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Sonntag, 10. Juli 2016

Priesterbäume

(Eine Primizpredigt von P. Bernward Deneke FSSP)

Große Gnadentage für die kleine Gemeinde Opfenbach im bayrischen West-Allgäu - und die meisten ihrer Einwohner werden es vielleicht nicht einmal bemerkt haben: denn im Ortsteil Wigratzbad feierte man im Priesterseminar der Priesterbruderschaft St. Petrus die Priesterweihe von fünf jungen Männern (vier weitere in Wigratzbad ausgebildete Diakone französischer Herkunft wurden bereits zwei Wochen zuvor im französischen Auxerre zu Priestern geweiht - siehe hier).

Die Weihe selbst fand am Samstag, den 02. Juli 2016 in der Kirche St. Margareta im Nachbarort Heimenkirch statt. Weihespender war Erzbischof und Sekretär der Kommission "Ecclesia Dei" Guido Pozzo aus Rom (Bilder der Weihe auf dem französischsprachigen Blog des Seminars).

Am darauffolgenden Sonntag fanden in und um den Gnadenort Wigratzbad die Primizen, die ersten Heiligen Messen der Neupriester statt. So auch in der Wallfahrtskirche Mariä Himmelfahrt zu Maria Thann die Primiz des Neupriesters Gregor Pal, dessen Primizpredigt Pater Bernward Deneke hielt. Diese Predigt sei hier mit freundlicher Genehmigung des Verfassers im Wortlaut wiedergegeben:



Predigt zur Primiz von P. Gregor M. Pal FSSP am 3. Juli 2016 in Maria Thann 

Herzlich lade ich Euch und Sie alle zu einem kleinen Ausflug ein! Sein Ziel ist ein Arboretum, also eine Anpflanzung verschiedenartiger Bäume. 

Aber keine Sorge: Wenn wir dorthin gehen, verfehlen wir keineswegs den großen Anlass, der uns jetzt versammelt, nämlich die erste Heilige Messe unseres Neupriesters Gregor Maximilian Pal. 

Das Ausflugsziel ist nicht mutwillig gewählt. Vielmehr leitet uns Jesus Christus selbst im Evangelium dazu an, die Bäume anzuschauen. Er spricht davon, dass man die guten und die schlechten an ihren Früchten erkennen kann. Also wollen wir seinem Hinweis folgen und uns mit diesen Gewächsen beschäftigen. 

Der Grundgedanke unserer Betrachtung ist dabei sehr einfach: Auch das Priestertum ist eine Pflanzung, und der einzelne Priester gleicht einem Baum. 

Wenn wir nun jenen Garten betreten, erblicken wir eine stattliche Anzahl von Bäumen. Sie stimmen miteinander im Wesentlichen überein: Wurzel, Stamm, Geäst. Schließlich handelt es sich ja um das eine und einzige Priestertum Jesu Christi, das er selbst, der ewige Hohepriester, beim Letzten Abendmahl eingesetzt hat und das er durch den Bischof im heiligen Sakrament der Weihe verleiht. 

Aber doch: Wie unterschiedlich sind diese Bäume! Da gibt es alte und sehr junge (wie unseren Gregor). Hohe stehen neben niedrigen, gewaltige neben zarten. Manche rufen im Betrachter ehrfürchtige Bewunderung hervor, andere Mitleid, vielleicht sogar – Gott bewahre uns davor! – Verachtung. 

Wir sehen Bäume, die in Saft und Kraft stehen, deren Wurzeln tief in eine nährstoffreiche Erde ausgeschlagen sind, während sich die Krone majestätisch dem Himmel entgegenreckt und die Zweige sich ausladend in die Weite spannen. Aber auch solche Bäume zeigen sich uns, die mickrig sind und verkümmert wegen des kargen Bodens, gekrümmt von den Winden. Wegen grassierender Krankheiten sind manche von ihnen sterbenskrank und vielleicht schon ganz abgestorben.

