Samstag, 22. März 2014

Visionen

Von P. Bernward Deneke FSSP, Wigratzbad 

Was sollten der Präsident der USA, der Topmanager eines Pharmakonzerns, die Kulturbeauftragte einer Bank und ein neugewählter Bischof haben? Die Antwort ist einfach: Visionen! Denn ohne sie wird man heute nichts mehr, erreicht man nichts, bringt man nichts weiter. 
 
Wir leben in einem visionären Zeitalter, überall begegnen uns Visionen. Bei Martin Luther King lautete die Losung noch eher bescheiden: I have a dream. Jetzt aber reicht das nicht mehr aus. Nicht Träume, Visionen müssen es sein. Und wem keine gegeben sind, der macht sie sich eben selbst – oder lässt sie sich von anderen entwerfen. „Wir haben eine Vision für die nächsten Jahre entwickelt“, heißt es in so profanen Zusammenhängen wie der Marktstrategie einer Brauerei oder der Müllentsorgung. 
 
Der Wandel des Wortes Vision ist erstaunlich. Ursprünglich im religiösen, ja mystischen Bereich beheimatet, ist es inzwischen fast gleichbedeutend mit den Worten „Strategie“, „Programm“ und „Plan“ geworden, nur dass es ihnen gegenüber einen hohen, feierlichen Ton anschlägt. 
 
Selbst unter Christen verbindet man mit Visionen immer seltener übernatürliche Schauungen der Glaubensgeheimnisse. Ist z.B. davon die Rede, ein Bischof habe Visionen, wer stellt sich dann wohl einen Kirchenmann vor, der im einsamen Beten ergriffen die Welt Gottes schaut? Fast niemand. Nur bestimmten Kreisen bleibt es vorbehalten, noch heute unter Visionen zuallererst die himmlischen Gesichte begnadeter Seher zu verstehen. So krause und unglaubwürdig vieles davon auch sein mag, es kommt dennoch der eigentlichen Bedeutung von Vision näher als der augenblicklich moderne Gebrauch des Wortes. 
 
In der Heiligen Schrift spielt das Thema eine bedeutende Rolle. Das Alte Testament beschreibt, zumal in den prophetischen Büchern, eine nahezu unüberschaubare Fülle von eindrucksvollen, zuweilen dunklen und schwer verständlichen Schauungen. Im Neuen Testament hört das keineswegs auf. Petrus weist in seiner ersten Predigt am Pfingsttag mit den Worten des Propheten Joel darauf hin: „In den letzten Tagen wird es geschehen, spricht der Herr: Da will ich von meinem Geist ausgießen über alles Fleisch, und ihre Söhne und ihre Töchter werden weissagen, und die Jünglinge werden Gesichte schauen, und Greise werden Träume haben.“ (Joel 3,1; Apg 2,17)
 
Später wird Petrus durch eine dreimalige, eher unangenehme Vision darüber belehrt, dass er nichts von dem, was Gott für rein erklärt hat, unrein nennen soll (Apg 10,11-16). Im Heiligen Geist sieht der Erzmartyrer Stephanus „die Himmel offen und den Menschensohn zur Rechten Gottes stehen“ (Apg 7,55f.). Paulus wird auf dem Weg nach Damaskus durch eine leuchtende Vision Jesu Christi hingestreckt und bekehrt (Apg 9,4ff; 22,6ff; 26,13ff.), später sogar „bis zum dritten Himmel entrückt“, wo er „unsagbare Worte“ vernimmt, „die einem Menschen auszusprechen versagt sind“ (2 Kor 12,2-4). Von der Apokalypse des Johannes, in der zwischen der erschütternden Christusvision zu Beginn und der Schau des himmlischen Jerusalem am Ende eine Reihe gewaltiger Gesichte steht, braucht hier gar nicht gesprochen zu werden. 
 
