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Dienstag, 17. Juni 2014

Prof. Georg May: Die andere Hierarchie - Teil 31: Der Pfarrer

Prof. Dr. Georg May

Die andere Hierarchie


Teil 31


Verlag Franz Schmitt Siegburg AD 1997


Fortsetzung von hier

§ 8  Der Pfarrer

I.  Rechtliche Stellung

Das Urbild des Priesters ist der Pfarrer. Der Pfarrer ist der eigene Hirt der ihm übertragenen Pfarrei, der die Seelsorge der ihm anvertrauten Gemeinde unter der Autorität des Diözesanbischofs ausübt, zu dessen Teilhabe am Dienst Christi er berufen ist. Er leistet für seine Gemeinde die Dienste des Lehrens, Heiligens und Leitens, wobei andere Priester oder Diakone mitarbeiten und Laien ihren Beitrag leisten (c. 519).

Der Pfarrer muss immer Priester sein (c.521 §1), denn nur ein Priester kann Christus als Hirten repräsentieren und die durch die Christusrepräsentation bedingten Dienste leisten. Insofern er Priester ist, gehört er als eine Stufe zu der Hierarchie göttlichen Rechts.

Die Priester sind nach dem Zweiten Vatikanischen Konzil Väter in Christus (Lumen gentium Nr. 28). Diese Vaterschaft ist geistlicher Art und besagt die autoritative Stellung und die lebensspendende Aufgabe. Die Verleihung des Pfarramtes steht dem Diözesanbischof zu, und zwar grundsätzlich ohne rechtliche Bindung bei der Auswahl der Person (c. 523). Der Oberhirte hat sich dabei einerseits an der Zahl und Qualität der zur Verfügung stehenden Kleriker, andererseits an den Bedingungen und Bedürfnissen der zu besetzenden Stellen zu orientieren.

Die pfarrlichen Pflichten sind außerordentlich umfangreich (cc. 528-535). Dem Pfarrer ist die Sorge für die Verkündigung des Wortes Gottes aufgetragen. Mittel dazu sind Predigt und Katechese, Religionsunterricht und Unterweisung der Jugend.

Dem Pfarrer besonders anempfohlen sind die Abständigen und Abgefallenen sowie die nichtkatholischen Christen. Er muss die Eucharistie zum Mittelpunkt des pfarrlichen Lebens machen. Er hat Sorge für häufigen würdigen Empfang der Sakramente des Altares und der Buße zu tragen. 

Er muss seine Gläubigen kennen, besuchen und mit ihnen Freude und Leid teilen. Er muss sie stärken und zurechtweisen. Er muss sich der Kranken und Sterbenden annehmen. Der Pfarrer soll seine Liebe den Armen, Betrübten und Einsamen zuwenden, Gatten und Eltern und Familien bei der Erfüllung ihrer Pflichten unterstützen.

Im Besonderen sind ihm aufgetragen die Spendung der Taufe, der Firmung und der Krankensalbung, die Assistenz bei der Eheschließung und das christliche Begräbnis sowie die Eucharistiefeier an Sonn- und Feiertagen. Bei allen Rechtsgeschäften vertritt der Pfarrer die Pfarrei (c. 532). Wenn er handelt, dann handelt durch ihn die Pfarrei, d. h. die Gemeinde; er ist deren Repräsentant.


II.  Die heutige Lage

Jeder Priester wird grundsätzlich für die Seelsorge geweiht. Der Prototyp des Seelsorgers ist der Pfarrer. Das Amt des Pfarrers ist außerordentlich anspruchsvoll und verlangt vollen Einsatz.

Der Pfarrer, der seine Aufgabe richtig versteht, ist sozusagen immer im Dienst; er hat kein Privatleben. Es ist nun offensichtlich, dass heute nicht wenige Pfarrer bei ihrer Amtsführung bedenkliche Schwächen zeigen, erheblich mehr als etwa vor 40 (Anm.: nunmehr etwa 57) Jahren. Die pfarrlichen Pflichten werden von manchen Seelsorgern wenig ernst genommen. Die Spendung des Bußsakramentes wird vernachlässigt und hat an manchen Orten beinahe aufgehört.

In nicht wenigen Pfarreien liegt die priesterliche Sorge um Kranke und Sterbende darnieder. Laien überbringen bettlägrigen Kranken die Kommunion, doch von der vorhergehenden Beichte ist keine Rede. Aus der Krankensalbung ist an manchen Orten eine Gesunden- bzw. Altensalbung geworden. 

Man kann nur staunen, wie großzügig heute manche Pfarrer ihre Residenzpflicht auslegen. Sie lassen den Sonntagsgottesdienst ausfallen, um mit einer Gruppe der Pfarrei eine Exkursion in die Toskana oder anderswohin zu unternehmen.

Die Verkündigung liegt weithin im Argen. Aus Predigern sind Vorleser geworden. Die kirchliche Lehre wird an vielen Stellen verbogen oder abgeschwächt. Die erschütternden Wahrheiten unseres Glaubens bleiben weithin ungesagt. Die kirchliche Moral des Geschlechtlichen wird den Gläubigen vorenthalten. Es kommt vor, dass junge Männer und Frauen des Entsetzens voll sind über das, was sie von Pfarrern und anderen kirchlichen Funktionären an Abwegigem bei der Ehevorbereitung zu hören bekommen.

Im Klerus herrscht weithin Entmutigung und Erschlaffung. Die Pfarrer sind davon an erster Stelle betroffen. Missionarische Seelsorge, die auf Gewinnung neuer Kirchenglieder und Rückholung verlorener Gläubiger gerichtet ist, geschieht in den wenigsten Pfarreien. Viele Pfarrer streben zum frühestmöglichen Zeitpunkt die Pensionierung an.

In manchen Diözesen besteht der Eindruck, dass Pfarrer von der Diözesanleitung zum Amtsverzicht gedrängt werden, um auf diese Weise den Priestermangel zu verstärken und laikale Ersatzpersonen in die pfarrlichen Positionen einzuschleusen. Die Schwäche des Pfarrerstandes war eine Voraussetzung für die Etablierung der anderen Hierarchie auf der Ebene der Pfarrei.


Fortsetzung folgt


Übersicht: Zu den bisher erschienenen Fortsetzungen


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Sonntag, 26. Januar 2014

Entlastet Prüfungsbericht den Limburger Bischof Tebartz-van Elst?

Die von der deutschen Bischofskonferenz eingesetzte Kommission unter der Leitung des Paderborner Weihbischofs Manfred Grothe, die die Vorgänge um die Finanzierung des neuen Diözesanzentrums St. Nikolaus einschließlich der Bischofswohnung prüfen sollte, ist anscheinend zu einem Ergebnis gekommen. Danach soll, wie der "Focus" mit Berufung auf vatikanische Quellen berichtet, Bischof Franz-Peter Tebartz-van Elst keine Verschwendung von Geldern oder das Übergehen von Beratungsgremien nachgewiesen werden können.

In einer regelrechten Hexenjagd waren dem glaubens- und kirchentreuen Limburger Oberhirten von seinem Domkapitel und weiteren kirchenpolitisch anders orientierten Kreisen mit medialer Unterstützung immer wieder Verfehlungen, Verschwendungssucht und ein "autotitärer Führungsstil" vorgeworfen worden, sodass er als Diözesenbischof als untragbar und inkompetent verleumdet wurde und unter diesem Druck sogar seine Diözese verlassen musste. Seitdem lebt der idealgesinnte Bischof und eifrige Seelsorger im niederbayrischen Benediktinerkloster Metten.

Wie es nun weitergehen könnte im Bistum Limburg, darüber spekuliert "Focus" auch: Angeblich überlege man, entweder das Bistum aufzulösen und in seine Ursprungsbistümer Trier und Mainz zurückzuführen, oder es werde ein von Rom ernannter Administrator zur Leitung der Diözese eingesetzt. Die Zukunft des verleumdeten Bischofs bleibt vorerst ungewiss.

Weitere Vorab-Informationen hier biem "Focus" und bei "kath.net".


Update:

Die Deutsche Bischofskonferenz (DBK) hat die Meldungen des Magazins "Focus"  dementiert. Durch ihren Sprecher Matthias Kopp ließ sie gegenüber der katholischen Nachrichtenagentur (KNA) verlauten, dass die Kommission weiterhin an der Aufarbeitung der Fakten arbeite und die Ergebnisse erst im Februar vorliegen würden. Die Vermutungen um die Zukunft des Bistums wies Kopp ebenfalls als "reine Spekulationen" zurück (Quelle: katholisch.de)


Weitere Informationen in der Causa Limburg:


Bild: Hofeinfahrt des neuen Diözesanzentrums St. Nikolaus am Limburger Domberg; eigenes Foto

Samstag, 4. Januar 2014

Authentisch sein!

Von Pater Bernward Deneke FSSP, Wigratzbad 

Woran denken Sie bei der Zahl 68? Vielen wird die folgenreiche Jugendrevolte einfallen, die mit diesem Datum verbunden ist. 1968 erlebte das Aufbegehren insbesondere der Studenten gegen die verachtete bürgerliche Gesellschaft seinen Durchbruch und Höhepunkt. Mit schonungsloser Direktheit griff man Personen und Institutionen an, die bislang als Autoritäten, ja als sakrosankt gegolten hatten. Überkommene Formen des individuellen und gemeinschaftlichen Lebens wurden bezichtigt, Nährboden für das Aufkeimen des Nationalsozialismus gewesen zu sein. Nach dem Dritten Reich habe man daraus nichts gelernt, sondern weiterhin alles auf die längst entleerten und erstarrten Traditionen gegründet. Diese unterwürfen die Menschen den Mechanismen der Bevormundung und Unterdrückung, entfremdeten sie von sich selbst und gewöhnten sie an eine Existenz in Unwahrhaftigkeit. Deshalb sei eine revolutionäre Umkehrung der Verhältnisse unbedingt nötig; denn nur durch radikale Emanzipation könnten die Menschen zu sich selbst finden, und nur so auch lasse sich eine Wiedergeburt des „Faschismus“ verhindern.

