Mittwoch, 18. September 2013

Wer einen Standpunkt hat, hat es nicht nötig, zu stänkern...


"Wer einen Standpunkt hat, hat auch das Recht, ja manchmal sogar die Pflicht zur "Standpauke", aber niemals das Recht zu "Stänkern". Die Verwechselung von Standpauke und Stänkern kennzeichnet viele innerkirchliche Gesprächsprozesse, die sich weniger um Übersicht, als um eigene Befindlichkeiten kümmern." (mehr)


Prälat Wilhelm Imkamp in der Rubrik "Standpunkt" am 18.09.2013 auf katholisch.de, dem Internetportal der katholischen Kirche in Deutschland im Aufrtrage der deutschen Bischöfe


Inschrift auf der Tafel oberhalb des Gemäldes:

Ich fand einen Altar darauf stand geschrieben:
"DEM UNBEKANNTEN GOTT"
Nun verkündige ich euch denselben.


Bild: der Völkerapostel Paulus predigt auf dem Athener Areopag; Wandgemälde in der Aula des Johanneums Zittau; Anton Dietrich (1833–1904), "Dresdener Schule"; wikimedia commons

Prinzipien des Glaubens

Die der Offenbarung Gottes entsprechende Antwort ist »der ”Gehorsam des Glaubens“ (Röm 1,5; vgl. Röm 16,26; 2 Kor 10,5-6). Darin überantwortet sich der Mensch Gott als ganzer in Freiheit, indem er sich ”dem offenbarenden Gott mit Verstand und Willen voll unterwirft“ und seiner Offenbarung willig zustimmt«.(1) Der Glaube ist ein Geschenk der Gnade: »Dieser Glaube kann nicht vollzogen werden ohne die zuvorkommende und helfende Gnade Gottes und ohne den inneren Beistand des Heiligen Geistes, der das Herz bewegen und Gott zuwenden, die Augen des Verstandes öffnen und ”es jedem leicht machen muss, der Wahrheit zuzustimmen und zu glauben“«.(2)

Der Gehorsam des Glaubens führt zur Annahme der Wahrheit der Offenbarung Christi, die von Gott, der Wahrheit selbst, verbürgt ist:(3) »Der Glaube ist eine persönliche Bindung des Menschen an Gott und zugleich, untrennbar davon, freie Zustimmung zu der ganzen von Gott geoffenbarten Wahrheit«.(4) Der Glaube, der »ein Geschenk Gottes« und »eine von ihm eingegossene übernatürliche Tugend«(5) ist, führt also zu einer doppelten Zustimmung: zu Gott, der offenbart, und zur Wahrheit, die von ihm geoffenbart ist, wegen des Vertrauens, das der offenbarenden Person entgegengebracht wird. Deshalb sollen wir »an niemand anderen glauben als an Gott, den Vater, den Sohn und den Heiligen Geist«.(6)

Deshalb muss mit Festigkeit an der Unterscheidung zwischen dem theologalen Glauben und der inneren Überzeugung in den anderen Religionen festgehalten werden. Der Glaube ist die gnadenhafte Annahme der geoffenbarten Wahrheit, die es gestattet, »in das Innere des Mysteriums einzutreten, dessen Verständnis er in angemessener Weise begünstigt«.(7) Die innere Überzeugung in den anderen Religionen ist hingegen jene Gesamtheit an Erfahrungen und Einsichten, welche die menschlichen Schätze der Weisheit und Religiosität ausmachen, die der Mensch auf seiner Suche nach der Wahrheit in seiner Beziehung zum Göttlichen und Absoluten ersonnen und verwirklicht hat.(8)

Nicht immer wird diese Unterscheidung in der gegenwärtigen Diskussion präsent gehalten. Der theologale Glaube, die Annahme der durch den einen und dreifaltigen Gott geoffenbarten Wahrheit, wird deswegen oft gleichgesetzt mit der inneren Überzeugung in den anderen Religionen, mit religiöser Erfahrung also, die noch auf der Suche nach der absoluten Wahrheit ist und der die Zustimmung zum sich offenbarenden Gott fehlt. Darin liegt einer der Gründe für die Tendenz, die Unterschiede zwischen dem Christentum und den anderen Religionen einzuebnen, ja manchmal aufzuheben.