Kennzeichnend sind vor allem die Früchte. Von manchen dieser Priesterbäume gilt, was Du, lieber Gregor, heute in der Matutin mit den Worten des ersten Psalms gebetet hast: Selig der Mann, der seine Freude am Gesetz des Herrn hat, denn „er wird sein wie der Baum, der gepflanzt ist an Wasserbächen und seine Frucht gibt zu seiner Zeit und dessen Laub nicht abfällt.“ Andere dieser Pflanzungen des Herrn hingegen scheinen wenige oder gar keine Frucht zu tragen. 

Und dann gibt es leider noch solche Bäume, die zwar Früchte bringen, oft sogar viele Früchte bringen. Aber was für Früchte sind das? Im günstigeren Fall sind sie geschmacklos, ungenießbar, ohne Nährwert, im schlimmeren Fall sogar giftig. 

Ach, liebe Gläubige, welcher Schaden ist nicht durch diese Bäume entstanden. Omne malum a clero, lautet ein altes Sprichwort. Man kann es auf zweierlei Weise übersetzen, denn malum bedeutet sowohl „Apfel“ als auch „Übel“. Leider ist hier nicht vom Klerus als einem Apfelbaum die Rede („Jeder Apfel stammt vom Klerus“), sondern der Sinn lautet: „Alles Übel stammt vom Klerus“. 

Ja, jene geweihten Diener des Heiligtums, die den Glauben entstellen, die Gnadenquellen verstopfen, den Gottesdienst verschandeln, die Menschen durch ihr schlechtes Beispiel und durch falsche Weisung in die Irre führen – sie sind Bäume mit giftigen Früchten. Unzählige Menschen, ganze Generationen können durch sie geschädigt werden. Die Geschichte zeigt es uns leider nur allzu oft.


Lieber Gregor, gestern bist Du als Priesterbaum in den Garten des Herrn gepflanzt worden. Oder, anders gesagt: Als Geschöpf Gottes, der Spross der gesegneten und glaubensfrohen Familie Pal, wurdest Du schon im Jahr 1989 – und zwar hier in Wigratzbad durch den unvergessenen und unvergesslichen Prof. Leopold Nestmann – in den Boden der Kirche eingepflanzt, gestern aber hast Du die höchste Veredelung durch das Weihesakrament empfangen. Jetzt also soll sich der Baum entwickeln hin zu reicher Frucht. 

Eine Frucht kann jeder Priesterbaum bringen, und zwar ganz unabhängig von seinen sonstigen Qualitäten oder Fehlern. Und, Gott sei Dank, dies ist die kostbarste aller Früchte. Gleich wirst Du sie hier auf den Altar legen. Es ist diejenige, die wir tagtäglich so viele Male erwähnen, wenn wir die Mutter des Herrn anrufen: „Und gebenedeit ist die Frucht Deines Leibes, Jesus.“ 

Diese Frucht wird in der Kirche empfangen und geboren. Empfangen durch die Überschattung des Heiligen Geistes, der die Wandlungsworte des Priesters wirkmächtig erfüllt. Und geboren, wenn die Gaben zur Anbetung emporgehoben und später in die Herzen der Gläubigen gelegt werden. 

Lieber Neupriester, die Hervorbringung dieser Frucht, also die Heilige Messe, ist es wert, mit tiefster Ehrfurcht und innigster Hingabe vollzogen zu werden. Nie soll die Haltung, die sich in Deinem Primizbildspruch ausdrückt, schwinden: Ich will hintreten zum Altare Gottes, zu Gott, der mich erfreut von Jugend an. 

Es ist tatsächlich möglich, dass diese Freude bleibt, ein langes Priesterleben hindurch bleibt, und dass sie sich sogar vermehrt. Dafür bedarf es allerdings der Mitwirkung: der oftmaligen Betrachtung der heiligen Geheimnisse, einer ausreichenden Vorbereitung und Danksagung. Und nicht zu vergessen: des persönlichen Eingehens in das Opfer Jesu, des Mitopferns und Mitleidens. 

Wie wahr ist die Botschaft Deines Primizbildes, das auf der Rückseite von der Freude beim Aufstieg zum Altar spricht, auf der Vorderseite jedoch zeigt, wie Jesus seinen Priester mit Dornen krönt. Beides gehört zusammen. Und wenn Du freudig leiden und leidend Dich freuen wirst, dann wird auch die Darbringung dieser Frucht nochmals reiche Fruchtbarkeit erzeugen in den Herzen der Gläubigen. 

