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Donnerstag, 26. Juni 2014

Prof. Georg May: Die andere Hierarchie - Teil 39: Die Dyarchie und ihre Folgen

Prof. Dr. Georg May

Die andere Hierarchie


Teil 39


Verlag Franz Schmitt Siegburg AD 1997


Fortsetzung von hier (Die Dyarchie und ihre Folgen)


2.  Die Zermürbung der Priester

Die Einrichtung des Pfarrgemeinderates in den deutschen Bistümern hat schwerwiegende Rückwirkungen auf das Bewusstsein und die Tätigkeit des Pfarrer. 

Die Sitzungen des Pfarrgemeinderates, die in Mainz wenigstens viermal im Jahre abgehalten werden müssen, u.U. aber noch häufiger sind (§6), verschlingen viel kostbare Zeit des Priesters. Diese Zeit fehlt für echte Seelsorge. Nicht selten sind die Sitzungen mit Aufregungen und Kontroversen verbunden. Priester, die gewillt sind, an Lehre und Ordnung der Kirche festzuhalten, gehen mit banger Sorge in die Sitzungen des Pfarrgemeinderates, weil sie ahnen, welche Anschläge dort wieder vorbereitet werden.

Im Konflikt mit dem Pfarrgemeinderat verbrauchen viele Priester ihre Kraft, die Querelen mit dem Pfarrgemeinderat nehmen ihnen die Freude am Beruf und treiben sie in die Resignation. Die Mutlosigkeit und Verzagtheit so manches Priesters hat einen erheblichen Grund in dem Treiben des Pfarrgemeinderates. Die Einrichtung des Pfarrgemeinderates ist zu ihrem Teil daran schuld, dass zahllose Priester müde, verbraucht, ja verzweifelt sind.

Mancher Priester hat seine Stelle wegen der fortwährenden, zermürbenden Streitigkeiten mit dem Pfarrgemeinderat aufgegeben. Es heißt dann, der Pfarrer besitze nicht mehr das Vertrauen seiner Gemeinde oder verstehe nicht, kommunikativ zu handeln. Wenn man die Menschen verführt und verhetzt, kann man jeden Priester um die Akzeptanz in seiner Gemeinde bringen.

Es gibt in deutschen Landen Beispiele, wie durch eine konzertierte Aktion von Pfarrgemeinderat und gemeindlichen Gruppen ein Pfarrer, der dem Gelegen-Ungelegen des Ersten Timotheusbriefes nachlebt, von seiner Gemeinde vertrieben wurde. (Anm.: Das funktioniert inzwischen sogar bei Bischöfen, wie man am Fall des Bistums Limburg sehen konnte.)

Es gibt aber auch in deutschen Landen Beispiele, wie ein Pfarrer, der sich in Verkündigung und Leben massiv gegen Lehre und Ordnung der Kirche verfehlt hat, vom Pfarrgemeinderat und von Gruppen der Gemeinde in seiner Position zu halten versucht wurde.

Die Pfarrgemeinderäte wirken an vielen Stellen als Hemmschuh echter katholischer Seelsorge. Der Pfarrer wird nicht mehr beraten, sondern er wird gesteuert. Viele Pfarrer bemessen ihre Seelsorgsplanung und ihre Seelsorgsunternehmungen nach der Aussicht, die sie haben, vom Pfarrgemeinderat akzeptiert oder wenigstens toleriert zu werden. Sie weichen zurück, wenn der Pfarrgemeinderat oder auch nur die progressistischen Mitglieder desselben die Stirn runzeln, Unbehagen äußern oder Ablehnung bekunden.

Sie haben weder den Willen noch die Kraft, bei richtigen Entschlüssen zu beharren, wenn sie zu einem Konflikt mit dem Pfarrgemeinderat führen. Es ist nicht übertrieben festzustellen: In zahlreichen Pfarreien sind die Direktiven für die Leitung der Pfarrei ganz oder teilweise vom Pfarrer auf den Pfarrgemeinderat übergegangen. Die andere Hierarchie hat sich durchgesetzt.

In Streitfällen erhält der Pfarrgemeinderat regelmäßig die Unterstützung des Ordinariats. Die Ordinariate fordern von einem Pfarrer nicht, dass er sich genau an Lehre und Ordnung der Kirche hält, sondern dass er mit dem Pfarrgemeinderat auskommt. Der Seelsorger, der treu zu Glauben, Ordnung und Gottesdienst der Kirche steht, ist in aller Regel von seinem Bischof im Stich gelassen. Der Pfarrer der nicht kuscht, wird versetzt.

Die Einrichtung des Pfarrgemeinderates ist auch eine der Ursachen für den Rückgang des Priesternachwuchses. Die Priesteramtskandidaten wissen, was bei der Übernahme einer Pfarrei auf sie zukommt, nämlichmin zahllosen Fällen endlose Querelen mit Mitgliedern des Pfarrgemeinderates. Zusammen mit allen anderen Hemmnissen der priesterlichen Berufung, die von den Bischöfen zu verantworten sind, gibt die Furcht vor dem Sitzungskatholizismus ihr den Rest. Die Kandidaten geben ihr Ziel, Priester zu werden, auf. Sie wollen nicht ihre Zeit und ihre Kraft im Streit mit aufsässigen Besserwissern verbrauchen. Hier sollen die Bischöfe endlich einmal einen wesentlichen Grund des Priestermangels erkennen.

3. Das Verstecken hinter dem Pfarrgemeinderat

Manchem Pfarrer ist freilich der Pfarrgemeinderat gerade recht als Mittel und Werkzeug, und zwar in zweifacher Weise. Der bequeme und feige "Gemeindeleiter" mag es als angenehm empfinden, wenn ihm Entscheidungen vom Pfarrgemeinderat abgenommen werden oder wenn er sich hinter ihnen verstecken kann. Er ist dadurch der Last enthoben, selbst entscheiden zu müssen, und kann unangenehmen Entscheidungen ausweichen. Für den bequemen und feigen Pfarrer ist der Pfarrgemeinderat eine willkommene Bedeckung seiner charakterlichen Blöße.

Es ist immer so gewesen. "Die Furcht vor der Verantwortung begünstigt die Flucht in die Abhängigkeit" (Erich Limpach). Eine führende Persönlichkeit muss aber den Mut haben, ungedeckt zu handeln, oder sie ist fehl am Platze.

Andere Pfarrer, die den protestantischen Aufstellungen der progressistischen Theologen erlegen sind, benutzen den Pfarrgemeinderat sogar als Multiplikator ihrer eigenen verwirrten Ansichten und Forderungen. Was sie sich zu sagen oder zu tun (noch) nichtg trauen, das lassen sie durch den Pfarrgemeinderat beschließen und durchführen.

Um ein Beispiel zu erwähnen: Der Pfarrgemeinderat von St. Jakobus in Mannheim lädt Christen jeder Konfession zum eucharistischen Mahle in dieser Kirche ein. Gleichzeitig überlässt er jedem Katholiken die Entscheidung,ob er am protestantischen Abendmahl teilnehmen will (30). Dahin ist es mit der anderen Hierarchie gekommen, dass sie Lehre und Ordnung der Gesamtkirche über den Haufen wirft und aus eigener Machtvollkommenheit neue Tafeln schreibt.


VI.  Im Pfarrverband und im Dekanat

1.  Im Pfarrverband

Was in der Pfarrei beginnt, setzt sich im Pfarrverband fort, nämlich die Einrichtung einer Doppelherrschaft (31). Der Pfarrverband ist der Zusammenschluss rechtlich selbständig bleibender benachbarter Pfarreien zu wechselseitiger Anregung, gemeinsamer Planung, gegenseitiger Hilfe und gemeinsamer Durchführung von Aufgaben.

In der Diözese Speyer gibt es drei Organe des Pfarrverbandes: den Pfarrverbandsrat, den Leiter des Pfarrverbands und das Pfarrverbandsteam (§4). Auch hier ist nicht etwa der Pfarrverbandsleiter, also ein Pfarrer, die entscheidende Person, wenngleich es heißt, ihm obliege die Leitung des Pfarrverbandes (§6). Vielmehr liegt die Beschlussfassung bei dem Pfarrverbandsrat, dessen Beschlüsse für alle Gemeinden des Verbandes verbindlich sind (§5). In diesem Rat sind die Priester in einer hoffnungslosen Minderheit.