Es war kein Novum, dass die Nachkriegsgeneration die Gepflogenheiten der Älteren scharfen Blickes beäugte und dabei manches als unglaubwürdig entlarvte. Wo man sich um äußere Ordnung und um gute Formen bemüht, da werden immer auch manche prächtigen Fassaden entstehen, hinter denen sich nicht ein Palast, sondern eine Kloake befindet. Jesus Christus sprach bereits von geachteten und geehrten Personen, die in Wahrheit übertünchten Gräbern voller Modergeruch und Unreinigkeit gleichen (Mt 23,27). Niemand wird es daher dem Idealismus der Jugend verübeln, wenn er das schimmernde Elend des Unechten und Verlogenen anprangert und an seine Stelle ein Leben in Wahrheit und Aufrichtigkeit setzen möchte. Doch genau das ist den Revoluzzern von damals nicht gelungen. Sie sind zwar den Marsch durch die Institutionen gegangen und haben sich Spitzenpositionen im politischen, wirtschaftlichen und kulturellen Bereich erobert, um sich in ihnen festzusetzen. Aber besser geworden ist dadurch herzlich wenig.

Obwohl die 68er-Bewegung längst der Vergangenheit angehört und sie uns in manchen ihrer Erscheinungsformen geradezu antiquiert vorkommen mag, ist doch einiges von ihr im öffentlichen Bewusstsein haften geblieben. Das erkennt man nicht zuletzt an bestimmten Vokabeln, die damals Hochkonjunktur hatten und die weiterhin überall anzutreffen sind. So begegnen wir oft der Forderung, wir sollten doch bitteschön „echt“ und „authentisch“ sein. Eine Mahnung zur Wahrhaftigkeit und gegen die Verstellung – wer wollte sich ihr verschließen? Genauer besehen, will sie aber mehr und anderes als das sagen, was hochstehende Sittlichkeit schon immer von uns verlangt hat.

„Wir müssen wirklich und wahrhaftig wir selbst sein“, lautet, mit den Worten Jean-Paul Sartres ausgedrückt, das Authentizitätsgebot. Es will uns gerade nicht zu einem Streben nach Veredelung durch Bildung, Tugend und Religion, sondern dazu bewegen, zu uns selbst, so wie wir sind, zu stehen, auch zu unseren Fehlern, und zwar ohne Scham und Demut, vielmehr offen und selbstbewusst. Es soll also nun nicht mehr der unordentliche Mensch zur Ordnung, der Missgelaunt-Widerwillige zu höflichem Betragen und froher Bereitschaft aufgerufen werden. Vielmehr gilt es, Unzufriedenheit, Ärger und überhaupt alle Gefühlsregungen, die bislang aus Rücksicht auf die Mitmenschen und im Zeichen der Selbstbeherrschung überwunden werden sollten, „herauszulassen“. So kommt es, dass einer ungepflegten, aufmüpfigen und rowdyhaften Person eher Echtheit und Authentizität zuerkannt wird als einer offensichtlich wohlerzogenen, angenehm zurückhaltenden und hilfsbereiten. „Wirklich und wahrhaftig er selbst“ ist nicht jemand, der sich bei einem langen Vortrag bemüht, die Äußerungen von Ermüdung zu unterdrücken, sondern wer laut gähnt!

Muss man eigens erklären, dass solche „Authentizität“ weder dem ursprünglichen Sinn des Wortes, das „Glaubwürdigkeit“, „Zuverlässigkeit“, „Verbürgtheit“ bedeutet, noch der Haltung eines gläubigen Menschen entspricht? Der Import der 68er-Ideen in die Kirche ist zwar ausgiebig betrieben worden, doch niemals wird die Authentizitäts-Ideologie einem katholischen Christen akzeptabel sein. Für diesen ist ja Jesus Christus selbst der Inbegriff wahrer Authentizität, da Seine Sendung und Lehre durch Heiligkeit und Wunderzeichen, am Ende durch Tod und Auferstehung ihre Zuverlässigkeit zeigte. Und damit verbunden steht auch die Kirche für Authentizität, weil sie, vom Herrn auf apostolischem Fundament errichtet, sich in ihrer unverfälschten Verkündigung immer neu als treu und in ihren Heiligen – den authentischen Zeugen gelebten Glaubens – als fruchtbar erweist.

Authentisch sind wir folglich in dem Maße, als unser Leben der Wahrhaftigkeit und Heiligkeit Christi und Seiner Kirche entspricht. Nur so können und sollen wir dann auch im guten Sinne „wirklich und wahrhaftig wir selbst sein“: als Heilige.



 Hinweise:
- mit freundlicher Genehmigung des Verfassers
- der Beitrag erschien bereits im Schweizerischen Katholischen Sonntagsblatt (SKS)

 

Freitag, 20. Dezember 2013

Prof. Georg May: Die andere Hierarchie - Teil 16: Die Theologieprofessoren - Lehramt und Theologie

Prof. Dr. Georg May


Die andere Hierarchie
Teil 16


 Verlag Franz Schmitt Siegburg AD 1997



§ 6  Die Theologieprofessoren

Die andere Hierarchie ist vielgestaltig. Sie tritt bald in Einzelpersonen, bald in Gremien, bald in Gruppen in Erscheinung. Besondere Beachtung verdient das Neben- und Ersatzlehramt der Theologieprofessoren.


I.  Lehramt und Theologie

1. Lehramt

Was zu glauben und zu tun ist, bestimmt Gott. Er macht uns seinen Willen kund durch den menschgewordenen Gottessohn. Jesus Christus hat seine Lehre der von ihm gegründeten Kirche anvertraut. In der Kirche gibt es ein Lehramt, das von Amtes wegen und mit Autorität die verbindliche Lehre vorträgt (Dignitatis humanae Nr. 14). Die Träger dieses Lehramtes sind die Bischöfe mit dem Papst an der Spitze (Lumen gentium Nr. 22). Die Gläubigen schulden ihm religiösen Gehorsam des Verstandes und des Willens (LG 25).

Die Autorität des Lehramtes geht auf die Sendung Christi und der Apostel zurück; sie gründet im Sakrament und im Amt (LG 21 und 22). Nach dem Zweiten Vatikanischen Konzil verkündet Christus den Völkern vorzüglich durch den Dienst der Bischöfe Gottes Wort (LG 21). Sie haben die Aufgabe Christi, des Lehrers, inne. Die Bischöfe sind authentische, d. h. mit der Autorität Christi ausgerüstete Lehrer (LG 25). Mögen sie noch so sehr versagen, sie bleiben Inhaber des Lehramtes. Es ist den Gläubigen unbenommen, ihnen ihr Versagen vorzuhalten. Aber damit werden sie nicht aus der Unterstellung unter das Lehramt entlassen, wann immer dieses seiner gottgesetzten Aufgabe nachkommt.

Man kann sich auf das gesunde Lehramt gegen das kranke Lehramt berufen, aber an das Lehramt bleibt der katholische Christ gebunden. Die Vollmacht, authentische Urteile über die Glaubenslehre abzugeben, erwächst nicht aus der thologischen Bildung, die jemand genossen hat, sondern aus der Befugnis des kirchlichen Amtes. Wer dies bestreitet, unterstellt die Amtsträger den Theologen und liefert sie damit der Vielfalt der theologischen Meinungen aus. Dem Lehramt ist das autoritative, d. h. verbindlich urteilende und gegebenenfalls richtende Zeugnis des Glaubens anvertraut.

Es ist falsch, die Aufgabe des Lehramtes auf das Bemühen um friedlichen Umgang von Christen unterschiedlicher Auffassung einzuschränken, wie es Ottmar Fuchs tut, der dem Lehramt die Hauptaufgabe zuweist, Konsens und Koexistenzmöglichkeiten bei Dissens zu suchen (1). Das Lehramt besitzt jurisdiktionelle Befugnisse, die es berechtigen, Weisungen zu geben und Gehorsam zu fordern. Im Lehramt verbinden sich priesterliche Vollmacht und Hirtengewalt.

Das Lehramt hat die heilige Pflicht, die Glaubenshinterlage unversehrt zu bewahren. Das Zweite Vatikanische Konzil schreibt den Bischöfen die Aufgabe zu, "die ihrer Herde drohenden Irrtümer" wachsam fernzuhalten (LG 25). Sie dürfen also zu Irrlehren nicht schweigen oder sie verharmlosen. Die hartnäckige Leugnung oder Bezweiflung einer mit göttlichem und katholischem Glauben zu glaubenden Wahrheit ist Häresie (c. 751). Wer dies tut, ist ein Häretiker. Er verfällt ohne weiteres der Exkommunikation (c. 1364 §1). Den Eintritt dieser Strafe von Amtes wegen festzustellen, ist Sache der Oberhirten.


2.  Theologie

Theologische Arbeit ist wissenschaftlicher Dienst am Glauben. Sie hat die Lehre aus dem Glauben und für den Glauben vorzutragen. Die theologische Wissenschaft leistet den Trägern des Lehramtes einen gewichtigen Dienst, indem sie die Glaubenslehre aus den Urkunden der Offenbarung erhebt und rational durchdringt.

Die Autorität der Theologen beruht auf der Kraft ihrer Erkenntnis und der Übereinstimmung ihrer Lehre mit dem Glauben der Kirche. Ihnen kommt weder Weisungsrecht noch Leitungsbefugnis zu. Die Theologen sind außerstande, den Glauben verbindlich vorzulegen. Ihnen fehlt das Amtscharisma, und deswegen können sie niemals als gleichberechtigte Partner des Lehramtes auftreten. Es ist falsch, wenn Greinacher die Forderung erhebt, "dass eine Entscheidung in Fragen des Glaubens und der Sitte nur im Einvernehmen von theologischer Wissenschaft und kirchlichem Lehramt gefunden werden kann" (2). Theologie und Lehramt können nicht auf derselben Ebene der Parität stehen. Vielmehr bedarf der Theologe zur Erfüllung seiner Aufgabe der kanonischen Sendung, die ihm von den Trägern des Lehramtes erteilt und u. U. entzogen wird.

Der Glaube kommt nicht aus der Theologie, sondern aus der glaubenden und lehrenden Kirche. Die Theologie empfängt den Glauben vom lebendigen Zeugnis, hinter dem die kirchliche Lehrautorität steht. Deswegen muss sie ihre Lehre stets in der Bindung an die Vorgaben des Lehramtes vortragen. Eine Theologie, die sich diesen Bindungen entzieht, ist unfähig, den Dienst am Glauben zu leisten. Das heißt: Sie hebt sich selbst als Glaubenswissenschaft auf.