Daher der berühmte Rat, der von Priestergeneration zu Priestergeneration weitergegeben wurde: Jede Heilige Messe sollst Du feiern sicut prima, ultima, unica – wie Deine erste (also diese!), wie Deine letzte und so, als wäre es die einzige. 

Auch die anderen Früchte im sakramentalen Bereich – vor allem die Taufe, die Beichte, die Krankensalbung, die Assistenz bei der Eheschließung und vielfältige Segnungen – kann der Priesterbaum selbst dann, wenn er gering und krank ist, spenden. 

Hervorgehoben sei die Verwaltung des Bußsakramentes. Wo sonst außer bei der Heiligen Messe kann dem Priester jemals so deutlich seine hauptsächliche Bestimmung bewusst werden, als dort, wo er die versklavende Macht der Sünde aus einem Herzen vertreibt und es mit den Lebensströmen der Gnade erfüllt? Und wie bemitleidenswert sind auf der anderen Seite jene Priester, die diese Gnade oft weder für sich selbst in Anspruch nehmen noch davon durchdrungen sind, sie möglichst vielen Menschen zugänglich zu machen? 

Lieber Gregor, wärest Du, ähnlich dem heiligen Pfarrer von Ars, zukünftig ein Gefangener des Beichtstuhls – vielleicht demnächst im Wiener Stephansdom, wer weiß? – und hättest sonst (wie man so sagt) kaum etwas vom Leben, könntest keine Jugendfahrten und -lager abhalten, hättest auch keine irgendwie herausragenden Stellungen und Auftritte: Es wäre das doch ein erfülltes Dasein. Dein vielleicht ganz unscheinbarer Priesterbaum würde seine fruchtbeladenen Zweige weit ausstrecken zum Segen für viele. 


Wenden wir nun unseren Blick nochmals auf die anderen Gewächse des Arboretum, namentlich auf diejenigen, die uns irgendwie als missraten erscheinen. Dann stellt sich uns die Frage: Wie kommt es eigentlich, dass manche Bäume trotz des guten Bodens, trotz anhaltender Sorge des Gärtners und trotz günstiger Wetterverhältnisse doch kaum Frucht bringen? Weshalb stehen manche wie tot da und bar jeder Frucht, während andere geradezu überladen sind, ihre Lasten kaum tragen können? 

Ja, im Frühjahr sieht oft alles sehr verheißungsvoll aus. Die Äste treiben Blätter, an den Obstbäumen treten die bezaubernden Blüten hervor. Es kommt aber bald der lange Sommer mit glühender Hitze und heftigen Gewittern. In dieser Zeit kann vieles geschehen, das sich sehr ungünstig für den Baum auswirkt. 

So ist es auch mit dem Priestertum, auch mit Deinem Priestertum, lieber Gregor. Mit der gestrigen, strahlenden Weiheliturgie ist der Frühling eingetreten. Wir alle freuen uns an Deiner Freude, an der wundervollen Ausstrahlung eines jungen, ganz jungen Priesters. So ist es, und es ist gut so. 

Doch nach und nach werden die Prüfungen über Dich kommen, von innen und von außen. Du wirst mit Deiner eigenen Natur zu kämpfen haben, die sich nicht immer dem Anruf Gottes zu Höherem fügen will. Du wirst wohl auch Schwierigkeiten mit anderen Menschen – hoffentlich möglichst wenig mit Mitbrüdern! – mit Gläubigen, mit Außenstehenden erleben. Anfeindungen bleiben nie ganz aus, ebenso Misserfolge trotz aller Bemühungen. Manchmal wird man Dich ausbremsen dort, wo Du rennen, und Dich antreiben dort, wo Du ruhen möchtest. Physische Krankheit und psychische Belastungen kommen hinzu. 

Nicht zu vergessen das Wirken derjenigen Mächte und Gewalten, die es darauf angelegt haben, Dich von der Höhe Deiner Berufung herabzuziehen, koste es, was es wolle. Und da Du ein passionierter Schachspieler bist: Dein Gegner setzt alles daran, Dir unauffällig einige Bauern, später dann Pferde, Läufer, Türme, die hohe Dame – Maria, die Königin Deines Herzens – und am Ende den König, Jesus selbst, zu nehmen. 

