Mittwoch, 14. März 2012

Triviale Sprache im Gottesdienst?

Nachkonziliare Wirrnisse


Josef Pieper (1904-1997) zum "sakralen Charakter der liturgischen Sprache":

Sakralität besagt Unterschiedenheit und Anders-Sein im Vergleich zu der planen Normalität, wie sie, natürlich ganz zu Recht, den Alltag der Menschen bestimmt. Sakralität bedeutet ausdrücklich Abgrenzung gegenüber der trivialen Durchschnitt-lichkeit des Lebensvollzuges sonst.

Das kann freilich nur dem begreiflich werden, der davon überzeugt ist, daß es, inmitten des alltäglichen Daseins, jenes radikal Unalltägliche wirklich gibt, welches wir mit den Namen "Geheimnis" und "Mysterium" meinen. Es ist das ganz und gar Unalltägliche göttlicher Gegenwart, das natürlicherweise vom Menschen auch die Antwort eines "anderen" Verhaltens, auch des Sprechens, fordert.

Die Verteidiger einer "entsakralisierten", das heißt, einer auch in der Kirche und im Gottesdienst der durchschnittlichen Redeweise möglichst nahen oder gar mit ihr identischen Sprache, haben sich im Streitgespräch mit mir gelegentlich auf eine offizielle "Instruktion" berufen, die solche sprachlichen Freiheiten erlaube und sogar empfehle.

Natürlich habe ich sogleich nach diesem gar nicht leicht aufzutreibenden und seltsamerweise in französischer Sprache abgefaßten Dokument (vom 25. Januar 1969) gefahndet; doch habe ich darin dann nicht die Spur irgendeiner Duldung oder gar Befürwortung trivialer Alltagsrede aufzuspüren vermocht.

Der theologisch wohlfundierte Text fordert zwar, die Übersetzung in die Volkssprache müsse auch dem einfachen Menschen verständlich sein; im übrigen aber stehe auch sie unter dem Anspruch, "Stimme der Kirche " zu sein, "die zu ihrem Herrn redet"; und in der Liturgie, so wird gesagt, sei das Wort nicht bloß Verständigungsmittel, sondern "zugleich mysterium".

Es ist demnach nicht nur eine Geschmacklosigkeit, sondern eine dem Wesen der Liturgie widersprechende Ungehörigkeit, Menschen, die sich beim Eintritt in die Kirche mit geweihtem Wasser bekreuzigt und das Allerheiligste niederkniend verehrt haben und damit in den "anderen", den "heiligen" Weltbezirk eingetreten sind, zu Beginn der Meßfeier einen "schönen guten Abend" zu wünschen oder sie , wie die Fernseh-Ansagerin, "herzlich zu begrüßen".

So sehe ich mich also durch die als sie selber sprechende Kirche bestätigt in meiner schon manches Mal geübten und übrigens durchweg erfolgreichen Praxis, mir diese Art Anrede zu verbitten.


Pieper, Werke, Ergänzungsband 2, Autobiographische Schriften III: Eine Geschichte wie
ein Strahl, II. Kapitel, Hamburg 2003, S. 528/529


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2 Kommentare:

  1. Lieben Dank Dir, dass der große Pieper zur Sprache kommt. Ich glaube sagen zu können, dass Pieper mich über lange Zeiten der allgemeinen Verwirrung geradezu gerettet hat!
    Später hatte ich das Glück, ihn zweimal persönlich zu begegnen. Ein wirklich Großer in doppelter Hinsicht.

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  2. Von einem (ehemaligen) Philosophie-Studenten weiß ich, dass z. B. Prof. Walter Hoeres seine Studenten immer wieder aufgefordert hat: "Lesen Sie Pieper...lesen Sie Pieper!" :-))

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