Jugendliche über ihren katholischen Glauben unterrichtet und zu einem Leben aus dem Glauben heraus angeleitet und motiviert werden, gibt es schon lange nicht mehr und der schulische Religionsunterricht besteht zum großen Teil aus vergleichender Religionenkunde und einer Art Ethikunterricht, in dem die Lehre der Kirche zumeist nur unter anderem und am Rande vorkommt.

Ein Beispiel für die Ratlosigkeit in Glaubensaussagen ist die Frage, ob es für den Menschen zur Erlangung des ewigen Heils notwendig ist, der (sichtbaren) katholischen Kirche anzugehören. Ebenso ratlos sind viele Gläubige, wenn es darum geht, zu beschreiben, was es heißt, der katholischen Kirche anzugehören; wer gehört zur katholischen Kirche und in welcher Weise oder in welcher aussagbaren "Intensität" ist jemand (Mit-)Glied der einzigen Kirche Jesu Christi, die allein vom Papst und den mit ihm verbundnen Bischöfen geleitete (römisch-)katholische Kirche ist?

Um so dankbarer sind wir Gläubigen, wenn auch heute von berufener Seite diese Glaubenswahrheiten deutlich und unmissverständlich ausgesprochen, dargelegt und bekräftigt werden, denn die Lehren aus dem Katechismus und aus älteren - wenn auch deswegen keineswegs ungültigen - Aussagen bedürfen immer wieder einer wiederholenden Aktualisierung.

Dr. Gero P. Weishaupt hat nun anhand des 14. Artikels der dogmatischen Konstitution "Lumen gentium" des II. Vatikanums die Lehre der Kirche zusammengefasst und unmissverständlich dargelegt:

Lumen gentium, Artikel 14

Die Kirche ist für das Heil notwendig.
In Artikel 14 von Lumen gentium sprechen die Konzilsväter zum einen von der Heilsnotwendigkeit der Kirche, wobei deutlich ist, dass das Zweite Vatikanische Konzil den ekklesiologischen Grundsatz „Außerhalb der Kirche kein Heil“ (Extra Ecclesiam nulla salus) nicht preisgegeben hat; er gilt nach wie vor, ohne Abstriche. Zum anderen thematisieren die Konzilsväter die Bedingungen für die volle Zugehörigkeit zur einen, heiligen, katholischen und apostolischen Kirche, wie wir sie im Credo bekennen.

Hohe Lehrautorität des Konzils

Zur Erlangung des Heils ist die Zugehörigkeit zur sichtbaren (!!!) Kirche notwendig. Diese Aussage der Konzilsväter ist zwar kein Dogma, aber dennoch von hoher lehrmäßiger Autorität, wenn sie formulieren: „Gestützt auf die Heilige Schrift und die Tradition, lehrt (docet) sie (die Heilige Synode = das Zweite Vatikanische Konzil), dass diese pilgernde Kirche zum Heil notwendig ist“. Mit dem Verb „docet” (= sie lehrt) deuten die Konzilsväter unmissverständlich an, dass sie eine Lehre verkünden, die die Gläubigen fest annehmen und bewahren müssen (vgl. firmiter amplectenda ac retinenda), da die Lehre von der Heilsnotwendigkeit der Kirche aufs engste mit der Offenbarung zusammenhängt. Die Heilsnotwendigkeit ergibt sich aus der Gegenwart Christi in der Kirche, der der einzige „Mittler und Weg zum Heil“ ist. Die Kirche ist der mystische Leib Christi, seine Gegenwartsweise in der jeweiligen Zeit, in die die Kirche hineingestellt ist. Über die Kirche, durch die Kirche und in der Kirche begegnet der Mensch Christus selber. Durch die Taufe wird der Mensch in die Kirche und durch sie in Christus einverleibt. Darum gibt es für den, der wirklich erkannt hat, dass ihm durch die Kirche die Gnade Gottes geschenkt ist, keinen anderen Weg zum Heil. Wer allerdings ohne Schuld außerhalb der Kirche steht, kann bei einem nötigen Bemühen, ein rechtes Leben zu führen, im Hinblick auf den allgemeinen Heilswillen Gottes das Heil erlangen. Denn wenngleich die Kirche heilsnotwendig und der ordentliche Heilsweg ist, ist Gott in seiner Allmacht nicht an sie gebunden. Darum gibt es – unter dem genannten Umstand – auch außerhalb der sichtbaren Struktur Heil.

Gestufte Zugehörigkeit zur einen wahren Kirche Christi

Die volle Zugehörigkeit zur sichtbaren Kirche formulieren die Konzilsväter im Sinne des heiligen Rorbert Bellarmin (1542-1621) anhand der drei Bande des Glaubensbekenntnisses (vinculum professionis fidei), der Sakramente (vinculum sacramentorum) und der kirchlichen Leitung und Gemeinschaft (vinculum ecclesiastici regiminis et communionis). Wer den  katholischen Glauben bekennt, die sieben Sakramente der Kirche anerkennt, sich unter die hoheitliche Leitung der Kirche stellt und mit der Gemeinschaft der Kirche verbunden ist, gehört ganz zur sichtbaren Katholischen Kirche. Im Blick auf die anderen Kirchen und kirchlichen Gemeinschaften und im Blick auf die Möglichkeit von Rechtsverlusten in der Kirche wird damit im Umkehrschluss auch eine unvollkommene bzw. unvollständige Zugehörigkeit zur einen Kirche Christi, die einzig und allein in der Römisch Katholischen Kirche, in ihren sichtbaren Strukturen, in ihrer Fülle, so sie wir sie im Credo der Kirche bekennen, „subsistiert“ (vgl. Lumen gentium, Art. 8) ausgesagt. Eine besondere Gruppe stellen die Katechumenen dar. Sie sind, auch wenn noch nicht sakramental durch die Taufe mit Christus und der Kirche vereint, durch ihren Willen in die Kirche aufgenommen zu werden, mit ihr verbunden. Der kirchliche Gesetzgeber hat dies gewürdigt: Katechumenen haben ein Recht auf ein katholisches Begräbnis. Weil die Katechumenen bereits durch ihr Verlangen, die Taufe zu empfangen und so Glieder der Kirche zu werden, mit der Kirche bereits verbunden sind, werden sie hinsichtlich des Begräbnisses den Gläubigen gleichgestellt (vgl. can. 1183 § 1 CIC/1983).

Lumen gentium, Artikel 14

Den katholischen Gläubigen wendet die Heilige Synode besonders ihre Aufmerksamkeit zu. Gestützt auf die Heilige Schrift und die Tradition, lehrt sie, daß diese pilgernde Kirche zum Heile notwendig sei. Christus allein ist Mittler und Weg zum Heil, der in seinem Leib, der Kirche, uns gegenwärtig wird; indem er aber selbst mit ausdrücklichen Worten die Notwendigkeit des Glaubens und der Taufe betont hat (vgl. Mk 16,16; Joh 3,5), hat er zugleich die Notwendigkeit der Kirche, in die die Menschen durch die Taufe wie durch eine Türe eintreten, bekräftigt. Darum könnten jene Menschen nicht gerettet werden, die um die katholische Kirche und ihre von Gott durch Christus gestiftete Heilsnotwendigkeit wissen, in sie aber nicht eintreten oder in ihr nicht ausharren wollten. Jene werden der Gemeinschaft der Kirche voll eingegliedert, die, im Besitze des Geistes Christi, ihre ganze Ordnung und alle in ihr eingerichteten Heilsmittel annehmen und in ihrem sichtbaren Verband mit Christus, der sie durch den Papst und die Bischöfe leitet, verbunden sind, und dies durch die Bande des Glaubensbekenntnisses, der Sakramente und der kirchlichen Leitung und Gemeinschaft. Nicht gerettet wird aber, wer, obwohl der Kirche eingegliedert, in der Liebe nicht verharrt und im Schoße der Kirche zwar „dem Leibe”, aber nicht „dem Herzen” nach verbleibt. Alle Söhne der Kirche sollen aber dessen eingedenk sein, daß ihre ausgezeichnete Stellung nicht den eigenen Verdiensten, sondern der besonderen Gnade Christi zuzuschreiben ist; wenn sie ihr im Denken, Reden und Handeln nicht entsprechen, wird ihnen statt Heil strengeres Gericht zuteil.“


Zur Diskussion in der Blogoezese, ob die Zugehörigkeit zur (römisch-katholischen) Kirche heilsnotwedig ist:

Siehe auch: 


+      +      +

Dienstag, 24. Juni 2014

Prof. Georg May: Die andere Hierarchie - Teil 36: Die Pfarrbeauftragten (2); Das Pastoralteam

Prof. Dr. Georg May

Die andere Hierarchie


Teil 36


Verlag Franz Schmitt Siegburg AD 1997


Fortsetzung von hier (Die Pfarrbeauftragten)

III.  Die Unterbauung durch die progressistische Theologie

Die progressistische Theologie lieferte die pseudotheologische Unterbauung dieser neuen Stufe der anderen Hierarchie.

Der Münchner Dogmatiker Peter Neuner sieht hier "ein gemeindeleitendes Amt für Laien" geschaffen, dem nur die Leitung der Eucharistiefeier und die sakramentale Lossprechung fehlen (7). Dem kann nach ihm unschwer abgeholfen werden. Neuner plädiert denn auch dafür, die Pastoralreferenten in der "Gemeindeleitung" zu "ordinieren" (8).

Nach Ottmar Fuchs können und sollen Nichtgeweihte die Gemeindeleitung zur Gänze mit allen Rechten und Pflichten übernehmen (9). Er stellt sich die wünschenswerte Bestellung des Gemeindeleiters wie folgt vor. Dieser wird von unten, von der Gemeinde her beauftragt. "Die kirchliche Leitung" auf Dekanats- oder Diözesanebene "wird solche Beauftragung in der Regel gutheißen und ... bestätigen" (10). Die Vision eines künftigen Amtes von Fuchs bezieht sich auf Männer und Frauen, Verheiratete und Unverheiratete; die bisherigen "Zulassungsbestimmungen" zum Amt sind lediglich disziplinär (11).