2.   Im Dekanat

Ähnlich ist die Lage im Dekanat (32). Der Dekan ist ein Organ der ordentlichen Hierarchie. Er ist Vorsteher eines Dekanates, der Vertrauensmann des Bischofs auf der mittleren Ebene zwischen Bistum und Pfarrei. Der Dekan ist der Beauftragte des Bischofs im Dekanat. Er vertritt kraft Amtes den Bischof im Dekanat und das Dekanat beim Bischof und gegenüber der Öffentlichkeit.

Der Dekan hat die unmittelbare Dienstaufsicht über die Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen im Dekanat. Der Dekan hat hat das Dekanat und die Geistlichen des Dekanates zu leiten.Er trägt Sorge für die gute Amts- und Lebensführung der haupt- oder nebenamtlich angestellten kirchlichen Bediensteten.

Doch neben ihn tritt der Dekanatsrat. Im Dekanatsrat sitzen der Herr Dekan, sein Stellvertreter, bis zu zwei Vertreter jedes Kirchengemeindrates, ein Vertreter der ausländischen Missionen, Vertreter aus kategorischen Seelsorgebereichen, Organisationen, Verbänden und Einrichtungen (33).

Der Dekanatsrat fasst Beschlüsse. Diese sind für die Gemeinden des Dekanates verbindlich. Das heißt: Die Leitung des Dekanates durch den Dekan bekommt Konkurrenz. Neben das priesterliche Haupt des Dekanats tritt die Hydra des Dekanatsrates. Zwar gibt es auch im Dekanatsrat die Möglichkeit des Einspruchs gegen Beschlüsse. Aber wer mag sich schon als einzelner gegen eine große Mehrheit zu wenden? 

Mut ist eine seltene Eigenschaft, und der Mutige muss seinen Mut oft teuer bezahlen. Wenn ein Einspruch erfolgt, ist eine neuerliche Beratung und Beschlussfassung vorgesehen. Wer wird dabei an seiner Position festhalten auf die Gefahr hin, als Querkopf angesehen zu werden? Wenn er daran festhält, ist die Sache der kirchlichen Aufsichtsbehörde vorzutragen. Wird diese wagen, gegen eine Mehrheit zu entscheiden?

Man sieht an diesen Beispielen: Die freie führende Persönlichkeit in der Kirche wird in den Apparat der Ratsfunktionäre eingemauert. Die andere Hierarchie hat sich neben die Hierarchie göttlichen Rechtes gesetzt und deren Glieder teilweise entmachtet.



(30)  Informationen aus Kirche und Welt. Hrsg.: Initiativkreis katholischer Laien und Priester in der Diözese Augsburg e.V. Nr. 5/97 S. 2
(31)  Gemeinsame Synode 664; Ordnung für die Pfarrverbände im Bistum Speyer vom 15. August 1995 (Archiv für katholisches Kirchenrecht 164, 1995, 514-518)
(32)  Gemeinsame Synode 665;Ordnung für die Dekanate im Bistum Speyer vom 15. August 1995 (Pfarramtsblatt 69, 1996, 24ff); Ordnung für die Dekane und deren Mitarbeiter im Bistum Speyer vom 15. August 1995 (Pfarramtsblatt 69; 1996, 28-30)
(33)  Ordnung für Dekanate und Dekanatsverbände in der Diözese Rottenburg-Stuttgart vom 26. Juli 1995 (Pfarramtsblatt 68, 1997, 338-346) §8 Abs. 1



Fortsetzung folgt

Übersicht: Zu den bisher erschienenen Fortsetzungen

Prof. Georg May: Die andere Hierarchie - Teil 38: Der Pfarrgemeinderat (2) - Legitimation und Kompetenz

Prof. Dr. Georg May

Die andere Hierarchie


Teil 38


Verlag Franz Schmitt Siegburg AD 1997


Fortsetzung von hier

III.  Die Frage nach der Legitimation und der Kompetenz

Die Konstruktion des Pfarrgemeinderates, wie sie in den deutschen Diözesen eingeführt ist, bedarf einer grundsätzlichen Prüfung. Es stellt sich die Frage, ob die Pfarrgemeinderäte für die Aufgaben, die ihnen gestellt sind, legitimiert und kompetent sind.

1.  Legitimation

Wer andere demokratisch vertreten will, muss ihr Vertrauen haben. Das Vertrauen wird ihm ausgesprochen durch die Wahl. Eine Wahl, an der sich die weit überwiegende Mehrheit der Wähler nicht beteiligt, vermag eine Legitimation nicht zu schaffen.

Wie sieht es nun mit der Beteiligung an den Pfarrgemeinderatswahlen aus? Die Wahlbeteiligung war nie sehr hoch und hat seit der Einführung der Pfarrgemeinderäte kontinuierlich abgenommen. Im Dekanat Mainz beteiligten sich an der Pfarrgemeinderatswahl 1995 lediglich 17,4 Prozent der Wahlberechtigten. Dabei gab es gravierende Unterschiede zwischen den einzelnen Gemeinden. In der Mainzer Pfarrei St. Bonifaz gingen 3,7 Prozent der Wahlberechtigten zur Urne. Bei den Altersgruppen dominierte die der über 65jährigen (23).

Den Pfarrgemeinderräten fehlt somit die demokratische Legitimation. Wer nicht einmal die Hälfte der Wahlberechtigten einer Gemeinde an die Urnen bringt, der darf sich aufgrund einer solchen Wahl nicht als Vertreter der Wahlberechtigten bezeichnen. Wenn 80 Prozent der Wahlberechtigten von ihrem Wahlrecht keinen Gebrauch machen, bekunden sie ihr Desintersse an dem Wahlvorgang. Gleichzeitig  nimmt ihre Wahlenthaltung dem Wahlergebnis jede demokratische Legitimation.

So kommt man um das Urteil nicht herum: Die Pfarrgemeinderäte sind keine Verwirklichung von Demokratie in der Kirche, sondern pseudodemokratische Vertreter der anderen Hierarchie.

2.  Kompetenz

Den Pfarrgemeinderäten fehlt sodann überwiegend auch die fachliche Kompetenz. Viele Diözesen sprechen dem Pfarrgemeinderat die Allzuständigkeit zu. Die darin zur Sprache kommenden Fragen sind indes häufig kompliziert und subtil. Die Mitglieder des Rates sind zu ihrer Behandlung weder ausgebildet noch angeleitet. Die Folge ist: Das Feld wird regelmäßig von rhetorisch gewandten Personen beherrscht.Viele Menschen meinen ja, wer reden könne, habe auch etwas zu sagen.

Man kann die Mitglieder der Pfarrgemeinderäte, von Ausnahmen abgesehen, etwas vereinfacht in zwei Gruppen einteilen. Die einen sind theologisch nicht gebildet und wagen daher nicht, zu reden oder Widerstand zu leisten. Die anderen sind theologisch verbildet und fühlen sich deswegen berufen, zu jedem Thema zu sprechen. In beiden Fällen sind gedeihliche Verhandlungen und Beschlüsse nicht zu erwarten.


IV. Aufgaben und Übergriffe

1.  Aufgaben

Der Pfarrgemeinderat hat zwei Aufgaben. Einerseits soll er die Seelsorge des Pfarrers in der Gemeinde unterstützen, andererseits soll er die Kirche in der Welt wirksam machen. Der Pfarrgemeinderat soll "die gemeinsame Sendung aller Glieder der Pfarrgemeinde" darstellen. "Im Pfarrgemeinderat sollen sich Pfarrer und Laien über die Angelegenheiten der Gemeinde informieren, gemeinsam darüber beraten und gemeinsame Beschlüsse fassen" (§1 Abs. 1).

