Samstag, 8. März 2014

"Pastoral der Barmherzigkeit"?

Ein Gastbeitrag von Pater Bernward Deneke FSSP, Wigratzbad

Barmherzigkeit ist gegenwärtig ein vielbesprochenes Thema, und zwar in denkbar unterschiedlichen Zusammenhängen. Da gibt es tiefreligiöse Kreise, die eine mit den Namen der heiligen Ordensschwestern Margareta Maria Alacoque und Faustyna Kowalska verknüpfte Linie fortsetzen. Von der neuzeitlichen Herz-Jesu-Frömmigkeit, die das Erbarmen Gottes gegenüber uns Menschen betont, ist es tatsächlich nicht weit zu der noch recht jungen Verehrung der göttlichen Barmherzigkeit als solcher. Sie setzt die Lage des gefallenen, in Sünde verstrickten, durch den Verlust des ewigen Heils bedrohten Geschöpfes voraus. Erst auf diesem Hintergrund wird ja die Erlöserliebe so recht offenbar. Getreu dem Magnificat-Vers „Sein Erbarmen waltet von Geschlecht zu Geschlecht über denen, die ihn fürchten“ (Lk 1,50), nimmt diese Spiritualität Gottes Gerechtigkeit ernst und verlangt vom Menschen die Abkehr von der Sünde. Sonst bliebe die Gnade unwirksam, ein „freudiges Schöpfen aus den Quellen des Erlösers“ (Jes 12,3) wäre gar nicht möglich. 

Mehr Publicity hat die Barmherzigkeit nun allerdings durch andere Kreise erlangt, die sie gerne im Zusammenhang mit der kirchlichen Disziplin und Seelsorge ins Feld führen. Sie fordern eine „Pastoral der Barmherzigkeit“, die mit den genannten Frömmigkeitsformen wenig zu tun hat. Erbsünde und persönliche Sünde, zeitliche und ewige Sündenstrafen spielen in ihr keine nennenswerte Rolle. Stattdessen beschwört man die „bedingungslose Liebe“ des himmlischen Vaters, die angeblich im Zentrum der biblischen Verkündigung steht.

Weil Gott nach ihrer Meinung nur lieben und nicht strafen kann, ist für die Vertreter dieser Richtung nicht seine Barmherzigkeit das Erstaunliche, sondern die bisherige Unbarmherzigkeit der Kirche, die nun schleunigst überwunden werden soll. Die praktischen Folgerungen, die man aus dem „Prinzip Barmherzigkeit“ ableitet, sind hinlänglich bekannt, da in aller Munde. Sie beziehen sich mit Vorliebe auf die Sphäre der Geschlechtlichkeit und der Ehemoral, einen Bereich also, in dem die Adamskinder auffällig schwach sind und darum besonders der Barmherzigkeit bedürfen. 

Die Erkenntnis dieser Hinfälligkeit ist freilich nichts Neues. In der kirchlichen Verkündigung und Hirtensorge hat man ihr schon immer Rechnung getragen. Allerdings orientierte sich die bisherige „Pastoral der Barmherzigkeit“ nicht an gefühlsbestimmten, „weichen“ Vorstellungen von Barmherzigkeit, die man besser als „Nachgiebigkeit“ bezeichnen sollte, sondern an den Offenbarungswahrheiten über Sünde, Bekehrung, Gnade und Heil. Maßgeblich für den pastoralen Einsatz waren vor allem die ersten vier „Geistlichen Werke der Barmherzigkeit“, nämlich: 
1. Die Unwissenden lehren.
2. Den Zweifelnden recht raten.
3. Die Betrübten trösten.
4. Die Sünder zurechtweisen. 
 (Die übrigen drei lauten: 5. Die Lästigen geduldig ertragen. - 6. Denen, die uns beleidigen, gerne verzeihen. - 7.Für die Lebenden und die Toten beten.) 

Viele Christen unserer Tage halten nun diese Art von Barmherzigkeit für ausgesprochen unbarmherzig. Ihr Einwand: Wer Sünder zurechtweist, der erhebt sich diskriminierend über seinen Mitmenschen; durch Sittenstrenge und Drohungen belastet er dessen Gewissen, anstatt es zu entlasten; dadurch treibt er ihn eher in die Isolation, als ihm das Gefühl zu geben, so angenommen zu sein, wie er ist, ohne Vorbehalte, ohne Bedingungen.

Dagegen ist zu fragen, wie sich diese „Pastoral der Barmherzigkeit“ mit den entschiedenen Forderungen des alttestamentlichen Gesetzes und der Propheten, aber auch Jesu selbst, mit den Ermahnungen der Apostelbriefe und den erschreckenden Androhungen der Johannes-Apokalypse in Einklang bringen lässt. Ist denn dort, wo die Sünde verharmlost wird, überhaupt noch Platz für die Barmherzigkeit? Gilt nicht vielmehr: Ohne Misere keine „misericordia“? Und würde man wohl einen Arzt, der den Alkoholiker beruhigt, ihm aber nicht dringend eine Entziehungskur anrät, „barmherzig“ nennen? Wohl kaum. Ähnlich steht es um eine Seelsorge, die über das Unheil der Sünde hinwegtröstet, anstatt Hilfe zu dessen Beseitigung zu leisten. 

So ist also manches, was als barmherzig gilt, in Wahrheit unbarmherzig, und manches scheinbar Unbarmherzige barmherzig. Die „Geistlichen Werke der Barmherzigkeit“ und eine innige Herz-Jesu-Verehrung tragen mit Sicherheit mehr zu einer echten „Pastoral der Barmherzigkeit“ bei als das, was sich heute so nennt. 




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     Foto: Herz Jesu; Seitenaltar in der Benediktinerabtei Ottobeuten, Detail; eigenes Foto

    2 Kommentare:

    1. Wäääh! Ich kann diesen PdB-Krampf zwischenzeitlich absolut nicht mehr hören und mag ihn nirgendwo mehr lesen, nicht einmal mit einem Fragezeichen versehen ... ;-)

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    2. Habe vollstes Verständnis. Geht mir auch so, denn dieser Ausdruck ist ja sowieso Schwachsinn: Als wenn es eine unmbarmherzige Pastoral der Kirche geben würde...
      Na, Kardinal Müller hat ja eigentlich das Nötige dazu gesagt - es müsste nur mal gehört werden...

      Unlängst (naja, war schon letztes Jahr...) hatte ein Bloggerkollege das Wort zum "Unwort des Jahres 2013" gekürt. Für mich ist es jetzt schon das "Unwort des Jahres 2014"!

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