Die deutschen Bischöfe befassten sich mit dieser Angelegenheit in dem Papier "Der pastorale Dienst in der Pfarrgemeinde" (pdf). Leider geht ihm die wünschenswerte Klarheit ab. Wenn es darin heißt, alle Christen seien befähigt "zur Mitwirkung am Leitungsdienst" (I,1,1), so ist das schlicht falsch. Das Papier korrigiert sich denn auch bald selbst und sagt ganz richtig: "Der Dienst der Leitung der Gemeinde als sakramentale Repräsentation des Hirtenamtes Jesu Christi ist an die Weihe ... gebunden" (II,1,7). Einen anderen Leitungsdienst als den sakramental begründeten gibt es aber nicht. Es ist daher abwegig, eine neue hierarchische Leitungsstufe aus solchen zu schaffen, denen die sakramentale Weihe fehlt.

Auf das Zweite Vatikanische Konzil kann man sich dabei nicht berufen. Das Konzil spricht nirgends davon, dass Nichtgeweihte Leitungsaufgaben in der Kirche innehaben können (Lumen gentium Nr. 33; Apostolicam actuositatem Nr. 24). Wenn, wie das Papier "Der pastorale Dienst in der Pfarrgemeinde" weiter erklärt, der Hirtendienst der Gemeindeleitung "unlösbar" mit der Leitung der Feier der Eucharistie verbunden ist (II,1,7), dann ergibt sich auch daraus, dass ein Nichtpriester nicht die Gemeindeleitung innehaben kann.

Die Terminologie des Papiers führt in die Irre, und dadurch wird die ganze Sache falsch. Seine Verfasser haben keine klaren Begriffe. So verstehen sie nicht, den Begrff "Leitung" zu definieren. Leitung ist nicht gleich Betätigung. Leiten besagt führen, anordnen, beaufsichtigen. Leitung haben besagt führende Überlegenheit, d. h. weisungsberechtigte Autorität über andere besitzen.

Mitarbeit ist etwas anderes als Leitung. Es ist falsch, wenn das Papier "Der pastorale Dienst in der Pfarrgemeinde" nun die Verkündigung, den Gottesdienst und die Wohlfahrtspflege unter die Überschrift "Leitungsaufgaben" des Pfarrers subsumiert (III,3,1). Alle drei genannten Tätigkeiten sind zwar Aufgaben des Pfarrers, stellen aber als solche keine Leitung dar. Sie bedürfen der Leitung, sind aber selbst von der Leitung verschieden.

Das Papier "Der pastorale Dienst in der Pfarrgemeinde" warnt schließlich davor, die hauptamtlichen Mitarbeiter einer Pfarrei "faktisch in die Rolle der Gemeindeleitung" zu drängen (III,5,4). Aber eben dies geschieht in der Limburger Ordnung und den Ordnungen, die ihr folgen. Hier werden die Laienfunktionäre geradezu von Amtes wegen in die Gemeindeleitung eingesetzt. Es ist keine Frage, dass damit eine neue hierarchische Stufe von Nichtgeweihten aufgebaut wird. Die Entwicklung ist noch nicht abgeschlossen. Bischof Lehmann bezeichnete das Papier "Der pastorale Dienst in der Pfarrgemeinde" als "Zwischenbilanz", d.h. er rechnete damit, dass die Entwicklung auf Umstülpung der Kirchenverfassung weitergeht, und er ermutigte mit dieser Bezeichnung zu solchen weiteren Verkehrungen.


IV.  Das Pastoralteam

1.  Aufbau

a)  In der Diözese Speyer

Eine andere Weise, den Priesterstand einzuebnen und das Priesteramt zu nivellieren, besteht darin, ihn in ein "Pastoralteam" einzubinden.

Der Speyerer Diözesanpastoralplan führte das "Pastoralteam" ein. Es setzt sich zusammen aus dem Pfarrer oder an dessen Stelle aus einem Diakon oder Laien als Pastoralteamleiter, dem Vorsitzenden des Pfarrgemeinderates, den Verantwortlichen für die drei Grunddienste (Katechese, Liturgie, Caritas), dem Kaplan, dem Ständigen Diakon, dem Pastoral- oder Gemeindereferenten. Dieses Gremium ist allzuständig. Nach diesem famosen Modell gehen die Grunddienste d. h. praktisch alles, was sich in einer Pfarrei tut, in die Hände der Verantwortlichen, d.h. gewöhnlich von Laien über.

Pastoralteamleiter in Pfarreien ohne Pfarrer ist in der Regel ein Laie. Ihm ist die komplette Seelsorge übertragen, soweit sie nicht an die Weihe gebunden ist. Er plant die gesamte Seelsorgearbeit in der Gemeinde und führt sie durch, wobei ihm die Verantwortlichen der Grunddienste zur Seite stehen.

Eine Aufgabenbeschreibung legt seine (Anm.: des Pastoralteamleiters) Kompetenz und seine Verantwortung fest. Er besitzt volle Handlungsverantwortung. Dem Pfarrer bleiben die Feier der Eucharistie und die Spendung der Sakramente. Er ist unmittelbarer Vorgesetzter des Pastoralteamleiters und nimmt die "Führungsverantwortung" wahr. Man fragt sich, was davon für ihn übrig bleibt. Offenbar das, was darauf folgt: "er leitet die regelmäßigen Dienstbesprechungen und trägt Sorge für die notwendige Qualifikation der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter".

b)  In anderen Diözesen

Das Pastoralteam blieb keine Erfindung des Bistums Speyer. Auch in dem Papier "Pastorale Planung" für Mainz taucht das Pastoralteam auf, in dem Priester, Diakone und Laien Pfarreien "leiten" (Nr. 16). Das Konzept "Pfarreiengemeinschaft als Seelsorgeeinheit", das am 2. Februar 1997 in der Diözese Augsburg in Kraft gesetzt wurde, etabliert ebenfalls in den Pfarreiengemeinschaften ein "Seelsorgetam", das Beratungsgremium und Leitungsteam in einem ist (S. 21).


2. Beurteilung

In der Konstruktion des Pastoralteams wird das priesterliche Haupt der Gemeinde bis zur Unkenntlichkeit in Laienfunktionen eingebunden und nivelliert. Christus wird nicht repräsentiert durch ein Pastoralteam, sondern durch das priesterliche Haupt der Gemeinde. Der Priester ist nicht gleichberechtigtes Mitglid eines Teams; der Priester ist von Gott bestellter Hirt.

Verbindliche Beschlüsse fassen kann nur, wer die entsprechende Vollmacht besitzt. Geistliche Vollmacht besitzt nur ein Kollegium, dessen Mitglieder Träger solcher Vollmacht sind. Die laikalen Mitglieder des Pastoralteams besitzen keine Vollmacht, und damit hat auch das Pastoralteam keine kollektive Leitungsvollmacht. Die Leitungsbefugnis des Priesters breitet sich nicht auf die in dem Team befindlichen Nichtgeweihten aus.

Die Konstruktion des Pastoralteams erweist sich somit als grundsätzlich verfehlt. Damit wird wiederum gegen die Verfassung der Kirche verstoßen, die eben gerade nicht, was die seinshafte Grundlage für geistliche Vollmacht angeht, eine Gesellschaft von Gleichen ist.


( 7)   Herder Korrespondenz 49, 1995, 131
( 8)   Herder Korrespondenz 49, 1995, 131
( 9)   Fuchs, Ämter für eine Zukunft der Kirche 121
(10)  Fuchs, Das kirchliche Amt 86f
(11)  Fuchs, Das kirchliche Amt 85


Übersicht: Zu den bisher erschienenen Fortsetzungen


Relevante Dokumente der Deutschen Bischofskonferenz (DBK):
  • "Der pastorale Dienst in der Pfarrgemeinde" vom 28. September 1995 (pdf)
  • Beschlüsse der Gemeinsamen Synode 1971-1975: "Die pastoralen Dienste in der Gemeinde" (pdf) und "Rahmenordnung für die pastoralen Strukturen und für die Leitung und Verwaltung der Bistümer in der Bundesrepublik Deutschland" (pdf)
  • weitere Downloads zur "Gemeinsamen Synode der Bistümer in der Bundesrepublik Deutschland 1971-1975" hier (bis ganz nach unten scrollen)

"Mentalitätswandel":

+      +      +

Dienstag, 25. Februar 2014

Prof. Georg May: Die andere Hierarchie - Teil 22: Schäden durch Theologen (3) - Der Katechismus der katholischen Kirche

Prof. Dr. Georg May


Die andere Hierarchie

Teil 22


Verlag Franz Schmitt Siegburg AD 1997


Fortsetzung: V. Schäden/ 2. Im Einzelnen
 
f)  Der Katechismus der katholischen Kirche

Ein besonders instruktives Beispiel, wie die progressistischen Theologen mit Äußerungen des höchsten kirchlichen Lehramtes umgehen, ist ihr Verhalten gegenüber dem Katechismus der katholischen Kirche.

