Samstag, 25. Januar 2014

Und immer wieder: das Konzil...

Von Pater Bernward Deneke FSSP, Wigratzbad 

Eines haben die Unruhen der letzten Jahrzehnten gezeigt: In den Diskussionen über Gegenwart und Zukunft der Kirche führt kein Weg am Zweiten Vatikanischen Konzil (1962-65) vorbei. Man mag es als „Neues Pfingsten“ rühmen oder als „Räubersynode“ verwerfen, mag es in Kontinuität oder Diskontinuität zur vorherigen Tradition auslegen, mag seine Anliegen in der Kirche bereits verwirklicht, gar überboten oder im Gegenteil verraten sehen, immer jedenfalls ist das Konzil ein Thema. Von hochrangigen Kirchenvertretern wie von einflussreichen Laienvereinigungen wird es gerne und mit besonderer Nachdrücklichkeit gegen „traditionalistische“ Kritiker ins Relief gehoben. Dem wachen und redlichen Beobachter der Lage fallen dabei allerdings einige Merkwürdigkeiten und Unstimmigkeiten auf, die sich mit den bloßen Fakten und einem Schuss gesunder Logik allein nicht klären lassen: 

1) Da ist einmal die so stark betonte Verbindlichkeit, die dieses Konzil für jeden haben soll, der heute katholisch sein und leben will. Wohlgemerkt: Es ist keineswegs verwunderlich, dass einem Ökumenischen Konzil der Kirche für den Katholiken hohe Bedeutung beigemessen wird. Aber es berührt doch eigenartig, diese Forderung ausgerechnet aus dem Munde von Personen oder Gruppierungen zu vernehmen, die sich sonst gegen kirchliche Dogmatisierungen aussprechen und diese als „mittelalterlichen Glaubenszwang“ verwerfen. Die alten Dogmen sind tot – lang lebe das neue Dogma!

2) Sodann erstaunt, dass eine derartige Verbindlichkeit ausgerechnet und nur dem Zweiten Vaticanum zugeschrieben wird, obwohl doch „die Wahrheit ist, dass das Konzil selbst kein Dogma definiert hat und sich bewusst in einem niedrigeren Rang als reines Pastoralkonzil ausdrücken wollte; trotzdem interpretieren es viele, als wäre es fast das Superdogma, das allen anderen die Bedeutung nimmt“ – so kein Geringerer als Joseph Kardinal Ratzinger am 13. Juli 1988 vor den Bischöfen Chiles.

3) Ihren Gipfel erreicht die Widersprüchlichkeit aber in der Tatsache, dass diejenigen, die als Wächter über die Konzilstreue anderer auftreten, ihrerseits vieles fordern, fördern und tun, was mitnichten dem Zweiten Vaticanum entspricht.

In diesem Zusammenhang kann auf eindeutigen Aussagen des Konzils hingewiesen werden, die von den Beschwörern des Konzilsgeistes nicht sonderlich geschätzt werden; so zur Frage der Geburtenregelung (GS 51: Gläubige dürfen keine Wege der Geburtenregelung beschreiten, „die das Lehramt in Auslegung des göttlichen Gesetzes verwirft“), über liturgische Willkür (SC 22: Niemand darf „nach eigenem Gutdünken in der Liturgie etwas hinzufügen, wegnehmen oder ändern“), über die Pflege der Kultsprache (SC 36 § 1: Beibehaltung der lateinischen Sprache; SC 54: Die Gläubigen sollen „die ihnen zukommenden Teile des Messordinariums auch lateinisch miteinander sprechen oder singen können“), über den Gregorianischen Choral (SC 116: Als der „der römischen Liturgie eigene Gesang“ soll er „in den liturgischen Handlungen ... den ersten Platz einnehmen“) und über den priesterlichen Zölibat (OT 10: Die Kandidaten sollen „mit großer Sorgfalt“ auf ihr Leben in der „verehrungswürdigen Tradition des priesterlichen Zölibates“ vorbereitet werden).

Wichtiger als solche Einzelstellen freilich ist die Deutlichkeit, mit der sich das Vaticanum II in einer Linie mit den vorangegangenen Konzilien sieht und somit in die kirchliche Lehrüberlieferung einreiht. Das wird in einigen Dokumenten ausdrücklich gesagt und geht ansonsten aus den vielfachen Verweisen des Konzils auf frühere Kirchenversammlungen und päpstliche Lehrschreiben hervor. Obwohl die Kontinuität mit der Überlieferung an manchen Punkten gewiss noch der Klärung bedarf, ist es offensichtlich, daß sich das letzte Konzil selbst in keiner Weise als Abbruch der bisherigen Tradition oder sogar als Gründungsurkunde einer neuen Kirche verstand. Wer es so interpretiert, geht unfehlbar in die Irre.

Diesen Sachverhalt hat Papst Benedikt XVI. in seinem Brief an den Weltepiskopat vom 10. März 2009 nochmals auf den Punkt gebracht: „Man kann die Lehrautorität der Kirche nicht im Jahr 1962 einfrieren (...). Aber manchen von denen, die sich als große Verteidiger des Konzils hervortun, muss auch in Erinnerung gerufen werden, dass das II. Vaticanum die ganze Lehrgeschichte der Kirche in sich trägt. Wer ihm gehorsam sein will, muss den Glauben der Jahrhunderte annehmen und darf nicht die Wurzeln abschneiden, von denen der Baum lebt.“

Wenn sich diese Einsicht durchsetzen könnte – welcher Fortschritt!



Hinweise:
- mit freundlicher Genehmigung des Verfassers
- der Beitrag erschien bereits im
Schweizerischen Katholischen Sonntagsblatt (SKS)  



Und auch:

Bild: Blick in den Peterdom in Rom während des II. Vatikanums; PMT

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