In diesen Auseinandersetzungen entscheidet sich, in welcher Art sich Dein Baum entwickelt: Ob er den Eifer des Wachstums bewahrt oder langsam verkümmert; ob er sich in die Höhe und Weite ausstreckt oder in sich zusammenkrümmt; ob er saftig bleibt oder langsam austrocknet, verhärtet und verbittert wird. 

Deshalb empfehle ich Dich dem Gebet aller anwesenden Gläubigen, vor allem Deiner lieben Eltern und Geschwister. Wir alle wollen ja, dass Dein Priesterbaum als ein besonders edles Gewächs im Garten Gottes wachse, sich entfalte und überreiche Frucht bringe. Darum müssen wir Deinen weiteren Weg auch in dieser Weise begleiten. 


Und nun verlassen wir das Arboretum und treten zum Altare Gottes, zu Gott, der uns von Jugend an erfreut, ja der unsere Jugend erfreut und uns ewige Jugend schenken will. Gleich, lieber Gregor, wirst Du die kostbarste Frucht Deines priesterlichen Daseins, die Frucht des jungfräulichen Leibes der Gottesmutter, bringen. Du wirst es ein hoffentlich langes Priesterleben lang tun. 

Schließe Dich ihr, der dieses Heiligtum Maria Thann geweiht ist, innig an. Maria wird Dich lehren, Jesus treu zu sein. Sie begleitet Dich auch dann, wenn er dir die Dornenkrone auf das Haupt legt. Und sie garantiert Dir jene Fruchtbarkeit, die für Zeit und Ewigkeit Segen über Segen bringen wird. 

Amen.

P. Bernward Deneke, Wigratzbad


Bilder und Beiträge zu den Priesterweihen des Jahres 2016:
  • Fotos zur Priesterweihe in Heimenkirch am 02. Juli 2016 hier und hier
  • Bilder der Primizmesse des Neupriesters James Mawdsley FSSP in der Dreifaltigkeitskapelle zu Mywiler nahe Wigratzbad am 03. Juli 2016 hier und hier


Bild: Palmen im Innenhof eines toskanischen Krankenhauses ©FW

Samstag, 15. November 2014

Ehrfurcht und Liebe - Begegnung mit dem Ganz-Anderen

von P. Bernward Deneke FSSP, Wigratzbad

Predigt am 22. Juni 2014, 2. Sonntag nach Pfingsten; Nachprimiz von P. Robert Dow FSSP

„Zu Deinem Namen, Herr, lass uns zugleich Furcht und immerwährende Liebe haben, da Du ja niemals denen Deine Führung entziehest, die Du in der Festigkeit Deiner Liebe begründest.“ (Oratio)

Stellen wir uns einmal vor, wir hätten heute, bei dieser heiligen Messe, eine Art kollektive Vision. Plötzlich wären wir alle im Geiste entrückt. Und da würde sich uns folgendes Bild bieten: Inmitten sieben goldener Leuchter wäre hier am Altar eine Gestalt zu sehen, einem Menschen gleich und doch ganz anders. Ein himmlisches Wesen, angetan mit einem wallenden Gewand und umgürtet mit goldenem Gürtel. Sein Haupt und Seine Haare wären wie schneeweiße Wolle, die Augen wie eine Feuerflamme, die Füße wie glühendes Glanzerz. Der Klang Seiner Stimme tönte donnernd wie das Rauschen vieler Wasser. In Seiner Hand hielte diese Erscheinung sieben Sterne, und aus ihrem Mund ginge ein scharfes, zweischneidiges Schwert hervor. Das Antlitz leuchtete, wie wenn die Sonne in aller Kraft scheint. 