Ich verweise auf das Buch des Fundamentaltheologen Verweyen (40). Die Behandlung des Lebens Jesu in dem Katechismus charakterisiert er als "einen ... historisierenden Jesus-Roman" (S. 23). Das ist Kritik daran, dass das Buch der unhistorisch-hysterischen Kritik an den Evangelien nicht genügend Raum gibt. Der Katechismus "bürstet ... das Lukasevangelium gegen den Strich" (24). Der unvermittelte Übergang von der Auswahl der Zwölf zur kirchlichen Hierarchie ist "von der Warte theologischer Wissenschaft her geradezu skandalös" (25). Der Umgang der Schrift im Katechismus ist "fundamentalistisch" (25). Der Katechismus fällt in die "neuscholastischen Denkgewohnheiten" zurück (35). Der Vorwurf "neuscholastischer Begrifflichkeit" (137) ist bekanntlich beinahe als solcher tödlich. Und das im Munde der Pluralismuspropheten! Das Zurückgreifen auf das Erste Vatikanische Konzil mit seinen präzisen Aussagen ist für Verweyen gewissermaßen der große Sündenfall des Katechismus.

Unverzeihlich ist für ihn, dass der Katechismus angeblich nicht bei den Vorgaben, die das Zweite Vatikanische Konzil gemacht hat, bleibt, sondern über sie hinweggeht. Diese Anklage kommt in seiner Schrift an vielen Stellen vor. Aus dem Buch von Verweyen ist freilich auch zu ersehen, welche Gefahren die vielfach unklaren, schwammigen Formulierungen des Zweiten Vatikanischen Konzils für den Glauben der Kirche bedeuten. Verweyen beanstandet, dass der Katechismus "eine der Kirche  vom Heiligen Geist verliehene Gabe der geistlichen Auslegung der Schrift behauptet" (51) (vgl. Dei verbum). Offensichtlich existiert sie für ihn nicht. Seine Sympathie gilt modernistischen Theologen wie Alfred Loisy (57).

Zu der Auslegung, die der Katechismus dem Messiasbekenntnis des Petrus zuteil werden lässt, schreibt Verweyen spöttisch: "Als Hellseher war mir Petrus noch nicht bekannt" (66). In solchem nörgelndem Ton ist die gesamte Schrift gehalten.

Es mag durchaus sein, dass nachkonziliaren Christen vieles in dem Katechismus "fremd und manchmal sogar anstößig erscheint (67). Das liegt aber nicht an dem Katechismus, sondern an der nachkonziliaren Theologie, welche das Glaubensbewusstsein der Kirchenglieder entscheidend verdorben hat.

In der Darstellung der Christologie findet Verweyen "einen kleinen Rückfall in den Monophysitismus" (68). In der Darstellung der Jungfräulichkeit Mariens "vermischt sich fromme Spekulation mit theologischer Unschärfe (71). Bei der Lehre von der Kirche stellt er "exegetisch haarsträubende Übergänge" fest (76).

Johannes Paul II. sieht in dem Katechismus "die reifste und vollendeteste Frucht der Lehre des Konzils" (Predigt vom 8. Dezember 1992: L'Osservatore Romano 22, 1992, Nr. 52/53 vom 25. Dezember1992, 10). Verweyen schreibt dagegen: "Hier weht ein anderer Geist als auf dem letzten Konzil" (77). Der Papst erblickt in dem Katechismus eine sichere Norm für die Lehre des Glaubens" und einen Dienst an der "Erneuerung" (Katechismus der katholischen Kirche 34). Verweyen wirft hingegen dem Katechismus "gravierende Fehlinterpretationen" des Konzils vor (80) und spricht in diesem Zusammenhang von einem "Ärgernis", "das in der Geschichte lehramtlicher Aussagen nach seinesgleichen sucht" (80).

Die Ausführungen des Katechismus über die Kirche als Leib Jesu Christi sind "weitestgehend unzutreffend" (79). Eine Aussage über die Sammlung des Gottesvolkes ist "unsinnig" (79). Nach Verweyen haben die Konzilsväter "eine volle Identifikation der Kirche des Credos mit der römisch-katholischen Kirche abgelehnt" (80). Der Katechismus erfährt Lob von Verweyen, wenn er Formulierungen gebraucht, die "geradezu von Hans Küng stammen" könnten (91).

Die Ausführungen des Katechismus über die geschichtliche Seite der Auferstehung bleiben dagegen "im Rahmen vorkonziliarer Apologetik" (92). In den Darlegungen zur Erhöhung Jesu finden sich nach Verweyen ein "Widerspruch" und "Ungereimtheiten" (93). Der Katechismus versucht im Ganzen, "das Rad der verbindlichen katholischen Lehre auf eine vorkonziliare Stellung zurückzudrehen" (95), wobei er "sophistisch" vorgeht (96). Für die in der nachkonziliaren Theologie Aufgewachsenen ist der Katechismus "reaktionär" und "fundamentalistisch" (100). Verweyen wirft dem Katechismus Beteiligung an "der Demontage wirklicher Lehrautorität" vor (113).

So also geht Herr Verweyen, der an der theologischen Fakultät Freiburg die Studierenden in die Fundamente der Theologie einführen soll, mit einem so gewichtigen lehramtlichen Dokument, wie es der Katechismus der katholischen Kirche ist, um. Niemand hat ihn meines Wissens in die Schranken gewiesen.

Ich will noch einen weiteren Kritiker des Weltkatechismus erwähnen, den Redakteur der sattsam bekannten "Herder-Korrespondenz", Ulrich Ruh. Ruh arbeitet mit anderen Mitteln, um den Katechismus um seine Wirkung zu bringen. Er bemerkt, der Katechismus sei "noch nicht von der Kirche rezipiert" (6). Dass er nicht rezipiert wird, dafür wird die Ablehnungsfront der progressistischen Theologen sorgen. Sein Haupteinwand besteht wohl darin, dass der Katechismus der sogenannten historisch-kritischen Exegese, d. h. der Auflösung der Schrift durch vorgefasste Meinungen, nicht folgt (66f). Der Katechismus ist ihm auch nicht genügend selbstkritisch gegenüber der katholischen Kirche ((68f). Ruh rügt, dass im Katechismus der katholischen Kirche "Theologie und Frömmigkeit" des Protestantismus "ausgespart" werden (71).

Der oft gemachte Vergleich mit dem deutschen Erwachsenenkatechismus fällt regelmäßig zu Ungunsten des Weltkatechismus aus (81, 83, u. ö.), was einleuchtet, wenn man bedenkt, dass der deutsche Katechismus von Walter Kasper stammt. Ruh rügt, dass der Katechismus nicht "neuere theologische Theorien oder Überlegungen zur individuellen und kollektiven Eschatologie" aufgreift (91). Dass der Katechismus "ausführlich und affirmierend" über den Ablass handelt, gefällt ihm nicht (95). Auch "ein überhöhtes Priesterbild", das der Katechismus angeblich bietet, passt ihm nicht (98).

Bezüglich der moraltheologischen Partien vermisst Ruh die Berücksichtigung der "Neuorientierung der Moraltheologie" (102). Gemeint sind wohl die irrigen Ansichten von Leuten wie Böckle, Auer und Fuchs. 

Im Katechismus dominiert "das geschichts- und wirklichkeitsenthobene Ordnungsdenken" (110). Die Einwände progressistischer Moraltheologen gegen die verbindliche Sexualmoral der Kirche gelten nach Ruh auch gegenüber dem Weltkatechismus (113f). Im Ganzen ist der Katechismus für die Aufgabe, die er sich gesetzt hat, eher ungeeignet als geeignet, weniger "sichere Norm", mehr "Ausdruck von Unsicherheit und Verlegenheit" (136).

So also behandelt ein Mann, der als Redakteur der Herder-Korrespondenz die progressistische Verbildung der katholischen Laien betreibt, das Lehrdokument des Papstes.

Mancher Gegner des Katechismus lässt es bei verbalen Attacken nicht bewenden. Der Paderborner Theologe Peter Eicher wandte sich deswegen an den Ministerpräsidenten von Nordrhein-Westfalen, den dezidierten Protestanten Rau, und suchte ihn gegen den Katechismus zu mobilisieren. Er wollte erreichen, dass der Weltkatechismus im Lande Nordrhein-Westfalen nicht als ordentliches Lehrmittel zugelassen wird (41). (Anm.: Peter Eicher ist Unterzeichner des Memorandums „Kirche 2011: Ein notwendiger Aufbruch“) So also steht es um die Stellung von Theologen zu Äußerungen des höchsten Lehramtes der Kirche.


(40)  Hansjürgen Verweyen, Der Weltkatechismus: Therapie oder Symptome einer kranken Kirche?, Düsseldorf 1993
(41)  Eicher, Wie kannst Du noch katholisch sein? 173





Weiteres zum Thema "Katechismus": 

Freitag, 31. Januar 2014

Präfekt der Glaubenskongregation: Warnung vor Machtkampf zwischen zentralistischen und partikularistischen Kräften

Der Präfekt der Glaubenskongregation, Erzbischof Prof. Dr. Gerhard Ludwig Müller, hat ein Schreiben vorgelegt, in dem er das Verhältnis von (universaler) Kirche zu den (Orts-) Kirchen und zwischen dem Primat des Bischofs von Rom und dem Bischofskollegium in der Tradition der kirchlichen Lehre beleuchtet.