Der Rat soll u.a. sich der katechetischen, liturgischen und sozial-caritativen Dienste in der Pfarrgemeinde annehmen, die Verbände, Einrichtungen und Gemeinschaften fördern, sich um die sozialen, ambulanten und stationären Einrichtungen sorgen, das Verantwortungsbewusstsein für die weltkirchlichen Aufgaben und Werke wachhalten, Kontakt zu allen Gemeindemitgliedern suchen, die Katholiken in der Öffentlichkeit vertreten, die ökumenische Zusammenarbeit pflegen und bei der Vermögensverwaltung mitwirken (§1 Abs 2).

Seine Zuständigkeit ist also beinahe unbeschränkt. Er hat nicht nur zu planen und zu beraten, sondern auch durchzuführen und zu leiten. "Der Pfarrgemeinderat ist an der Leitung der Pfarrgemeinde mitbeteiligt, unbeschadet der Pflichten und Rechte der Träger des Priestertums und ihrer Letztverantwortlichkeit als Hirten der Gemeinde" (Präambel). Diese dem Pfarrgemeinderat zugesprochene Mitbeteiligung an der Leitung der Gemeinde ist durchaus ernst gemeint. Der Pfarrgemeinderat hat "das Leben in der Pfarrgemeinde mitzugestalten und Sorge für alle Gemeindemitglieder zu tragen".

2.  Übergriffe

Wenn ein Pfarrgemeinderat überhaupt sinnvoll funktionieren soll, muss er sich auf überschaubare Gegenstände lokalen Interesses beschränken.

Ein örtliches Gremium kann nicht Fragen von dogmatischem, moraltheologischem und kirchenrechtlichem Rang entscheiden. Sobald er sich solcher Dinge annimmt, entfernt er sich von dem ihm zugänglichen Bereich. Aber eben dies geschieht in zahlreichen Gemeinden.

Eine Dame schrieb: "In vielen Laien-Gremien opfern gute Christen ihre Freizeit auf, um beinah gebetsmühlenartig über Zölibat, Frauenpriestertum, Pillenverbot und so weiter zu diskutieren" (24). Wache Christen bemerken, dass "in nicht wenigen Kirchengemeinden" die sogenannte Gemeindeerneuerung "nach der Devise Los von Rom mehr oder weniger offen durchgeführt" wird (25).

Die Beschäftigung des Pfarrgemeinderats mit dem Frauenpriestertum ist ebenso eindeutig eine Kompetenzüberschreitung wie die Ausrufung einer atomwaffenfreien Zone durch ein Stadtparlament. Wie das Ergebnis bei der Abstimmung über  solche allgemeine Fragen aussieht, ist angesichts des heutigen Meinungsklimas von vornherein klar. Populär ist, was bequem und leicht ist, was keine Mühe kostet und wenig Anstrengung mit sich bringt. Vor allem ist die millionenfach erhärtete Feststellung zu beachten: Die Wahrheit ist den meisten Menschen das Gleichgültigste.

Dementsprechend vollzieht sich die Tätigkeit zahlreicher Pfarrgemeinderäte. Sie laden Personen zu Vorträgen ein, in denen die Kirche, vor allem ihre Sittenlehre, madig gemacht wird. Der Pfarrgemeinderat in Türkheim ließ einen altkatholischen Pfarrer über "Frau im Priesteramt" sprechen (26). 

In vielen Pfarreien waren es die Pfarrgemeinderäte oder deren Mitglieder, die das unselige Kirchenvolksbegehren propagierten und unterstützten. Die Priester wurden bedrängt und unter Druck gesetzt, um die Auslegung der Listen in kircheneigenen Räumen oder gar in Gottesdiensträumen zu gestatten oder zu dulden.

Eine Befragung der Pfarrgemeinderäte im Bistum Trier ergab, dass diese mehrheitlich ähnliche Positionen wie das Kirchenvolksbegehren vertreten. 57% wünschen, dass die Kirche ihre Traditionen ernsthaft überprüft, 31% verlangen, dass die Veränderungen schneller durchgeführt werden (27). Die beteiligten Pfarrgemeinderäte haben sich bei dieser Aktion als eine Gefahr für die  Kirche erwiesen; sie werden es mit der fortschreitenden Erosion von Christlichkeit und Kirchlichkeit immer mehr werden.

Ein bekannter Herr erzählte mir, der Pfarrgemeinderat habe ihm zur Geburt seines fünften Kindes eine Broschüre überreicht, in der von vier Brüdern und mehreren Schwestern Jesu die Rede ist (28). Wenn Pfarrgemeinderäte irgendwo nützlich und einwandfrei arbeiten, dann liegt das an den Menschen, nicht an dem Modell.


V.  Die Dyarchie und ihre Folgen

1.  Verfehlte Struktur

Vom Standpunkt der Verfassung der katholischen Kirche ist die Struktur des Pfarrgemeinderates deutscher Prägung unzulässig. Die in den deutschen Diözesen geschaffene Einrichtung des Pfarrgemeinderates begründet in den Pfarreien eine Dyarchie, eine Art Doppelherrschaft.

Es gibt nunmehr  zwei Autoritäten in einer Gemeinde, den Pfarrer und den Pfarrgemeinderat. Pfarrer und Pfarrgemeinderat werden wie zwei gleichberechtigte leitende Organe der Pfarrei nebeneinandergestellt, wenn beispielsweise vorgeschrieben wird, dass sie einmal im Jahr zu einer Pfarrversammlung einladen. 

Der Pfarrgemeinderat ist das Mittel,  die Hauptesstellung des Priesters in seiner Gemeinde einzuebnen. Der Pfarrer unterliegt fast auf dem gesamten Gebiet seiner Tätigkeit der Kontrolle des Pfarrgemeinderates. Es gibt Pfarrgemeinderäte, die ihren Pfarrer wie einen Bediensteten behandeln, der ihren Weisungen nachzukommen hat.

Christa Meves bemerkte richtig, dass "mit Intensität" daran gearbeitet werde, den Priester zu entmachten; sie sprach von "Revoluzzern mit Entthronungsbedürfnissen um der eigenen ... Machtbedürfnisse willen" (29).

Dagegen ist vom göttlichen Recht her Einspruch zu erheben. Die Stellvertretung Christi wird begründet durch den Empfang derf Weihe und die Übertragung  der Vollmacht, nicht durch Wahlen und Satzungen. Dem Pfarrer ist die Hirtensorge über seine Pfarrei anvertraut (cc. 515 §1 und 519). 

Als eigener Hirt der Gemeinde ist er verantwortlich für die Einheit der Gemeinde, für die Verkündigung und den Gottesdienst. Diese Verantwortung hat er gegenüber Gott und seinem Bischof. Der Pfarrer ist nicht Letztverantwortlicher, sondern Erstverantwortlicher. Es ist unzulässig, den Pfarrer zum Mitglied eines Gremiums zu machen, bei dessen Abstimmungen seine Stimme genauso viel oder wenig gilt wie die Stimmen der übrigen Mitglieder.

Es ist ausgeschlossen, dass das priesterliche Haupt der Gemeinde durch deren angebliche Vertreter zu einem bestimmten Handeln gezwungen werden kann. Eine ganz gefährliche Entwicklung wird eingeleitet, indem bei der Neubesetzung einer Pfarrei ein Pfarrgemeinderat seine Ansichten darüber, wie der neue Pfarrer aussehen soll, eröffnen darf.

Wenn die bischöfliche Behörde den Pfarrgemeinderat fragt, wie er sich den anzustellenden Pfarrer vorstellt, dann liefert sie den Hirten den unerleuchteten Vorstellungen der laikalen Funktionäre aus. Der Pfarrgemeinderat legt sich mit seiner Personenbeschreibung auf ein bestimmtes Bild eines Pfarrrers, häufig auf eine ganz bestimmte Person fest. Falls der Bischof dieser Erwartung nicht entspricht, ist der Konflikt da.