(1) Vgl. II. Vat. Konzil, Dogmatische Konstitution Dei verbum, 5.
(2) Ebd.
(3) Vgl. Katechismus der Katholischen Kirche, 144.
(4) Ebd., 150.
(5) Ebd., 153.
(6) Ebd., 178.
(7) Johannes Paul II., Enzyklika Fides et ratio, 13: AAS 91 (1999) 15. (22) Vgl. ebd., 31-32: a.a.O. 29f.
(8) Vgl. ebd., 31-32: a.a.O. 29f.


Kongregation für die Glaubenslehre: Erklärung "Dominus Jesus" Nr. 7; AD 2000




Foto: Taufe; Relief in Kevelaer; © FW

Dienstag, 17. September 2013

Papst Franziskus: Der Katechismus gibt uns Kraft, gegen das Böse vorzugehen


In der heutigen Ansprache (17.09.2013) in der Kapelle des vatikanischen Gästehauses „Domus Sanctae Marthae“ sprach der Hl. Vater über die Kirche als unsere Mutter, die wie eine Witwe ist und uns, ihre Kinder verteidigt (Quelle: kath.net):

"Diese mutige Kirche, die ihre Kinder verteidigt, wie jene Witwe, die zum korrupten Richter ging, um sie zu verteidigen, und am Ende gewonnen hat. Unsere Mutter Kirche ist mutig! Sie hat jenen Mut einer Frau, die weiß, dass ihre Kinder ihr gehören und sie diese verteidigen und zur Begegnung mit ihrem Bräutigam führen muss“.

Franziskus rief einige biblische Witwengestalten in Erinnerung und dabei besonders die mutige makkabäische Witwe mit ihren sieben Söhnen, die das Martyrium erleiden, um Gott nicht zu verleugnen (vgl. 2 Makk 7,1-42). Die Bibel sage, dass diese Frau zu ihren Söhnen „in ihrer Muttersprache, im Dialekt“ gesprochen habe. So spreche auch unsere Mutter Kirche zu uns „im Dialekt“, „in jener Sprache der Rechtgläubigkeit, die wir alle verstehen, in jener Sprache des Katechismus, der uns die Kraft gibt, im Kampf gegen das Böse voranzugehen“...


Weiteres zum Thema:

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Was glaube ich, wenn ich katholisch bin?
Diese Frage beantwortet der Katechismus der katholischen Kirche. Dort kann man nachlesen, was dieser katholische Glaube ist, den Christus seiner Kirche anvertraut hat. Der katholische Weltkatechismus enthält weitgehend die katholische Glaubens- und Sittenlehre. Er ist eine "sichere Norm für die Lehre des Glaubens" und führt den Menschen die "Kraft und die Schönheit des Glaubens vor Augen" (Zitate aus Porta fidei).



"Wie man feststellen kann, ist die Kenntnis der Glaubensinhalte wesentlich, um die eigene Zustimmung zu geben, das heißt um sich dem, was von der Kirche vorlegt wird, mit Verstand und Willen völlig anzuschließen. Die Kenntnis des Glaubens führt in das Ganze des von Gott offenbarten Heilgeheimnisses ein. Die gegebene Zustimmung schließt also ein, daß man, wenn man glaubt, freiwillig das gesamte Glaubensgeheimnis annimmt, denn der Bürge für seine Wahrheit ist Gott selbst, der sich offenbart und es ermöglicht, sein Geheimnis der Liebe zu erkennen.[1] "
[1] Vgl. Erstes Vatikanisches Konzil, Dogm. Konst. über den katholischen Glauben Dei Filius, Kap. III: DS 3008-3009; Zweites Vatikanisches Konzil, Dogm. Konst. über die göttliche Offenbarung Dei Verbum, 5

 

Bild: Schutzmantelmadonna; Wandmalerei in der Kirche Sogn Gieri (Hl. Georg), Rhäzüns, im schweizerischen Kanton Graubünden; 10. Jh.; wikipedia

Freiburger Bischofsstuhl vakant

Papst Franziskus hat mit heutigen Datum das Rücktrittsgesuch des Freiburger Erzbischofs Robert Zollitsch aus Altersgründen angenommen und ihn bis zum Amtsantritt seines Nachfolgers zum Apostolischen Administrator der Diözese Freiburg ernannt.