In den deutschsprachigen Diözesen scheint es in der jüngeren Vergangenheit diesbezüglich offensichtlich Unsicherheiten und Defizite im richtigen Verständnis gegeben zu haben, erkennbar nicht zuletzt an den Äußerungen mancher Bischöfe, die meinten, die Einheit der Lehre ablehnen und eigene Vorstellungen - z. B. im Hinblick auf den Kommunionempfang zivil wiederverheirateter Geschiedener, in der Relativierung von Glaubenswahrheiten (die Letzten Dinge; Opfercharakter der Hl. Messe) - durchsetzen zu können. Erzbischof Müller schreibt:
"Der Bezug zum Nachfolger Petri, dem sichtbarem Prinzip der Einheit der Kirche, ist für jedes ökumenische Konzil, jede Partikularsynode und für jede Bischofskonferenz konstitutiv und göttlichen Rechtes, das allem kodikarischen Recht zugrundeliegen muss. Eine Bischofskonferenz kann niemals separate verbindliche dogmatische Erklärung abgeben oder gar definierte Dogmen und konstitutive sakramentale Strukturen relativieren (z.B. das eigene Lehr- und Hirtenamt abhängig machen von Gremien rein kirchlichen Rechtes).
Separatistische Tendenzen und präpotentes Verhalten würden der Kirche nur schaden. Die Offenbarung ist der einen und universalen Kirche zur treuen Verwahrung übergeben worden, die vom Papst und den Bischöfen in Einheit mit ihm geleitet wird (LG 8; DV 10). "

Das Dokument ist eine deutliche Warnung in Richtung der Deutschen Bischofskonferenz, dessen Vorsitzender Dr. Robert Zollitsch,  der ehemalige Erbischof der Diözese Freiburg, für dieses Frühjahr angekündigt hatte, in der Bischofskonferenz die Weichen  in Bezug auf die Pastoral mit zivil wiederverheirateten Geschiedenen auf eine von Rom abweichende Linie stellen und festschreiben zu wollen.

Im Vorspiel dazu hatte das Seelsorgeamt der Diözese Freiburg Anfang Oktober 2013 mit Zustimmung und Beteiligung des (da- und ehemaligen) Erzbischofs Zollitsch deutschlandweit eine Handreichung unter die Seelsorger gestreut, die Richtlinien für die Pastoral mit oben genannten Betroffenen enthält. Die Glaubenskongregation des Papstes mahnte daraufhin (nach bereits erfolgter nochmaliger Vorlage der kirchlichen Lehre) eine Rücknahme und Überarbeitung der Handreichung an, was von deutscher Seite - auch von Bischöfen - allerdings schlichtweg ignoriert oder als "Privatmeinung" Müllers abgetan wurde.

Müller erläuterte in seinem Schreiben auch, wie die Aussagen von Papst Franziskus in seinem Apostolischen Schreiben "Evangelii gaudium" vom 24.11.2013 über Kollegialität der Bischöfe und Dezentralisierung richtig zu verstehen sind:
"Eine Kirche, die nur um eigene Strukturprobleme kreiste, wäre erschreckend anachronistisch und weltfremd. Denn in ihrem Sein und ihrer Sendung ist sie nichts anderes als die Kirche des dreifaltigen Gottes, dem Ursprung und Ziel jedes Menschen und des ganzen Kosmos. Eine Neujustierung von Eigenständigkeit und Zusammenarbeit der Ortskirchen, von bischöflicher Kollegialität und Primat des Papstes darf die epochale Herausforderung der Gottesfrage nie aus den Augen lassen.

In seinem Apostolischen Mahnschreiben Evangelii gaudium spricht Papst Franziskus von einer heilsamen "Dezentralisierung". Das Leben der Kirche kann nicht derart auf den Papst und seine Kurie konzentriert sein, als ob sich in den Pfarreien, Gemeinschaften und Diözesen nur etwas Sekundäres abspiele. Papst und Bischöfe verweisen vielmehr auf Christus, der allein den Menschen Hoffnung gibt. Der Papst kann und muss nicht die vielfältigen Lebensbedingungen, die für die Kirche in den einzelnen Nationen und Kulturen sich zeigen, zentral von Rom aus erfassen und jedes Problem vor Ort selbst lösen. Eine übertriebene Zentralisierung der Verwaltung würde der Kirche nicht helfen, sondern vielmehr ihre missionarische Dynamik behindern (EG 32).

Deshalb gehört zur Neuevangelisierung, wie sie Thema der letzen Bischofssynode war (7.-28.10. 2012), auch eine reformierte Primatsausübung. Dies betrifft die Einrichtungen der universalen Leitung der Kirche, also besonders die Dikasterien der Römischen Kurie, deren sich der Papst bei der Ausübung der höchsten, vollen und unmittelbaren Gewalt über die Gesamtkirche bedient. "Diese versehen folglich ihr Amt in seinem Namen und mit seiner Vollmacht zum Wohle der Kirche und als Dienst, den sie den geweihten Hirten leisten" (CD 9).

Im Sinne der Neuevangelisierung müssen auch die Bischöfe, die Synoden und Bischofskonferenzen eine größere Verantwortung wahrnehmen inklusive "einer gewissen lehramtlichen Kompetenz". Denn diese kommt ihnen zu durch Weihe und kanonische Sendung und nicht erst durch eine spezielle päpstliche Bevollmächtigung. "Die Bischöfe, die in Gemeinschaft mit dem römischen Bischof lehren, sind von allen als Zeugen der göttlichen und katholischen Wahrheit zu verehren" (LG 25). Das päpstliche Lehramt ersetzt nicht das Lehramt der Bischöfe und ihr gemeinsames Wirken auf der nationalen oder auch kontinentalen Ebene (z.B. der Dokumente der CELAM: Puebla, Medellin, Santo Domingo, Aparecida), sondern setzt es voraus und fördert es in der Verantwortung für die ganze Kirche (EG 16).

Der Papst beruft sich ausdrücklich auf das Motu proprio Apostolos suos ( 1998), in dem Johannes Paul II. auf der Grundlage des II. Vatikanischen Konzils die Aufgaben der Bischofskonferenzen näher umschrieben hat. Im Gegensatz zu oberflächlichen Interpretationen ist damit nicht das Signal für einen Richtungswechsel oder eine "Revolution im Vatikan" gegeben. Machtkämpfe und Kompetenzstreitigkeiten könnte sich die Kirche nur unter Verlust ihrer missionarischen Aufgabe leisten.

Nach der ekklesiologischen Synthese des II. Vatikanums ist eine antagonistische oder dialektische Interpretation der Beziehung von Universalkirche und Ortskirchen ausgeschlossen. Die historischen Extreme von Papalismus / Kurialismus einerseits und von Episkopalismus/  (Konziliarismus/ Gallikanismus/ Febronianismus/ Altkatholizismus) andererseits können uns nur zeigen, wie es nicht geht, und dass die Verabsolutierung eines konstitutiven Elementes zu Lasten des anderen dem Bekenntnis zur Ecclesia una sancta catholica et apostolica widerspricht.

Die brüderliche Einheit der Bischöfe der universalen Kirche cum et sub Petro ist in der Sakramentalität der Kirche begründet und somit göttlichen Rechtes. Nur um den Preis einer Entsakramentalisierung der Kirche könnte ein Machtkampf zwischen zentralistischen und partikularistischen Kräften geführt werden. Am Ende bliebe eine säkularisierte und politisierte Kirche zurück, die sich von einer NGO nur noch graduell unterschiede. Das wäre der komplette Kontrast zu dem Apostolischen Mahnschreiben Evangelii gaudium.

Dem literarischen Genus nach ist dieses Schreiben kein dogmatischer, sondern ein paräntischer Text. Als seine dogmatische Basis ist die mit höchster lehramtlicher Verbindlichkeit dargelegte Lehre über die Kirche in Lumen gentium voraussetzt (EG 17). Es geht dem Papst um eine Überwindung der Lethargie und Resignation angesichts der extremen Säkularisierung und um ein Ende der lähmenden innerkirchlichen Auseinandersetzungen zwischen traditionalistischen und modernistischen Ideologien. Trotz aller Stürme und Gegenwinde soll das Schifflein Petri wieder die Segel der Freude über Jesus, der bei uns ist, aufziehen. Und die Jünger sollen ohne Angst in die Ruder greifen, um die Mission der Kirche kraftvoll voranzubringen."
 
Die Aufgabe der Glaubenskongregation ist es, "die Glaubens- und Sittenlehre in der ganzen katholischen Kirche zu fördern und schützen". Als Präfekt dieser Einrichtung äußert sich Erzbischof Müller nicht als Privatperson, sondern, wie oben zu lesen ist, "im Namen des Papstes und mit seiner Vollmacht zum Wohle der Kirche" - ist doch der Bischof von Rom und Nachfolger Petri "das immerwährende, sichtbare Prinzip und Fundament für die Einheit der Vielheit der Bischöfe und Gläubigen":
Die eine und einzige Kirche Gottes ist als universale Kirche präsent in den Kirchen Gottes zu Korinth, Rom, Thessalonich etc. Und vor Ort haben es die Glaubenden mit nichts anderem zu tun als mit der einen Kirche Christi, in der der Heilige Geist alle Getauften untereinander verbindet und sie in die Einheit des Leibes Christi einfügt, so dass alle einer sind in Christus und als Söhne und Töchter Gottes in Christus die eine familia Dei bilden.

Es geht also nicht um eine schwebende geistliche Vollmacht, die nach Erwägungen politischer und strategischer Zweckmäßigkeit zwischen dem Papst und den Bischöfen, der Universalkirche und den Ortskirchen aufgeteilt würde. Vielmehr hat Christus die Apostel insgesamt – als Kollegium – berufen. Er selbst hat ihnen den Apostel Petrus vorangestellt als Grundlage und Prinzip der Einheit der einen apostolischen Vollmacht und Sendung für die gesamte Kirche.
Die Bischofsweihe zeigt die kollegiale Natur des Bischofsamtes in der Zuordnung des einzelnen Bischofs zum Gesamtkollegium mit dem Papst als dem Haupt, ohne den das Kollegium keine universale Vollmacht in Lehr- und Hirtenamt ausüben kann. "Die kollegiale Einheit tritt auch in den wechselseitigen Beziehungen der einzelnen Bischöfe zu den Teilkirchen wie zur Gesamtkirche in Erscheinung. Der Bischof von Rom ist als Nachfolger Petri das immerwährende, sichtbare Prinzip und Fundament für die Einheit der Vielheit der Bischöfe und Gläubigen. Die Einzelbischöfe hinwiederum sind sichtbares Prinzip und Fundament der Einheit in ihren Teilkirchen, die nach dem Bild der Gesamtkirche gestaltet sind. In ihnen uns aus ihnen besteht die eine und einzige katholische Kirche. Daher stellen die Einzelbischöfe je ihre Kirche, alle zusammen aber in der Einheit mit dem Papst die ganze Kirche im Band des Friedens, der Liebe und der Einheit dar" (LG 23).
Man kann nur hoffen, dass das Schreiben auch in Deutschland auf offene Ohren und Herzen trifft und sich die Verantwortlichen der Kirche in Deutschland, die zur Zeit fest in der Hand von Kirchenfunktionären des Kirchensteuervereins "Katholische Kirche - Körperschaft des öffentlichen Rechts" ist, noch besinnen, bevor aus "separatistischen Tendenzen" ein handfestes Schisma wird, das längst bereits latent besteht. Viel Hoffnung allerdings scheint es nicht zu geben, wenn nicht Rom seinen Worten auch Taten folgen lässt und die stillen, macht- und sprachlosen, zumeist nicht in Gremien organisierten Gläubigen, die Familien, Kinder und Jugendlichen vor den reißenden Wölfen und falschen Lehren und Ideologien zu schützen bereit ist. Doch davon hängt in vielen Fällen nicht weniger ab als das Heil der Seelen.