(23)  Allgemeine Zeitung vom 14. November 1995 S. 13
(24)  Deutsche Tagespost Nr. 120 vom 5. Oktober 1996 S. 2
(25)  Deutsche Tagespost Nr. 67 vom 3. Juni 1997 S. 9
(26)  Der Fels 28, 1997, 230
(27)  Saka-Information 21, 1996, 68
(28)  Christine Kowalczyk, Ich bin getauft, Hamburg 1992, 41
(29)  Deutsche Tagespost Nr. 28 vom 4. März 1997 S.2


Fortsetzung folgt

Übersicht: Zu den bisher erschienenen Fortsetzungen


Dienstag, 24. Juni 2014

Prof. Georg May: Die andere Hierarchie - Teil 36: Die Pfarrbeauftragten (2); Das Pastoralteam

Prof. Dr. Georg May

Die andere Hierarchie


Teil 36


Verlag Franz Schmitt Siegburg AD 1997


Fortsetzung von hier (Die Pfarrbeauftragten)

III.  Die Unterbauung durch die progressistische Theologie

Die progressistische Theologie lieferte die pseudotheologische Unterbauung dieser neuen Stufe der anderen Hierarchie.

Der Münchner Dogmatiker Peter Neuner sieht hier "ein gemeindeleitendes Amt für Laien" geschaffen, dem nur die Leitung der Eucharistiefeier und die sakramentale Lossprechung fehlen (7). Dem kann nach ihm unschwer abgeholfen werden. Neuner plädiert denn auch dafür, die Pastoralreferenten in der "Gemeindeleitung" zu "ordinieren" (8).

Nach Ottmar Fuchs können und sollen Nichtgeweihte die Gemeindeleitung zur Gänze mit allen Rechten und Pflichten übernehmen (9). Er stellt sich die wünschenswerte Bestellung des Gemeindeleiters wie folgt vor. Dieser wird von unten, von der Gemeinde her beauftragt. "Die kirchliche Leitung" auf Dekanats- oder Diözesanebene "wird solche Beauftragung in der Regel gutheißen und ... bestätigen" (10). Die Vision eines künftigen Amtes von Fuchs bezieht sich auf Männer und Frauen, Verheiratete und Unverheiratete; die bisherigen "Zulassungsbestimmungen" zum Amt sind lediglich disziplinär (11).


Die deutschen Bischöfe befassten sich mit dieser Angelegenheit in dem Papier "Der pastorale Dienst in der Pfarrgemeinde" (pdf). Leider geht ihm die wünschenswerte Klarheit ab. Wenn es darin heißt, alle Christen seien befähigt "zur Mitwirkung am Leitungsdienst" (I,1,1), so ist das schlicht falsch. Das Papier korrigiert sich denn auch bald selbst und sagt ganz richtig: "Der Dienst der Leitung der Gemeinde als sakramentale Repräsentation des Hirtenamtes Jesu Christi ist an die Weihe ... gebunden" (II,1,7). Einen anderen Leitungsdienst als den sakramental begründeten gibt es aber nicht. Es ist daher abwegig, eine neue hierarchische Leitungsstufe aus solchen zu schaffen, denen die sakramentale Weihe fehlt.

Auf das Zweite Vatikanische Konzil kann man sich dabei nicht berufen. Das Konzil spricht nirgends davon, dass Nichtgeweihte Leitungsaufgaben in der Kirche innehaben können (Lumen gentium Nr. 33; Apostolicam actuositatem Nr. 24). Wenn, wie das Papier "Der pastorale Dienst in der Pfarrgemeinde" weiter erklärt, der Hirtendienst der Gemeindeleitung "unlösbar" mit der Leitung der Feier der Eucharistie verbunden ist (II,1,7), dann ergibt sich auch daraus, dass ein Nichtpriester nicht die Gemeindeleitung innehaben kann.

Die Terminologie des Papiers führt in die Irre, und dadurch wird die ganze Sache falsch. Seine Verfasser haben keine klaren Begriffe. So verstehen sie nicht, den Begrff "Leitung" zu definieren. Leitung ist nicht gleich Betätigung. Leiten besagt führen, anordnen, beaufsichtigen. Leitung haben besagt führende Überlegenheit, d. h. weisungsberechtigte Autorität über andere besitzen.

Mitarbeit ist etwas anderes als Leitung. Es ist falsch, wenn das Papier "Der pastorale Dienst in der Pfarrgemeinde" nun die Verkündigung, den Gottesdienst und die Wohlfahrtspflege unter die Überschrift "Leitungsaufgaben" des Pfarrers subsumiert (III,3,1). Alle drei genannten Tätigkeiten sind zwar Aufgaben des Pfarrers, stellen aber als solche keine Leitung dar. Sie bedürfen der Leitung, sind aber selbst von der Leitung verschieden.

Das Papier "Der pastorale Dienst in der Pfarrgemeinde" warnt schließlich davor, die hauptamtlichen Mitarbeiter einer Pfarrei "faktisch in die Rolle der Gemeindeleitung" zu drängen (III,5,4). Aber eben dies geschieht in der Limburger Ordnung und den Ordnungen, die ihr folgen. Hier werden die Laienfunktionäre geradezu von Amtes wegen in die Gemeindeleitung eingesetzt. Es ist keine Frage, dass damit eine neue hierarchische Stufe von Nichtgeweihten aufgebaut wird. Die Entwicklung ist noch nicht abgeschlossen. Bischof Lehmann bezeichnete das Papier "Der pastorale Dienst in der Pfarrgemeinde" als "Zwischenbilanz", d.h. er rechnete damit, dass die Entwicklung auf Umstülpung der Kirchenverfassung weitergeht, und er ermutigte mit dieser Bezeichnung zu solchen weiteren Verkehrungen.


IV.  Das Pastoralteam

1.  Aufbau

a)  In der Diözese Speyer

Eine andere Weise, den Priesterstand einzuebnen und das Priesteramt zu nivellieren, besteht darin, ihn in ein "Pastoralteam" einzubinden.

Der Speyerer Diözesanpastoralplan führte das "Pastoralteam" ein. Es setzt sich zusammen aus dem Pfarrer oder an dessen Stelle aus einem Diakon oder Laien als Pastoralteamleiter, dem Vorsitzenden des Pfarrgemeinderates, den Verantwortlichen für die drei Grunddienste (Katechese, Liturgie, Caritas), dem Kaplan, dem Ständigen Diakon, dem Pastoral- oder Gemeindereferenten. Dieses Gremium ist allzuständig. Nach diesem famosen Modell gehen die Grunddienste d. h. praktisch alles, was sich in einer Pfarrei tut, in die Hände der Verantwortlichen, d.h. gewöhnlich von Laien über.

Pastoralteamleiter in Pfarreien ohne Pfarrer ist in der Regel ein Laie. Ihm ist die komplette Seelsorge übertragen, soweit sie nicht an die Weihe gebunden ist. Er plant die gesamte Seelsorgearbeit in der Gemeinde und führt sie durch, wobei ihm die Verantwortlichen der Grunddienste zur Seite stehen.

Eine Aufgabenbeschreibung legt seine (Anm.: des Pastoralteamleiters) Kompetenz und seine Verantwortung fest. Er besitzt volle Handlungsverantwortung. Dem Pfarrer bleiben die Feier der Eucharistie und die Spendung der Sakramente. Er ist unmittelbarer Vorgesetzter des Pastoralteamleiters und nimmt die "Führungsverantwortung" wahr. Man fragt sich, was davon für ihn übrig bleibt. Offenbar das, was darauf folgt: "er leitet die regelmäßigen Dienstbesprechungen und trägt Sorge für die notwendige Qualifikation der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter".

b)  In anderen Diözesen

Das Pastoralteam blieb keine Erfindung des Bistums Speyer. Auch in dem Papier "Pastorale Planung" für Mainz taucht das Pastoralteam auf, in dem Priester, Diakone und Laien Pfarreien "leiten" (Nr. 16). Das Konzept "Pfarreiengemeinschaft als Seelsorgeeinheit", das am 2. Februar 1997 in der Diözese Augsburg in Kraft gesetzt wurde, etabliert ebenfalls in den Pfarreiengemeinschaften ein "Seelsorgetam", das Beratungsgremium und Leitungsteam in einem ist (S. 21).


