Donnerstag, 25. April 2013

"Stellvertreter Christi auf Erden" - ein unverzichtbarer Titel des Papstes


Der Münchner Professor für Dogmatik und Ökumenische Theologie, Bertram Stubenrauch, meint, der Begriff "Stellvertreter Christi", der unter anderen ein Titel des Nachfolgers Petri ist, sei missverständlich und müsse deswegen abgeschafft werden. Wo aber kämen wir hin, wenn die Kirche all die Dinge und Begriffe, die falsch (oder garnicht mehr) verstanden werden könnten, abschaffen (oder verfälschen) würde: den Begriff der "Erbsünde", z. B,. oder die "Jungfräulichkeit Mariens", usw.?

Wohlgemerkt behauptet er nicht, dass dieser Titel falsch wäre, im Gegenteil: zu Recht nennt er selbst als Gegenargument "einen biblischen Bezug, nämlich im Johannes-Evangelium, Kapitel 21. Dort ist dem Petrus ein Hirtenauftrag im Namen Jesu zugesprochen".

Nur wegen des möglichen Missverständnisses (es könne jemand meinen, dass jede Äußerung des Papstes unfehlbar sei, anstatt nur jene die er im Rahmen des Unfehlbarkeitsdogmas trifft), meint Stubenrauch, dass der Titel abgeschafft gehört. Diesem befürchteten Irrtum scheint der Theologe jedoch selbst zu erliegen, wenn er auf die Frage, ob das Papstamt mit jenem Titel "überhöht" würde, antwortet: "Ja. Vor allem stellt sich damit die Frage, ob alles, was der Papst tut oder lehrt, unmittelbare Lehre und unmittelbares Tun Jesu Christi ist."

Halten wir fest: der Titel ist zutreffend und gerechtfertigt - und durch die Tradition bestätigt. Es fehlt aber an der Vermittlung vonseiten der Kirche, Klerikern wie Laien, damit die Menschen, die verstehen wollen, verstehen können. Verstehen, was es mit dem Dogma der Unfehlbarkeit des Papstes auf sich hat und was der Titel "Stellvertreter Christi" oder auch "Stellvertreter Gottes auf Erden" bedeutet. Dem könnte man abhelfen, ganz einfach dadurch, dass man die fraglichen Begriffe den Menschen, die es nicht wissen, erklärt, einfach erklärt, oder z. B. indem man Katechesen darüber anbietet.

Der Nachfolger des hl. Petrus und Bischof von Rom ist das auf Erden sichtbare Haupt der ganzen Kirche. Das Haupt aber ist er nur deswegen, weil Christus ihn als seinen Statthalter, als seinen Stellvertreter, eingesetzt hat. Wäre er nicht Stellvertreter Christi auf Erden, hätte er keine Legitimation dazu, in Christi Namen das in der Zeit und in der Welt sichtbare Haupt der Universalkirche zu sein.

Stubenrauch beruft sich auf das Zweite Vatikanische Konzil. Hören wir, was die Dogmatische Konstitution "Lumen gentium" über die Kirche und den "Stellvertreter Christi" sagt:

Diese Heilige Synode setzt den Weg des ersten Vatikanischen Konzils fort und lehrt und erklärt feierlich mit ihm, daß der ewige Hirt Jesus Christus die heilige Kirche gebaut hat, indem er die Apostel sandte wie er selbst gesandt war vom Vater (vgl. Joh 20,21). Er wollte, daß deren Nachfolger, das heißt die Bischöfe, in seiner Kirche bis zur Vollendung der Weltzeit Hirten sein sollten. Damit aber der Episkopat selbst einer und ungeteilt sei, hat er den heiligen Petrus an die Spitze der übrigen Apostel gestellt und in ihm ein immerwährendes und sichtbares Prinzip und Fundament der Glaubenseinheit und der Gemeinschaft eingesetzt (1). Diese Lehre über Einrichtung, Dauer, Gewalt und Sinn des dem Bischof von Rom zukommenden heiligen Primates sowie über dessen unfehlbares Lehramt legt die Heilige Synode abermals allen Gläubigen fest zu glauben vor. Das damals Begonnene fortführend, hat sie sich entschlossen, nun die Lehre von den Bischöfen, den Nachfolgern der Apostel, die mit dem Nachfolger Petri, dem Stellvertreter Christi (2) und sichtbaren Haupt der ganzen Kirche, zusammen das Haus des lebendigen Gottes leiten, vor allen zu bekennen und zu erklären.
(1) Vgl. I. Vat. Konzil, Sess. IV, Const. Dogm. Pastor æternus: Denz. 1821 (3050f).
(2) Vgl. Konzil v. Florenz, Decretum pro Græcis: Denz. 694 (1307) u. I. Vat. Konzil: ebd. Denz. 1826 (3059). 
II. Vatikanum; Dogmatische Konstitution "Lumen gentium" (LG) 18

und später in LG 22:
Der Bischof von Rom hat nämlich kraft seines Amtes als Stellvertreter Christi und Hirt der ganzen Kirche volle, höchste und universale Gewalt über die Kirche und kann sie immer frei ausüben. Die Ordnung der Bischöfe aber, die dem Kollegium der Apostel im Lehr- und Hirtenamt nachfolgt, ja, in welcher die Körperschaft der Apostel immerfort weiter besteht, ist gemeinsam mit ihrem Haupt, dem Bischof von Rom, und niemals ohne dieses Haupt, gleichfalls Träger der höchsten und vollen Gewalt über die ganze Kirche. Diese Gewalt kann nur unter Zustimmung des Bischofs von Rom ausgeübt werden. Der Herr hat allein Simon zum Fels und Schlüsselträger der Kirche bestellt (vgl. Mt 16,18-19) und ihn als Hirten seiner ganzen Herde eingesetzt (vgl. Joh 21,15 ff).

"Im Gefolge des Zweiten Vatikanischen Konzils wäre es eine sinnvolle Konsequenz, den Titel fallen zu lassen - was die meisten meiner Kollegen und Kolleginnen ähnlich sehen", meint Stubenrauch. Wie die Texte des II. Vatikanums, insbesondere die Dogmatische Konstitution "Lumen gentium" unmissverständlich (!) darlegen, ist das ein absoluter Trugschluss und gerade das Gegenteil, nämlich eine deutliche Bestätigung und ein Beharren auf den Titel des "Stellvertreters Christi" ist das Anliegen des II. Vatikanums - in Bestätigung der gesamten lebendigen Tradition der Lehre der Kirche über das Papstamt (*s.u.).

Stubenrauch macht sich Sorgen um eine "Abgehobenheit" des Papstes und  mangelnden "Raum für Kollegialität": Die Kollegialität der Bischöfe ist (z. B.) im Zweiten Vatikanum eindeutig erklärt worden (vgl. LG 22) und wird durch die Sonderstellung des Nachfolgers Petri nicht beeinträchtigt. Es gibt dazu genügend Gestaltungsmöglichkeiten. Würde aber der Titel des "Stellvertreters Christi auf Erden" "gestrichen" und nicht mehr genannt, wäre es nicht mehr zu erklären, warum der Papst unter den übrigen Bischöfen eine Sonderstellung innehat, warum er "sichtbares Haupt der Universalkirche" sein soll. Denn nur durch seine - durch Christus selbst verliehene - Statthalterrolle (vgl. Mt 16,18; ) ist diese Sonderstellung begründet. 

Sagen wir es ganz offen: Es ist für die Kirche absolut schädlich, den Nachfolger Petri nicht mehr als "Stellvertreter Christi" zu bezeichnen. Das rüttelt an den Fundamenten der Kirche, so wie sie von Christus gelegt sind. Die gesamte Lehrtradition über das Papstamt würde damit verworfen und die Kirche ihrer Identität beraubt.