Weiteres zum Thema "Schismatische Tendenzen":


+      +      +

Samstag, 25. Januar 2014

Und immer wieder: das Konzil...

Von Pater Bernward Deneke FSSP, Wigratzbad 

Eines haben die Unruhen der letzten Jahrzehnten gezeigt: In den Diskussionen über Gegenwart und Zukunft der Kirche führt kein Weg am Zweiten Vatikanischen Konzil (1962-65) vorbei. Man mag es als „Neues Pfingsten“ rühmen oder als „Räubersynode“ verwerfen, mag es in Kontinuität oder Diskontinuität zur vorherigen Tradition auslegen, mag seine Anliegen in der Kirche bereits verwirklicht, gar überboten oder im Gegenteil verraten sehen, immer jedenfalls ist das Konzil ein Thema. Von hochrangigen Kirchenvertretern wie von einflussreichen Laienvereinigungen wird es gerne und mit besonderer Nachdrücklichkeit gegen „traditionalistische“ Kritiker ins Relief gehoben. Dem wachen und redlichen Beobachter der Lage fallen dabei allerdings einige Merkwürdigkeiten und Unstimmigkeiten auf, die sich mit den bloßen Fakten und einem Schuss gesunder Logik allein nicht klären lassen: 

1) Da ist einmal die so stark betonte Verbindlichkeit, die dieses Konzil für jeden haben soll, der heute katholisch sein und leben will. Wohlgemerkt: Es ist keineswegs verwunderlich, dass einem Ökumenischen Konzil der Kirche für den Katholiken hohe Bedeutung beigemessen wird. Aber es berührt doch eigenartig, diese Forderung ausgerechnet aus dem Munde von Personen oder Gruppierungen zu vernehmen, die sich sonst gegen kirchliche Dogmatisierungen aussprechen und diese als „mittelalterlichen Glaubenszwang“ verwerfen. Die alten Dogmen sind tot – lang lebe das neue Dogma!

2) Sodann erstaunt, dass eine derartige Verbindlichkeit ausgerechnet und nur dem Zweiten Vaticanum zugeschrieben wird, obwohl doch „die Wahrheit ist, dass das Konzil selbst kein Dogma definiert hat und sich bewusst in einem niedrigeren Rang als reines Pastoralkonzil ausdrücken wollte; trotzdem interpretieren es viele, als wäre es fast das Superdogma, das allen anderen die Bedeutung nimmt“ – so kein Geringerer als Joseph Kardinal Ratzinger am 13. Juli 1988 vor den Bischöfen Chiles.

3) Ihren Gipfel erreicht die Widersprüchlichkeit aber in der Tatsache, dass diejenigen, die als Wächter über die Konzilstreue anderer auftreten, ihrerseits vieles fordern, fördern und tun, was mitnichten dem Zweiten Vaticanum entspricht.

In diesem Zusammenhang kann auf eindeutigen Aussagen des Konzils hingewiesen werden, die von den Beschwörern des Konzilsgeistes nicht sonderlich geschätzt werden; so zur Frage der Geburtenregelung (GS 51: Gläubige dürfen keine Wege der Geburtenregelung beschreiten, „die das Lehramt in Auslegung des göttlichen Gesetzes verwirft“), über liturgische Willkür (SC 22: Niemand darf „nach eigenem Gutdünken in der Liturgie etwas hinzufügen, wegnehmen oder ändern“), über die Pflege der Kultsprache (SC 36 § 1: Beibehaltung der lateinischen Sprache; SC 54: Die Gläubigen sollen „die ihnen zukommenden Teile des Messordinariums auch lateinisch miteinander sprechen oder singen können“), über den Gregorianischen Choral (SC 116: Als der „der römischen Liturgie eigene Gesang“ soll er „in den liturgischen Handlungen ... den ersten Platz einnehmen“) und über den priesterlichen Zölibat (OT 10: Die Kandidaten sollen „mit großer Sorgfalt“ auf ihr Leben in der „verehrungswürdigen Tradition des priesterlichen Zölibates“ vorbereitet werden).

Wichtiger als solche Einzelstellen freilich ist die Deutlichkeit, mit der sich das Vaticanum II in einer Linie mit den vorangegangenen Konzilien sieht und somit in die kirchliche Lehrüberlieferung einreiht. Das wird in einigen Dokumenten ausdrücklich gesagt und geht ansonsten aus den vielfachen Verweisen des Konzils auf frühere Kirchenversammlungen und päpstliche Lehrschreiben hervor. Obwohl die Kontinuität mit der Überlieferung an manchen Punkten gewiss noch der Klärung bedarf, ist es offensichtlich, daß sich das letzte Konzil selbst in keiner Weise als Abbruch der bisherigen Tradition oder sogar als Gründungsurkunde einer neuen Kirche verstand. Wer es so interpretiert, geht unfehlbar in die Irre.

Diesen Sachverhalt hat Papst Benedikt XVI. in seinem Brief an den Weltepiskopat vom 10. März 2009 nochmals auf den Punkt gebracht: „Man kann die Lehrautorität der Kirche nicht im Jahr 1962 einfrieren (...). Aber manchen von denen, die sich als große Verteidiger des Konzils hervortun, muss auch in Erinnerung gerufen werden, dass das II. Vaticanum die ganze Lehrgeschichte der Kirche in sich trägt. Wer ihm gehorsam sein will, muss den Glauben der Jahrhunderte annehmen und darf nicht die Wurzeln abschneiden, von denen der Baum lebt.“

Wenn sich diese Einsicht durchsetzen könnte – welcher Fortschritt!



Hinweise:
- mit freundlicher Genehmigung des Verfassers
- der Beitrag erschien bereits im
Schweizerischen Katholischen Sonntagsblatt (SKS)  



Und auch:

Bild: Blick in den Peterdom in Rom während des II. Vatikanums; PMT

Freitag, 20. Dezember 2013

Prof. Georg May: Die andere Hierarchie - Teil 16: Die Theologieprofessoren - Lehramt und Theologie

Prof. Dr. Georg May


Die andere Hierarchie
Teil 16


 Verlag Franz Schmitt Siegburg AD 1997



§ 6  Die Theologieprofessoren

Die andere Hierarchie ist vielgestaltig. Sie tritt bald in Einzelpersonen, bald in Gremien, bald in Gruppen in Erscheinung. Besondere Beachtung verdient das Neben- und Ersatzlehramt der Theologieprofessoren.


I.  Lehramt und Theologie

1. Lehramt

Was zu glauben und zu tun ist, bestimmt Gott. Er macht uns seinen Willen kund durch den menschgewordenen Gottessohn. Jesus Christus hat seine Lehre der von ihm gegründeten Kirche anvertraut. In der Kirche gibt es ein Lehramt, das von Amtes wegen und mit Autorität die verbindliche Lehre vorträgt (Dignitatis humanae Nr. 14). Die Träger dieses Lehramtes sind die Bischöfe mit dem Papst an der Spitze (Lumen gentium Nr. 22). Die Gläubigen schulden ihm religiösen Gehorsam des Verstandes und des Willens (LG 25).

Die Autorität des Lehramtes geht auf die Sendung Christi und der Apostel zurück; sie gründet im Sakrament und im Amt (LG 21 und 22). Nach dem Zweiten Vatikanischen Konzil verkündet Christus den Völkern vorzüglich durch den Dienst der Bischöfe Gottes Wort (LG 21). Sie haben die Aufgabe Christi, des Lehrers, inne. Die Bischöfe sind authentische, d. h. mit der Autorität Christi ausgerüstete Lehrer (LG 25). Mögen sie noch so sehr versagen, sie bleiben Inhaber des Lehramtes. Es ist den Gläubigen unbenommen, ihnen ihr Versagen vorzuhalten. Aber damit werden sie nicht aus der Unterstellung unter das Lehramt entlassen, wann immer dieses seiner gottgesetzten Aufgabe nachkommt.

Man kann sich auf das gesunde Lehramt gegen das kranke Lehramt berufen, aber an das Lehramt bleibt der katholische Christ gebunden. Die Vollmacht, authentische Urteile über die Glaubenslehre abzugeben, erwächst nicht aus der thologischen Bildung, die jemand genossen hat, sondern aus der Befugnis des kirchlichen Amtes. Wer dies bestreitet, unterstellt die Amtsträger den Theologen und liefert sie damit der Vielfalt der theologischen Meinungen aus. Dem Lehramt ist das autoritative, d. h. verbindlich urteilende und gegebenenfalls richtende Zeugnis des Glaubens anvertraut.