Allen diesen Visionen ist eines gemeinsam: Sie sind nicht Menschenwerk, nicht vom Schauenden erdacht, entworfen und entwickelt, sondern stammen von oben. Sie handeln auch von dem, „was droben ist“, nämlich von Gottes Wesen, Willen und Werken. Und sie haben sich bewährt, indem sie der Prüfung des Glaubens und des Lebens standhielten und Frucht trugen für das Reich des Herrn. So sollte es während der ganzen Geschichte der Christenheit bleiben: Immer wieder hat es wirkliche Visionäre gegeben; gottverbundene Beter, denen unverdienterweise die Wahrheiten der Offenbarung in ihrer Herrlichkeit und Lebendigkeit gezeigt wurden und die daraus oft auch Aufträge für die Kirche empfingen. 
 
Denken wir nur an die heilige Juliana von Lüttich (1193-1258), der bereits in jungen Jahren das merkwürdige Bild der Mondscheibe mit einem schwarzen Streifen gezeigt wurde. Erst später erklärte ihr eine Stimme, das Geschaute stehe für den Kreis des Kirchenjahres, in dem noch eine Lücke klaffe: das fehlende Fest zu Ehren des Allerheiligsten Altarsakramentes! Die Botschaft, die Juliana der kirchlichen Hierarchie zu künden hatte, brachte ihr vor allem Spott und Ablehnung, Leiden und Vertreibung ein. Aber ihre Vision bestand den Härtetest; noch zu Lebzeiten der Heiligen wurde in Lüttich 1246 das erste Fronleichnamsfest gefeiert. Bald sollte es sich über den ganzen Erdkreis ausdehnen. 
 
Die vorsichtige, prüfende Haltung der Kirche gegenüber derartigen Phänomenen ist notwendig und hat sich zigfach bewährt. Sie entspricht der Aufforderung des Völkerapostels, prophetische Rede, die ja oft die Folge echter Schauungen ist, nicht zu verachten, alles zu prüfen, das Gute aber zu behalten (1 Thess 5,20f.). Umso wichtiger ist es, die besonderen Gaben Gottes nicht mit jenen „Visionen“ zu verwechseln, die heute leichtfertig in aller Munde sind.




Hinweise:
- mit freundlicher Genehmigung des Verfassers
- der Beitrag erschien bereits im Schweizerischen Katholischen Sonntagsblatt (SKS)
- Bild: Vision des hl. Evangelisten Johannes auf Patmos; Jan van Memmelynghe (etwa –1494)

Freitag, 21. März 2014

Zum Welt-Down-Syndrom-Tag






Das Bild Gottes ist in jedem Menschen gegenwärtig.
(KKK 1702)



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DvH 2: Barmherzigkeit

Fortsetzung von hier

2. Teil

Barmherzigkeit setzt die Fähigkeit, helfen zu können, voraus


Ferner setzt das Mitleid als spezifisch menschliches Verhalten das verwundbare menschliche Herz voraus. Es liegt im Mitleid ein spezifisches Verstehen des Leidenden, es impliziert das spezifische "Verstehensorgan" des Gleichgestellten. 

Die Barmherzigkeit ist eine viel geistigere Antwort. In ihr liegt zwar auch ein letztes "Verstehen", aber das Verstehen, das nur der besitzt, der etwas von oben her umfasst, der es noch tiefer versteht, weil er darüber steht, so wie Gott uns noch näher ist, als wir uns selbst sind, gerade weil er unendlich überlegen ist. Darum sagten wir eingangs, der Barmherzige beherrsche die ganze Situation, weil er sie von Gott her sieht und in der Teilhabe an Gott von oben her umfasst.

Endlich setzt die Barmherzigkeit eine Situation voraus, in der wir durch unser Eingreifen etwas ändern können. Dies ist bei Gott "a fortiori" immer der Fall, bei uns Menschen aber nur in sehr beschränktem Maß. 

Das Mitleid hingegen ist an diese Voraussetzung durchaus nicht gebunden. Wenn ein Mensch durch einen Todesfall schwer getroffen wird, so können wir ihm unser ganzes Mitleid zuwenden - für die Entfaltung der Barmherzigkeit fehlt die Unterlage. Dieses Moment hängt mit der Tatsache zusammen, dass der Barmherzige stets der "Überlegene" sein muss. Sie setzt die Fähigkeit, irgendwie zu helfen, das Beherrschen der Situation "von oben her", voraus. Barmherzigkeit kann der üben, der Schulden erlassen kann, der als Gesunder dem Kranken beistehen kann, der auf irgendwelche Rechte und Forderungen zugunsten anderer verzichten kann. So hebt sich die Barmherzigkeit deutlich vom Mitleid ab.



