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Samstag, 15. Juni 2013

Polyphone Wahrheit

Die Ein- und Vielstimmigkeit des Zeugnisses

Die Wahrheit sei symphonisch, sagte der Schweizer Theologe Hans Urs von Balthasar (+1988), und man muss ihm darin zustimmen. Bereits die Heilige Schrift trägt uns ja das inspirierte Wort Gottes in einem großen Chor unterschiedlicher Chronisten, Propheten, Psalmisten und Weisheitslehrer, Evangelisten und Apostel vor. Später dann schwillt der Gesang zu schier unglaublicher Vielfalt an, wenn durch die Epochen und Kulturräume der Geschichte hin die Kirchenväter und Kirchenlehrer, die Päpste und Konzilien, die Theologenschulen und die Mystiker ihre Stimmen erheben. 

Die Wahrheit muss symphonisch und polyphon sein, weil sie katholisch, allumfassend ist. Eine einzelne Stimme reicht nicht aus, solche Fülle angemessen zu verkünden. Es bedarf der verschiedenen und durchaus auch gegensätzlichen Stimmen, die sich aber – wie in einer kunstvollen Fuge Johann Sebastian Bachs – zur höheren Einheit zusammenfinden und verbinden. 

Ganz anders freilich liegt die Sache, wenn aus den Kontrasten und Kontrapunkten des Chorwerkes Widersprüche werden; wenn sich die einzelnen Stimmen emanzipieren, aus der Gestimmtheit und dem Rhythmus des Ganzen ausscheren; wenn sich die Spannungen nicht mehr in Harmonie auflösen wollen, sondern in trotziger Dissonanz verharren. Unter solchen Umständen noch von der „Polyphonie der Wahrheit“ zu sprechen, wäre völlig verfehlt. Auch die komplexeste Komposition bewahrt ihre Authentizität nur durch die Treue zur Partitur. Und wie könnte man das Chaos als Kosmos, den Unsinn als Logos bezeichnen? 

Leider geschieht aber genau dies immer wieder. Innerkirchlich wird nicht selten ein Pluralismus gerühmt, der schon längst nicht mehr von dem gemeinsamen Zeugnis für die eine geoffenbarte Wahrheit Gottes beseelt ist. Aus dem Stimmenwirrwarr kann man so ziemlich alles heraushören. Jeder findet etwas, das seinen Wünschen und Vorstellungen entgegenkommt. Auch an Wahrem und Gutem fehlt es durchaus nicht. Doch der Chor als Gesamtheit legt kein eindeutiges Zeugnis mehr ab. So verkommt die Polyphonie zur formlosen Masse, in der das Klare verschwimmt und das Leuchtende trübe wird. 

Ein bezeichnendes Beispiel für das falsche Verständnis von Mehrstimmigkeit der christlichen Botschaft war die Reaktion vieler Theologen auf die Idee eines „Katechismus der Katholischen Kirche“ und die harsche Kritik, welche dessen Veröffentlichung im Jahr 1992 begleitete. Es sei heute nicht mehr möglich und auch gar nicht wünschenswert, ein einziges Werk als Richtschnur für die Glaubens- und Sittenlehre weltweit darzubieten, wurde der römischen Kirchenleitung damals entgegengehalten; vielmehr gelte es, dem Pluralismus theologischer Richtungen der Gegenwart Rechnung zu tragen. So als gebe es keine gültige und verbindliche Offenbarung Gottes an alle Menschen, und als wäre die von Paulus angemahnte Einheit in dem einen Leib, dem einen Geist, dem einen Herrn, dem einen Glauben, der einen Taufe, dem einen Gott und Vater aller (vgl. Eph 4,3 ff.) nicht zu erstreben! 

Wie sehr die kirchliche Verkündigung durch das widersprüchliche Stimmengewirr geschwächt wird, das kann und muss der treue Katholik fast andauernd erfahren. Priester, die bestimmte „unzeitgemäße“ Wahrheiten ansprechen, werden von kritischen Zuhörern auf prominente Theologen oder Mitbrüder verwiesen, die darüber exakt das Gegenteil sagen. Eltern erleben es, wie ihren Kindern vom (kirchlich beauftragten!) Religionslehrer, ja zuweilen auch vom Pfarrer das ausgeredet wird, was sie ihnen in Übereinstimmung mit dem Katechismus beigebracht haben. 