Es ist falsch, die Aufgabe des Lehramtes auf das Bemühen um friedlichen Umgang von Christen unterschiedlicher Auffassung einzuschränken, wie es Ottmar Fuchs tut, der dem Lehramt die Hauptaufgabe zuweist, Konsens und Koexistenzmöglichkeiten bei Dissens zu suchen (1). Das Lehramt besitzt jurisdiktionelle Befugnisse, die es berechtigen, Weisungen zu geben und Gehorsam zu fordern. Im Lehramt verbinden sich priesterliche Vollmacht und Hirtengewalt.

Das Lehramt hat die heilige Pflicht, die Glaubenshinterlage unversehrt zu bewahren. Das Zweite Vatikanische Konzil schreibt den Bischöfen die Aufgabe zu, "die ihrer Herde drohenden Irrtümer" wachsam fernzuhalten (LG 25). Sie dürfen also zu Irrlehren nicht schweigen oder sie verharmlosen. Die hartnäckige Leugnung oder Bezweiflung einer mit göttlichem und katholischem Glauben zu glaubenden Wahrheit ist Häresie (c. 751). Wer dies tut, ist ein Häretiker. Er verfällt ohne weiteres der Exkommunikation (c. 1364 §1). Den Eintritt dieser Strafe von Amtes wegen festzustellen, ist Sache der Oberhirten.


2.  Theologie

Theologische Arbeit ist wissenschaftlicher Dienst am Glauben. Sie hat die Lehre aus dem Glauben und für den Glauben vorzutragen. Die theologische Wissenschaft leistet den Trägern des Lehramtes einen gewichtigen Dienst, indem sie die Glaubenslehre aus den Urkunden der Offenbarung erhebt und rational durchdringt.

Die Autorität der Theologen beruht auf der Kraft ihrer Erkenntnis und der Übereinstimmung ihrer Lehre mit dem Glauben der Kirche. Ihnen kommt weder Weisungsrecht noch Leitungsbefugnis zu. Die Theologen sind außerstande, den Glauben verbindlich vorzulegen. Ihnen fehlt das Amtscharisma, und deswegen können sie niemals als gleichberechtigte Partner des Lehramtes auftreten. Es ist falsch, wenn Greinacher die Forderung erhebt, "dass eine Entscheidung in Fragen des Glaubens und der Sitte nur im Einvernehmen von theologischer Wissenschaft und kirchlichem Lehramt gefunden werden kann" (2). Theologie und Lehramt können nicht auf derselben Ebene der Parität stehen. Vielmehr bedarf der Theologe zur Erfüllung seiner Aufgabe der kanonischen Sendung, die ihm von den Trägern des Lehramtes erteilt und u. U. entzogen wird.

Der Glaube kommt nicht aus der Theologie, sondern aus der glaubenden und lehrenden Kirche. Die Theologie empfängt den Glauben vom lebendigen Zeugnis, hinter dem die kirchliche Lehrautorität steht. Deswegen muss sie ihre Lehre stets in der Bindung an die Vorgaben des Lehramtes vortragen. Eine Theologie, die sich diesen Bindungen entzieht, ist unfähig, den Dienst am Glauben zu leisten. Das heißt: Sie hebt sich selbst als Glaubenswissenschaft auf.


(1)  Fuchs, Zwischen Wahrhaftigkeit und Macht 183
(2)  Norbert Greinacher, Kirchliches Lehramt und Theologen: Theologische Quartalsschrift 160, 1980, 139







+      +      +

Samstag, 16. November 2013

Prof. G. May: Die andere Hierarchie - Teil 11: Das Rätesystem auf Ebene des Bistums - Der Priesterrat

Prof. Dr. Georg May

Die andere Hierarchie
Teil 11


Verlag Franz Schmitt Siegburg AD 1997




§ 4  Das Rätesystem auf der Ebene des Bistums

Weil die maßgebenden Glieder der Hierarchie, die Bischöfe, in erschütterndem Ausmaße vor ihrer Aufgabe versagt haben, kam es zum Entstehen einer anderen Hierarchie. Ich meine das Rätesystem. Seit dem Zweiten Vatikanischen Konzil wurde vom Pfarrgemeinderat über den Dekanatsrat sowie das Zentralkomitee bis zum Päpstlichen Laienrat eine ungeheure Organisation von Gremien geschaffen, die sich neben die Hierarchie göttlichen Rechtes setzt und eine Aktivität entfaltet, die in Konkurrenz, teilweise in Gegensatz zu jener tritt.


I.  Der Priesterrat

1.  Rechtliche Ausgestaltung

Im bischöflichen Bereich entstand zuerst der Priesterrat. Er wurde vom Zweiten Vatikanischen Konzil etabliert, offenbar als Konzession an die demokratische Bewegung in der Öffentlichkeit. Der Priesterrat ist nach dem Priesterdekret "Presbyterorum ordinis" Nr. 7 in jeder Diözese pflichtmäßig einzurichten. Er soll die Priesterschaft der Diözese repräsentieren und den Bischof in der Leitung der Diözese beraten. Das Wort "repräsentieren" bedeutet an dieser Stelle soviel wie sichtbar machen, darstellen, vertreten.

Die Grundordnung des Priesterrates ist in den cc. 495-502 CIC niedergelegt. Dazu treten die Satzungen der einzelnen diözesanen Priesterräte (1). Der Priesterrat ist "ein Kreis von Priestern, der als Repräsentant des Presbyteriums gleichsam Senat des Bischofs ist". Die Aufgabe besteht darin, den Bischof bei der Leitung der Diözese nach Maßgabe des Rechtes zu unterstützen (c. 495 §1). Der Diözesanbischof ist der Vorsitzende des Priesterrates (c. 500 §1). Dieser kann nicht ohne den Bischof handeln (c. 500 §3).

Dem Priesterrat "obliegt die Sorge um Dienst und Leben der Priester, um den Priesternachwuchs sowie die Aus- und Weiterbildung der Priester". Er hat die Aufgabe, "über die pastorale Tätigkeit in der Diözese zu beraten und sie zu fördern". Der Priesterrat hat lediglich beratende Funktion. Der Bischof muss ihn aber bei Angelegenheiten von größerer Bedeutung anhören und in wenigen, vom Recht festgelegten Fällen sogar seine Zustimmung einholen. Nicht zu verstehen ist, dass nach dem Würzburger Statut dem Priesterrat auch Nichtpriester, nämlich Diakone und ein Theologiestudent angehören (2). Die Mitgliedschaft im Priesterrat ist zeitlich begrenzt. Der gesamte Rat oder ein Teil muss innerhalb von fünf Jahren erneuert werden (c. 501 §1).


2. Beurteilung

Zur Beurteilung der neuen Einrichtung ist folgendes zu bemerken. Ich halte sie für überflüssig und schädlich. Dass sich der Bischof mit seinen Priestern besprechen soll, ist unbestritten. Doch dafür gibt es viele Möglichkeiten. Einmal soll der Bischof engen Kontakt nicht bloß zu einigen, sondern zu allen Priestern und jedem einzelnen pflegen. Er ist der Seelsorger seiner Seelsorger. Von ihnen kann er erfahren, wie die Lage und was zu tun ist. Freilich muss er sich dazu in seiner Diözese aufhalten und nicht fortwährend auf Reisen oder in Konferenzen sein. Der Diözesanbischof, der seine Pflicht erfüllt, hat andauernde,  unmittelbare Verbindung mit seinen Priestern; er benötigt keine Vermittlungsstelle in Gestalt des Priesterrates. Er ist in seinem Bistum anwesend und besucht Pfarrei um Pfarrei, hört selbst die Priester an und vernimmt ihre Anliegen.

Sodann soll der Bischof in die Dekanatskonferenzen gehen. Hier hat er die Priester eines überschaubaren Teils seiner Diözese vor sich und kann sich über regionale Fragen und Desiderate unterrichten.

Weiter gibt es die Konferenz der Dekane. Wenn diese ihr Amt richtig verstehen und verwalten, dann bündeln sich in ihnen gleichsam die Anregungen und Wünsche, Probleme und Schwierigkeiten der Diözese. Von ihnen kann der Diözesanbischof Informationen und Beratung empfangen.

Schließlich besitzt der Bischof in seinem Domkapitel ein qualifiziertes Beratungsorgan. Sein unschätzbarer Vorteil liegt darin, dass es nicht auf Wahl oder Wiederwahl angewiesen und daher unabhängig ist. Von ihm kann und muss der Bischof Dinge hören, die er vielleicht nicht hören will. Außerdem sammeln sich in den Domkapiteln die Nachrichten aus der gesamten Diözese. Seine Mitarbeiter erwerben durch ihre regelmäßige jahrzehntelange Tätigkeit eine umfassende Kenntnis der diözesanen Angelegenheiten und eine breitgestreute Erfahrung bei ihrer Behandlung, die den temporären Angehörigen des Priesterrates unmöglich sind.

Den meisten Mitgliedern der Priesterräte fehlen Vorbildung und Kompetenz zur Beratung in den Fragen, die anstehen, wie sie den jahrzehntelang in der Verwaltung der Diözese tätigen Domkapitularen eigen sind. Den Mitgliedern des Priesterrates, die von Wahlperiode zu Wahlperiode wechseln, fehlt die bleibende Verantwortung. Der vielbeschäftigte Seelsorger hat gar keine Zeit, sich um Angelegenheiten, die seinen Sprengel übersteigen, zu kümmern; einen Überblick über die gesamte Diözese zu gewinnen ist ihm unmöglich.

Der Priesterrat ist auch in der Regel kein Querschnitt der Priesterschaft eines Bistums, sondern überwiegend eine Ansammlung von Klerikern, die meinen, Zeit für die mehrfach im Jahre abgehaltenen Sitzungen erübrigen zu können. Gerade die wertvollsten Seelsorger, die sich im unermüdlichen Dienste der ihnen anvertrauten Gläubigen verzehren, bleiben den Priesterräten regelmäßig fern.