(1)  Fuchs, Zwischen Wahrhaftigkeit und Macht 183
(2)  Norbert Greinacher, Kirchliches Lehramt und Theologen: Theologische Quartalsschrift 160, 1980, 139







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Freitag, 8. November 2013

Prof. G. May: Die andere Hierarchie - Teil 7: Die Bischöfe - Rechtliche Stellung

Prof. Dr. Georg May

Die andere Hierarchie
Teil 7

Verlag Franz Schmitt Siegburg AD 1997 


§ 3 Die Bischöfe

I. Rechtliche Stellung

1. Die Einzelbischöfe

Die Bischöfe folgen aufgrund göttlicher Einsetzung durch den Heiligen Geist, der ihnen gegeben ist, den Aposteln nach, um selbst Lehrer des Glaubens, Priester des heiligen Gottesdienstes und Diener in der Leitung zu sein (c. 375 §1). Durch die Bischofsweihe wird die Fülle des Weihesakramentes übertragen (Lumen gentium Nr. 21). Um sie unbehindert ausüben zu können, bedarf der Geweihte der kanonischen Sendung. Er vereinigt in seiner Hand die volle Weihegewalt und eine der Primatialgewalt des Papstes untergeordnete Hirtengewalt.

Der Bischof ist aufgrund der Weihe und der kanonischen Sendung Haupt einer Ortskirche, der er im Namen und in der Vollmacht Christi als Hirt, Lehrer und Priester vorsteht. Dem Diözesanbischof kommt in der ihm anvertrauten Diözese die ganze ordentliche, eigenberechtigte und unmittelbare Gewalt, deren Vollzug und Umfang jedoch von der höchsten kirchlichen Autorität geregelt werden (Lumen gentium Nr. 27). Die Oberhirtengewalt ist ordentliche Gewalt, weil sie aus dem Bischofsamt fließt, und sie ist unmittelbare Gewalt, weil sie sich ohne rechtliche Bindung an Zwischenglieder auf alle anvertrauten Gläubigen bezieht. Die Oberhirtengewalt des Bischofs ist territorial begrenzt; sie umfasst alle im Gebiet seiner Diözese wohnhaften Gläubigen. Der Bischof ist das sichtbare Haupt der ihm anvertrauten Gläubigen und verbindet sie zur Einheit. Er hat die Glaubens- und Sittenlehre den Gläubigen darzulegen und zu erklären sowie die Unversehrtheit und Einheit der Glaubenslehre mit geeigneten Mitteln zu schützen (c. 386).

Er leitet die ihm anvertraute Teilkirche mit gesetzgebender, ausführender und richterlicher Gewalt (c. 391 §1); d. h. er ist für die Gesetzgebung, Verwaltung und Rechtsprechung zuständig. Der Bischof hat die Diözese nach außen hin zu vertreten (c. 369); seine Vertretungsmacht teilt er nicht mit anderen. Der Bischof muss die Einheit mit der Gesamtkirche wahren, die gemeinsame Ordnung der ganzen Kirche fördern und auf die Einhaltung aller kirchlichen Gesetze drängen (c. 392 §1). Er hat jedem Missbrauch der kirchlichen Ordnung, vor allem bei der Verkündigung und beim Gottesdienst, zu wehren (c. 392 §2). Der Bischof untersteht in der Ausübung seiner oberhirtlichen Gewalt der Autorität des Papstes; er ist an übergeordnetes Recht gebunden. Zusammenfassend kann man in einem richtigen Sinne sagen: Die katholische Kirche ist eine Bischofskirche.


2. Das Bischofskollegium

Die Bischöfe sind untereinander verbunden. Ihre Gesamtheit bildet das Bischofskollegium. Der Papst ist der Nachfolger Petri und das Haupt des Bischofskollegiums (cc. 330 und 331). Das Bischofskollegium folgt dem Apostelkollegium nach (cc. 336 - 341). In das Bischofskollegium tritt man ein kraft der sakramentalen Konsekration und durch die hierarchische Gemeinschaft mit dem Haupt und den Gliedern dieses Kollegiums. Die Zugrehörigkeit zum Bischofskollegium verlangt ein entsprechendes solidarisches Verhalten.


3. Die Bischofskonferenz

Die Bischöfe treten heute häufiger als vor dem Zweiten Vatikanischen Konzil in der Mehrzahl auf, als Bischofskonferenz. Die Bischofskonferenz ist eine kirchliche Einrichtung, in der die Bischöfe einer Region ihren Hirtenauftrag gemeinsam wahrnehmen. (c. 447). Die Weisen ihres Handelns sind verschieden. Sie dient der Information und der Beratung der in ihr versammelten Bischöfe, aber auch der Koordination und der Abstimmung von Tätigkeiten.

Die Bischofskonferenz darf verbindliche Beschlüsse nur in den im Recht genannten oder besonders zugewiesenen Fällen fassen. Institutionen neigen dazu, ihr Personal und ihre Aktivitäten auszuweiten. Die Deutsche Bischofskonferenz hat einen beträchtlichen Apparat geschaffen; er beträgt 300 Personen. Die Deutsche Bischofskonferenz hat als dauernde Organe den Vorsitzenden, den Ständigen Rat, das Sekretariat und 14 Kommissionen. Dazu treten die zweimaligen Vollversammlungen im Jahr.

An sich wäre es möglich, lediglich die Diözesanbischöfe mit beschließendem Stimmrecht in die Versammlungen der Bischofskonferenz auszustatten. In Deutschland hat man es allen, also auch den Hilfsbischöfen gegeben. Die Zahl der Hilfsbischöfe überschreitet die Zahl der Diözesanbischöfe bei weitem. Die für ihre Diözesen hauptverantwortlichen Oberhirten werden dadurch in die Minderheit gedrängt. Die Kosten der Bischofskonferenz gehen in die Millionen.

Das letzte Wort über Nutzen und Schaden der Bischofskonferenzen neuen Typs ist noch nicht gesprochen. Auf dem Zweiten Vatikanischen Konzil wurden die Gefahren, welche die Bischofskonferenzen für den Primat  und für die Verantwortung des Einzelbischofs mit sich bringen, deutlich gesehen. Das Konzil sagt daher vorsichtig, dass die Bischofskonferenzen hilfreich sein "können" (Lumen gentium Nr. 23). Die Bischofskonferenzen neuen Typs haben tasächlich mannigfache Nachteile. Die ständigen Organe der Bischofskonferenz (Vorsitzender, Ständiger Rat, Sekretariat, Kommissionen) bringen einmal die Gefahr mit sich, dass immer mehr Angelegenheiten von ihnen angezogen werden.

Es ist eine offenkundige Tatsache, dass die Bischofskonferenzen die Verantwortung des Einzelbischofs lähmen und die Flucht in das Kollektiv begünstigen. Der Einzelbischof wagt kaum mehr, selbstverantwortlich zu entscheiden. Denn in der Bischofskonferenz wird er zur Rede gestellt, wenn er einen Alleingang wagt. Ein Bischof muss aber frei und deckungslos handeln. Er darf sich nicht hinter Mehrheitsbeschlüssen verkriechen. Seine Verantwortung ist eine höchst persönliche und kann ihm von niemandem abgenommen werden.

Für die Richtung, in die Bischofskonferenzen gehen, ist sodann regelmäßig die Einstellung ihres Vorsitzenden entscheidend. Bei ihm laufen die Fäden zusammen, er vermag im Vorfeld der Verhandlungen die Weichen zu stellen. In Deutschland ist offenkundig, dass die Bischöfe in den Versammlungen der Bischofskonferenz auf den progressistischen bzw. liberalen Kurs ihres Vorsitzenden festgelegt werden (Anm.: Vorsitzender der DBK war 1997, also in dem Jahr, in dem diese Schrift herausgegeben wurde (und zwar seit 1987), bis zum Jahr 2008 der Mainzer Bischof Karl Kardinal Lehmann; aber auch für dessen Nachfolger, Erzbischof Robert Zollitsch von Freiburg dürfte diese Feststellung weiterhin zutreffen).

Dafür kann ich ein bezeichnendes Beispiel berichten. Als ich den gegenwärtigen Vorsitzenden der Deutschen Bischofskonferenz einmal darauf hinwies, dass der frühere Bischof von Essen, Hengsbach, großzügig sei im Erteilen der Erlaubnis, die tridentinische Messe zu feiern, entgegnete er mir: "Der kommt ja auch nicht zur Bischofskonferenz." Diese Äußerung kann nur besagen: Wenn der Essener Bischof öfter zur Bischofskonferenz käme, würde man ihm dort seine Großzügigkeit schon ausgetrieben haben.

Die Bischofskonferenzen entwickeln sich auch immer mehr zu pressure groups gegen den Apostolischen Stuhl. Mit dem Einzelbischof vermag der Papst leicht fertig zu werden; gegen eine Bischofskonferenz kann er sich immer weniger durchsetzen. Der Widerspruch beginnt da, wo der Papst spricht und deutsche Bischöfe reden. Ich erwähne ein bezeichnendes Beispiel: Der Papst lehrt die ausnahmslose Geltung der sittlichen Normen über die Empfängnisverhütung. Deutsche Bischöfe lehren das Gegenteil (1).

Unbequeme Entscheidungen werden dagegen von der Bischofskonferenz ab- und dem Heiligen Stuhl zugeschoben. ich erinnere an den Vorbehalt der Priesteweihe an Angehörige des männlichen Geschlechts. Robert Spaemann schreibt richtig: "Allzu oft haben sie (nämlich die Bischöfe) sich durch Rom die Kastanien aus dem Feuer holen lassen, um dann anschließend die wachsende Dominanz der römischen Zentralgwalt zu beklagen" (2).


4. Die Bestellung der Bischöfe

In der lateinischen Kirche ist die fast überall übliche Weise der Bischofsbestellung die freie Ernennung durch den Papst. Nur in wenigen Ländern bestehen mehr oder weniger eingeschränkte Wahlrechte (c. 377 §1).

Seit geraumer Zeit wird nun eine breitere Beteiligung der "Ortskirche" bei der Ernennung von Bischöfen gefordert (3). Dazu sind einige Fragen zu stellen.

Erstens.
Wer ist die "Ortskirche", der mehr Rechte bei der Bestellung von Bischöfen eingeräumt werden sollen? Sind das die frommen Gläubigen, die das Bußsakrament regelmäßig empfangen und die Werktagsmesse besuchen, oder sind das die Berufslaien, die sich fortwährend durch Schwadronieren zu Wort melden? Gehören dazu die stillen, treuen Priester, die sich in der Arbeit für das Heil der Seelen verzehren, oder sind darunter die gremienbeflissenen Geschaftlhuber zu verstehen?

Zweitens.
Woher wissen die an der Mitsprache Beteiligten, wie ein Bischof nach Gottes Willen aussehen muss? Woran nehmen sie das Maß? Sehen sie ihr Bischofsideal in einem Oberhirten, der unermüdlich sein Bistum durch Wort und Weisung, Gottesdienst und Sakrament zum Vollalter Christi führt, oder suchen sie nach einem progressistischen Manager, der den Menschen nach dem Munde redet, einen antirömischen Affekt besitzt und sich von Teufel und Hölle verabschiedet hat?