Barmherzigkeit und Gerechtigkeit


Die Barmherzigkeit bildet eine spezifische Antithese zur strengen Gerechtigkeit. Nicht die Liebe schlechtweg ist die Antithese zur Gerechtigkeit, wie man oft meint, sondern die barmherzige Liebe. Sie misst nie mit dem Maßstab: "Was hat der andere verdient?", sondern geht darüber hinaus, in einem Überschwang der gütigen Liebe. 

Wir wissen wohl, was unser Schicksal wäre, wenn Gott nur den Maßstab der Gerechtigkeit anlegte. Beten wir doch: "Si iniquitates observaveris, Domine: Domine, quis sustinebit?", "wenn Du wolltest der Sünden gedenken, Herr, o Herr, wer könnte vor Dir bestehen?" (Ps 129,3). Jedoch hat selbstverständlich dieses "Hinausgehen über die Gerechtigkeit" nichts mit Ungerechtigkeit zu tun. Die Barmherzigkeit bildet nicht eine Antithese zur Gerechtigkeit in dem Sinne, dass der Wert der Gerechtigkeit dabei verlorenginge. Sie enthält den Wert der Gerechtigkeit "per eminentiam", "durch Überholung".

Alles, was den Wert der Gerechtigkeit ausmacht, ist in der Barmherzigkeit in noch größerem Maße enthalten. Gott hört nicht auf, der Allgerechte zu sein, indem er der Allerbarmende ist. "Rex tremendae maiestatis, qui salvandos salvas gratis, salva me, fons pietatis", "König, vor dessen Majestät wir erschauern, der Du frei erlösest, die Du erlösen willst, erlöse mich. Quell der milden Güte!" (Sequenz: Dies irae.) Dass dies in Gott so ist, dem absolut Einfachen, der alle Fülle des Seins umfasst und in dem die "coincidentia oppositorum" (das Zusammenfallen der Gegensätze), statthat, ist nicht schwer zu sehen. Aber wie steht unsere Barmherzigkeit zur Gerechtigkeit? Wie sehen die Situationen aus, in denen wir die Barmherzigkeit walten lassen sollen?


(Zwischenüberschriften eingefügt von FW)
Fortsetzung HIER

Teil 1, 3, 4, 5

aus: Dietrich von Hildebrand, Gesammelte Werke X - Die Umgestaltung in Christus; Verlag Josef Habbel Regensburg/ W. Kohlhammer Stuttgart; AD 1971; S.290f;  (s. Quellen)


Weh euch, ihr Schriftgelehrten und Pharisäer, ihr Heuchler! Ihr gebt den Zehnten von Minze, Dill und Kümmel und lasst das Wichtigste im Gesetz außer Acht: Gerechtigkeit, Barmherzigkeit und Treue. Man muss das eine tun, ohne das andere zu lassen. (Mt 23,23)


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Donnerstag, 20. März 2014

Beichten leicht gemacht



Pater Karl Wallner vom Zisterzienserstift Heiligenkreuz hat eine "kleine Anleitung" für die Beichte entworfen. Einen "Beichtspiegel" für die Gewissenserforschung schickt er gerne zu, einfach unter information@stift-heiligenkreuz.at an P. Wallner schreiben.

Es hat sich nun herausgestellt, dass das Original aus einer Kirchengemeinde in Dublin (Irland) stammt, nämlich aus der Pfarrei Our Lady Queen of Peace. Dort gibt es die Darstellung - auch in anderen Sprachen - zum Download, mit oder ohne zusätzlichen Beichtspiegel.