Sodann sammeln sich im Priesterrat nicht ganz selten unzufriedene Elemente der Priesterschaft einer Diözese und bilden evtl. dessen Mehrheit oder jedenfalls dessen agilsten Teil. Es gibt Priesterräte, in denen progressistisch aufgeheizte Geistliche, welche die katholische Orientierung verloren haben, den Ton angeben; sie benutzen ihre Position, um die kirchliche Entwicklung in Richtung auf den Protestantismus voranzutreiben.

Ich fasse mein Urteil dahin zusammen: Der Priesterrat ist kein Fundament, auf dem sich etwas Solides erbauen ließe, sondern Treibsand, der von den Fluten der Zeitströmung hin- und herbewegt wird. In den Sitzungen wird viel Zeit vertan, unerleuchtete Meinungen melden sich häufig zu Wort. Der bürokratische Aufwand, den Priesterräte verursachen, ist beträchtlich. Ich komme um das Urteil nicht herum: Der Priesterrat ist eine eklatante Fehlkonstruktion.


(1)  Z. B. Statut des Priesterrates im Bistum Erfurt vom 15. Mai 1995 (Archiv für katholisches Kirchenrecht 164, 1995, 158-160); Satzung des Priesterrates des Erzbistums Hamburg vom 4. Dezember 1995 (Pfarramtsblatt 69, 1996, 61-63)
(2)  Statut des Priesterrates der Diözese Würzburg vom 17. Juni 1996 (Pfarramtsblatt 69, 1996, 268-273) Art. 2



Fortsetzung folgt in unregelmäßigen Abständen

Samstag, 9. November 2013

Prof. G. May: Die andere Hierarchie - Teil 8: Die Bischöfe - Versagen

Prof. Dr. Georg May

Die andere Hierarchie
Teil 8

Verlag Franz Schmitt Siegburg AD 1997


II. Versagen

Es erhebt sich die Frage, wie die Bischöfe den oben erwähnten Aufgaben ihres Amtes nachkommen. Die Antwort kann nur lauten: dei meisten von ihnen mehr schlecht als recht.

Es ist eine offenkundige und unbestreitbare Tatsache: Die Bischöfe sind die Hauptverantwortlichen für den unaufhörlichen dramatischen Niedergang der Kirche. Selten in der Geschichte hat eine Führungsschicht in so ungeheurem Ausmaße versagt wie die Mehrheit des Bischofskollegiums nach dem Zweiten Vatikanischen Konzil. Um in der Nähe zu bleiben: Die deutschen Bischöfe haben sich als unfähig erwiesen, die letztlich entscheidenden Aufgaben der katholischen Kirche in Deutschland adäquat zu lösen: den Glauben zu erhalten und zu verbreiten, die Sitten zu heben und bessern, den Gottesdienst zu fördern und zu schützen.

Es schadet ihrer Autorität enorm, dass sie sich bis zur Stunde weigern, das Chaos, das in der Kirche auch durch ihr Tun und Unterlassen heraufbeschworen wurde, realistisch zu schildern. Sie sind nicht gewillt, die Selbstzerstörung der Kirche beim Namen zu nennen. Die Bischöfe, an der Spitze der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, entschuldigen sich fortwährend wegen angeblicher oder wirklicher Fehler vergangener Generationen. Viel mehr angebracht wäre ein offenes Bekenntnis des eigenen Versagens. An einem sochen aber fehlt es bis zur Stunde.


1.  Die Lage des Glaubens

Die deutschen Bischöfe haben seit Jahrzehnten versäumt, das eine Notwendige, das schlechthin Unentbehrliche zu tun, nämlich den katholischen Glauben in Fülle und Reinheit zu verkündigen, zu erhalten, zu schützen und zu verbreiten.

Walter Hoeres hat zu recht festgestellt: "Allenthalben werden institutionelle Besitzstände verteidigt, aber nicht mehr das, wozu diese Institutionen doch allein da sind: der ganze und unverfälschte Glaube" (5).

Die Bischöfe sprechen fortwährend von der Weitergabe des Glaubens. Ich vermisse, dass sie präzesieren, welcher Glaube weitergegeben werden soll, jener, den die Urkunden der Lehrverkündigung enthalten, oder der andere, den die Masse der Theologen und Katecheten vorträgt. Es ist ebenso sinnlos, die Gemeindemitglieder aufzufordern, ihren Glauben zu bekennen, wenn der Inhalt dieses Glaubens nicht mehr feststeht. Bischof Lehmann stellte "erstaunliche Erschütterungen" im Glaubensbewusstsein fest. Dagegen müsse man aufzeigen, wie man heute den Glauben verstehen muss, ohne Überzeugungen preiszugeben (6). Wann zeigt er uns diese Kunst?

Sehr schwer wiegen die wiederholten Kapitulationen der deutschen Bischöfe vor dem Protestantismus. Ich erinnere beispielsweise an die Auslieferung der Mischehenfamilien an die Irrlehre (7) und die Gestattung sogenannter ökumenischer Gottesdienste an Sonntagen (Anm.: vgl. "Erklärung der Deutschen Bischöfe bezüglich ökumenischer Gottesdienste" vom 24. Februar 1994; KA 1994 Nr. 63). Mit diesen und anderen unseligen Handlungen haben sie ihre Führungsunfähigkeit und Schwäche vor aller Welt dokumentiert. Die Deutsche Bischofskonferenz unterhält ein Institut für den Ökumenismus. Warum errichtet sie keine Einrichtung für die Bekehrung der Abgefallenen?

Die deutschen Bischöfe waren auch nicht fähig, die Auffassung des Protestantismus von Ehe und Eheschließung zu begreifen und adäquat in Normen umzusetzen ((8). Mit dem von ihnen geförderten ökumenischen Betrieb lenken sie immer mehr katholische Christen in die protestantischen Hürden. Es gibt verbotene Interkommunion und Interzelebration. Die Bischöfe wissen davon, aber lassen in der Regel den zerstörerischen Aktivitäten ihren Lauf (9).

Mit ihrem "Hirtenwort" zum Kommunionempfang der wiederverheirateten Geschiedenen (Anm.: 1993) haben die oberrheinischen Bischöfe und ihre bischöflichen Sympathisanten eklatant gegen die Pflicht, die Unversehrtheit und Einheit der Glaubenslehre zu schützen (c. 386 §2), verstoßen. Der Heilige Stuhl hat die in diesem Schreiben vertretenen Ansichten als unzutreffend zurückgewiesen. Das hindert deutsche Bischöfe nicht, weiter auf der falschen Auffassung zu verharren und die Seelsorger entsprechend zu instruieren (10). Im zweiten Band des von den deutschen Bischöfen herausgegebenen Erwachsenenkatechismus wird die verkehrte Ansicht in verklausulierter Form dem gesamten katholischen Volk der Bundesrepublik Deutschland vorgelegt (11). Giovanni Sala fragt daher mit Recht, ob dieser ominöse Katechismus "den Auftakt zu einer Regionalisierung von Glaube und Moral in der Katholischen Kirche markieren" werde (12).


2.  Die Lage von Frömmigkeit und Sittlichkeit

Die deutschen Bischöfe haben sich auch als unfähig erwiesen, die Frömmigkeit im Kirchenvolk nachhaltig zu fördern, zu beleben und zu stützen.

Wer die heutige religiöse Praxis in den meisten Gemeinden beobachtet und mit jener vor 40 (Anm.: nunmehr etwa 60) Jahren vergleicht, erkennt den erschreckenden Abstieg, der sich vollzogen hat. Die deutschen Bischöfe haben sich weiter als unfähig erwiesen, überall die Abhaltung gotteswürdiger Gottesdienste zu gewährleisten. Das Material, das über skandalöse gottesdienstliche Veranstaltungen vorliegt, ist enorm. Niemals ist etwas Durchgreifenderes geschehen, um diesem Zustand abzuhelfen.

Die deutschen Bischöfe haben sich ebenso als unfähig erwiesen, die Sittklichkeit im katholischen Volk auf einem hohen Stand zu halten. Die Verhältnisse vor allem im Bereich der geschlechtlichen Sittlichkeit, sind bedrückend. Die deutschen Bischöfe haben sich auch als unfähig erwiesen, die Jugend für Gott, Kirche und Priestertum zu begeistern. Was sich in den Resten sogenannter katholischer Jugend tut, ist meist deprimierend. Die skandalösen Vorgäng und Zustände im Bund der katholischen Jugend (13) haben niemals ein energisches Durchgreifen der Bischöfe ausgelöst.

Die deutschen Bischöfe haben sich schließlich als unfähig erwiesen, den Geist des Apostolats in den Gläubigen zu entfachen und zu erhalten. Die völlige Unfähigkeit der katholischen Kirche in Deutschland, Mission zu treiben, hat sich mit erschütternder Deutlichkeit beim Fall der Mauer gezeigt.

Die Bischöfe sind auch verantwortlich für das unglaublich bornierte Verhalten gegenüber jenen Priestern, die in gläubigen Gruppierungen wie der Petrus-Bruderschaft und den Dienern Jesu und Mariens herangebildet werden. Sie liefen die Gemeinden lieber Vertretern der anderen Hierarchie aus, als dass sie diese Priester in den Gemeinden arbeiten lassen. Sie laden damit eine schwere Schuld auf sich.


3.  Das Fehlen des Kampfesmutes

Dem deutschen Katholizismus fehlt, soweit er von den Bischöfen geführt wird, jeder kämpferische Zug. Dieser Mangel hat in erster Linie darin seinen Grund, dass die allermeisten Bischöfe nichts mehr fürchten als den Kampf. Ihre Hauptmaxime scheint zu sein: Nur keine Auseinandersetzungen! Nur keine Konflikte!