Montag, 16. September 2013

Berliner Domkirchenkollegium: Einsatz für Leben und christliche Werte unerwünscht...


Martin Lohmann am 16.09.2013 in einem Interview mit kath.net zum bevorstehenden "Marsch für das Leben" in Berlin, insbesondere zur Abweisung der Bewegung durch das evangelische Domkirchenkollegium und die Dompredigerin Petra Zimmermann. Die Veranstalter des Pro-Life-Marsches hatten gehofft, den Berliner Dom für ein ökumenisches Abschlussgebet nutzen zu können:
Den Lebensschützern steht diese christliche Gottes-Herberge, so könnte man formulieren, also nicht zur Verfügung, nicht offen. Sie wurde uns wegen unserer christlichen Positionen beim Lebensschutz und zur gelebten Homosexualität – obwohl das hier gar nicht zur Debatte steht – verweigert.

Wir müssen mit Bedauern und Trauer zur Kenntnis nehmen, dass die Verantwortlichen des Berliner Doms unsere Auffassungen offenbar so schlimm finden, dass uns die Benutzung der Kirche zu einem ökumenischen Gottesdienst kategorisch verweigert wurde. Wir wollten ja auch deshalb gerne den Dom für einen Gottesdienst nutzen, weil die Hedwigskathedrale in der Zwischenzeit schon längst nicht mehr alle Demonstrationsteilnehmer fasst, die am Ende auch noch einen Gottesdienst besuchen wollten.

Ich finde das sehr betrüblich, denn gerade durch einen jährlichen Wechsel der Kirchen könnte man ja deutlich machen, dass das Bekenntnis zum Leben etwas alle Menschen guten Willens Verbindendes ist. Lebensschutz ist ja wirklich keine katholische Exklusivangelegenheit. Wenn es irgendwo keine Schwierigkeiten für ein ökumenisches Zeugnis geben sollte und dürfte, dann hier. 
(Das ganzes Interview: hier)


Weiteres zum Thema "Marsch für das Leben": 
 


Zur Frage: Was ist katholisch? (3) - Alles oder Nichts


Der heilige Geist führt ein in alle Wahrheit des Glaubenslebens. (...) Die katholische Ideenwelt als Offenbarungsgut ist etwas Einheitliches, Geschlossenes, Ganzes, Unteilbares. "Der katholische Glaube", sagt Benedikt XV. in seiner Programmenzyklika*, "ist von so eigener Art und Natur, dass man ihm nichts hinzufügen, nichts von ihm wegnehmen kann. Entweder nimmt man ihn ganz an oder man lehnt ihn ganz ab."

Hier, in Beziehung auf das von Gott Geoffenbarte und von der Kirche zu glauben Vorgestellte, gibt es darum keine Parteien, keine Schulen, keine Richtungen. Hier gilt nur das Ja und das Nein, Alles oder Nichts. Man ist entweder ganz katholisch oder man ist es überhaupt nicht. Man glaubt alle geoffenbarte Wahrheit oder man glaubt keine.

Der Grund für dieses Alles oder Nichts liegt im Motiv des Glaubens. Wir glauben, d. h. wir halten die geoffenbarten Lehren für wahr, nicht weil die Wissenschaft uns unwiderlegliche Beweise für sie erbracht, nicht weil sie uns durch ihre Vernünftigkeit, Schönheit und Wichtigkeit einleuchten und begeistern, sondern einzig und allein und ausschließlich, weil der Heilige Geist, die ewige und unfehlbare Wahrheit, sie uns mitgeteilt hat.

