Samstag, 9. März 2013

"Echte" und "unechte" Theologie

Nein, man kann es den Leuten wirklich nicht verübeln, wenn sie der Theologie keine besondere Hochachtung entgegenbringen. Präsentiert sich diese nicht allzu oft in fragwürdiger, ja jämmerlicher Gestalt? 

Wen sieht man denn heute als Theologen an? Offensichtlich jemanden, der den Leib der Heiligen Schrift, das lebendige Wort Gottes, wie einen Leichnam seziert. Der nichts darin unhinterfragt lässt. Der das, was ihm nicht mehr zeitgemäß scheint, „entmythologisiert“, uminterpretiert oder gänzlich ausscheidet, um das hervorzuheben, was er gegen die kirchliche Auslegung verwenden will.

Lehramtliche Entscheidungen werden von solcher Theologie selbstverständlich historisch relativiert: Man weiß doch inzwischen genau, wie es dazu gekommen ist, und braucht nicht mehr den Beistand des Heiligen Geistes zu bemühen... Selbst feierliche dogmatische Definitionen sind dann nur noch engstirnige, zeitgebundene Vorstellungen. Und die Verurteilungen der Irrlehrer von Arius bis Zwingli beruhen ohnehin auf bloßen Missverständnissen. Nur die rechthaberischen Hüter der „reinen Lehre“, denen es letztlich um ihre Machtinteressen geht, sprechen weiterhin von „Häresie“ und stellen sich so der Einheit der Christen entgegen. 

Prominente Vertreter der Gegenwartstheologie bringen sich bekanntlich gerne im rauschenden Blätterwald und vor den laufenden Kameras der kirchenfremden bis -feindlichen Medienwelt zur Geltung. Gerne lassen sie sich als mutige Kritiker feiern, wenn sie mit Dogma und Moral, mit Tradition und Papst ins Gericht gehen. Inhaltlich haben sie dabei häufig nicht mehr zu bieten als die Allerweltsmoral des „Seid nett zueinander“ und wohlfeile Aufforderungen zu Offenheit und Toleranz – das alles freilich eingekleidet in jenen eigentümlichen „Edeljargon“ (Walter Hoeres), der theologische, soziologische und psychologische Phrasen mit einem Hauch von Spiritualität versieht und so den Eindruck von Tiefe erweckt. - - 

Aber genug davon! Weitaus wichtiger muss uns die Frage sein, was denn demgegenüber echte Theologie ist. Denn dass man unter Berufung auf die genannten Verfallssymptome nicht jene Wissenschaft, welche mit recht die „heilige“ genannt wird, in Bausch und Bogen verurteilen darf, sollte jedem gläubigen Menschen einleuchten, der schon einmal von den Aposteln Johannes und Paulus, von Athanasius und Augustinus, Anselm von Canterbury und Bernhard von Clairvaux, Thomas von Aquin und Bonaventura, Hildegard von Bingen und Katharina von Siena, Robert Bellarmin und Petrus Canisius, von den Kardinälen Newman, Scheffczyk oder Ratzinger gehört hat.

Diese (und viele andere mehr) teilen nämlich, bei aller Verschiedenheit in Stil und Akzentsetzung, die Überzeugung, dass Theologie Glaubenswissenschaft ist: ein Nachdenken im Glauben über den Glauben. Christliche Theologie beruht ganz und gar auf Christus, dem Wort Gottes (lógos toû theoû), das im Schoß des Vaters ruht, doch für uns Fleisch geworden ist, um uns Kunde zu bringen von dem Geheimnis Gottes, das kein Mensch je geschaut hat (vgl. Joh 1,14.18). 

Als Theologe kann demnach gelten, wer die Offenbarung Gottes, die in der Geschichte des Heils geschehen ist und ihren verbindlichen Niederschlag in der Schrift und der Lehre der Kirche gefunden hat, mit seinem durch das gnadenhafte Licht des Glaubens erleuchteten Verstand durchdenkt und zur Darstellung bringt. Eine Theologie ohne Glauben, ohne Gnade – ein Widerspruch in sich selbst! 

Der Apostel Johannes, der in der Ostkirche den Ehrentitel „der Theologe“ trägt, hatte das Vorrecht, das verkünden zu können, was er mit seinen Ohren gehört, mit eigenen Augen geschaut und mit den Händen betastet hatte vom Wort des Lebens (vgl. 1 Joh 1,1 f.). Ihm folgten viele, die nicht nur getreulich weitergaben, was sie selbst empfangen hatten (1 Kor 15,3), sondern dieses Glaubensgut auch entfalteten, es als „Wissenschaft des Heils zur Vergebung der Sünden“ (Lk 1, 77) vortrugen und in Liebe für die verschiedenen Dimensionen des christlichen und kirchlichen Lebens fruchtbar werden ließen.

Unsere Gedanken gehen zurück zu dem, was sich derzeit oft unter dem Namen „Theologie“ präsentiert. Sollte nicht die wahre Theologie zum Angriff übergehen und mit prophetischer Macht „jäten und niederwerfen, zerstören und abbrechen“, um dann neu „zu bauen und zu pflanzen“ (Jer 1,10)? Ja, wir sehnen uns nach einer Theologie, die geeignet ist, „alle Vernunftgebilde und alles Hochfahrende einzureißen, das sich erhebt gegen die Erkenntnis Gottes, und alle Gedanken einzufangen zum gehorsamen Dienst an Christus“ (2 Kor 10,5).


P. Bernward Deneke FSSP, Wigratzbad

Hinweise:
- mit freundlicher Genehmigung des Verfassers
- der Beitrag erschien bereits im Schweizerischen Katholischen Sonntagsblatt (SKS) 



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