Christ sein heißt jedoch Kämpfer sein. Wer in der Nachfolge des Herrn steht, muss gegen Satan und Sünde kämpfen; er muss erforderlichenfalls auch gegen die irdischen Dienstmänner des Teufels zu Felde ziehen. Entschiedenheit zeigen die Bischöfe, wenn es um Asylanten oder Landminen geht. In den Lebensfragen der Kirche sind sie von lähmender Nachgiebigkeit. Wann sind die Bischöfe jemals aufgestanden gegen die Gehässigkeiten, die der "Spiegel" Jahr für Jahr über die Kirche ausschüttet? Äußerst selten hat ein deutscher Bischof auf die sich mehrenden Anschläge gegen den Glauben, die Sittenlehre und die Ordnung der Kirche angemessen reagiert. Wenn überhaupt etwas geschah, kam das Handeln regelmäßig zu spät, wurden halbe Maßnahmen getroffen und blieb die Konsequenz aus.

Die Strategie der Konfliktvermeidung, des Erhalts der Kirchensteuer und der Anpassung an den Demokratismus ließ die notwendigen Maßnahmen nicht zu. Die Bischöfe haben ein famoses Mittel, um Ruhe zu haben: Sie erfüllen die Wünsche derer, die heute das große Wort in Kirche und Welt führen. Sie wollen es nicht Gott, sondern den Menschen recht machen. Auf diese Weise entgeht man Kämpfen. Die führenden Männer der Kirche haben sich jahrzehntelang der Welt angebiedert. Heute erhalten sie die Quittung: Die Welt steht ihr gleichgültig gegenüber oder missbraucht sie allenfalls für weltliche Zwecke.


 (5)  Walter Hoeres, Die Macht des Schicksals: Theologisches 26, 1996, 275 - 277, hier 275
 (6)  Allgemeine Zeitung vom 14. Juni 1996 S. 15; Glaube und Leben Nr. 20 vom 19. Mai 1996 S. 11
 (7)  Georg may, Ein Dokument der Kapitulation: Una Voce- Korrespondenz 15, 1985, 267 - 270
 (8)  Georg May, Mängel im Ehevorbereitungsprotokoll der deutschen Bischöfe: Theologisches 24, 1994, 175 - 194
 (9)  Z. B.: Una Voce- Korrespondenz 27, 1997, 250f
(10) Giovanni Sala, Vom Sinn und Unsinn einer "differenzierten" Betrachtung in der Moral. Zu einer neuen Pastoral für wiederverheiratete Geschiedene: Forum Katholische Theologie 11, 1995, 17 - 53; Freundeskreis Maria Goretti Information 60, 1996, 43 - 47
(11) Katholischer Erwachsenen-Katechismus II, 351f
(12) Giovanni Sala, Die Zulassung wiederverheirateter Geschiedener und die "Königsteiner Erklärung" im Katholischen Erwachsenen-Katechismus: Forum Katholische Theologie 12, 1996, 16 - 35, hier 35
(13) Freundeskreis Maria Goretti Information 62, 1997, 23, 30f, 56; Otto Maier, "Ganz sicher nicht katholisch!" Ein Weißbuch über den BDKJ und seine Mitgliederverbände, Meckenheim, Lippstadt 1997




Fortsetzung folgt in unregelmäßigen Abständen

Montag, 4. November 2013

Prof. Georg May: Die andere Hierarchie - Teil 4: Der Heilige Stuhl - Die Lehre

Prof. Dr. Georg May

Die andere Hierarchie

Teil 4


Verlag Franz Schmitt Siegburg AD 1997


§ 2  Der Heilige Stuhl


I.  Die Lehre

1.  Die päpstliche Gewalt

Der Papst ist das sichtbare Haupt der Kirche. Er vertritt den Herrn Jesus Christus als Haupt seines Leibes. Er ist der Hirt der Gesamtkirche.

Er besitzt einen wahren und eigentlichen Vorrang der Vollmacht gegenüber der ganzen Kirche. Seine Gewalt ist wirklich bischöflich, allgemein, ordentlich, unmittelbar, die höchste und volle. Sie erstreckt sich auf alle Gläubigen und alle Glieder der Hierarchie. Er kann sie jederzeit frei ausüben (c. 331). Die primitiale Gewalt fordert Unterordnung und Gehorsam in der Glaubens- und Sittenlehre, in der Regierung und Ordnung der Kirche. Gegen das Urteil des Papstes gibt es keine Berufung an eine irdische Instanz (c. 333 §3). Er besitzt die Unfehlbarkeit, wenn er als Hirt und Lehrer aller Gläubigen mit höchster apostolischer Vollmacht eine Glaubens- und Sittenlehre vorlegt, die von der gesamten Kirche zu halten ist (c. 749 §1).


2.  Die päpstlichen Hilfs- und Stellvertreterorgane

Als bewährtes Beratungsorgan steht dem Papst das Kardinalskollegium zur Seite. Darin sind der Idee nach die befähigten Persönlichkeiten aus der gesamten Kirche versammelt, deren sich der Papst zur Vorbereitung und Durchführung seiner Entschlüsse bedienen kann (cc. 349 - 359). Doch die beratende Tätigkeit der Kardinäle als Kollegium ist fast völlig zum Erliegen gekommen. (1).

Bei der Regierung der Kirche bedient sich der Papst der Römischen Kurie. Darunter ist die Gesamtheit der Verwaltungsbehörden und Gerichte zu verstehen, die ihn bei der Leitung der Kirche unterstützen (cc. 360 - 361). Sie handeln im Namen des Papstes zum Wohl und zum Dienst aller Kirchen. Die Kurie ist seit dem Zweiten Vatikanischen Konzil erheblich aufgebläht worden. Zahlreiche neue Einrichtungen sind zu den bestehenden hinzugekommen. In die Kongregationen wurden Diözesanbischöfe als Mitglieder aufgenommen. Dass sich der Papst der Loyalität aller Mitarbeiter nicht mehr sicher sein kann, ist spätestens bei dem Fall Kempf offenbar geworden.

Als Bischof der Gesamtkirche hat der Papst das angeborene und unabhängige Recht, zu den Teilkirchen in aller Welt und zu den Staaten Gesandte zu senden (c. 362), die ihn vertreten (c. 363). Ihre hauptsächliche Aufgabe ist darin gelegen, die Bande der Einheit zwischen dem Apostolischen Stuhl und den Teilkirchen fester und wirksamer zu machen (c. 364). Zu diesem Zweck ist es erforderlich, dass die Nuntien wahrheitsgetreue Berichte nach Rom schicken; schönfärberische Informationen können verheerende Folgen haben. Die Entwicklung der Losreißung Englands von der katholischen Kirche im 16. Jahrhundert bietet eine Fülle von Beispielen für falsche Beurteilung der Lage in England durch den Heiligen Stuhl infolge eines heillosen Optimismus.


3.  Die Bischofssynode

Seit dem Zweiten Vatikanischen Konzil gibt es die Einrichtung der Bischofssynode (cc. 342 - 348). Sie ist kein Bestandteil der Römischen Kurie, sondern dem Papst unmittelbar zugeordnet. Sie ist ein weiteres Beratungsorgan des Papstes und tritt insofern in Konkurrenz zum Kardinalskollegium und der Römischen Kurie.

Die Bischofssynode wird regelmäßig alle zwei Jahre einberufen. Zusammen mit ihrem Generalsekretariat und dessen Rat gewinnt sie damit beinahe Dauercharakter. Die Einrichtung der Bischofssynode ist ebenso überflüssig wie gefährlich. Sie verdankt ihr Entstehen der Forderung der Bischöfe, aufgrund eines nebulösen Begriffs des Bischofskollegiums an der Regierung der Gesamtkirche beteiligt zu werden. Die Lage ist einigermaßen grotesk. Die Bischöfe, die überwiegend vor der Aufgabe versagen, ihre Diözesen, in denen es drunter- und drübergeht, wohltätig und rechtmäßig zu regieren, mengen sich in Angelegenheiten der Weltkirche, für die sie kein Mandat haben.

Die Bischofssynode bietet vor allem aufmüpfigen Bischöfen eine Plattform, mit Thesen an die Weltöffentlichkeit zu treten, die gegen Ordnung und Lehre der Kirche gerichtet sind. Beispiele dafür sind zahlreich (2). Die zahlreichen Versammlungen der Bischofssynode in den letzten drei (Anm.: nunmehr fünf) Jahrzehnten haben nichts zur Besserung der Lage in der Kirche beigetragen. Sie haben viele Glieder der Hierarchie mit nutzlosen Gesprächen aufgehalten und umfangreiche Papiere erzeugt, die in der Praxis weitgehend unbeachtet bleiben oder scharf kritisiert wurden. Keine einzige Tagung der Bischofssynode war imstande, die nachkonziliare Katastrophe, die alle Gebiete des kirchlichen Lebens erfasst hat, auch nur angemessen zu beschreiben. Immer wieder wurden nur einzelne Symptome herausgegriffen, die sogleich wieder in Beschwichtigungen verpackt wurden. Krisensitzungen, in denen die Gründe der Krise nicht aufgedeckt werden, sind überflüssig.


(1)  Georg May, Ego N.N. atholicae Ecclesiae Episcopus. Entstehung, Entwicklung und Bedeutung einer Unterschriftsformel im Hinblick auf den Universalepiskopat des Papstes ( = kanonistische Studien und Texte Bd. 43), Berlin 1995, 528.
(2)  Z. B.: Georg May, Das Priestertum in der nachkonziliaren Kirche 100.



Fortsetzung folgt in unregelmäßigen Abständen

Predigten von Prof. Georg May: bitte hier klicken!
Related Posts Plugin for WordPress, Blogger...