Um nur einige Stichworte zu nennen: jungfräuliche Empfängnis, Sühnetod und Auferstehung des Herrn; „Letzte Dinge“, vor allem Gericht, Fegefeuer und Verdammnis; Existenz von Engeln und Dämonen; Einzigkeit und Heilsnotwendigkeit der Kirche Jesu Christi; Messopfer und eucharistische Realpräsenz; Sonn- und Feiertagspflicht; Notwendigkeit der persönlichen Beichte; Bedingungen für die Kommunionwürdigkeit; christliche Sexualmoral, insbesondere Selbstbefriedigung, vorehelicher Geschlechtsverkehr, Empfängnisverhütung und Homosexualität... – Alles das sind Bereiche, in denen der lehramtskonforme Glaubenszeuge rasch zum Exoten oder zum unbelehrbaren Fundamentalisten abgestempelt wird. Und obgleich seine Stimme doch genau dem Text der göttlichen und kirchlichen Partitur entspricht, wird sie im Namen des Pluralismus von den Organen der Falschsänger übertönt.

Selbstverständlich sind wir für die Mehrstimmigkeit der Wahrheit. Wir wünschen uns nichts sehnlicher, als dass die verschiedenartigen Stimmen jeweils auf ihre Weise zu dem gewaltigen Hymnus zusammentönen, in dem sich farbig und vielgestaltig die Wahrheit Gottes kundtut. Aber es muss eben wirklich die Wahrheit Gottes, nicht das Wunschdenken der Menschen sein. Gerade in dieser vielstimmigen Einstimmigkeit des authentischen Zeugnisses lag immer die Kraft der heiligen Kirche. Möge sie uns durch eine vom Geist Gottes erleuchtete und gestärkte Leitung, die auch vor notwendigen Säuberungen nicht zurückschreckt, wiedergeschenkt werden!


P. Bernward Deneke FSSP, Wigratzbad



Hinweise:
- mit freundlicher Genehmigung des Verfassers
- der Beitrag erschien bereits im Schweizerischen Katholischen Sonntagsblatt (SKS)

Sonntag, 19. Mai 2013

Zur Frage: Was ist katholisch? (1)

Der Heilige Geist „ipse harmonia est“ – ist selbst die Harmonie. Nur er kann die Unterschiedlichkeit, die Pluralität, die Vielfalt erwecken und zugleich die Einheit bewirken. Auch hier gilt: Wenn wir selbst die Verschiedenheit schaffen wollen und uns in unseren Parteilichkeiten, in unseren Ausschließlichkeiten verschließen, führen wir in die Spaltung; und wenn wir selbst nach unseren menschlichen Plänen die Einheit herstellen wollen, schaffen wir letztlich die Einförmigkeit, die Schematisierung.

Wenn wir uns hingegen vom Geist leiten lassen, führen Reichtum, Vielfältigkeit, Unterschiedlichkeit nie zum Konflikt, denn er bringt uns dazu, die Vielfältigkeit im Miteinander der Kirche zu leben. Das gemeinsame Unterwegssein in der Kirche unter der Führung der Hirten, die ein spezielles Charisma und Amt haben, ist ein Zeichen für das Wirken des Heiligen Geistes; die Kirchlichkeit ist ein grundsätzliches Merkmal für jeden Christen, für jede Gemeinschaft, für jede Bewegung.

Die Kirche ist es, die mir Christus bringt und mich zu Christus führt; Parallelwege sind so gefährlich! Wenn man sich darauf einlässt, sich jenseits (proagon) der Lehre und der kirchlichen Gemeinschaft zu bewegen – wie der Apostel Johannes in seinem Zweiten Brief schreibt –, und nicht darin bleibt, ist man nicht mit dem Gott Jesu Christi verbunden (vgl. 2 Joh 1, 9). Fragen wir uns also: Bin ich offen für die Harmonie des Heiligen Geistes, indem ich jegliche Ausschließlichkeit überwinde? Lasse ich mich von ihm leiten, indem ich in und mit der Kirche lebe?