2. Beurteilung

In der Konstruktion des Pastoralteams wird das priesterliche Haupt der Gemeinde bis zur Unkenntlichkeit in Laienfunktionen eingebunden und nivelliert. Christus wird nicht repräsentiert durch ein Pastoralteam, sondern durch das priesterliche Haupt der Gemeinde. Der Priester ist nicht gleichberechtigtes Mitglid eines Teams; der Priester ist von Gott bestellter Hirt.

Verbindliche Beschlüsse fassen kann nur, wer die entsprechende Vollmacht besitzt. Geistliche Vollmacht besitzt nur ein Kollegium, dessen Mitglieder Träger solcher Vollmacht sind. Die laikalen Mitglieder des Pastoralteams besitzen keine Vollmacht, und damit hat auch das Pastoralteam keine kollektive Leitungsvollmacht. Die Leitungsbefugnis des Priesters breitet sich nicht auf die in dem Team befindlichen Nichtgeweihten aus.

Die Konstruktion des Pastoralteams erweist sich somit als grundsätzlich verfehlt. Damit wird wiederum gegen die Verfassung der Kirche verstoßen, die eben gerade nicht, was die seinshafte Grundlage für geistliche Vollmacht angeht, eine Gesellschaft von Gleichen ist.


( 7)   Herder Korrespondenz 49, 1995, 131
( 8)   Herder Korrespondenz 49, 1995, 131
( 9)   Fuchs, Ämter für eine Zukunft der Kirche 121
(10)  Fuchs, Das kirchliche Amt 86f
(11)  Fuchs, Das kirchliche Amt 85


Übersicht: Zu den bisher erschienenen Fortsetzungen


Relevante Dokumente der Deutschen Bischofskonferenz (DBK):
  • "Der pastorale Dienst in der Pfarrgemeinde" vom 28. September 1995 (pdf)
  • Beschlüsse der Gemeinsamen Synode 1971-1975: "Die pastoralen Dienste in der Gemeinde" (pdf) und "Rahmenordnung für die pastoralen Strukturen und für die Leitung und Verwaltung der Bistümer in der Bundesrepublik Deutschland" (pdf)
  • weitere Downloads zur "Gemeinsamen Synode der Bistümer in der Bundesrepublik Deutschland 1971-1975" hier (bis ganz nach unten scrollen)

"Mentalitätswandel":

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Montag, 23. Juni 2014

Prof. Georg May: Die andere Hierarchie - Teil 34: Die Pastoralreferenten (2)

Prof. Dr. Georg May

Die andere Hierarchie


Teil 34


Verlag Franz Schmitt Siegburg AD 1997



Fortsetzung von hier

IV.  Tätigkeit

Die Dienstordnung soll den Dienst der Pastoralreferenten regeln. Instruktiv ist ihre Umsetzung in die Praxis. Dabei fallen bestimmte Eigentümlichkeiten auf. 

Einmal ist die Zahl jener Pastoralreferenten hoch, die an Schreibtischen Platz nehmen, Telefone bedienen und Papiere versenden. Man sehe sich daraufhin einmal den Personalschematismus der Diözese Mainz an. Dort haben die beiden Weihbischöfe je einen Pastoralreferenten als Assistenten und der Generalvikar einen solchen als persönlichen Referenten. In den verschiedenen Abteilungen des Ordinariats ist eine beträchtliche Zahl von Pastoralreferenten beschäftigt, die teilweise den Rang eines Ordinariatsrates besitzen.

Auch in den Dekanaten hat man Pastoralreferenten untergebracht. Es erhebt sich die Frage: Was tut ein Pastoralreferent, der als Dekanatsreferent oder als Dekanatsjugendbeauftragter angestellt ist, den ganzen Tag? Einige hat man in den Pfarrverbänden angestellt. Pastoralreferenten werden auch im Schuldienst als Religionslehrer verwendet, und zwar ohne das anderswo erforderliche zweite (oder dritte) Fach. Weitere sind der Seelsorge in Krankenhäusern zugeteilt, in den Mainzer Universitätskliniken allein vier. Im ganzen muss man sagen: In der Diözese Mainz gibt es ein Heer von laikalen Mitarbeitern, seien es Pastoralreferenten oder Gemeinde-referenten.

Zu den beruflichen Aufgabenbereichen, die das Rahmenstatut für Pastoralreferenten (hier als pdf) nennt, sind einige Fragen angebracht. Wie gewinnt und begleitet ein Pastoralreferent, der ja keiner Gemeinde zugeordnet ist, ehrenamtliche Mitarbeiter? Was hat man sich unter "Mitwirkung bei der übergemeindlichen Koordination von Initiativen" vorzustellen? Wie macht ein Pastoralreferent Mitarbeiter fähig zu Glaubensgesprächen und Erwachsene zur religiösen Kindererziehung? 

Welchen Glauben trägt er vor in Glaubensseminaren, und wie legt er die Heilige Schrift aus in Bibelkreisen? Welcher Art ist seine Mitwirkung in der Ehe- und Familienpastoral? Wie fördert er missionarischen Dienst und Pastoral der Fernstehenden? In manchen Diözesen werden in großen Krankenhäusern Priester und Laien als gleichberechtigte "Seelsorger" nebeneinander gestellt. Wie vermag ein Nichtgeweihter gleichberechtigte Seelsorge mit einem Geweihten zu betreiben?

Die Tätigkeit vieler Pastoralreferenten weist schlimme Ausfallerscheinungen auf. Ich will einige von ihnen nennen. Die Verbildung, die sie in ihrer theologischen Ausbildung erfahren haben, wird sich unweigerlich auf ihren Dienst niederschlagen. Dass die Masse der Pastoralreferenten nicht oder nur sehr wenig tut, um die Menschen zum regelmäßigen würdigen Empfang des Bußsakramentes zu führen, ist offenkundig. Damit entfällt ein entscheidendes Element kirchlicher Seelsorge.

Es ist auch sehr zu fragen, ob die Pastoralreferenten bemüht sind, in den Gemeinden Priesterberufe zu wecken und zu fördern. Es steht zu fürchten, dass wegen des bei manchen tiefsitzenden Ressentiments gegen den Klerus weder das eine noch das andere geschieht.

(...) Für die Gewinnung der Abständigen und Abgefallenen geht von den Pastoralreferenten in der Regel kein Impuls aus. Nach dem Papier "Der pastorale Dienst in der Pfarrgemeinde" sollen die Diakone u. a. "helfen, die der Kirche Entfremdeten zu sammeln (II,2,4). Ich frage: Wo und wie oft und mit welchem Einsatz geschieht dies? Das Urteil des Erzbischofs Braun, die Pastoralreferenten leisteten einen "entscheidenden Beitrag für die Entwicklung zu einer mitsorgenden und missionarischen Kirche" (5), ist ein krasses Fehlurteil.

Erfahrene Seelsorger urteilen anders. Ein Mainzer Pfarrer schrieb: "Was machen die eigentlich, die vielen Hauptamtlichen in der Kirche? ... Die Fragen nach den Rechten aller Hauptamtlichen im kirchlichen Dienst sind bis ins letzte Detail ... geklärt. Die Fragen nach den Pflichten bleiben offen" (6). In keinem Fall sind sie mit den Pflichten  des Pfarrers zu vergleichen. Der Satz des Herrn Kronenberg (Anm.: damaliger Generalsekretär des Zentralkomitees der deutschen Katholiken, ZdK): "Je mehr die Laien in der Kirche Verantwortung tragen, um so mehr identifizieren sie sich auch mit der Kirche" (7) ist schlicht falsch. Gerade die laikalen Verantwortungsträger waren es, die das aufrührerische "Kirchenvolksbegehren" ermöglicht und getragen haben.


V.  Auswirkungen

a) Auf die Priester

Die erwähnte Einstellung vieler Pastoralreferenten und Gemeindereferenten hat schwerwiegende Auswirkungen auf die Priester, mit denen sie zusammenarbeiten sollen.