Diese Vision wäre so ganz anders als alles, was uns vertraut ist. Anders als die lieblichen, gefühlvollen Bildchen von Jesus, die uns in der Welt der Frömmigkeit begegnen. Anders aber auch als die großen Kunstwerke, die den Herrn zeigen. Sogar anders als die ehrfurchtgebietenden Christusikonen der Ostkirche und die machtvollen Mosaiken in alten Kirchen. Was würde wohl mit uns armen Sterblichen geschehen, wenn wir solches jetzt zu schauen bekämen? Vermutlich nichts anderes als das, was an demjenigen geschah, der diese Christuserscheinung vor wohl mehr als 1900 Jahren hatte. In seiner Apokalypse berichtet uns ja der heilige Apostel Johannes, dass er bei seiner Verbannung auf der Insel Patmos diese Schauung hatte. Und was geschah mit ihm? Johannes stürzte wie tot zu Füßen des Herrn nieder und musste durch dessen rechte Hand wieder aufgerichtet werden. Welche Vorstellung, das würde hier und heute uns allen geschehen! 

In der Religionsphilosophie spricht man seit der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts gerne davon, das Heilige sei für uns Menschen ein mysterium tremendum et fascinans. Rudolf Otto, auf den die Formulierung zurückgeht, wollte damit die Wirkung dessen beschreiben, womit wir es in der Religion zu tun haben. Die Begegnung mit dem Bereich des Ganz-Anderen, des Göttlichen, lasse den Menschen erschrecken und erzittern: mysterium tremendum. Zugleich aber schlage es ihn in Bann, ziehe ihn wie magisch an, fasziniere ihn: mysterium fascinans.

Dieser Doppelcharakter wird tatsächlich an den verschiedenen Gotteserscheinungen der Bibel deutlich: Moses erblickt den brennenden Dornbusch und sagt sich: „Ich will doch hingehen und dieses seltsame Schauspiel betrachten.“ Als der Herr ihn aber aus dem Dornbusch anspricht, heißt es: „Da verhüllte Moses sein Angesicht, denn er fürchtete sich, Gott anzuschauen.“ Beides liegt hier direkt beieinander: die magnetische Anziehungskraft und die Furcht davor, den Allheiligen zu schauen. 

Ähnlich beim Propheten Elias, der auf dem Berg den Vorübergang des Herrn erlebt. Nach einem heftigen Sturm, der Berge zersprengt und Felsen spaltet, nach Erdbeben und Feuersbrunst vernimmt der ein leises, sanftes Säuseln. Und die Schrift sagt: „Da, als Elisas dies vernahm, verhüllte er sein Antlitz mit seinem Mantel, ging hinaus und trat an den Eingang der Höhle.“ Er kann nicht anders, als sein Gesicht zu verbergen – mysterium tremendum. Und doch ist er von der Gotteserscheinung in Bann geschlagen und tritt in den Eingang – mysterium fascinans

Nicht anders bei den Propheten Jesaja und Ezechiel, die überwältigender Schauungen gewürdigt werden. Jesaja erlebt die Gotteserscheinung im Tempel wie hingerissen, ruft aber dann aus: „Wehe mir, ich bin verloren. Denn ich bin ein Mann mit unreinen Lippen und wohne unter einem Volk mit unreinen Lippen, und meine Augen haben den König, den Herrn der Heerscharen, geschaut.“ Und Ezechiel hat die Vision vom göttlichen Thronwagen. Sie wirft ihn zur Erde, und nachdem ihn der Geist Gottes emporhebt, gerät er doch in tiefste Niedergeschlagenheit, sieben Tage bleibt er starr und stumm unter den Menschen. Ein postvisiönäres Syndrom, ein Depression vielleicht? Nein, Ezechiel wurde vom mysterium tremendum et fascinans, gepackt! 

Ja, wir könnten noch eine ganze Reihe solcher göttlichen Manifestationen anführen, in denen Menschen zugleich von Furcht und Faszination gepackt wurden. Denken wir im Neuen Testament nur an die Hirten, denen die Engel über den Fluren Bethlehems die Geburt des Messias künden: Sie fürchten sich sehr und sind doch bald schon von solcher Begeisterung, solchem Jubel ergriffen! Und dann eben die apokalyptische Vision des Johannes auf Patmos. Bemerkenswert ist, dass ausdrücklich gesagt wird, sie sei an einem Sonntag geschehen. Es drängt sich geradezu der Gedanke auf: am Sonntag, bei der Feier der heiligen Geheimnisse, bei der Messe! Das würde auch insofern passen, als die Apokalypse des heiligen Johannes stark liturgisches Gepräge trägt, ja in ihrem Ablauf große Ähnlichkeiten mit dem Tempelkult der Juden wie mit dem Gottesdienst der Christen hat. Und daher ist es auch keineswegs absurd, wenn wir uns vorstellen, uns würde hier und heute, bei dieser heiligen Feier, eine solche Schau zuteil. 