P. Wallner hat am 10. April 2014 via facebook mitgeteilt, dass nun eine OFFIZIELLE Version der Beichtanleitung in deutscher Sprache vorliegt. Ein kleiner Hinweis: Die Designer der Karte weisen darauf hin, dass die Karte bzw. Flyer, Poster etc. in jeder Form und Größe verbreitet werden darf und soll, sie darf jedoch im Aussehen und Inhalt nicht verändert werden. 

Und so sieht die offizielle Version aus (download hier):





Wer einen Online-Beichtspiegel (direkt) nutzen möchte:





Bildquelle: Facebook, P. Karl Wallner

Forum Deutscher Katholiken (FDK) - Für Glauben und Papst - Gegen die Kapitulation vor dem Zeitgeist


Bei der Jahresversammlung des "Forums Deutscher Katholiken" am 15./16. März 2014 in Fulda wurde von den anwesenden Mitkgliedern folgende Erklärung verfasst und veröffentlicht. Das "Forum Deutscher Katholiken" bejaht darin uneingeschränkt die katholische Lehre, wie sie in Schrift und Tradition durch das Lehramt vorgelegt wird, und bekräftigt die Treue seiner Mitglieder zu Papst Franziskus und den mit ihm verbundenen Bischöfen.

Fuldaer Erklärung des “Forums Deutscher Katholiken (FDK)"


Die in Fulda versammelten Mitglieder des „Forums Deutscher Katholiken“ und Vertreter befreundeter Gemeinschaften sprechen Papst Franziskus und den mit ihm verbundenen Bischöfen ihre uneingeschränkte Treue aus.

Die Lehre der Kirche gibt uns Orientierung und ist der Maßstab unseres Handelns. Wir sind überzeugt, dass die Einhaltung der Gebote Gottes am besten die menschliche Würde und eine humane Gesellschaft gewährleistet. Demokratische Mehrheitsentscheidungen erfahren ihre Grenzen, wenn sie dem Naturrecht und der göttlichen Offenbarung widersprechen.

Wenn Vertreter des Zeitgeistes der Kirche nahe legen, sie solle sich den so genannten „Lebenswirklichkeiten“anpassen, so wollen wir auf die Kehrseite dieser „Lebenswirklichkeiten“ hinweisen.

  • Nicht wer die Ehescheidung verharmlost, tut etwas für die Menschen, sondern wer den Ehepartnern hilft, Krisen gemeinsam zu bewältigen. Die Trennung bringt Leid für den verlassenen Ehepartner und für die betroffenen Kinder. Sie ist nicht eine „Befreiung“, sondern eine Niederlage. 
  • Nicht wer Abtreibung als Recht der Frau proklamiert, tut etwas für sie, sondern wer ihr hilft und sie ermutigt, das Kind auszutragen. Wir fordern die Wiederherstellung des uneingeschränkten Lebensschutzes. 
  • Nicht wer den Schulunterricht sexualisiert, stärkt das Wohl des Kindes, sondern wer das Erziehungsrecht der Eltern achtet. 
  • Nicht wer das „Zusammenleben ohne Trauschein“ als gegebene Realität hinnimmt, tut etwas für die Menschen und die Zukunft unserer Gesellschaft, sondern wer ihnen Mut macht, ein Ja zu Ehe und Kindern zu sagen, hilft ihnen wirklich.

In unserem Land herrscht Religionsfreiheit. Andererseits dürfen weder Vertreter von politischen Parteien, von politischen Gruppen oder Medien bestimmen, was in der Kirche zu gelten hat. Das können ausschließlich die durch göttliche Vollmacht eingesetzten Autoritäten, nämlich der Papst und die mit ihm verbundenen Bischöfe.

Fulda, 16. März 2014
                    
                          Prof. Dr. Hubert Gindert
Vorsitzender des Forums Deutscher Katholiken und Leiter der Jahresversammlung

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Weitere Informationen über das FDK und den ihm angeschlossenen Gemeinschaften finden Sie auf der Website des Forums (hier) und auf dem dazugehörigen Blog (hier).

Auf den im Juli stattfindenden vom FDK initiierten "Kongress Freude am Glauben" in Fulda sei schon jetzt hingewiesen. Informationen zum Kongress, bei dem S. Em. Gerhard Ludwig Kardinal Müller ein Pontifikalamt zelebrieren wird, finden Sie hier.