Wegen der fehlenden Weihe stellt sich leicht ein Gefühl der Unterlegenheit gegenüber dem Priester ein. Dieses Unterlegenheitsgefühl wird dann ebenso leicht kompensiert durch Unwilligkeit, sich unterzuordnen. Die Priester bekommen in den Pastoralreferenten und Gemeindereferenten Mitarbeiter, denen häufig der entscheidende Wille zur Unterordnung unter den Priester fehlt. Die Fälle sind zahlreich, in denen Pastoralreferenten und Gemeindereferenten, bockig und eigensinnig, dem Priester beträchtliche Schwierigkeiten bereiten.

Sie nehmen eine Selbständigkeit in Anspruch, die mit einer gedeihlichen Leitung einer Pfarrei durch das priesterliche Haupt der Gemeinde nicht zu vereinbaren ist. Das Denken vieler Pastoralreferenten und Gemeindereferenten ist auf Besitzstandswahrung und Machterweiterung gerichtet. Ich selbst habe schwerwiegende und andauernde Konflikte zwischen Priestern, die noch um ihre Sendung wissen, und Laienfunktionären erlebt. Immerhin spricht das Papier der deutschen Bischöfe "Der pastorale Dienst in der Pfarrgemeinde" von der "Berufsunzufriedenheit", von Aggressivität und von Depressionen bei vielen hauptamtlichen Laien (I,2,3).

Der Priester, der sich gegen die Anmaßung kirchlicher Laienfunktionäre zur Wehr setzt, gilt als nicht kooperationswillig; er riskiert eine Rüge der geistlichen Behörde oder gar seine Versetzung. Die Klagen der Priester, dass sie an ihrem Bischof keinen Halt haben und keine Unterstützung finden, wenn sie sich gegen Unwilligkeit und Selbstherrlichkeit von Laienmitarbeitern wenden, sind zu häufig, als dass sie allesamt unzutreffend sein könnten. Unter der Vorgabe, ein gedeihliches Miteinander schaffen zu wollen, werden Priester, die noch die richtige Vorstellung von Kirche haben, entweder gleichgeschaltet oder erledigt.

b) Auf die Laien

Die Anstellung zahlreicher hauptamtlicher Laienkräfte in der Seelsorge hat auch Auswirkungen auf die nichtamtlichen Gläubigen. Diese bekommen ein völlig verändertes Bild von der Kirche, das sich zunehmend protestantischen Verhältnissen nähert. Die hierarchische Struktur der Kirche und die sakramentale Weihe der Amtsträger treten immer mehr zurück und werden beiseite geschoben. Der Priester als der Repräsentant Christi und als der in der Vollmacht Christi handelnde Hirt gerät aus dem Blickfeld. Die Gläubigen gewöhnen sich an die laikalen Funktionäre. Das Bemühen um Priesterberufe nimmt weiter ab.

Dazu kommt Folgendes: In dem Maße, wie die Zahl der hauptamtlichen Laien in der Kirche wuchs, ging die Zahl der ehrenamtlich tätigen zurück. Die massenhafte Einstellung von Gemeindereferenten verdrängte systematisch die arbeits- und hilfswilligen Gläubigen in den Gemeinden. Heute werden Leute für die Dienste und Verrichtungen bezahlt, die in der vorkonziliaren Kirche unentgeltlich verrichtet wurden. So kommt man um das Urteil nicht herum: Das Heer der Hauptamtlichen stellt eine Gefahr für die Ehrenamtlichen und für die Charismatiker dar.


VI.  Der Titel "Seelsorger"

Bezeichnend für das Selbstbewusstsein und die Ambitionen der Pastoralreferenten und Gemeinereferenten ist die zunehmende Neigung, sich mit dem Namen von Seelsorgern und Seelsorgerinnen zu schmücken.

Diese Benennung ist neu. Die Seelsorge (cura animarum) war in der Kirche immer Sache des Klerus. Er konnte und sollte sich dabei helfen lassen von Nichtklerikern, und diese tragen dann den Namen von Seelsorgehelfern und -helferinnen. Damit war ihre unterstützende Funktion gegenüber dem Klerus bezeichnet.

Wenn dagegen jetzt die theologisch ausgebildeten Funktionäre den Ausdruck Seelsorger und Seelsorgerinnen für sich usurpieren, wird der wesentliche Unterschied von geweihten Trägern der Seelsorge und deren Helferkreis verwischt und in einer unzulässigen Äquivokation ein und dasselbe Wort für zwei grundlegend verschiedene Personenkreise verwendet. Damit wird nicht der Seelsorge, sondern dem Anspruchsdenken von theologisch ausgebildeten Laienfunktionären gedient.

Die Benennung ist sachlich unzutreffend. Denn der Begriff des Seelsorgers ist dadurch gekennzeichnet, dass er die Gesamtheit der Befugnisse und Dienste, welche die Seelsorge ausmachen, in sich schließt. Seelsorge ist Hirtendienst (c. 515 §1). Wie soll jemand Seelsorger sein, der nicht Hirte ist? Hirte kann man nur sein, wenn man dem Erzhirten Jesus Christus ontisch angeglichen ist. Deswegen muss der Begriff des Seelsorgers auf den Klerus beschränkt bleiben.

In der Diözese Augsburg erklärte der verstorbene Bischof Stimpfle, der Titel Seelsorger sei Priestern vorbehalten. Die Mitarbeit von Laien in der Seelsorge verleihe nicht das Recht, diesen Titel zu führen (8). Bei der Inanspruchnahme des Titels Seelsorger durch Nichtgeweihte ergibt sich die Merkwürdigkeit, dass dies duch dieselben Leute geschieht, die sonst an Stelle von Seelsorge lieber von "Gemeindearbeit" reden.

Es berührt auch eigenartig, dass in diesem Begriff die Seele wieder auftaucht, die ansonsten aus der Theologie und aus der Liturgie beinahe verschwunden ist. Trotz dieser Einwände ist vorauszusehen, dass sich dieser Titel durchsetzen wird. Die Bischöfe werden auch diesmal nachgeben. Für den Pastoralplan Speyer sind die Gemeinde- und Pastoralreferenten bereits "Seelsorger" (9).


(5)  Deutsche Tagespost Nr. 92 vom 3. August 1995 S. 6
(6)  Deutsche Tagespost Nr. 104 vom 29. August S. 9
(7)  Herder Korrespondenz 35, 1981, 134
(8)  Amtsblatt der Diözese Augsburg Nr. 7 vom 30. Mai 1984. Vgl. Ludwig Gschwind, Seelsorger - ein Allerweltsbegriff?: Klerusblatt 77, 1997, 87
(9)  Für die Seelsorge. Pastoralbeilage zum Oberhirtlichen Verordnungsblatt für das Bistum Speyer Heft 1/ 1993 S. 23


Fortsetzung folgt 

Übersicht: Zu den bisher erschienenen Fortsetzungen

Prof. Georg May: Die andere Hierarchie - Teil 33: Die Pastoralreferenten (1)

Prof. Dr. Georg May

Die andere Hierarchie


Teil 33


Verlag Franz Schmitt Siegburg AD 1997


Fortsetzung von hier

§  10  Die Pastoralreferenten

I.  Entstehung und Beurteilung

1. Entstehung

In Deutschland gibt es seit etwa 30 (Anm.: in Deutschland seit 1971) den neuen Beruf des Pastoralassistenten bzw. -referenten. Diese neue Klasse spielt bei der Etablierung der anderen Hierarchie eine gewichtige Rolle. Auf das Zweite Vatikanische Konzil kann man sich dabei nicht berufen. Das Konzil hat nicht im Traum an das Heer von Pastoralassistenten und -referenten gedacht, das die deutschen Diözesen aus Kirchensteuermitteln unterhalten.

Der Grund seiner Entstehung ist in der Hauptsache der folgende: Viele Theologiestudierende wollten ursprünglich Priester werden. Aber die widrigen Umstände in der nachkonziliaren Kirche allgemein und an den theologischen Bildungsstätten im Besonderen haben sie um ihre Berufung gebracht. Nach der Beendigung ihres Theologiestudiums standen sie vor der Frage, wie es beruflich weitergehen sollte. Hätten sie einen nichttheologischen Beruf ergriffen, hätten sie dort als theologisch gebildete Laienapostel segensreich in der Welt wirken können. Doch zum Übergang in einen Beruf, in dem sie ihre bisher erworbenen Kenntnisse nicht hätten verwerten können, war die Mehrzahl nicht bereit.