Das Wesentliche, das Ausschlaggebende und darum Entscheidende bei jedem übernatürlichen Glaubensakte, bei dem des Gelehrten wie dem des Kindes, ist die Zustimmung auf Grund der göttlichen Autorität. Ich glaube. Warum? Der Heilige Geist hat es gesagt! Das gilt für jeden einzelnen Glaubensartikel wie für die Summe aller Glaubenswahrheiten. Das letzte Motiv ist immer das gleiche. Der Heilige Geist hat es gesagt!

In der Allwissenheit und unfehlbaren Wahrhaftigkeit des Heiligen Geistes beruht also aller göttliche Glaube (Anm.: die erste göttliche Tugend). Ist diese Allwissenheit und unfehlbare Wahrhaftigkeit des Heiligen Geistes einmal erschüttert, ist sie in einem einzigen Falle nicht mehr imstande, mich zur Zustimmung zu einer Glaubenslehre zu bewegen, dann fällt eben der Grund zum göttlichen Glauben dahin, ich kann überhaupt nicht mehr göttlich glauben. Ich glaube somit alle Wahrheit oder ich glaube keine. Ich bin ganz katholisch oder ich bin es überhaupt nicht. Es kommt im Glaubensleben alles an auf unsere Stellung zum Heiligen Geiste. Er führt ein in alle Wahrheit.


Robert Mäder in "Der Heilige Geist - Der dämonische Geist"; Verlag St. Michael Goldach; AD 1969; S. 62f (s. Quellen)



vgl. Papst Franziskus in der Enzyklika "Lumen fidei", Nr. 48:
Da der Glaube einer ist, muss er in seiner ganzen Reinheit und Unversehrtheit bekannt werden. Gerade weil alle Glaubensartikel in Einheit verbunden sind, bedeutet, einen von ihnen zu leugnen, selbst von denen, die weniger wichtig zu sein scheinen, gleichsam dem Ganzen zu schaden. Jede Epoche macht die Erfahrung, dass einzelne Aspekte des Glaubens leichter oder schwieriger angenommen werden können: Deswegen ist es wichtig, wachsam zu sein, damit das ganze Glaubensgut weitergegeben wird (vgl. 1 Tim 6,20), damit in angemessener Weise auf alle Aspekte des Bekenntnisses des Glaubens bestanden wird. Insofern die Einheit des Glaubens die Einheit der Kirche ist, heißt etwas vom Glauben wegnehmen in der Tat etwas von der Wahrheit der Gemeinschaft wegnehmen. 

Bild: Hl. Geist; östl. Kirchenfenster in St. Etheldreda's in London; Lawrence OP, flickr


Weiteres zum Thema:



Sonntag, 15. September 2013

Wo sich der Himmel zur Erde neigt...



Locus iste a Deo factus est,
inaestimabile sacramentum,
irreprehensibilis est.



Dieser Ort ist von Gott geschaffen,
ein unschätzbares Geheimnis,
kein Fehl ist an ihm.



In Anlehnung an den Introitus des Kirchweih-Festes 1 Mos 28,17:

Terribilis est locus iste:
hic domus Dei est et porta caeli:
et vocabitur aula Dei!
Alleluja, alleluja!

Quam dilecta tabernacula tua, Domine virtutum!
concupiscit, et deficit anima mea in atria Domini!

Voll Schauer ist dieser Ort.
Gottes Haus ist hier und die Pforte des Himmels;
sein Name ist: Wohnung Gottes.
Alleluja, alleluja!

Wie lieb ist Deine Wohnung mir, o Herr der Himmelsheere!
Verlangend nach dem Haus des Herrn verzehrt sich meine Seele!


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Samstag, 14. September 2013

Was wären wir ohne das kirchliche Lehramt?

In einem interessanten Artikel befasst sich Pater Engelbert Recktenwald FSSP mit dem Verhältnis von Tradition und Lehramt in der kaholischen Kirche und dem Traditionsbegriff als solchem.