In manchen Diözesen ist die breitere Beteiligung der "Ortskirche" an der Bischofsbestellung bereits ausgeführt. Der Bischof von Graz-Seckau erließ am 4. Februar 1993 sogar eine Ordnung zur Mitwirkung der "Ortskirche" an der Bischofsbestellung (4). Die "Ortskirche" schrumpft in diesem Papier auf die Delegierten des Domkapitels, des Diözesanrates, und des Priesterrates sowie die Dechanten zusammen. Dabei wird in einem zweifachen Vorschlagsverfahren eine doppelte Kandidatenliste erstellt. Dass die Verschwiegenheit, die dabei zu beobachten ist, gehalten wird, ist illusorisch. Der Apostolische Nuntius wird bei Sedisvakanz von den Stimmenzählern über die Namen der drei Meistgenannten unterrichtet. Diese Mitteilung hat eindeutig den Zweck, den Heiligen Stuhl bei der Bestellung des Bischofs zu praeformieren. Man ahnt, welch ein Sturm der Entrüstung durch die Diözese Graz gehen würde, wenn der Heilige Stuhl keinen der drei Meistgenannten zum Bischof befördern würde. Ich erinnere an die Drohungen, die der Innsbrucker Bischof Stecher ausstieß, falls der Heilige Stuhl nicht die Wünsche der "Ortskirche" berücksichtigen sollte.

Wen werden die befragten Personen für die Besetzung des Bischofsstuhles benennen? Wer bekannt und beliebt ist. Wie wird man bekannt und beliebt? Indem man sich in den liberalen Trend eingliedert. Bekanntsein und Beliebtsein sind kein Maßstab für Qualität. Die "Mitentscheidung der Ortskirche" bei der Ernennung von Bischöfen besagt unter den heutigen Verhältnissen, dass derjenige am meisten Aussicht hat, Bischof zu werden, der den Menschen am besten nach dem Munde redet. Die Personen, die die Masse der Menschen auf dem Bischofsstuhl sehen will, sind in der Regel nicht die Oberhirten, welche die Diözesen brauchen.

Aus diesen Gründen kann vor einer Verbreiterung der Beteiligung an der Auswahl der Bischöfe nur eindringlich gewarnt werden. Wollte man gar die Gesamtheit der Kirchensteuerzahler entscheiden lassen, wer Bischof einer Diözese werden soll, würde man das entscheidende Kirchenamt der Demagogie überantworten. Der Heilige Stuhl hat bei Bischofsernennungen  nicht selten Fehler gemacht, ist getäuscht worden oder hat dem Druck nachgegeben. Was aber bei der Bestellung von Bischöfen durch maßgebenden Einfluß der sogenannten Ortskirchen herauskommen würde, verhielte sich gegenüber diesen Mängeln wie eine Lungentuberkulose zu einem Schnupfen.


(1)  Z. B. Freundeskreis Maria Goretti Informationen 42, 1990, 4f
(2)  Rheinischer Merkur, Nr. 46 vom 17. November 1995 S.26
(3)  Anton Ziegenaus, Zur Kontroverse: Bischofswahl: Forum Katholische Theologie 13, 1997, 176 - 186
(4)  Archiv für katholisches Kirchenrecht 162, 1993, 240f


Fortsetzung folgt in unregelmäßigen Abständen


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      Donnerstag, 7. November 2013

      Prof. G. May: Die andere Hierarchie - Teil 6: Die Lage (2)

      Prof. Dr. Georg May

      Die andere Hierarchie
      Teil 6


      Verlag Franz Schmitt Siegburg AD 1997


      Fortsetzung: II. Die Lage - 1. Fakten

      Dem Papst steht es zu, Bischöfe zu ernennen bzw. ihre Wahl zu bestätigen (c. 377 §1). Im größten Teil Deutschlands wählen die Domkapitel aus einer Dreierliste, die der Heilige Stuhl vorlegt, den Diözesanbischof. Der Papst hat es also in der Hand, wer auf die Liste kommt. Vorher gehen Vorschläge der deutschen Bischöfe bzw. Domkapitel für angeblich zum Bischofsamt geeignete Personen an den Heiligen Stuhl. Die Auswahl der Bischofskandidaten durch den heiligen Stuhl ist nun nicht über jeden Zweifel erhaben. Es ist bekannt, dass der Heilige Stuhl gegen gewisse Personen, die von deutschen Bischöfen bzw. Domkapiteln als Bischofskandidaten vorgeschlagen wurden, starke Bedenken gehabt hat, dass er sie aber auf wiederholtes Drängen bestimmter Bischöfe zurückstellte und ihrer Bestallung zum Diözesanbischof zustimmte. Die Folgezeit hat gezeigt, wie berechtigt die Bedenken waren.

      In der deutschsprachigen Schweiz haben die Domkapitel noch weitergehende, längst antiquierte und äußerst gefährliche Rechte (17). Dem Heiligen Stuhl bleibt nur die Möglichkeit, den Gewählten zu bestätigen oder abzulehnen. Angesichts der gereizten antirömischen Stimmung und der schismatschen Zuckungen in diesem Land wagt es aber der Papst nicht mehr, einen Kandidaten zu verwerfen. Die Bestätigung der Wahl des Kurt Koch zum Bischof von Basel, der noch im Jahre 1992 eine Lobrede auf Hans Küng hielt, war ein regelrechter Skandal, ein echtes Ärgernis. Wiederum hatte der Heilige Stuhl Drohungen nachgegeben.

      In den Bischofskonferenzen neuen Stils (cc. 447 - 459) hat sich der Papst die pressure groups geschaffen, deren er nicht mehr Herr wird. Um den offenen Konflikt zu vermeiden, geht der Heilige Stuhl mit ihnen, vor allem mit der deutschen, äußerst nachsichtig um. Dies geschieht auch da, wo energisches Handeln dringend gefordert wäre. So hat der Heilige Stuhl niemals erkennbar etwas Energisches gegen die Lehrabweichungen von der kirchlichen Sexualmoral in Deutschland getan. Die völlig unkatholische Königsteiner Erklärung wird in unserem Land nach wie vor gegen die gesamtkirchliche Lehre ins Feld geführt (18). So wird das katholische Volk eines ganzen Landes im Irrtum gehalten.

      Ganz schlimm steht es um das Schicksal der Lehräußerungen des Apostolischen Stuhles. Ich erwähne einige Beispiele.

      -  Am 8. April 1979  richtete Johannes Paul II. ein Schreiben an die Priester der Kirche. Wenig später erschien ein Machwerk gewisser Theologen, in dem die Lehre des Papstes zerpflückt oder zerrissen wurde (19).

      -  Der Papst unterbreitete in der Enzyklika "Veritatis splendor" vom 6. August 1993 lichtvoll die Grundsätze katholischer Sittlichkeit (20). Sogleich fielen die dissentierenden Moraltheologen über diese Lehrvorlage her und kritisierten sie in Grund und Boden (21).

      -   Die Kongregation für die Glaubenslehre legte eine Instruktion über die kirchliche Berufung des Theologen vor (22). Augenblicklich traten deutsche Theologen zum Angriff gegen dieses Dokument an (23).

      Die Bischöfe der Oberrheinischen Kirchenprovinz ließen ein Papier ausgehen, in dem sie sich außerstande zeigten, die kirchlichen Grundsätze über die Spendung der Sakramente auf betimmte Personengruppen richtig anzuwenden. (24). Die Kongregation für die Glaubenslehre wies die falschen Ansichten der oberrheinischen Bischöfe zum Kommunionempfang von Personen, die hartnäckig im Zustand der schweren Sünde verharren, zurück (25).

      Sofort traten sogenannte fortschrittliche Theologen den Falsches lehrenden Bischöfen zur Seite (26). Diese selbst sind weit davon entfernt, sich der Weisung des Apostolischen Stuhles eindeutig zu beugen (27). Der Heilige Stuhl hat auf den ominösen zweiten Brief der Bischöfe nicht reagiert. Es ist offensichtlich, dass in Deutschland kaum jemand daran denkt, sich vom Heiligen Stuhl zur Ordnung rufen zu lassen. Die Kommunionausteilung an Kommunionunwürdige geht munter weiter.

      Es ist stets das gleiche Bild. Wann immer der Papst persönlich oder durch das Stellvertreterorgan der Römischen Kurie Lehre und Ordnung der Kirche vorträgt, findet er unter den progressistischen und modernistischen Theologen heftigen Widerstand. Man sucht seine Lehre als die private Meinung eines Mannes hinzustellen und ihn dadurch von der Kirche zu isolieren. In Wirklichkeit spricht im Papst, der die gesunde Lehre vorträgt, die gesamte Kirche, insofern sie der Weisung des Heiligen Geistes folgt.


      2. Bewertung

      Die angeführten Beispiele zeigen, dass der Apostolische Stuhl wider bessere Erkenntnis zurückweicht, wenn nur gehöriger Druck auf ihn ausgeübt wird, oder zwar die richtige Lehre neben die fasche setzt, aber die falsche Lehre nicht zum Verschwinden bringt. Gutwillige meinen, der Apostolische Stuhl sei nicht von den Exzessen unterrichtet, die sich in den meisten deutschen Diözesen zutragen. Diese Meinung ist mit Sicherheit falsch. Der Heilige Stuhl ist unterrichtet; es sind ungezählte Briefe wacher und verantwortungsbewusster Christen nach Rom gegangen, viele haben sich an den Apostolischen Nuntius gewandt und ihre Beschwerden vorgebracht. Doch alle diese Vorstellungen blieben ohne erkennbares Echo.

      So nimmt es nicht wunder, dass der Heilige Stuhl seit geraumer Zeit als erpressbar gilt.Wenn es nur gelingt, genügend Massen der Theologenschaft oder des Kirchenvolkes in Bewegung zu bringen für eine gewünschte Änderung in Lehre und Ordnung der Kirche, dann gibt, so ist man heute überzeugt, der Papst nach. Nichtkatholische Religionsgemeinschaften haben diesen Mechanismus erkannt und bauen auf ihn. Als die Altkatholiken es unternahmen, Frauen die sogenannte Priesterweihe zu erteilen, wiesen sie triumphierend auf die vielen Fälle hin, in denen die katholische Kirche Positionen geändert hatte, die sie zuvor als unaufgebbar bezeichnet hatte.