Da kamen ihnen die deutschen Bischöfe zu Hilfe. Sie schufen den neuen Beruf des theologisch gebildeten Laien im Kirchendienst. Er wurde erstrangig in der Absicht ins Leben gerufen, für Theologiestudierende, die das Ziel des Priestertums aufgegeben hatten oder an den Zulassungsbedingungen für das Priestertum gescheitert waren, eine einträgliche Beschäftigung zu finden. Es ist statistisch erwiesen, dass zahlreiche Pastoralassistenten ursprünglich Priester werden wollten. (1). (A)

2. Beurteilung

Doch dieser Wechsel des Berufszieles ist vielen nicht gut bekommen. Wie so mancher von denen, die an der Hürde des Priestertums gescheitert waren, dem dienstlich übergeordneten Priester begegnen würde, ließ sich ahnen, und diese Ahnung hat nicht getrogen. Es gilt dies auch weithin für jene, die nach absolviertem Theologiestudium in Berufe der Erwachsenenbildung oder der Medienlandschaft übergegangen sind, sie arbeiten häufig in unkirchlichem oder kirchenfeindlichem Sinne.

Martin Kriele schreibt von vielen Theologiestudierenden, die ihr Ziel, Priester zu werden, aufgegeben haben, dass sie ihre "Aggressionen gegen die Kirche nach außen" tragen, dass sie das Ziel verfolgen, das Lehramt "ins Lächerliche zu ziehen", um damit "die christliche Lehre, die das Lehramt bewahrt und verkündigt, in ihrem Kern zu treffen" (2).

Die Einführung der Pastoralreferenten war die Eröffnung eines Weges, der eine Sackgasse darstellt. Sie hat dem Priestermangel nicht abgeholfen; sie hat ihn vermehrt. Statt zu überlegen, wie dem Priestermangel beizukommen ist, haben die Bischöfe einen (untauglichen) Ersatz für die fehlenden Priester geschaffen. Die Einführung der Pastoralreferenten und -referentinnen ist eine der vielen Fehlentscheidungen, die den deutschen Bischöfen anzulasten sind.

Die Pastoralreferenten mögen ein kirchlicher Beruf sein, ein geistlicher Beruf sind sie nicht. Dazu fehlt ihnen die Weihe oder das Gelübde bzw. Versprechen. Der Pastoralreferent ist eine Fehlkonstruktion.


II.  Ausbildung

Das Rahmenstatut und die Rahmenordnung für die Pastoralreferenten in den Bistümern der Bundesrepublik Deutschland stammen vom 10. März 1987. Dazu treten Statut und Ordnung der jeweiligen Diözese (3). (Anm.: Das Rahmenstatut vom 10. März 1987 wurde ersetzt durch die "Rahmenstatuten und -ordnungen für Gemeinde- und Pastoral-Referenten/Referentinnen" vom 01. Oktober 2011, hier als pdf.)

Das von den deutschen Bischöfen erlassene Rahmenstatut ist ein phrasenreiches Dokument, das den Bezug zur Wirklichkeit verloren hat. Dieses Urteil gilt sowohl für die Ausbildung als auch für die Tätigkeit der Pstoralreferenten.

Die Pastoralreferenten absolvieren ein normales Theologiestudium an einer deutschen katholisch-theologischen Fakultät oder Hochschule. Es ist indes eine Illusion, zu meinen, sie seien allesamt gediegen für ihre Tätigkeit ausgebildet. Wer die Entwicklung der Theologenausbildung in den letzten 40 (Anm.: ca. 60) Jahren beobachtet hat, weiß, dass fortwährend weitere Abstriche gemacht und Erleichterungen gewährt wurden.

Diese angeblich so gut ausgebildeten Theologen wissen zwar über modernste Hypothesen der Schrifterklärung Bescheid, aber die Heilige Schrift selbst kennen sie zumeist nicht. Dazu kommt, das weitgehende Defizit an aszetischer und spiritueller Formung. Wer Disziplin und Frömmigkeit nicht spätestens im Priesterseminar gelernt hat, der lernt sie meist überhaupt nicht mehr. Man kann aber nicht einen anspruchsvollen kirchlichen Beruf ausüben, ohne gediegene und bewährte sittliche und religiöse Haltung.

Weiter ist die kirchliche Gesinnung bei nicht wenigen defizitär. Es fehlt ihnen ja die sakramentale Weihe, die sie unaufhebbar an Christus und die Kirche bindet. Der Mangel dieser ontischen Verwurzelung kann durch nichts wettgemacht werden. Daraus resultiert auch die weithin verbreitete Beamtenmentalität. In einem unkündbaren Verhältnis gesichert, versieht man seinen Job ohne den hohen persönlichen Einsatz, der vom Priester zu erwarten ist. (B)


III.  Die Dienstordnung

Fast alle Diözesen haben Dienstordnungen für Pastoralreferenten erlassen. Sie unterscheiden sich nicht grundsätzlich, doch in manchen Einzelheiten. ich erwähne im Folgenden die Dienstordnung der Diözese Eichstätt (4). Da wird sogleich hervorgehoben, dass die Pastoralreferenten "eigenverantwortlich" wirken. Offensichtlich kennt man die Empfindlichkeit dieser Damen und Herren, die allergisch gegen die Unterstellung unter einen Pfarrer sind. Nach dem Rahmenstatut für Pastoralreferenten ist ihre spezifische Aufgabe "die eigenverantwortliche Übernahme einzelner pastoraler Sachgebiete". Dementsprechend sollen sie nicht in Pfarreien, sondern nur in Pfarrverbänden oder größeren Seelsorgeeinheiten zum Einsatz kommen.

Die Dienstordnung für Eichstätt sieht den Einsatz von Pastoralreferenten auf der Ebene der Diözese, des Dekanates, des Pfarrverbandes oder einer anderen überpfarrlichen Seelsorgeeinheit vor. Die Beauftragung in einer Pfarrei kommt danach nicht in Frage.

Als ihr eigentliches Arbeitsfeld gilt die sogenannte kategoriale Seelsorge, die sich an Menschen in besonderen Bezügen wendet. Sie stehen "im Dienst der Evangelisierung der Gemeinden und der Gesellschaft". Evangelisierung heißt Gewinnung für die Heilsbotschaft Christi und Verwurzelung in derselben. Im Einzelnen werden ihnen als mögliche Aufgabenfelder alle jene zugewiesen, die früher Kapläne übernommen haben, die sie aber teilweise nur in verstümmelter Form bearbeiten können, weil ihnen die Weihe fehlt. Es ist auch die "Übernahme einzelner Aufgaben des kirchlichen Amtes" vogesehen. Dazu rechnet u. a. der Predigtdienst. Richtmaß der Dienstzeit des Pastoralreferenten ist die Wochenarbeitszeit, wie sie für den öffentlichen Dienst festgelegt ist. Er hat einen vollen freien Tag in der Woche und einen freien Samstag/ Sonntag im Monat.

Vom Pfarrer ist in der ganzen Dienstordnung nicht mit einem einzigen Wort die Rede. An mehreren Stellen erscheint mit dunklen Worten der "unmittelbare Dienstvorgesetzte". Nirgends wird gesagt, dass dies der Pfarrer sein könnte.