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Mittwoch, 19. März 2014

Der heilige Joseph - ein vollkommenes Vorbild der Armut

Der heilige Franz von Sales über den heiligen Josef:

Der hl. Joseph lebte trotz seiner hohen Stellung stets in Armut und Niedrigkeit. Auf diese Weise blieben seine Tugenden und seine hohe Würde verborgen. Gott will, dass er stets arm bleibe und legt ihm damit eine der größten Prüfungen auf. Bereitwillig unterzieht sich ihr der hl. Joseph, und zwar nicht bloß für einige Zeit, sondern sein Leben lang.

Die freiwillige Armut, welche die Ordensleute geloben, hat etwas Angenehmes, da sie die Annahme und den Gebrauch der notwendigen Dinge gestattet und nur das Überflüssige verbietet. Die Armut des hl. Joseph, des göttlichen Heilandes und der seligsten Jungfrau aber war nicht derart, denn wenn sie auch eine freiwillige war, und der hl. Joseph sie liebte, so blieb sie doch immerhin eine höchst drückende Armut, die ihn in den Augen anderer herabsetzte.

Jedermann hielt diesen großen Heiligen für einen armen Zimmermann, der bei all seiner Arbeit ohne Zweifel oft am Notwendigen Mangel litt, mochte er sich auch in unvergleichlicher Liebe abmühen, um den Unterhalt für seine kleine Familie zu beschaffen. Wie lange dieser Zustand der Armut und Erniedrigung dauern könnte, das stellte er ganz demütig dem Willen Gottes anheim und ließ sich nicht erschrecken und besiegen von dem Feinde im Innern, der gewiss manchen Angriff auf ihn machte.



zitiert nach einem Auszug aus den Schriften des Dieners Gottes Pater Eymard, Stifter der Kongregation vom Allerheiligsten Sakrament - Monat zu Ehren des heiligen Joseph, des ersten und vollkommensten Anbeters Jesu Christi; Verlag des Emmanuel in Buchs im Kanton St. Gallen; AD 1906; S. 88f 


Heiliger Joseph, 
Nährvater Jesu Christi und Bräutigam der allerseligsten Jungfrau Maria,
bitte für uns!

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Katechese von Papst Franziskus bei der Generalaudienz am 19. März 2014
der Wortlaut via zenit.org:



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Herzliche Empfehlung zur Mitgliedschaft in der
ein Gebetsapostolat für die Sterbenden 




Foto: FW

Christa Meves am 07. April 2014 in Opfenbach (Landkreis Lindau)

Zum Thema „Unsere Kinder brauchen Schutz“ spricht die Psychotherapeutin für Kinder und Jugendliche, Christa Meves, am Montag, 7. April, auf einer Veranstaltung der Katholischen Erwachsenenbildung im Landkreis Lindau. Der öffentliche Vortrag im Sankt-Anna-Haus in Opfenbach, Kirchplatz 4 (neben der Pfarrkirche), beginnt um 19:30 Uhr.

Aus der Erfahrung ihrer Praxis heraus erläutert die renommierte Fachfrau, was Kinder in den ersten Lebensjahren brauchen, warum die Aufgaben der Mutter so wichtig sind und was Krippenerziehung für viele Kinder bedeutet. Dabei bringt sie alte und neue Erkenntnisse der Hirn- und Bindungsforschung zur Sprache. 

Christa Meves gehört mit Büchern in einer Gesamtauflage von sechs Millionen zu den meistgelesenen christlichen Autoren im deutschen Sprachraum. Mit ihren Büchern und Vorträgen hat sie zwei Generationen christlicher Familien geprägt.

Neben vielen weiteren Ehrungen wurde sie zuletzt mit dem Deutschen Schulbuchpreis 2001, dem Großen Verdienstkreuz des Niedersächsischen Verdienstordens und mit dem Päpstlichen Gregorius-Orden ausgezeichnet. 



Medien-Info der Katholischen Erwachsenenbildung in Opfenbach,
verantwortlich: Michael Ragg, Pfarrgemeinderat St. Nikolaus


Foto: Christa Meves

DvH 1: Was ist "Barmherzigkeit"?