Er erklärt den Unterschied zwischen göttlicher Tradition (göttlichen Ursprungs) und kirchlicher Tradition (menschlichen Ursprungs), die in der öffentlichen Diskussion oft nicht voneinander unterschieden werden (s. Piusbruderschaft), wodurch es dann zu folgenschweren Missverständnissen kommen kann.
Die göttliche Tradition verpflichtet die Gläubigen aller Orte und Zeiten unwandelbar zum Glaubensgehorsam, die kirchliche Tradition bindet die Gläubigen solange, wie sie von der kirchlichen Autorität aufrechterhalten wird.
Nur die göttliche Tradition ist Glaubensquelle. (...) Ein Abfall von dieser Tradition oder ein Bruch mit dieser Tradition würde - immer, aber auch nur dann - einen Abfall oder einen Bruch mit dem Glauben darstellen.

Weiter schreibt P. Recktenwald über die göttliche Tradition:
Sie wurde mündlich weitergegeben in der Verkündigung und Predigttätigkeit der Apostel. Der hl. Paulus schreibt, dass der Glaube vom Hören komme: “Fides ex auditu” (Röm 10,17).

Aber selbstverständlich wurde die mündliche Überlieferung auch immer wieder schriftlich fixiert, und zwar zweifach: in der Hl. Schrift und außerhalb der Hl. Schrift. Die Hl. Schrift, also die Bücher des Neuen Testaments, sind schriftlicher Niederschlag der Tradition, und zwar geschrieben unter dem inspirierenden Beistand des Hl. Geistes. Aber auch danach ging es weiter mit dem schriftlichen Niederschlag der Tradition. Was gehört alles dazu? Unter anderem:

1. Die Glaubensbekenntnisse (Symbola), besonders das Apostolische, das Athanasianische und das Nizänisch-Konstantinopolitanische Glaubensbe-kenntnis: das erste beten wir vor dem Rosenkranz, das letztere in der hl. Messe.
2. Die Liturgien.
3. Die Konzilien und die Erlässe der Päpste.
4. Die Schriften der Kirchenväter.

Alle diese Schriften sind je auf ihre Weise Zeugnisse oder Dokumente oder Urkunden der Tradition. Wenn man also wissen will, was zur Tradition gehört, muss man auf diese Zeugnisse zurückgreifen.

Aber nicht alles, was in der Hl. Schrift und anderen Quellen zu finden ist, so P. Recktenwald, gehöre zu den Offenbarungswahrheiten, vielmehr enthielten diese Quellen auch kirchliche Traditionen. Deshalb sei es notwendig, Kriterien zu kennen, um zwischen den einen und den anderen unterscheiden zu können. Aber selbst solche Kriterien vermögen oftmals nicht eindeutig alles zu erfassen, was zur eindeutigen Beurteilung der Aussagen vonnöten wäre und könnte zu unterschiedlichen Beurteilungen führen. Hier sei nun das kirchliche Lehramt gefragt, das, geleitet durch den Heiligen Geist, letztgültig entscheiden könne:
Um zu einem endgültigen Urteil zu kommen, bedarf es deshalb einer göttlich legitimierten Entscheidungsinstanz, und das ist das kirchliche Lehramt. Es bedarf eines Urteils, das kein Privaturteil ist, sondern ein offizielles und autoritatives Urteil, also das Urteil einer sichtbaren, d.h. öffentlich greifbaren Instanz, die über den Parteien einer theologischen Kontroverse steht und von Gott eingesetzt und legitimiert ist. Genau das ist der Sinn des kirchlichen Lehramtes. (...)
Das kirchliche Lehramt ist die nächste und unmittelbare Glaubensregel, Schrift und Tradition sind entferntere Glaubensregeln.