      Diese Nachgiebigkeit hat schlimme Folgen. Durch sein fortwährendes Zurückweichen vor dem Druck von unten begibt sich der Heilige Stuhl immer mehr seiner Autorität. Eine Obrigkeit, die Gesetze erlässt, aber ihre Übertretung folgenlos hinnimmt, verspielt ihre Macht. Eine Obrigkeit, die unsicher ist und schwankt, zerstört sich selbst und bereitet anderen Mächten das Feld. "Jede Politik halte ich für eine bessere als eine schwankende", sagte richtig Bismarck. Wer sich erpressen lässt, findet durch Nachhgeben keine Ruhe. Jede Konzession löst neue Forderungen aus. "Schrittweises Zurückweichen ist oft schlimmer als ein Sturz" (Maria von Ebner-Eschenbach).

      Am Heiligen Stuhl meint man, mit Übersehen, Dulden und Konnivenz den Bruch mit den "Ortskirchen", wie man heute sagt, vermieden zu haben. Ich erlaube mir an ein Wort zu erinnern, das der Priester Maury zu Beginn der Französischen Revolution sprach: "Die oft der Schwäche nahekommende Milde ist es, die stets die Aufstände und Rebellionen dreist und keck macht." Eines ist sicher: Eine Autorität, die sich derer nicht mehr zu erwehren weiß, die sie und die ihnen anvertraute Institution zu zerstören suchen, gibt sich selbst auf.


      (17)  Heinz Maritz, Das Bischofswahlrecht in der Schweiz (= Münchner Theologische Studien, III. Kanonistische Abteilung, 36. Bd.), St. Ottilien 1977
      (18)  Dietmar Mieth, Geburtenregelung. Ein Konflikt in der katholischen Kirche, Mainz 1990; Giovanni Sala, Die Königsteiner Erklärung 25 Jahre danach: Forum Katholische Theologie 10, 1944, 97 - 123
      (19)  Georg Denzler (Hrsg.), Priester für heute. Antworten auf das Schreiben Papst Johannes Paul II. an die Priester. Mit Dokumentation des Papstschreibens vom 8. April 1979, München 1980
      (20)  Enzyklika "Veritatis splendor" vom 6. August 1973 (Acta Apostolicae Sedis 85, 1993, 1133 - 1228)
      (21)  Dietmar Mieth (Hrsg.), Moraltheologie im Abseits? Antwort auf die Enzyklika "Veritatis Splendor" (Quaestiones disputatae 153), Freiburg i.Br. 1994
      (22)  Instruktion "Domum veritatis" vom 24. Mai 1990 (Acta Apostolicae Sedis 82, 1990, 1550 - 1570)
      (23)  Peter Hünermann, Dietmar Mieth (Hrsg.), Streitgespräch um Theologie und Lehramt. Die Instruktion über die kirchliche Berufung des Theologen in der Diskussion, Frankfurt a. M. 1991
      (24)  Die Bischöfe der Oberrheinischen Kirchenprovinz, Zur seelsorglichen Begleitung von Menschen aus zerbrochenen Ehen, Geschiedenen und Wiederverheirateten Geschiedenen. Einführung, Hirtenwort und Grundsätze, Freiburg i.Br., Mainz, Rottenburg 1993
      (25)  Kongregation für die Glaubenslehre, Schreiben über den Kommunionempfang von wiederverheirateten geschiedenen Gläubigen vom 14. September 1994 (Acta Apostolicae Sedis 86, 1994, 974 - 979)
      (26)  Theodor Schneider (hrsg.), Geschieden - wiederverheiratet - abgewiesen? Antworten der Theologie (= Quaestiones disputatae 157), Freiburg i. Br. 1995
      (27)  Die Bischöfe der Oberrheinischen Kirchenprovinz, Zur Seelsorge mit Wiederverheirateten geschiedenen im Oktober 1994, Freiburg i. Br., Mainz, Rottenburg 1994



      Fortsetzung folgt in unregelmäßigen Abständen

      Freitag, 6. September 2013

      Fasten - warum? Und dann noch am Samstag bzw. am Sonntag?

      Die drei urchristlichen Akte der Gottesverehrung und Mittel der Buße sind Gebet, Fasten und Almosen geben.

      Seit altersher - und auch in neutestamentlichen und christlichen Zeiten - ist das Fasten eine Übung, um Gott die eigene Abhängigkeit einzugestehen, seine Hochmütigkeit und Arroganz abzulegen  und ihn so in aller Demut und Kleinheit um seinen Segen oder um einen Gunsterweis zu bitten. Tatsächlich sollen wir Gott (neben danken und lobpreisen) auch bitten, um das, was wir wünschen, jedoch mit der Einstellung, dass wir uns in diesem Bitten und Flehen ganz in seine Hand geben und dass immer Sein Wille geschehe.

      Deutlich wird das z. B. in den Gebeten der Liturgie, die man nur einmal nachlesen möge. Im Johannes-Evangelium spricht Christus selbst zu uns:  "Was ihr vom Vater erbitten werdet, das wird er euch in meinem Namen geben. Bis jetzt habt ihr noch nichts in meinem Namen erbeten. Bittet und ihr werdet empfangen, damit eure Freude vollkommen ist." (Joh 16,23f)

      Das Fasten - im richtigen Sinne verstanden - ist ein Zeichen des guten Willens. Der Mensch will damit zeigen, dass er bereit ist, auf etwas zu verzichten um im Gegenzug von Gott etwas zu erlangen. Dieses Von-Gott-erlangen-Wollen oder Von-Gott-erhört-werden-Wollen ist nicht unanständig und auch nicht unchristlich. Heute aber gilt es vielen als verpönt, jemanden - und erst recht Gott - um etwas zu bitten. Der Hochmut und eine falsche Bescheidenheit empfinden es als unwürdig, Gott anzuflehen, den guten Willen durch Fasten zu bekräftigen und sich auf das Kommen Gottes vorzubereiten. Gott sieht in das Herz des Menschen und wartet auf dessen  Bereitschaft, sich in seinen Willen zu ergeben. 

      Manche stellen die Frage, ob man am Samstag bzw. am Sonntag fasten dürfe, die Kirche habe das doch untersagt. Wie kann ein Papst sich erdreisten... Nun, dem ist entgegenzusetzen:

      1. "Der Bischof der Kirche von Rom, in dem das vom Herrn einzig dem Petrus, dem Ersten der Apostel, übertragene und seinen Nachfolgern zu vermittelnde Amt fortdauert, ist Haupt des Bischofskollegiums, Stellvertreter Christi und Hirte der Gesamtkirche hier auf Erden; deshalb verfügt er kraft seines Amtes in der Kirche über höchste, volle, unmittelbare und universale ordentliche Gewalt, die er immer frei ausüben kann." (Codex Iuris Canonici CIC Can.331).

      Wenn also der Bischof von Rom und Hirte der Gesamtkirche hier auf Erden für die gesamte Kirche für einen bestimmten Samstag einen Fast- und Bettag für den Frieden in der Welt verkündet , so wird in allen Teilkirchen dieses Anliegen gerne und mit Freuden im Bewusstsein der Verantwortung für die ganze Welt aufgegriffen werden. Bestimmt der Papst den Fasttag an einem Samstag (z. B. den Vigiltag des Festes der Geburt der alleerseligsten Jungfrau Maria) oder Sonntag, so ist in der Dringlichkeit der Sache auch dem in kindlichem Gehorsam Folge zu leisten.

      2. Seit jeher ist es in der Kirche üblich, sich durch Fasten auf den Empfang der heiligen Kommunion vorzubereiten. Dieses eucharistische Fasten (lat. ieiunium eucharisticum) galt in früheren Zeiten vor dem Kommunionempfang von Mitternacht an. Seit dem Jahre 1964  besteht das eucharistische Fasten darin, sich eine Stunde vor der Kommunion jeder Speise und jedes Getränkes zu enthalten. 
      Diese Maßnahmen zeigen, dass es keineswegs nicht erlaubt sein kann, am Sonntag (oder Samstag) zu fasten.

      +      +      +

      aus dem Katechismus der katholischen Kirche:
      Die hauptsächlichen Bußwerke des Christen:
      KKK 1434 Die innere Buße des Christen kann in sehr verschiedener Weise Ausdruck finden. Die Schrift und die Väter sprechen hauptsächlich von drei Formen: Fasten, Beten und Almosengeben [Vgl. Tob 12,8; Mt 6,1-18.] als Äußerungen der Buße gegenüber sich selbst, gegenüber Gott und gegenüber den Mitmenschen.
      Der Sonntag - Tag der Gnade und der Arbeitsruhe:

      KKK 2185 Am Sonntag und an den anderen gebotenen Feiertagen sollen die Gläubigen keine Arbeiten oder Tätigkeiten ausüben, die schuldige Gottesverehrung, die Freude am Tag des Herrn, das Verrichten von Werken der Barmherzigkeit und die angemessene Erholung von Geist und Körper verhindern. 

      KKK 2186 Christen, die über freie Zeit verfügen, sollen an ihre Brüder und Schwestern denken, die die gleichen Bedürfnisse und Rechte haben, sich jedoch aus Gründen der Armut und der Not nicht ausruhen können. Der Sonntag wird in der christlichen Frömmigkeit stradition für gewöhnlich guten Werken und demütigem Dienst an Kranken, Behinderten und alten Menschen gewidmet. Die Christen sollen den Sonntag auch dadurch heiligen, daß sie ihren Angehörigen und Freunden die Zeit und Aufmerksamkeit schenken, die sie ihnen an den übrigen Tagen der Woche zu wenig widmen können. Der Sonntag ist ein Tag der Besinnung, der Stille, der Bildung und des Betrachtens, die das Wachstum des christlichen inneren Lebens fördern.

      aus dem Ersten Brief des Klemens an die Korinther über die Wirkung des Fastens; 55. Kap:
      Auch die glaubensstarke Esther setzte sich keiner geringeren Gefahr aus, um die zwölf Stämme Israels zu retten, als ihnen der Untergang drohte; denn durch ihr Fasten und ihre Demut bestürmte sie den allsehenden Herrn, den Gott der Ewigkeiten; er sah an die Verdemütigung ihrer Seele und errettete das Volk, um dessetwillen sie die Gefahr auf sich genommen hatte (Esth. 4,16; 7.8).
      (Bibliothek der Kirchenväter - Apostolische Väter)


      Freitag, 16. November 2012

      Hilferuf der Gläubigen

      Fortsetzung von HIER

      Dietrich von Hildebrand in "Der verwüstete Weinberg", S. 18/19

      "Ganz besonders empörend aber ist es, wenn gewisse Bischöfe, die diese Lethargie gegenüber den Häretikern an den Tag legen, gegen die Gläubigen, die für Orthodoxie kämpfen, die das tun, was sie selbst tun sollten, eine rigorose autoritative Haltung einnehmen.