Dietrich von Hildebrand


Die Barmherzigkeit

Die Barmherzigkeit Gottes - Urwort des Evangeliums

Die Barmherzigkeit ist in besonderem Sinne eine göttliche Tugend. Wie die Demut eine spezifisch geschöpfliche Tugend ist und von ihr nur in analogem Sinn bei dem Gottmenschen gesprochen werden kann, so ist die Barmherzigkeit eine spezifisch göttliche Tugend, die nur analog bei dem Menschen auftreten kann.

Die Barmherzigkeit ist die herablassende, verzeihende Liebe des absoluten Herrn, des Inbegriffes aller Werte, die sich zu uns, ohne dass wir es irgendwie verdienen, herabneigt. Ja sie tritt am deutlichsten in der Stellung zum sündigen Menschen hervor. 

Kein Gleichnis im Evangelium bringt uns die Barmherzigkeit so deutlich zum Bewusstsein wie das vom verlorenen Sohn. Aus dem Gestus des Vaters, der dem verlornen Sohn entgegeneilt, den Reuigen mit Liebe aufnimmt und sogar das gemästete Kalb für ihn schlachtet, spricht jene spezifisch barmherzige Liebe.

Das ganze Evangelium atmet Barmherzigkeit. Die Barmherzigkeit Gottes ist ein Urbestandteil der christlichen Offenbarung. Sie hebt das Weltbild der Antike, für das ein sich in Liebe herabneigender Gott ein Widerspruch ist, aus den Angeln, sie ist den alles von der Gerechtigkeit des Gesetzes erhoffenden Pharisäern ein Ärgernis.

Die Barmherzigkleit Gottes ist das Urwort des Evangeliums: sie spricht ergreifend aus dem Gleichnis vom Samariter, sie steht mahnend vor uns im Gleichnis des Herrn, der dem Knecht seine Schulden erließ, sie überwältigt uns im Kreuzestod des Herrn, der sterbend für seine Mörder betet.

Aber das Evangelium ist nicht nur die Offenbarung von Gottes Barmherzigkeit, es stellt auch an uns die Forderung, barmherzig zu sein. Die Umgestaltung in Christus fordert, dass wir auch an dieser spezifisch göttlichen Tugend teilhaben.

Jesus sagt beim Gastmahl im Hause des Levi: "Misericordiam volo et non sacrificium", "Ich will Barmherzigkeit und nicht Opfer" (Matth 9,13), die Barmherzigen sind Gott besonders wohlgefällig, ja unsere Barmherzigkeit ist die Voraussetzung dafür, dass wir in Gottes Augen Barmherzigkeit finden. "Beati misericordes: quoniam ipsi misericordiam consequentur", "selig die Barmherzigen, denn sie werden Barmherzigkeit erlangen."

Barmherzigkeit - eine besondere Art der Liebe

Die erste Frage, die sich bei der Betrachtung der Barmherzigkeit aufdrängt, ist die nach dem Unterschied von Barmherzigkeit und Liebe. Offenbar ist die Barmherzigkeit auch Liebe, aber sie ist nicht Liebe schlechtweg, sondern eine besondere Art der Liebe. Das Spezifische an der barmherzigen Liebe tritt am deutlichsten hervor, wenn wir uns klarmachen, dass sie stets auf Seiten dessen, dem die Barmherzigkeit gilt, eine "miseria", ein "Elend", voraussetzt. Das ist bei der Liebe im Allgemeinen keineswegs der Fall. Die innertrinitarische Liebe hat nichts von Barrmherzigkeit an sich. Ebenso hat die Liebe der Ehegatten oder zweier Freunde nichts mit Barmherzigkeit zu tun.

Die Barmherzigkeit setzt eine "miseria" bei dem voraus, den man in Liebe aufnimmt; sie hat ferner den Charakter einer Zuwendung auf die der andere keinen Rechtstitel hat, sie hat den Gestus einer spezifischen Herablassung. 