Mit Glaubensregel ist hier die Norm gemeint, nach der wir unterscheiden können, was zum Glauben gehört und was nicht. Wir wissen, dass wir alles glauben müssen, was Gott geoffenbart hat, und wenn wir die Tugend des Glaubens besitzen, wollen wir auch alles glauben, was Gott geoffenbart. Aber woher wissen wir, was zum Offenbarungsgut gehört? Dazu können wir Schrift und Tradition befragen. Aber diese beiden sind nur die entferntere Glaubensregel, weil sie selber der Auslegung bedürfen. Viele Stellen, Passagen und Lehren der Hl. Schrift können verschieden verstanden und gedeutet werden, und die Geschichte zeigt uns, dass dies auch tatsächlich oft geschah und geschieht. Wer entscheidet, welches die richtige Auslegung ist? Damit in einer geschichtlich konkreten Auseinandersetzung eine Entscheidung möglich ist, bedarf es einer Entscheidungsinstanz, die hic et nunc eingreifen, Stellung beziehen und einen Richterspruch fällen kann. Das ist das lebendige Lehramt. (...)
Natürlich ist das Lehramt seinerseits rückgebunden an Schrift und Tradition. Es steht, wie das II. Vatikanum sagt, unter dem Wort Gottes, nicht über ihm. Das I. Vatikanum lehrt: “Die Glaubenslehre, die Gott geoffenbart hat, wurde dem menschlichen Geist nicht wie eine philosophische Erfindung zur Vervollkommnung vorgelegt, sondern als göttliches Gut der Braut Christi übergeben, damit sie dieselbe treu bewahre und irrtumslos erkläre. Deshalb muß auch immer jener Sinn der Glaubenswahrheiten beibehalten werden, der einmal von der heiligen Mutter der Kirche dargelegt worden ist; nie darf man von diesem Sinn unter dem Schein und Namen einer höheren Erkenntnis abweichen...” (...)
In dem Moment, wo die Glaubensquelle, sei es die Schrift, sei es die Tradition, dem Privaturteil des Einzelnen unterworfen wird, wird sie der Subjektivität unterworfen. Die protestantischerseits ins Feld geführte Berufung auf den Heiligen Geist, der dem Einzelnen bei der Lektüre der Schrift beisteht, nützt nichts, sobald eine Streitfrage über das rechte Verständnis entsteht. Da sich beide Parteien auf den Heiligen Geist berufen und es außerhalb des Einzelnen keine Entscheidungsinstanz mehr gibt, kann es auch keine Vermittlung und keine Beilegung des Streits geben. Der Glaube bleibt der Subjektivität des Einzelnen überlassen. Nur wenn es außerhalb des Einzelnen eine Entscheidungsinstanz gibt, nämlich ein göttlich eingesetztes und legitimiertes Lehramt, können die Glaubensquellen dem demütigenden Schicksal, Spielball subjektiver Auslegungen zu sein, entrissen werden.
So lehrt das I. Vatikanum:
"Weil der römische Bischof durch das göttliche Recht des apostolischen Vorrangs an der Spitze der gesamten Kirche steht, lehren und erklären wir auch: Der römische Bischof ist oberster Richter aller Gläubigen, und man kann in allen Streitsachen, die kirchlicher Untersuchung zustehen, an dieses Gericht Berufung einlegen. Über das Urteil des Apostolischen Stuhles jedoch darf niemand aufs neue verhandeln, da es keine höhere Amtsgewalt gibt, und niemandem ist es erlaubt, über dieses Gericht zu richten."
Das kirchliche Lehramt, so das Fazit, ist unabdingbar, um die Einheit im Glauben zu bewahren. Schrift und Tradition sind dem kirchlichen Lehramt unterworfen - auch und gerade deswegen, weil das kirchliche Lehramt "unter dem Wort Gottes, nicht über ihm" steht und jede Willkür ausgeschlossen ist. Es ist die von Gott eingesetzte legitimierte Entscheidungsinstanz. Für den Gläubigen ist es die erste und nächste Glaubensregel (regula proxima), aus der er sicher den authentischen Glauben erkennen kann. 

Sehr herzliche Leseempfehlung für den gesamten Text!


Zitate P. Recktenwalds aus einem Vortrag vom 11. November 2012 in Trier, gehalten auf Einladung des Trierer Initiativkreises; veröffentlicht in UNA VOCE Korrespondenz 1. Quartal 2013, S. 59 ff


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So steht denn fest, Brüder, und haltet euch an die Überlieferungen, die ihr mündlich oder schriftlich von uns empfangen habt.


Weiteres zum Thema "Hl. Schrift, Tradition, kirchliches Lehramt":

Auch noch von P. Engelbert Recktenwald FSSP: 


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