      So konnte ich einen Brief von hoher Stelle lesen, der an eine Gruppe, die heroisch für den wahren Glauben, für die reine wahre Lehre der Kirche und für das Papsttum gegen die Häretiker eintritt, die also die „Feigheit" der Guten, von der Don Bosco spricht, überwunden hat und die größte Freude für die Bischöfe sein müsste - gerichtet war. Darin hieß es: als gute Katholiken haben Sie keine andere Aufgabe, als sich gehorsam an alle Verfügungen Ihres Bischofs zu halten.

      Diese Auffassung des „guten" Katholiken ist besonders überraschend in einer Zeit, in der fortwährend die Mündigkeit des modernen Laien betont wird. Sie ist aber auch völlig falsch, weil das, was für Zeiten passt, in denen keine Häresien in der Kirche vorkommen, ohne sofort von Rom verurteilt zu werden - nicht zutrifft und gewissenlos wäre in einer Zeit, in der die Häresien unverurteilt ihr Unwesen in der Kirche treiben - und auch Bischöfe von ihnen angekränkelt sind, ohne abgesetzt zu werden.

      Sollten etwa in der Zeit des Arianismus, in der die Mehrzahl der Bischöfe Arianer waren, die Gläubigen, statt gegen diese Häresie anzukämpfen, sich darauf beschränken, brav und gehorsam den Verfügungen dieser Bischöfe zu folgen? Ist nicht die Treue zur wahren Lehre der Kirche der Ergebenheit gegenüber dem Bischof übergeordnet? Ist es nicht gerade kraft des Gehorsams gegenüber den vom kirchlichen Lehramt empfangenen Glaubensinhalten, dass die wahren Gläubigen sich zur Wehr setzen?

      Erwartet man von dem Gläubigen, er brauche sich nicht darum zu kümmern, wenn Dinge in Predigten verkündet werden, die mit der Lehre der Kirche völlig unverträglich sind - wenn Theologen in ihrer Lehrtätigkeit belassen werden, die behaupten: die Kirche müsse den Pluralismus akzeptieren, es gebe kein Fortleben nach dem Tode, oder die leugnen, dass Promiskuität eine Sünde sei, ja sogar die offen zur Schau getragene Immoralität dulden - wobei sie ein klägliches Maß von Unverständnis für die urchristliche Tugend der Reinheit an den Tag legen?

      Das Geschwätz der Häretiker - Priester und Laien - wird toleriert, die Vergiftung der Gläubigen schweigend hingenommen - aber den treuen Gläubigen, die für Orthodoxie eintreten (die doch die Herzensfreude der Bischöfe sein sollten, ihr Trost, ihre Stärkung für die Überwindung ihrer eigenen Lethargie) will man den Mund schließen, sie werden als Ruhestörer empfunden, ja wenn sie sich in ihrem Eifer zu Taktlosigkeiten oder Übertreibungen hinreißen lassen - so werden sie sogar suspendiert.

      Dies zeigt auch deutlich die Feigheit, die hinter dem Nichtgebrauch der Autorität steckt. Die Orthodoxen sind nicht zu fürchten. Sie verfügen nicht über die Massenmedien, die Presse, sie sind nicht Vertreter der öffentlichen Meinung. Und wegen ihrer Ergebenheit gegenüber den kirchlichen Autoritäten werden die Kämpfer für Orthodoxie nie so aggressiv werden, wie die sogenannten Progressisten. Wenn man sie maßregelt, riskiert man nicht, von der liberalen Presse angegriffen und als reaktionär verschrien zu werden..."

      (s. Quellen)

      Die Zeichen der Zeit erkennen - Lethargie der Glaubenswächter


      "Eine der erschreckendsten Krankheiten, die heute in der Kirche weit verbreitet sind, ist die Lethargie der Wächter des Glaubens in der Kirche.

      Ich denke hier nicht an jene Bischöfe, die Mitglieder der „Fünften Kolonne" sind, die die Kirche von innen her zerstören oder in etwas ganz anderes umwandeln wollen, was der Zerstörung der wahren Kirche gleichkommt.

      Ich denke an die viel zahlreicheren Bischöfe, die keinerlei solche Intentionen haben, die aber, wenn es sich um das Einschreiten gegen häretische Theologen oder Pfarrer handelt oder gegen eine blasphemische Verunstaltung des Kultes - keinerlei Gebrauch von ihrer Autorität machen.

      Sie schließen entweder die Augen und versuchen durch eine Vogelstrauß-Politik die schweren Missstände zu ignorieren sowie den Appell, der an ihre Pflicht einzugreifen ergeht.

      Oder aber sie fürchten, von der Presse oder den Massenmedien angegriffen und als reaktionär, engherzig, mittelalterlich verschrien zu werden. Sie fürchten die Menschen mehr als Gott. Von ihnen gilt das Wort des heiligen Don Bosco: „Die Macht der Bösen lebt von der Feigheit der Guten".

      Gewiss, die Lethargie der Inhaber einer autoritativen Stellung ist eine auch außerhalb der Kirche weit verbreitete Zeitkrankheit. Man findet sie bei den Eltern, bei Präsidenten von Universitäten, Colleges und unzähligen anderen Organisationen, bei Richtern, Staatsoberhäuptern u. a.

      Aber dass diese Krankheit auch in die Kirche eingedrungen ist, ist eines jener furchtbaren Symptome dafür, dass der Kampf gegen den Geist der Welt unter dem Schlagwort des „aggiornamento" durch ein Mitschwimmen mit dem Zeitgeist ersetzt worden ist.

      Man muss an den Mietling denken, der seine Herde den Wölfen überlässt – wenn man an die Lethargie so vieler Bischöfe und Ordensoberen denkt, die selbst noch orthodox (1) sind, aber nicht den Mut haben, gegen die flagrantesten Häresien und Missbräuche aller Art in ihren Diözesen oder in ihrem Orden einzuschreiten."


      (1) Wir verstehen unter orthodox den Glauben an die unverfälschte offizielle Lehre der Heiligen Kirche, die die vom Heiligen Geist beschützte authentische geoffenbarte Wahrheit darstellt. In keiner Weise meint der Ausdruck orthodox die Zugehörigkeit zur schismatischen östlichen Kirche.

      aus: Dietrich von Hildebrand, Der verwüstete Weinberg; AD 1973; S. 17f (s. Quellen)


      Fortsetzung HIER



      Dienstag, 10. April 2012

      D. v. Hildebrand: Glaubenskrise oder nur "Kulturkrise"?

      Dietrich von Hildebrand
      "Drei Arten von Katholiken sprechen von einer ,,Kulturkrise" und verdunkeln damit die Gefahr des Eindringens von Häresien in die Kirche.

      Erstens sind es die abgeirrten Verweltlicher und die sich selbst als solche bezeichnenden Progressisten, die einen offenen Konflikt mit den Hütern der Orthodoxie vermeiden möchten. Sie glauben, sie könnten die Kirche leichter "reformieren" und in eine "moderne", eine weltliche Institution umwandeln, wenn sie ihre Leugnung des katholischen Dogmas tarnen. Dieser Typ ist wahrhaft teuflisch.

      Zweitens gibt es einen Personenkreis, dem mehr an seinen einflussreichen Stellungen und materiellen Vorteilen als an den Glaubensdingen liegt. Solche Würdenträger, die keinen wirklichen Glauben hatten und eher weltliche Herren als Nachfolger der Apostel waren, hat es immer in der Kirche gegeben; ein unvermeidlicher Tribut an die menschliche Schwachheit. Diese Menschen haben weder einen starken orthodoxen Glauben, noch sind sie leidenschaftliche Anhänger einer Häresie, noch sind sie ,,Reformer". Daher wird die Ausbreitung einer Häresie sie nicht aufrütteln. Ihr Hauptinteresse ist, einen Kampf zu vermeiden. Sie schwimmen in der Strömung mit, die sie für den Zug der Zeit halten. Sie finden in dem Schlagwort von der ,,Kulturkrise" ein bequemes Mittel, die Bedrohung durch Häresie wegzuerklären und so Schwierigkeiten mit dem Hl. Stuhl zu vermeiden.

      Der dritte Typ findet sich besonders unter den Autoritätsträgern in der Kirche: bei Bischöfen, Ordensoberen, Seminar- und Universitätsrektoren. Sie sind gläubig, aber haben nicht den Mut, einzuschreiten, ihre Autorität zu gebrauchen, um die Verbreitung der Häresien zu unterbinden. Sie fürchten sich, als "Reaktionäre", als "Ultra-Konservative" bezeichnet oder in der weltlichen Presse als "veraltet" beschuldigt zu werden und ihre Popularität zu verlieren. Daher versuchen sie, sich selbst und den verängstigten Gläubigen einzureden, in der heutigen Kirche gäbe es keine wirkliche Gefahr für den Glauben und in der gegenwärtigen ,,Kulturkrise" ginge es nicht um die Rechtgläubigkeit. So gelingt es ihnen, ihr Gewissen zu beruhigen und ihre apostolische Pflicht, die Integrität des Glaubens zu verteidigen, zu umgehen. So weichen sie z.B. der Pflicht aus, sich zu vergewissern, ob die Äußerungen der Priester in ihren Diözesen oder Universitäten mit der Lehre der Kirche übereinstimmen.

      Aber die Gläubigen lassen sich nicht mit solchen Ausflüchten ablenken. Sie folgen der Führung des Hl. Vaters und fest in ihrem Glauben verankert, schließen sie sich zusammen um die Kirche vor den Verweltlichern in ihrem Inneren zu verteidigen."