Jedenfalls ist die Wirklichkeit, die hinter der sakramentalen Zeichenwelt steht, von himmlischer, göttlicher Art. Sie ist tatsächlich umwerfend und hinreißend. Nur, dass wir oberflächlichen Geister das so leicht vergessen und daher völlig teilnahmslos und gelangweilt dabei sein können. Wir haben die Heilige Messe ja schon so oft erlebt, etwas Neues gibt es dabei ohnehin nicht mehr zu erwarten. Zwar glauben wir noch irgendwie das, was die Kirche darüber lehrt: Vollzug des Opfers Jesu Christi, Gegenwart des himmlischen Herrn, wie Ihn Johannes geschaut hat. Aber wir sind in den geistlichen Sinnen unentwickelt oder abgestumpft, im Herzen dem liturgischen Geschehen entfremdet. Und daher bewegen sich unsere Gedanken überall umher. Von einer Begegnung mit dem mysterium tremendum et fascinans, einer Überwältigung durch das unfassbare Ereignis kann nicht die Rede sein.

Wenn das nun schon von den Gläubigen gilt, die in einigem Abstand der Zelebration am Altar beiwohnen: Wie ist es dann erst für den Priester, der solches nicht nur dann und wann aus der Ferne miterlebt, sondern der es nach dem Willen der Kirche täglich vollzieht; der die heilige Gestalt bei der Wandlung in seinen Händen hält, sie bricht und später den Gläubigen austeilt? Ist er nicht in noch größerer Gefahr als alle anderen, das alltäglich gewordene Tun dann auch wie etwas Alltägliches zu tun, vor allem, wenn er es jahre- und jahrzehntelang verrichtet? Mit welcher inneren Anteilnahme wird unser Neupriester Robert Dow in 5, 10 oder 20 Jahren seine soundsovieltausendstes Messopfer darbringen? 

So unterliegt das Höchste und Heiligste scheinbar zwangsläufig dem Verschleiß, und gelegentlich tritt es uns, schmerzlich vielleicht, zu Bewusstsein, dass es eigentlich anders sein sollte. Aber die Sache mit dem mysterium tremendum et fascinans ist eben eine beeindruckende Theorie, die mit der Praxis nicht viel zu tun hat. Was sollte es auch nützen, wenn die Priester ständig entrückt und entzückt wären? Dadurch käme doch nur die Zeitplanung durcheinander… 

Sagen wir es sogleich: Es ist auch gut so und entspricht Gottes weiser Einrichtung, dass die Heilige Messe normalerweise eher nüchtern erlebt wird, im Glauben und nicht in ekstatischer Schau. Der Gottessohn ist in die Welt und in die Zeit eingegangen und durch die Sakramente, vor allem durch die Eucharistie in der Welt und in der Zeit geblieben. Dadurch hat Er für uns tatsächlich eine gewisse Alltäglichkeit angenommen. Aber – und das ist das große Aber – jeder von uns, allen voran der Priester, steht in der Pflicht, alles zu tun, damit daraus keine blasse und hohle Alltäglichkeit werde, sondern die Ehrfurcht und Liebe zu diesen Geheimnissen und zu dem, der in Ihnen zu uns kommt, tiefer und lebendiger werde. Ehrfurcht und Liebe – das ist ja die Antwort auf das mysterium tremendum et fascinans. Insofern es uns erzittern lässt, erfüllt uns die Furcht des Herrn, insofern es uns aber in Bann schlägt, ergreift uns heilige Liebe.

