Montag, 25. März 2013

Suchet zuerst das Reich Gottes...

Von John Henry Newman

Im Evangelium werden die Jünger arm genannt, verachtet, schwach und hilflos: so waren vor allem die Apostel; bei den Propheten dagegen, besonders bei Isaias, wird das Reich als wohlhabend, blühend, geehrt, mächtig und glücklich bezeichnet.

Das ist so sehr die Sprache der Prophezeiungen, dass die Apostel vor der Erleuchtung durch den Herrn meinten, dass sie als Herrscher in Seinem Reich die Güter dieser Welt erben würden. Sie erlagen der Versuchung, nach einem Throne auszuschauen gleich dem Throne Davids und nach einem Königspalast gleich dem Salomons: Ganz anders freilich ist das Wesen des Reiches Christi.

Allmählich erst verstanden sie die Wahrheit, dass nämlich unter dem Evangelium jene, die nach solch einem Throne und solch einem Palast ausschauen, sie niemals erhalten, oder wenn doch, dann nur zu ihrem Schaden, nicht zu ihrem Segen.

Wahrlich, so war es von der göttlichen Vorsehung bestimmt, dass das Reich des Evangeliums ein bedeutendes Sittengesetz verkörpert, das allen wohlbekannt ist, die sich mit dieser Frage beschäftigten.

Tugend und Güte bringen es allein zuwege, dass die Menschen mächtig werden in dieser Welt; die aber auf Macht ausgehen, haben keine Tugend. Wiederum: Die Tugend hat ihren Lohn in sich, und in ihrem Geleite sind die wahrsten und höchsten Freuden; die sie aber um der Freuden willen pflegen, sind selbstsüchtig, nicht fromm, und gelangen nie zur Freude, weil sie keine Tugend haben.

So ist es mit der Kirche Christi. Suchte sie Macht, Reichtum und Ehre, so hieße das, aus der Gnade fallen, - doch es ist nicht weniger wahr, dass sie diese Güter haben wird, obwohl sie sie nicht erstrebt, oder besser, wenn sie sie nicht erstrebt.

Denn wenn die Menschen uneigennützige Güte sehen und Heiligkeit, die keine selbstsüchtigen Ziele kennt, und Gewissenhaftigkeit,die streng an das Pflichtgefühl gebunden ist, und Glauben, der diese Welt für die nächste preisgibt, dann können sie nicht umhin, jenen, die diese Vorzüge aufweisen, das zu geben, auf was sie freiwillig verzichten und um was sie nicht bitten - Vertrauen und Einfluß.

Wer sich zurückzieht, den sucht man auf: wer sich um Gunst bemüht, der wird verachtet. Satan bot unserem Herrn alle Königreiche der Welt, Er jedoch wies den Bösen zurück: vom Vater aber erlangte Er, was Er dem Versucher gegenüber ausschlug.

Und so ergeht es allen Seinen Jüngern. Die Heiligen leben in Sack und Asche; aber man begräbt sie in Seide und Edelstein. Die Kirche weist die Güter dieser Welt zurück, aber diese Güter fließen ihr ungebeten zu. Macht und Einfluß, Vertrauen, Ansehen und Reichtum fließen ihr zu, weil sie nicht darum bittet; sie hat sie, weil sie sie nicht sucht, - sucht sie sie aber, dann verliert sie sie.

Sie kann die Anhäufung irdischer Güter nicht hindern, es sei denn, sie suchte sie oder machte sich Sorge um sie. Die Menschen gehen darauf aus, sie zu berauben,wenn sie sehen, dass sie diese hochschätzt.Sie beneiden sie darum, wenn sie ihnen Wert beimisst. Sie missgönnen sie ihr und sind ihr gram darob, wenn sie sehen, dass ihre Diener sie für sich selbst verschwenden, für ihre eigene Person, für ihre Familien, für ihre Verwandten und Untergebenen, wenn sie damit ihr Eigentum vermehren, sie entweihen und sie testamentarisch für nicht fromme Zwecke hinterlassen.

Dadurch allerdings kann sich die Kirche vor Macht und Würde bewahren, dass sie sie zum unmittelbaren Ziel ihrer Gedanken macht. Und dies meinten die Apostel im Anfang auch machen zu müssen. So ist es auch mit den Reichen dieser Welt. Eikommen und Eigentum, Tribut und Steuer, das sind gewichtige Dinge, unentbehrlich für Staat und Regierung; Macht, Würde, Ehre, Reichtum und Glanz: das sind hohe Werte bei den Menschenkindern.

So aber darf es bei uns nicht sein. "Demütigung geht der Ehre voraus" [Spr 15,33]. "Ihr wisst", sagt unser Herr, "dass die Fürsten der Heiden Herrschaft ausüben über sie und die Großen Gewalt über sie haben. Bei euch aber sei es nicht so; wer immer unter euch groß werden will, der sei euer Diener; Und wer unter euch der Erste sein will, der sei Euer Knecht; gleichwie der Menschensohn nicht gekommen ist, Sich bedienen zu lassen, sondern zu bedienen und sein Leben zu geben als Lösepreis für viele" ( Mt 20,25-28). (...)

Wie lautet ferner das Gebot hinsichtlich der Reichtümer dieser Welt? "Liebet nicht die Welt, noch das, was in ihr ist; wenn jemand die Welt lieb hat, so ist die Liebe des Vaters nicht in ihm. Denn alles, was in der Welt ist, das ist die Begierlichkeit des Fleisches, die Begierlichkeit der Augen und die Hoffart des Lebens, was nicht vom Vater, sondern von der Welt ist" (1 Jo 2,15.16). Das ist das Gesetz für die Kirche.

Nun wollen wir vom Propheten hören, was die Folge davon ist. "Eine Flut von Kamelen wird dich bedecken. Dromedare aus Madian und Epha; aus Saba kommen alle, opfern Gold und Weihrauch und verkünden das Lob des Herrn" (Is 60,6).

Bedeutet das nicht, dass Gold und Silber der Kirche zufließen und von ihr angenommen werden dürfen, wenn sie sie zum Lob des Herrn verwendet, - dass diese aber augenblicks, da sie um ihretwillen geliebt werden, zu ihrem ursprünglichen Staub zurückkehren, ihre Weihe verlieren und so "nicht vom Vater, sondern von der Welt"sind. (...)

Das also ist das Gesetz des Reiches Christi, das der Widerspruch, wie er sich in seiner Geschichte zeigt. Es gehört den Armen im Geiste, es gehört den Verfolgten, es wird in Besitz genommen von den Sanftmütigen und getragen von den Geduldigen. Es siegt im Leiden, dringt vor durch Rückzug, wird weise durch Torheit.


John Henry Newman: Predigten Bd. 9; Sarto Verlag Stuttgart 2002; Reprint der Ausgabe von 1958; S 271-276: aus einer Predigt über Is 11,4 "Heiligkeit, das Merkmal des christlichen Weltreiches" (s. Quellen)


(Hervorhebungen durch Fettdruck von FW)



"Wenn du vollkommen sein willst, geh, verkauf deinen Besitz und gib das Geld den Armen; so wirst du einen bleibenden Schatz im Himmel haben; dann komm und folge mir nach." (vgl. Mt 19,21; Mk 10,21; Lk 12,33; Lk 18,22)

"Suchet zuerst das Reich Gottes und seine Gerechtigkeit; dann wird euch alles andere dazugegeben. Sorgt euch also nicht um morgen; denn der morgige Tag wird für sich selbst sorgen. Jeder Tag hat genug eigene Plage." (Mt 6,33f)

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