Mitleid in Abgrenzung zur Barmherzigkeit

Man könnte nun meinen, die Barmherzigkeit sei dasselbe wie Mitleid. Aber das wäre ein großer Irrtum. Das Mitleid gilt erstens stets einem besonderen konkreten Leid einer Person. Wir haben Mitleid mit einem Kranken, mit einem Armen, mit einem Schwergeprüften. Das Erbarmen, die Barmherzigkeit, hingegen gilt stets der "miseria" der ganzen menschlichen Kreatur, welche hier konkret hervortritt.

Das eigentliche Objekt der Barmherzigkeit ist die allgemeine Hilflosigkeit und Gebrechlichkeit des erbsündigen Menschen, das besondere Leid wird bei ihr nur als Ausdruck der in der metaphysischen Situation des erbsündigen Menschen gelegenen allgemeinen "miseria" gefasst. Dem Barmherzigen öffnen sich die Abgründe dieser Situation des Menschen im "Tal der Tränen", und der Adel des Menschen als gottebenbildlicher geistiger Person leuchtet ihm auf diesem Hintergrund in besonderer Weise auf.

Der Blick des Barmherzigen dringt viel tiefer als der des Mitleidigen, er sieht das Geschöpf stets im Lichte seiner metaphysischen Situation, er betrachtet die jeweilige Situation "in conspectu Dei". Das verleiht der Barmherzigkeit einen feierlichen und heroischen Zug, der dem Mitleid fehlt.

Zweitens ist das echte Mitleid stets leidensvoll - der Mitleidige ist stets ein Mitleidender. Er wird in die Situation des Leidenden mit einbezogen. Die Barmherzigkeit aber ist nicht selbst leidensvoll, sonst könnte Gott in seiner unentlichen Seligkeit, in der kein Schatten von Leiden wohnt, nicht barmherzig sein. Der Barmherzige wird nicht in die Situation des Leidenden mit einbezogen, sondern beherrscht sie in eigentümlicher Weise "von oben her".

Das führt uns von selbst zu dem dritten unterscheidenden Merkmal von Barmherzigkeit und Mitleid. Das Mitleid setzt stets eine gemeinsame Grundsituation voraus, es erfolgt "inter pares", unter Gleichgestellten. Die Barmherzigkeit setzt stets eine Überlegenheit des Barmherzigen voraus. Er umfasst zwar intentional das Leid des anderen, aber sein eigener Standort ist außerhalb dieses Leides - ja oberhalb. Darum liegt in jeder Barmherzigkeit der Gestus der Herablassung: der Barmherzige neigt sich liebend zu dem Elend herab. 

Bei dem Mitleid fehlt ein solches Herabneigen; sobald es sich einschleicht, bedeutet es eine Verfälschung des Mitleids, aus dem echten Mitleid wird dann jenes hochmütige Verhalten, das von dem Bemeitleideten als beleidigend empfunden wird. Denn das Mitleid ist ein spezifischer Ausfluß der Solidarität aller Menschen im Leid, ein spezifisches Sich-Gleichstellen mit dem Bemitleideten. Es bezieht sich, wie wir sahen, stets formell auf ein besonderes Leid eines Menschen, aber ausgehend von der gemeinsamen menschlichen Grundsituation.

Das Erbarmen ist hingegen wesenhaft nur aus Gott möglich, es ist ein eigentümliches Teilhaben an der primär nur Gott möglichen Haltung eines liebenden Sich-Herabneigens. Es ist darum eine spezifisch übernatürliche Tugend, nur aus dem christlichen Ethos heraus vollziehbar; jeder Versuch, es auf rein natürlicher Ebene zu vollziehen - im Sinne eines herablassenden Mitleids - , würde sogar etwas Negatives, Unwertiges hervorrufen.


(Zwischenüberschriften eingefügt und Hervorhebung durch Fettdruck von FW)
Fortsetzung HIER

Teil 2, 3, 4, 5


Dietrich von Hildebrand in "Die Umgestaltung in Christus"; Verlag Josef Habbel Regensburg; AD 1971; S. 288-290 (s. Quellen)



Weiteres zum Thema "Barmherzigkeit":
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