Deswegen kann die "Abschaffung" des Stellvertreter-Titels keine sinnvolle Lösung sein, sondern nur die forcierte Erläuterung dessen, was es mit diesem Titel, wie mit dem Unfehlbarkeitsdogma auf sich hat. Hier tut nicht Resignation sondern Verkündigung not. So lernen die Menschen verstehen, dass die Kirche nicht sich selbst oder die Meinung des Papstamt-Inhabers verkündet, sondern immer und ausschließlich Jesus Christus, der das Haupt seiner Kirche ist. Nichts anderes ist die Aufgabe des Papstes, als Christus zu verkünden, seine Brüder im Glauben zu stärken und "das immerwährende und sichtbare Prinzip und Fundament für die Einheit der Vielheit sowohl von Bischöfen als auch von Gläubigen" (LG 23) zu sein.


(* s.o.)
Berufung auf die bis auf die apostolische Lehre zurückgehende Tradition:
Gestützt auf die offenkundigen Zeugnisse der heiligen Schriften und im Anschluss an die bestimmten und deutlichen Beschlüsse unserer Vorgänger, der römischen Päpste, wie auch der Allgemeinen Kirchenversammlungen, erneuern wir die Entscheidung der Allgemeinen Kirchenversammlung von Florenz, wonach alle Christgläubigen glauben müssen, "dass der Heilige Apostolische Stuhl und der römische Bischof den Vorrang über den ganzen Erdkreis innehat, weiter, dass dieser römische Bischof Nachfolger des heiligen Petrus, des Apostelfürdten, wahrer Stellvertreter Christi, Haupt der gesamten Kirche und vater und Lehrer aller Christen ist; dass ihm von unserem Herrn Jesus Christus im heiligen Petrus die volle gewalt übergeben ist, die ganze Kirche zu weiden, zu regieren und zu verwalten, wie es die Verhandlungsberichte der Allgemeinen Kirchenversammlungen und die heiligen Rechtssätze enthalten". (I. Vatikanum, 4. Sitzung ; 1870; DS 3059; NR 444)

 Siehe dazu auch: 

Buchempfehlung:

Leo Kardinal Scheffczyk:
Das Unwandelbare im Petrusamt
Morus Verlag Berlin 1971














2 Kommentare:

  1. Es ist mir in Bezug auf dieses tatsächlich existierende Mißverständnis dutzendemale innerhalb von zwei bis fünf Minuten, gelungen, dieses richtigzustellen. Und ich habe nicht Theologie studiert. Es geht hier also wohl um etwas ganz anderes. Der Begriff "Kollegialität" in Bezug auf die Apostel oder ihre Nachfolger allein spricht schon Bände... Und ach ja, wär "Das Konzil!" toll ohne seine Texte und überhaupt. Mission impossible.

    Danke für den Artikel!

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    1. Zwei bis fünf Minuten, genau. In der Zeit ist das Missverständnis geklärt. Natürlich ist das schwierig und mühsam in einer Gesellschaft, in der seit Jahrzehnten Verkündigung und Katechese brachliegen - von einigen rühmlichen Ausnahmen abgesehen.

      Zwei bis fünf Minuten.

      Aber man muss wohl wirklich annehmen, dass es hier noch um etwas ganz anderes geht, nämlich um einen weiteren Angriff auf die Sonderstellung des Nachfolgers Petri. Das ist zwar nichts Neues, aber immer wieder wird versucht, durch die Uminterpretierung und die damit verbundene Abwertung des Papstamtes die Einheit der Kirche auf's Spiel zu setzen.
      Möglicherweise liegt die Motivation von Herrn Prof. Stubenrauch in einer (dann wohl aber falschverstandenen) Ökumene, wer weiß...

      Jedenfalls ist es unmöglich, den Primat des Papstes als sichtbares Oberhaupt der Universalkirche ohne die Berufung des Petrus und seiner Nachfolger als Stellvertreter Christi zu rechtfertigen. Christus ist das einzige (für uns aber unsichtbare) Haupt der Kirche. Dises Band darf man nicht kappen.


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