Papst Franziskus nennt also die folgenden "Kriterien des Katholischseins" :

-  in der kirchlichen Gemeinschaft sein
-  in der kirchlichen Lehre sein, d. h. ihr zustimmen
-  sich vom Heiligen Geist leiten lassen

Mittwoch, 19. Dezember 2012

Katholische Kirche und Internet

Dr. Norbert Kebekus, Leiter des Referates Medienpastoral im Erzbischöflichen Seelsorgeamt Freiburg, verfasste die Titelstory für das Magazin "sinnstiftermag" zum Thema "labern/verkünden": 

Die katholische Bloggerszene
Schlauchboote statt Großtanker
"Die größte Herausforderung an die Kommunikation der katholischen Kirche in unserer Mediengesellschaft dürfte die Entwicklung des Internet als Social Media bereithalten. Sich in einem prinzipiell hierarchiefreien Kommunikationsraum zu bewegen, in dem die Grenze zwischen Anbieter und User verschwimmt, ist für die Kirche völlig ungewohnt. Sie muss endgültig auf ihr Verkündigungsmonopol verzichten, sich der Konkurrenz auf dem Markt der Sinnangebote stellen, sich mit Suchenden, Fragenden und Kritikern auf einen echten Dialog einlassen. Sie muss den schwierigen Balanceakt wagen, die innerkirchliche Pluralität zuzulassen, ohne den Wahrheitsanspruch der eigenen Lehre aufzugeben. (...) 
Bloggerinnen und Blogger stemmen sich gegen eine bequeme Anpassung der Kirche an den Zeitgeist und eine unerträgliche Banalisierung des Glaubens. Sie halten "die Fackel des unverfälschten Glaubens hoch" (um es mit Papst Benedikt XVI. zu formulieren), kämpfen für den Schutz des ungeborenen Lebens und setzen sich für eine würdige, heilige Liturgie ein..." 
Die ganze Geschichte: HIER

Die in der Titelstory erwähnte Auseinandersetzung um den Sinn (oder Unsinn) von Katechismen findet sich hier und hier.


Weiteres zum Thema Kirche und Medien: 
Bischöfliches Portal "katholisch.de" bleibt weiter in der Kritik...

Donnerstag, 1. September 2011

Cathedra und Katheder

von
Joseph Kardinal Höffner, (damaliger) Erzbischof von Köln 

aus:
Unbehagen an der Kirche?


Zehnte Frage:

Muss die Zusammenarbeit zwischen dem kirchlichen Lehramt und der theologischen Wissenschaft zum Nutzen der Glaubensvertiefung und Glaubensverkündigung nicht beträchtlich verstärkt werden?

Antwort:

Diese Frage ist uneingeschränkt zu bejahen. Papst und Bischöfe sollen sich, wie das Zweite Vaticanum sagt, um die "rechte Erhellung und angemessene Darstellung" der Glaubenswahrheiten "mit geeigneten Mitteln" eifrig mühen (LG 25). Dabei mag die theologische Wissenschaft einen unverzichtbaren Dienst zu leisten; ist es doch Aufgabe, "auf eine tiefere Erfassung und Auslegung der Heiligen Schrift hinzuarbeiten, damit so gleichsam auf Grund wissenschaftlicher Vorarbeit das Urteil der Kirche reift" (DV 12).

Dennoch darf man kirchliches Lehramt und theologische Wissenschaft nicht miteinander verwechseln. Garant der Wahrheit des Glaubens ist die Cathedra des heiligen Petrus, nicht der Katheder des Professors. Diese Erkenntnis ist besonders heute wichtig, da in der Öffentlichkeit vielfach nicht zwischen katholischen und nichtkatholischen Gelehrten unterschieden wird und leider auch nicht mehr alle katholischen Theologieprofessoren in wichtigen Glaubensfragen einer Meinung sind, wenn auch jene, die abweichen, nur eine kleine Minderheit darstellen.

Nicht selten wird versucht, die Vielfalt der einander widersprechenden Meinungen mit dem Modewort vom theologischen "Pluralismus" verständlich zu machen. Es hat in der Kirche zu allen Zeiten verschiedene theologische Richtungen gegeben, die den einen und selben Glauben auf verschiedene Weise auszulegen versuchten, zum Beispiel die theologischen Schulen der Franziskaner, Dominikaner, und Jesuiten. Das ist berechtigt und bei der unergründlichen Tiefe der Glaubensgeheimnisse, mit denen sich die Theologie befasst, verständlich.

Jedoch darf die Verschiedenheit der Auslegung nicht soweit gehen, dass die vom kirchlichen Lehramt in einer endgültigen Entscheidung als letztverbindlich verkündigten Glaubens- und Sittenlehren geleugnet, oder umgedeutet und verfälscht werden. Würde der Pluralismus sich nicht mehr an das Urteil des kirchlichen Lehramtes gebunden wissen, so stünde er außerhalb der Kirche.


Foto: Père Igor, Saint-Pantaly-d'Ans, Dordogne, Frankreich

 (Hervorhebungen durch Administrator)
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