Samstag, 16. Juni 2012

Die Ehe: ein „weltlich Ding“?

P. Bernward Deneke FSSP, Wigratzbad

Es wird viel geklagt über den Niedergang von Ehe und Familie in unserer Zeit. Dabei stellt sich die Frage, womit dieser denn begonnen habe: Mit der fortschreitenden Anerkennung der gleichgeschlechtlichen Lebensgemeinschaft als Quasi-Ehe? Oder bereits mit der Einführung der sogenannten Familienplanung, der Empfängnisverhütung und Abtreibung? Lagen die Anfänge der Krise wohl in den späten 60ern des letzten Jahrhunderts, in der tsunamiartig hereinbrechenden „Sexwelle“ und der Propaganda für „freie Liebe“? Oder ereignete sich der Sündenfall für Ehe und Familie schon viel früher, nämlich mit der staatlichen Erlaubnis der Ehescheidung?

Man wird wohl noch weiter zurückgehen müssen, und zwar bis ins 16. Jahrhundert, die Zeit der Glaubensspaltung. Denn unter den Lehren der selbsternannten Reformatoren war auch die, es gebe nicht sieben, sondern nur zwei Sakramente: Taufe und Abendmahl. Somit wäre die Ehe kein Sakrament. Nach Martin Luthers berühmter Formulierung ist sie „ein äusserlich, weltlich Ding wie Kleider, Speise, Haus und Hof, weltlicher Obrigkeit unterworfen“.

Erinnern wir uns: Der heilige Paulus sieht in der Verbindung von Mann und Frau und ihrem Ein-Fleisch-Werden ein „grosses Geheimnis“ (im griechischen Urtext steht hier das Wort mystérion, in der lateinischen Übertragung sacramentum); dieses sei zu verstehen im Hinblick auf Christus und die Kirche (Eph 5,32). Mit vollem Recht hat Glaubensüberlieferung darin eine Grundlage für die Sakramentalität der Ehe gefunden. Ein Sakrament ist ja ein sichtbares Zeichen, das auf eine unsichtbare Wirklichkeit verweist, deren spezifische Gnade vermittelt und seinen Ursprung in Jesus Christus und seinem Heilswerk hat.

So steht die Ehe von Mann und Frau für eine höhere Vermählung: diejenige des Herrn mit seiner Braut, der Kirche, mit der er im Geheimnis des Opfers und der Kommunion ein einziger Leib, „der mystische Leib Christi“, wird. Darüber hinaus erkennen bedeutende Theologen in der ehelichen Verbindung und ihrer Fruchtbarkeit im Kind sogar ein fernes Abbild der innergöttlichen, trinitarischen Liebe...

Braut und Bräutigam werden im Sakrament an diese Ur-mysterien gleichsam wie an einen Stromkreis angeschlossen, und so empfangen sie aus göttlicher Quelle die Würde und Weihe eines sakramentalen, heiligen Standes, die Kraft tiefster, unauflöslicher Einheit, den bleibenden Segen für das gemeinsame Leben und die Erziehung der Nachkommenschaft sowie jegliche Gnade, derer sie inmitten der vielfältigen Anfechtungen bedürfen.

Aus solcher Perspektive wird deutlich, welchen Absturz die Ehe durch die Degradierung zu einem „äusserlich, weltlich Ding wie Kleider, Speise, Haus und Hof“ nimmt. Beraubt ist sie nun ihrer ganzen Höhendimension und heiligen Symbolik als gnadengewirktes Ebenbild göttlicher Wirklichkeit. Wo aber die heilige Symbolik schwindet, dringt nur allzu schnell unheilige Diabolik ein... Ehemann- und Ehefrausein, Vater- und Muttersein sind jetzt nicht mehr ein sakramental-kirchlicher Stand, nicht mehr ein Weg der persönlichen Heiligkeit und der gegenseitigen Heiligung zur Auferbauung des Gottesreiches, stattdessen nurmehr eine rein bürgerliche Angelegenheit, am Ende ein gesellschaftliches Rollenspiel.

Mit der Entsakralisierung der Ehe musste auch der Sinn für den Zusammenhang von Liebe und Opfer schwinden. Christliche Eheleute, einst vermählt unter dem Zeichen des Kreuzes, sollten um die Kraft wissen, die ihnen gerade aus der Vereinigung ihrer Leiden und Nöte mit denen des Herrn erwächst. Hingegen erblicken Personen, die nur durch ein „äusserlich, weltlich Ding“ zusammengehalten werden, im Opfer für gewöhnlich eine finstere, lebensfeindliche, zerstörerische Macht; vor dieser ergreift man am besten die Flucht, wäre es auch zugleich die Flucht von der Seite des Lebenspartners...

Ja, auch die unauflösliche Einheit der Eheleute wurde durch die Lehre der Glaubensneuerer des 16. Jahrhunderts zerstört. Stiftete das Sakrament eine Verbindung, die ein Abbild der unverbrüchlichen Treue zwischen dem gottmenschlichen Bräutigam und der bräutlichen Kirche ist und die daher jedem menschlichen Zugriff entzogen bleibt, so wurde die Ehe nun zu einer unsicheren, den menschlichen Schwankungen unterworfenen Angelegenheit. Denn nach der konsequenten Auffassung der Reformatoren ist grundsätzlich jede Ehe auflösbar.

Auf diesem Hintergrund zeichnet sich ab, wie die schwere Krise von Ehe und Familie behoben werden kann und muss. Nicht mit äußerlichen und weltlichen Mitteln allein, denn sie ist nach Gottes Willen kein „äußerlich, weltlich Ding“! Mögen daher die Ehe- und Paarberatungen und -therapien wie Pilze aus dem Boden spriessen: Rettung ist von dort her nicht zu erwarten. Statt politischer, sozialer und psychologischer Massnahmen tut vor allem das Eine not: Zurück zum Sakrament! Zurück zur hohen Auffassung von dieser heiligen Institution! Und zurück zu den Quellen der Gnade, die dort erleuchtend, kräftigend, helfend und vollendend fließen, wo die Ehe von Mann und Frau sich an ihr Urbild, die Vereinigung Jesu mit seiner geliebten Braut, bindet: im Sakrament der Ehe!


Hinweise:
- mit freundlicher Genehmigung des Verfassers
- der Beitrag erschien bereits im Schweizerischen Katholischen Sonntagsblatt (SKS)

 

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