Daher kann ich am Tage der heutigen Nachprimiz unserem Neupriester und uns allen gar nichts Besseres auf den Weg geben als das, was uns die Kirche auf den Weg gibt. Das Tagesgebet dieses zweiten Sonntags nach Pfingsten bittet nämlich genau um dies: um Ehrfurcht und um Liebe. Noch ganz unter dem Bann des Fronleichnamfestes stehend (in dessen leider abgeschaffte Oktav der heutige Sonntag früher fiel) und schon das königliche Hochzeitsmahl des Evangeliums vor Augen, beteten wir eben: „Sancti nominis tui timorem pariter et amorem…Zu Deinem Namen, Herr, lass uns zugleich Furcht und immerwährende Liebe haben, da Du ja niemals denen Deine Führung entziehest, die Du in der Festigkeit Deiner Liebe begründest.“ 

Ehrfurcht und Liebe erhalten uns in der heiligen Spannung. Die Furcht des Herrn, Anbeginn der Weisheit, lässt uns erschüttert erkennen, wer da unter uns ist, und uns niederfallen vor Ihm. Die Liebe aber zieht uns zu Ihm hin in immer größerem Verlangen nach tiefer Vereinigung mit Ihm. Und diese Liebe sichert uns auch die Beständigkeit der göttlichen Führung: „…da Du ja niemals denen Deine Führung entziehest, die Du in der Festigkeit Deiner Liebe begründest.“ Führung heißt nicht nur, dass wir irgendwie mit unserem Herrn verbunden bleiben, sondern vielmehr, dass Er uns zu einer immer innigeren und stärkeren Verbindung geleitet. 

In der Ehrfurcht und Liebe zu bleiben und zu wachsen, dem dient im Leben des Gläubigen, vor allem des Priesters, das Gebet, insbesondere die tägliche Betrachtung der Geheimnisse Gottes. Darin üben sich schon treu die Seminaristen im Hinblick auf ihre spätere Aufgabe, darin muss der Priester ebenso treu verharren, um Tag für Tag das Heiligste mit wachsender Hingabe vollziehen zu können. Ehrfurcht und Liebe werden auch durch die regelmäßige Beichte erneuert und angefeuert: In tieferer Reinheit sind wir empfänglicher für das Licht, das vom eucharistischen Herrn ausgeht. 

Furcht und Liebe zugleich kommen wunderbar in einem Wort des heiligen Pfarrers von Ars zum Ausdruck. Er sagte einmal: Wenn der Priester erkennen würde, was er ist, dann müsste er sterben; sterben nicht vor Angst, sondern aus Liebe. Mysterium tremendum et fascinans der heiligen Messe, mysterium tremendum et fascinans zugleich auch des heiligen Priestertums! Jetzt also, wenn unser Neupriester Robert Dow das Opfer Christi darbringt, lasst uns daran denken: Hier lodert der brennende Dornbusch, hier erfüllt die Herrlichkeit Gottes Sein Heiligtum, hier rufen die Seraphim unablässig ihr „Heilig, heilig, heilig“, hier ist im leisen, sanften Säuseln unser Herr unter uns, Er, dessen Antlitz heller strahlt als die Sonne, dessen Augen wie eine Feuerflamme sind und aus dessen Mund das zweischneidige Schwert hervorgeht. Er selbst ist das mysterium tremendum et fascinans, das Geheimnis, das uns zittern, weitaus mehr aber anbeten, danken und lieben lässt. 

Deshalb unser heutiges Gebet, unterstützt durch die Fürsprache der Gottesmutter und aller Engel und Heiligen, für unseren Neupriester, für alle Diener des Heiligtums und für uns selbst: 

Zu Deinem Namen, Herr, lass uns zugleich Furcht und immerwährende Liebe haben, da Du ja niemals denen Deine Führung entziehest, die Du in der Festigkeit Deiner Liebe begründest.