(1)  Herder Korrespondenz 51, 1997, 38
(2)  Martin Kriele, Anthroposophie und Kirche 134
(3)  z. B.: Statut und Ordnung für Pastoralreferentinnen und Pastoralreferenten im Bistum Osnabrück vom 9. Juni 1992 (Pfarramtsblatt 65, 1992, 271-286)
(4)  Dienstordnung für Pastoralreferenten und Pastoralreferentinnen in der Diözese Eichstätt vom 1. Mai 1995 (Pfarramtsblatt 68, 308-314)

(A)  Anm.: hierzu s. auch: Beschluss der Gemeinsamen Synode z. B. unter 1.1.2
(B) Anm.: zu den selbstformulierten Perspektiven des Berufsbildes Pastoralreferent/-in siehe z. B. die "perspektivischen Überlegungen" des BV der PR in der Erzdiözese Köln (formuliert 2009). Dort heißt es z. B.:
unter Nr. 2: "... als „theologische Experten“ wollen wir auch teilhaben können an der Gesamtentwicklung der Pastoral im Erzbistum. Als Laien und theologische Fachmänner und Fachfrauen wollen wir unsere Kompetenzen einbringen können:- In der Verwaltung des Erzbistums – in der Leitung und inhaltlichen Arbeit von Abteilungen und Stabsstellen mit pastoralen Aufgaben- An besonderen Orten der Pastoral..."
"Wir setzen uns ein für eine klare und kooperative Leitung.- In der geistlichen Leitung, Begleitung und Weiterbildung von kirchlichen Gruppen und Gremien auf verschiedenen Ebenen-..."
unter Nr. 3: "Um als Pastoralreferentin – referent gut arbeiten zu können, brauchen wir Pfarrer, die unsere Charismen und Talente ernstnehmen und uns den Raum geben, eine Balance zwischen Aktion und Ruhe zu halten. Wir sind nicht allverfügbar." 
unter Nr. 4: Pastoralreferentinnen und –referenten sind aufgrund ihrer bischöflichen Beauftragung und ihrer Kompetenzen in verschiedenen Formen der Kooperation an der Leitung eines Seelsorgebereiches zu beteiligen. Entsprechend gemeinsam entwickelter inhaltlicher Schwerpunktsetzungen der Pastoral übernehmen sie verantwortliche, eigenständige Leitung in Teilbereichen. Diese ist durch Delegation übertragen.


Fortsetzung folgt



Dienstag, 17. Juni 2014

Prof. Georg May: Die andere Hierarchie - Teil 31: Der Pfarrer

Prof. Dr. Georg May

Die andere Hierarchie


Teil 31


Verlag Franz Schmitt Siegburg AD 1997


Fortsetzung von hier

§ 8  Der Pfarrer

I.  Rechtliche Stellung

Das Urbild des Priesters ist der Pfarrer. Der Pfarrer ist der eigene Hirt der ihm übertragenen Pfarrei, der die Seelsorge der ihm anvertrauten Gemeinde unter der Autorität des Diözesanbischofs ausübt, zu dessen Teilhabe am Dienst Christi er berufen ist. Er leistet für seine Gemeinde die Dienste des Lehrens, Heiligens und Leitens, wobei andere Priester oder Diakone mitarbeiten und Laien ihren Beitrag leisten (c. 519).

Der Pfarrer muss immer Priester sein (c.521 §1), denn nur ein Priester kann Christus als Hirten repräsentieren und die durch die Christusrepräsentation bedingten Dienste leisten. Insofern er Priester ist, gehört er als eine Stufe zu der Hierarchie göttlichen Rechts.

Die Priester sind nach dem Zweiten Vatikanischen Konzil Väter in Christus (Lumen gentium Nr. 28). Diese Vaterschaft ist geistlicher Art und besagt die autoritative Stellung und die lebensspendende Aufgabe. Die Verleihung des Pfarramtes steht dem Diözesanbischof zu, und zwar grundsätzlich ohne rechtliche Bindung bei der Auswahl der Person (c. 523). Der Oberhirte hat sich dabei einerseits an der Zahl und Qualität der zur Verfügung stehenden Kleriker, andererseits an den Bedingungen und Bedürfnissen der zu besetzenden Stellen zu orientieren.

Die pfarrlichen Pflichten sind außerordentlich umfangreich (cc. 528-535). Dem Pfarrer ist die Sorge für die Verkündigung des Wortes Gottes aufgetragen. Mittel dazu sind Predigt und Katechese, Religionsunterricht und Unterweisung der Jugend.

Dem Pfarrer besonders anempfohlen sind die Abständigen und Abgefallenen sowie die nichtkatholischen Christen. Er muss die Eucharistie zum Mittelpunkt des pfarrlichen Lebens machen. Er hat Sorge für häufigen würdigen Empfang der Sakramente des Altares und der Buße zu tragen. 

Er muss seine Gläubigen kennen, besuchen und mit ihnen Freude und Leid teilen. Er muss sie stärken und zurechtweisen. Er muss sich der Kranken und Sterbenden annehmen. Der Pfarrer soll seine Liebe den Armen, Betrübten und Einsamen zuwenden, Gatten und Eltern und Familien bei der Erfüllung ihrer Pflichten unterstützen.

Im Besonderen sind ihm aufgetragen die Spendung der Taufe, der Firmung und der Krankensalbung, die Assistenz bei der Eheschließung und das christliche Begräbnis sowie die Eucharistiefeier an Sonn- und Feiertagen. Bei allen Rechtsgeschäften vertritt der Pfarrer die Pfarrei (c. 532). Wenn er handelt, dann handelt durch ihn die Pfarrei, d. h. die Gemeinde; er ist deren Repräsentant.


II.  Die heutige Lage

Jeder Priester wird grundsätzlich für die Seelsorge geweiht. Der Prototyp des Seelsorgers ist der Pfarrer. Das Amt des Pfarrers ist außerordentlich anspruchsvoll und verlangt vollen Einsatz.

Der Pfarrer, der seine Aufgabe richtig versteht, ist sozusagen immer im Dienst; er hat kein Privatleben. Es ist nun offensichtlich, dass heute nicht wenige Pfarrer bei ihrer Amtsführung bedenkliche Schwächen zeigen, erheblich mehr als etwa vor 40 (Anm.: nunmehr etwa 57) Jahren. Die pfarrlichen Pflichten werden von manchen Seelsorgern wenig ernst genommen. Die Spendung des Bußsakramentes wird vernachlässigt und hat an manchen Orten beinahe aufgehört.

In nicht wenigen Pfarreien liegt die priesterliche Sorge um Kranke und Sterbende darnieder. Laien überbringen bettlägrigen Kranken die Kommunion, doch von der vorhergehenden Beichte ist keine Rede. Aus der Krankensalbung ist an manchen Orten eine Gesunden- bzw. Altensalbung geworden. 

Man kann nur staunen, wie großzügig heute manche Pfarrer ihre Residenzpflicht auslegen. Sie lassen den Sonntagsgottesdienst ausfallen, um mit einer Gruppe der Pfarrei eine Exkursion in die Toskana oder anderswohin zu unternehmen.

Die Verkündigung liegt weithin im Argen. Aus Predigern sind Vorleser geworden. Die kirchliche Lehre wird an vielen Stellen verbogen oder abgeschwächt. Die erschütternden Wahrheiten unseres Glaubens bleiben weithin ungesagt. Die kirchliche Moral des Geschlechtlichen wird den Gläubigen vorenthalten. Es kommt vor, dass junge Männer und Frauen des Entsetzens voll sind über das, was sie von Pfarrern und anderen kirchlichen Funktionären an Abwegigem bei der Ehevorbereitung zu hören bekommen.

Im Klerus herrscht weithin Entmutigung und Erschlaffung. Die Pfarrer sind davon an erster Stelle betroffen. Missionarische Seelsorge, die auf Gewinnung neuer Kirchenglieder und Rückholung verlorener Gläubiger gerichtet ist, geschieht in den wenigsten Pfarreien. Viele Pfarrer streben zum frühestmöglichen Zeitpunkt die Pensionierung an.

In manchen Diözesen besteht der Eindruck, dass Pfarrer von der Diözesanleitung zum Amtsverzicht gedrängt werden, um auf diese Weise den Priestermangel zu verstärken und laikale Ersatzpersonen in die pfarrlichen Positionen einzuschleusen. Die Schwäche des Pfarrerstandes war eine Voraussetzung für die Etablierung der anderen Hierarchie auf der Ebene der Pfarrei.


Fortsetzung folgt


Übersicht: Zu den bisher erschienenen Fortsetzungen


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