      Dietrich von Hildebrand, Auszug aus "The Wanderer" 9. November 1969;
      Quelle: "Theologisches" März/April 2012, Spalten 143-154, Beitrag von Pfr. Joseph Overath




      Zu Dietrich von Hildebrand

      (Fettdruck-Hervorhebung durch Administrator)

      Mittwoch, 7. März 2012

      Der Dialog in der Katholischen Kirche

      Eine Anmerkung zum ziellosen "ergebnisoffenen Dialogprozess" in den deutschen Diözesen

      aus der - leider wenig beachteten - Antrittsenzyklika Papst Paul VI.  ECCLESIAM SUAM vom 06. August 1964  (Hervorhebungen von mir):

      114 Dieser Wunsch, den Beziehungen innerhalb der Kirche den Geist eines Dialogs zwischen Gliedern einer Gemeinschaft zu geben, deren Wesenselement die Liebe ist, will aber keineswegs die Pflege der Tugend des Gehorsams beseitigen, da nämlich die Ausübung der Autorität auf der einen und die Unterordnung auf der anderen Seite sowohl von einem geordneten gesellschaftlichen Leben, besonders aber von der hierarchischen Natur der Kirche gefordert werden. Die Autorität der Kirche ist von Christus eingesetzt; sie vertritt ihn; sie ist die bevollmächtigte Vermittlerin seiner Worte und seiner seelsorglichen Liebe. So wird der Gehorsam, der aus dem Motiv des Glaubens geleistet wird, eine Schule evangelischer Demut und führt den Gehorchenden zur Klugheit, zur Einheit, zur Frömmigkeit und zur Liebe, zu Tugenden, die das kirchliche Gefüge erhalten. Er gewährt dem, der ihn auferlegt, wie dem, der gehorcht, das Verdienst, Christus nachzuahmen, „der gehorsam wurde bis in den Tod" (Phil2, 8).

      115 Unter Gehorsam, der sich dem Dialog öffnet, verstehen Wir die Ausübung der Autorität, die ganz vom Bewusstsein durchdrungen ist, im Dienst der Wahrheit und der Liebe zu stehen. Und Wir verstehen darunter die immer bereitwillige und frohe Befolgung der kanonischen Vorschriften und die Unterordnung unter die Führung der rechtmäßigen Vorgesetzten, wie es sich für freie und liebende Kinder geziemt. Der Geist der Auflehnung, der Kritik, der Rebellion verträgt sich schlecht mit der Liebe, die ein Gemeinschaftsleben beseelen soll, mit Eintracht und Frieden in der Kirche, und verwandelt schnell den Dialog in eine Auseinandersetzung, einen Wortwechsel, einen Streit, was leider nur zu leicht geschieht, aber darum eine nicht weniger unerfreuliche Erscheinung ist, gegen die uns das Wort des Apostels schützen soll: „Lasst nicht Spaltung sein unter euch" (1 Kor 1, 10).

      116 Wir wünschen sehr, dass der Dialog innerhalb der Kirche noch eifriger werde, was Themen und Gesprächspartner angeht, damit auch die Lebenskraft und die Heiligung des Mystischen Leibes Christi zunehmen. Alles, was der Ausbreitung der Lehren, deren Trägerin die Kirche ist, dient, hat Unsere Billigung und Empfehlung: von dem liturgischen und dem inneren Leben sowie von der Predigt haben Wir schon gesprochen; Wir können hinzufügen: Schule, Presse, das soziale Apostolat, die Missionen, die karitative Tätigkeit, Themen, mit denen sich auch das Konzil befassen wird. Alle, die an diesem leben spendenden Dialog der Kirche unter Führung der zuständigen Autorität teilnehmen, ermuntern und segnen Wir: besonders die Priester, die Ordensleute, die sehr lieben Laien, die in der Katholischen Aktion oder in anderen Vereinigungen für Christus kämpfen(ganzer Text: hier)


      Meiner Meinung nach ist das, was Paul VI. hier beschreibt, etwas ganz anderes, als das, was in deutschen Diözesen stattfindet...
      Und auch andere Aussagen der Enzyklika ECCLESIAM SUAM sind in Bezug auf das II.Vatikanischen Konzil sowie in Bezug auf den "Dialogprozess" sehr bemerkenswert...

      Samstag, 3. März 2012

      Auswahlglaube

      Von P. Bernward Deneke FSSP

      Wir haben uns daran gewöhnt, uns unser Menü zusammenzustellen. Wie im Supermarkt, so auch im weltanschau-lichen und religiösen Bereich. Das passt zur heutigen Mentalität, die zugleich individualistisch und pluralistisch sein will: individualistisch, da jeder selbst für sich entscheidet; pluralistisch, weil es statt weniger verbindlicher Normen ein Angebot grenzenloser Vielfalt gibt. Demnach kann sich jeder seine Auffassung vom Menschsein und vom Leben je nach Gustus zusammenmixen. Und das selbstverständlich ohne Verpflichtung. Denn was heute gefällt, wird ja vielleicht morgen schon überholt und lästig sein.

      Auch unter Christen hat diese Einstellung längst um sich gegriffen. Man nimmt sich aus den verschiedenen Sichtweisen „über Gott und die Welt“, was einem gerade interessant, ansprechend, zeitgemäß, nützlich und schlüssig scheint. Die Elemente, die da vereint werden, stammen zuweilen aus sehr verschiedenen und gegensätzlichen Richtungen. Man befragt neben der Bibel Modephilosophien und fernöstliche Religionen, und angeblich sichere Ergebnisse der Naturwissenschaft werden durch unbeweisbare esoterische Beigaben ergänzt.

      Aber der Mangel an Übereinstimmung stellt für die meisten kein Problem dar. Da man meint, über die objektive Wahrheit ohnehin nichts sagen zu können, sucht man sich eben, was einem gefällt. Jedem seine Wahrheit! Ist diese Weite und Geistesfreiheit unserer Zeit nicht letztlich viel christlicher als die enge Fixierung auf kirchliche Dogmen und Moralvorschriften?

      Gläubigen Katholiken gehen für gewöhnlich nicht so weit wie solche „freien Christen“. Völlige Beliebigkeit kommt für sie nicht in Frage, dafür sprechen die Heilige Schrift und die christliche Überlieferung dann doch zu eindeutig. Was aber nicht bedeutet, dass der Trend, sich sein eigenes Religionscocktail zu komponieren, nicht auch unter kirchengebundenen Menschen seine Wirkung gezeitigt hätte. Viele von ihnen tun sich namentlich schwer damit, die vollständige Lehre der Kirche anzunehmen.

      Dass die Apostel von Jesus mit einem Lehrauftrag in die Welt entsandt wurden (Mk 16,16), dass dieser auch über die erste Zeit hinausreicht („Seht, ich bin bei euch alle Tage bis ans Ende der Welt“: Mt 28,10) und dass das Hören oder Verachten des Herrn sich am Hören oder Verachten seiner Zeugen entscheidet (Lk 14,26) – alles das würden besagte Katholiken wohl zugestehen. Doch haben sie ihre Schwierigkeiten damit, dass sich die Glaubenspflicht auch auf die späteren Lehren über Kirche und Sakramente, über Maria, das Fegfeuer und ähnliches mehr erstrecken soll. Manches davon scheint ihnen mittelalterliche Zutat zu sein, allzu zeitgebunden, allzu fern vom Ursprung und von den aktuellen Problemen.

      Deshalb tun sie das, was doch eigentlich selbstverständlich ist: Sie gehen selektiv an die kirchliche Lehre heran, treffen also eine Auswahl, die ihnen sinnvoll erscheint. Was soll denn daran auch falsch sein? Ist das Alles-oder-nichts-Prinzip, auf dem man früher herumritt, nicht völlig überzogen?

      Dazu ist zu sagen, dass die Kirche auch heute, am Beginn des 21. Jahrhunderts, den Anspruch aufrechterhält, ihre Lehre sei, insoweit sie verbindlich verkündet wurde, vollständig anzunehmen. Für diese Ablehnung eines Auswahlglaubens hat sie allerdings schwerwiegende Gründe.

      Zunächst muss daran erinnert werden, was denn religiöser Glaube überhaupt sei. Etwa das Ergebnis persönlicher Forschungen? Oder ein geschmäcklerisches Spielen mit Ideen? Nein, vielmehr das rückhaltlose Vertrauen in Gott und seine Offenbarung; somit auch die Zustimmung zu Inhalten, die man zwar selbst nicht einsieht, aber aufgrund seiner Wahrhaftigkeit annimmt. Hinter den verkündeten Glaubenslehren steht ja die Autorität des verkündenden Gottes. Und die Autorität der Kirche, die er zur Verkünderin seiner Offenbarung bestimmt hat, damit sie in seiner Vollmacht lehre.

      Wer einem Professor auf seinem Fachgebiet nur eingeschränktes Vertrauen entgegenbringt, stellt damit seine Kompetenz und Autorität grundsätzlich in Frage. Was wäre das für ein Mediziner, auf dessen Auskünfte über Anatomie oder bestimmte Krankheiten man sich nicht verlassen könnte?

      Ebenso, ja noch viel mehr gilt das von der Kirche. Wer eine von ihr vorgetragene Glaubenslehre ablehnt, stellt ihre Kompetenz und Autorität als „Säule und Grundfeste der Wahrheit“ (1 Tim 3,15) grundsätzlich in Frage.

      Er entzieht damit übrigens zugleich auch seinem eigenen Glauben den tragenden Grund, nämlich die Autorität, auf welche er gestützt ist. So wird aus dem religiösen Glauben, diesem über die Kirche auf Gott bezogenen Akt, ein persönliches, subjektives Meinen. Wer aus dem Glauben auswählt, macht sich selbst zum Herrn über die Wahrheit. Und was er von den Glaubenslehren dann noch annimmt, nimmt er jedenfalls nicht mehr aufgrund der Autorität des Herrn und seiner Kirche an. Er ist sich selbst höchste Autorität und hört somit auf, ein wahrhaft Glaubender zu sein.

      Daher muss es schon ein ganzes, ungeteiltes Glaubens-Ja sein! Wer es, bewegt von Gottes Gnade, spricht, empfängt darin Licht und Kraft. Licht, das ihn mehr und mehr zur Erkenntnis des lebendigen Organismus führt, in dem alle Glaubenswahrheiten zusammengefügt sind. Und Kraft, um dem Relativismus des aus den Fugen geratenen Pluralismus der Gegenwart zu widerstehen.


      Hinweise:
      - mit freundlicher Genehmigung des Verfassers
      - der Beitrag erschien bereits im Schweizerischen Katholischen Sonntagsblatt (SKS)

      Montag, 20. Februar 2012

      Wie Maria bei der Verkündigung dem Ruf Gottes antworten

      Predigt von S.Ex. Juan Ignacio Arrieta, Sekretär des Päpstlichen Rates für die Interpretation von Gesetzestexten, anlässlich der Spendung der Subdiakonats- und Niederen Weihen für die Petrusbruderschaft (FSSP) in Wigratzbad am Samstag, den 11. Februar 2012

      Hochwürdiger Pater Regens, liebe Weihekandidaten, liebe Gläubige,

      mit wahrer Freude habe ich die Einladung angenommen, heute hier bei Ihnen zu sein, um einer beträchtlichen Anzahl von Seminaristen die Niederen Weihen und den Subdiakonat zu spenden. Die Tatsache, mich selber etwas mit der außerordentlichen Form vertraut gemacht zu haben, war auch mir persönlich als Priester von Nutzen. An erster Stelle möchte ich all denen meine Glückwünsche aussprechen, die in Kürze die verschiedenen Weihestufen empfangen werden; ich grüße auch herzlich alle Eure hier anwesenden Familien und Freunde.