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Weiteres zur Gottesbegegnung in der Liturgie:



Mittwoch, 26. Juni 2013

Primizen um Wigratzbad am Sonntag, den 30. Juni 2013

Am Tag nach den Priesterweihen in Lindenberg/Allgäu feiern die fünf Neupriester ihre erste Heilige Messe (Primiz) in der Pfarrkirche St. Nikolaus in Opfenbach bzw. in umliegenden Kapellen:

Primiziant Pater Juan Tomas
um 8:45 Uhr in der Dreifaltigkeitskapelle in Mywiler

Kapelle Mywiler

Primiziant Pater Charles Gauthey
um 9:45 Uhr in der Wallfahrtskapelle zu Itzlings

Primiziant Pater Hubert Coeurderoy 
um 10:00 Uhr in der Dreifaltigkeitskapelle in Mywiler

Primiziant Pater Bertrand Lacroix
um 11:00 Uhr  in der Wallfahrtskapelle zu Itzlings

Primiziant Pater André Hahn
um 11:30 Uhr in der Pfarrkirche St. Nikolaus in Opfenbach
(Update: Bilder s. hier!)
 
Altarraum Pfarrkirche Opfenbach


Donnerstag, 24. Mai 2012

Einziger Neupriester der Diözese New York: Primiz im Usus antiquior

New York: Primiz in der überlieferten Liturgie

Foto-Quelle, sowie weitere Fotos: hier!

Der Primiziant Fr. D'arcy war in diesem Jahr der einzige Seminarist aus New York, der die Priesterweihe empfing.

Samstag, 21. Januar 2012

Der größte Schatz einer Pfarrei



„Ein guter Hirte, ein Hirte nach dem Herzen Gottes, ist der größte Schatz, den der liebe Gott einer Pfarrei gewähren kann, und eines der wertvollsten Geschenke der göttlichen Barmherzigkeit.“ 


Hl. Johannes Maria Vianney,
Pfr. von Ars



Foto:
P. Stefan Reiner FSSP bei des Spendung des Primiz-Segens, 06. Juli 2008, Neckarsulm  

Sonntag, 15. Januar 2012

Neuer Kardinal aus den Reihen der Thomas-Christen

Erzbischof G. Alencherry 2006, Indien
Papst Benedikt XVI. wird beim nächsten öffentlichen Konsistorium am 18. und 19. Februar 2012 zweiundzwanzig neue Kardinäle kreieren. Neben den beiden Deutschen Rainer Maria Woelki, Erzbischof von Berlin, und Karl Josef Becker SJ, Theologe und langjähriger Konsultor der Kongregation für die Glaubenslehre, wird auch der aus Indien stammende George Alencherry, Großerzbischof der syro-malabarischen Kirche, von Papst Benedikt XVI. in den Kardinalsrang erhoben.

"George Alencherry (66)
ist seit Mai 2011 Oberhaupt der syro-malabarischen Kirche, einer großerzbischöflichen katholischen Kirche sui iuris des syro-orientalischen Ritus. Die Berufung des Großerzbischofs von Ernakulam Angamaly ins Kardinalskollegium ist ein Zeichen der Verbundenheit mit der rund 3,6 Millionen Mitglieder zählenden Kirche, deren Mitglieder vor allem im Bundesstaat Kerala im Südwesten Indiens leben." (Quelle Portrait: kath.net)

Eine ausführliche Reportage über die Thomas-Christen von Giuseppe Nardi findet sich auf katholisches.info (bitte HIER klicken!)

Erzbischof Alencherry besuchte bereits im Jahre 2006  selbst das Internationale Priesterseminar St. Petrus in Wigratzbad und schickte in Folge davon zwei seiner diözesanen Seminaristen in eben dieses Seminar, um dort deutsch zu lernen und ihre Studien fortzuführen. Während der eine von beiden seine Berufung zum Ehestand erkannte, kehrte der zweite, Fr. John Paul Puthuvalputhen, nach seiner Priesterweihe am 30. April 2011 in Indien nach Wigratzbad zurück, um mit den Gläubigen, die ihn während seines Studienaufenthaltes kennengelernt hatten, in der Seminarkapelle eine Nachprimiz zu feiern und den Primizsegen zu spenden. (s. Fotos)

Der ganz eigene Ritus der syro-malabarischen Kirche weist viele erstaunliche Parallelen zum außerordentlichen, älteren römischen Ritus auf.




















Primizbildchen von Fr. John Paul Puthuvalputhen


Fotos: privat (c)
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