Freitag, 23. Mai 2014

Was wollen wir: Reform oder "Reform"?

Es gibt immer und überall zwei Arten von Reformen. Die eine nimmt sich der Sitten auf der Stufe an, zu der sie herabgesunken sind, und erhebt sie von der Begierlichkeit zur höchsten Selbstverleugnung, von der Unenthaltsamkeit zu jungfräulicher Reinheit, von der Empörung zu Demut und Gehorsam, von der Gewalttätigkeit zu liebevoller Mildtätigkeit - mit einem Wort: von der Zügellosigkeit zur Entsagung, von den Lastern zur Tugend.

Die andere Art Reform findet die Sitten auf derselben Stufe der Erschlaffung, aber statt den Zügel anzuziehen, lockert sie ihn; um die Verletzung des Gesetzes zu beseitigen, beseitigt sie das Gesetz. Sie reformiert die Sitten, indem sie sie entfesselt und so die Unordnung selbst rechtfertigt und beschleunigt. Sie reformiert die Unenthaltsamkeit von Priestern durch Einführung der Priesterehe, die Unenthaltsamkeit der Eheleute durch Einführung der Ehescheidung; den Mangel an Gehorsam und die Erschlaffung der Oberen durch Aufgeben der Disziplin, durch Abfall und Empörung; sie reformiert die Schwächung der Einheit durch Sektierertum, die Verwirrung im Glauben durch Verachtung der Autorität. Sie unternimmt den Versuch, etwas Unmögliches zu erreichen: das Übel zu tilgen durch Leugnung und Zerstörung des Guten!

Auguste Nicolas (1807-1888) , franz. Apologet; zitiert nach Bernhard Müller in "Reform oder Revolution", Miriam-Verlag Jestetten, AD 1970, S. 41/42

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