       Das Fest Unserer Lieben Frau von Lourdes, das wir an dem Tag der ersten Erscheinung in der Grotte von Massabielle im Jahr 1858 begehen, gibt uns Gelegenheit, die Perikope aus dem Evangelium nach Lukas zu hören, die über die von der Menschheit ersehnte Botschaft des Engels Gabriel berichtet.
      „Im sechsten Monat wurde der Engel Gabriel von Gott in eine Stadt Galiläas namens Nazareth zu einer Jungfrau gesandt. Sie war verlobt mit einem Manne namens Joseph aus dem Hause David; und der Name der Jungfrau war Maria.“ (Lk 1,26-27)

      Diese Begebenheit erfüllt uns mit Freude und sie ist uns wohlvertraut, da doch die Christen im Gebet des Engel des Herrn täglich dessen gedenken. Es ist der Moment des Eindringens Gottes in die Geschichte durch die Großherzigkeit einer Frau, die der Allmächtige sich auserwählt hatte, indem er sie von der Erbschuld bewahrte. Sie war voll der Gnade und blieb doch ganz frei, Gottes Willen anzunehmen. Von ihrer Freiheit hing der gesamte Heilsplan der göttlichen Liebe ab: die Menschwerdung des Wortes und dessen Tod am Kreuz setzten den freien Willen eines ganz einzigartigen Geschöpfs voraus.

      Jedes Wort des Dialogs zwischen der Mutter Gottes und dem Erzengel ist von tiefer Bedeutung und jedem von uns ist es aufgetragen, diese in unserem persönlichen Gebetsleben zu durchdringen. Die vom Erzengel gewählte Ausdrucksweise bei der Übermittlung der Botschaft lassen die Kraft und die souveräne Macht dessen durchscheinen, der alles geschaffen hat und fähig ist, alles neu zu schaffen: Er greift in den Lauf der Geschichte ein, indem er sich eines passenden Werkzeugs bedient, das von einer Demut erfüllt ist, die der göttlichen Gnade zu wirken erlaubt.

      Seitens der Jungfrau Maria finden wir in ihrem Fiat viele Aspekte, die wir bewundern und als Beispiel nehmen können. Ihre Worte offenbaren eine für ihr Alter untypische Reife; die heitere und abgeklärte Vertrautheit mit der geistlichen Welt können nur durch beharrliches Gebet und tiefem Umgang mit Gott erklärt werden. Auf diesem Hintergrund wird klar, wie Maria mit sofortiger Bereitschaft und Gefügigkeit antworten konnte, aber auch die Fähigkeit, das Herz der Botschaft zu erfassen, so dass sie sich bei ihrer Antwort deren großen und schmerzhaften Folgen bewusst war.
      Für die Menschen war Maria nur die Verlobte von Joseph; aber für Gott war Maria voll der Gnade, wie der Erzengel Gabriel sie selber grüßte.

      Liebe Weihekandidaten, die ihr in wenigen Augenblicken die verschiedenen Stufen der Niederen Weihen (und des Subdiakonats) empfangen werdet: diese Begebenheit aus dem Evangelium, die ihr nachher hören werdet, ist ein strahlendes Vorbild, dem wir unser Leben beständig gleichgestalten sollen. Besonders für euch ist in diesem Augenblick die Gelegenheit gekommen, Gott für all das zu danken, was er in euch gewirkt hat, seit ihr begonnen habt, seiner Stimme zu folgen, und auch um Eure Antwort in diesem einzigartigen Spiel Gottes mit dem Geschöpf zu erneuern, das der Ruf ist, ihm zu dienen, um zu Werkzeugen seiner göttlichen Gnade zu werden. Dies ist das letzte Ziel eurer Anwesenheit in diesem Seminar, dies ist der Grund, weshalb ich euch heute die verschiedenen Weihestufen erteile.

      Es handelt sich hierbei noch nicht um das Weihesakrament. Die Stufen, die ihr heute empfangt, beruhen auf dem allgemeinen Priestertum, das ihr vor Jahren in der Taufe empfangen habt.  Dieses und das Weihepriestertum haben denselben Ursprung in der Anteilnahme am Priestertum Christi, wenn sie auch wesentlich voneinander verschieden sind. Die niederen Weihestufen übertragen Aufgaben, die auf die Ausübung des Weihesakramentes im Dienst des Wortes und in endgültiger Weise im eucharistischen Opfer ausgerichtet sind. Sie sind sozusagen Zwischenziele, durch die die Kirche euch Teilaspekte des Priestertums anvertraut, damit ihr mit diesen Aufgaben vertraut werdet und dann noch fruchtbringender die Befugnisse ausführt, die dem Weihesakrament im Eigentlichen zukommen. 

      Die Stufe des Ostiariers vertraut euch die Aufgabe an, die heiligen Orte zu schützen, an denen der eucharistische Herr gegenwärtig ist, indem ihr von all denen, die eine Kirche betreten, ehrfürchtiges Benehmen fordert. Durch das Lektorat werdet ihr öffentlich im Namen der Kirche die Lobgesänge der himmlischen Liturgie verkünden; den Exorzisten wird die Vollmacht übergeben, die Katechumenen von den Fesseln des Bösen zu befreien; die Akolythen haben den Auftrag, das vorzubereiten, was nötig ist, um das Opfer des Altares zu vollbringen. Denen unter euch, die das Subdiakonat empfangen, wird die Aufgabe übertragen, am Altar zu dienen, indem ihr unmittelbar die Materie des eucharistischen Opfers bereitet und mit Vollmacht die heiligen Lesungen der Messe verkündet.
      All diese Befugnisse, die ich euch jetzt anvertraue, hat die Kirche seit Jahrhunderten bestimmten Auserwählten verliehen und hat hierfür klare Voraussetzungen formuliert. Im Anschluss an die Lehre des Katechismus der katholischen Kirche möchte ich für die Stufen, die ich euch heute spende, vier Voraussetzungen in Erinnerung rufen (KKK 874-879)

      Die erste Voraussetzung besteht im Bewusstsein, dass diese Weihestufen euch durch die Autorität der Kirche übergeben werden, nicht aufgrund eigener Verdienste oder Wünsche, sondern kraft einer Wahl, die von einem anderen getroffen wurde, der selbstverständlich auf euren freien Willen zählt. Ihr übernehmt demzufolge die Ämter dieser Weihestufen in offizieller und öffentlicher Form.

      Die zweite Eigenschaft, von der der Katechismus spricht, ist die Kollegialität. Dieser Aspekt ist wesentlicher Teil des Begriffs Ordo, er bezeichnet eine Körperschaft von Regierenden, der man eingegliedert wird. Die Kollegialität, die Tatsache der Zugehörigkeit zu einem Ordo bringt auch die Pflicht zum Gehorsam gegenüber dem Haupt mit sich und auch das Bewusstsein der Notwendigkeit einer harmonischen Ausübung der verschiedenen zugewiesenen Aufgaben: gemeint sind hier freilich jene, die dem Ordo entsprechen und nicht etwa andere.

      An dritter Stelle finden wir den Aspekt des Dienstes, der für jedes Amt in der Kirche, das mit Autorität ausstattet, charakteristisch ist. Hierauf kommt Papst Benedikt XVI. oft zurück. Vor fünfzehn Tagen sagte der Papst beim Angelus-Gebet, dass für den Menschen Autorität oft Macht, Herrschaft, Erfolg bedeute. Für Gott hingegen, so fuhr der Papst fort, bedeute Autorität Dienen, Demut, Liebe; es bedeute, in die Logik Jesu einzutreten, der sich niederbeugt, um die Füße der Jünger zu waschen. Dies ist die Logik, in die sich das Denken der Muttergottes und ihre Antwort an den Engel einfügen.

      Als letzte und vierte Voraussetzung spricht der Katechismus von dem persönlichen Aspekt. Die Aufgaben werden als  persönliche empfangen. Sie werden aufgrund einer persönlich eingegangenen Verpflichtung verwirklicht und beziehen somit die eigene Verantwortung und Großherzigkeit eines jeden von uns ein. Unsere Person wird dadurch zum Werkzeug; wir werden auch mit unserer Person zum Werkzeug, mit unserer Initiative, unserer Freundlichkeit, unserem Verstand… Deshalb ist es unverzichtbar, dass einerseits jeder den Seeleneifer in der  persönlichen Begegnung mit Christus innerlich zu vermehren sucht, und andererseits ist es notwendig, dass jeder daran arbeitet, seine menschlichen Tugenden zu verbessern, die uns helfen, Jesus den anderen zu bringen.

      Im Gespräch zwischen Maria und dem Erzengel Gabriel können wir die wesentlichen Züge dieser Merkmale erkennen. Die Reaktion Mariens ist das Vorbild, nach dem wir unsere Antwort an Gott ausrichten sollen. Sie wird für uns jetzt und immerdar die mütterliche Hilfe sein, die es uns erleichtern wird, unsere Schwierigkeiten aufgrund unserer Veranlagung oder unserer Umgebung zu überwinden.
      In der heutigen Lesung aus der Apokalypse werden wir jene Verheißung hören, die für alle einen großen Trost darstellt:
      „Ein großes Zeichen erschien am Himmel: eine Frau, mit der Sonne bekleidet, den Mond unter den Füßen, und auf dem Haupt einen Kranz von zwölf Sternen.“

      Wie im Leben der Kirche, so leuchtet auch im Leben eines jeden einzelnen von uns inmitten der Feststellung unserer eigenen Unfähigkeit und Begrenztheit das große Zeichen Mariens auf. Ihrem Schutz wurden wir von Christus in seiner feierlichen Todesstunde anvertraut. Sie wird über unsere Zukunft wachen und wird unseren Dienst für ihren göttlichen Sohn froher und fruchtbarer machen. 


      Fotos von den Weihen am 11.02.2012 in Wigratzbad:  bitte HIER klicken!

      In englischer Sprache:
      Bericht von Fr Simon Henry vom Blog "Offerimus Tibi Domine" (bitte HIER klicken)


      Foto: Bischof Arrieta, Rom; © FSSP
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