Samstag, 8. Februar 2014

Die christliche Hoffnung: Anker und Vitamin

Von Pater Bernward Deneke FSSP, Wigratzbad

Warum sieht man stämmige Eichen beim leichtesten Wind stürzen, mickrige Gewächse aber heftigsten Stürmen trotzen? Wie ist es zu erklären, dass unter gleichen Umständen mancher Mensch von robuster Gesundheit bei den ersten Schwierigkeiten zu Fall kommt, während ein anderer, dessen Natur normalerweise eher zu Schwäche und Krankheit neigt, in weitaus größeren Bedrängnissen noch erstaunliche Lebenskraft, zähes Durchhalten an den Tag legt? Viktor E. Frankl, dem österreichischen Psychiater jüdischer Herkunft, stellte sich diese Frage angesichts seiner Erlebnisse im Konzentrationslager. Seine Antwort, die dann auch in die therapeutische Arbeit einfließen sollte, lautete: Wer etwas hat, wofür es sich wirklich zu leben, zu kämpfen, notfalls auch zu sterben lohnt, der ist Angriffen und Widerständen gewachsen, an denen ein anderer, dem ein solcher Sinn fehlt, bald scheitern wird.

Gewiss sollte man sich davor hüten, aus dieser Erkenntnis eine immer und ohne Ausnahmen gültige Regel abzuleiten. Dennoch leuchtet der Wahrheitsgehalt ein und findet an zahllosen Beispielen seine Bestätigung. Nicht nur in der schrecklichen Situation eines Gefangenenlagers, auch im alltäglichen Bereich erweist sich die Wichtigkeit eines erstrebenswerten Zieles und der Hoffnung, es schlussendlich zu erreichen. Dem Gefühl der Sinnlosigkeit folgen alsbald wilde Verzweiflung oder depressive Resignation, die wiederum die Vorboten des Unterganges sind. Wo der Stern der Hoffnung sinkt, schwindet mit ihm zuerst die Energie, etwas Anspruchsvolles in Angriff zu nehmen, dann die Bereitschaft, Widrigkeiten durchzustehen, am Ende überhaupt jeder Mut und Wille zum Leben.

Die christliche Lehre kann die Einsicht des Psychiaters – bei aller Verschiedenheit des Blickwinkels und des Lichtes, in dem der Sachverhalt betrachtet wird – nur unterstreichen. Deshalb wird ja als zweite der göttlichen Tugenden, zwischen dem Glauben und der Liebe, die Hoffnung genannt. Sie setzt den Glauben mit seinen wunderbaren Verheißungen voraus und streckt sich diesen sehnsuchts- und kraftvoll entgegen. Hoffen heißt, auf das Ziel vorgreifen, es innerlich schon umfangen, den Anker in ihm befestigen, um sich dann im Zug der Gnade zu ihm hinzubewegen. Vergleicht man die Dreiheit der göttlichen Tugenden mit einer Pflanze, so ist der Glaube die tief in das Erdreich gesenkte und aus ihm ihre Nahrung ziehende Wurzel, die Liebe gleicht der zur Sonne hin geöffnete Blüte, während die Hoffnung durch den aufragenden, dem Himmel entgegenstrebenden Stengel versinnbildet wird.
 
Solche christliche Hoffnung unterscheidet sich wesentlich von einer günstigen Charakteranlage, die jemanden zur insgesamt positiven Sicht auch solcher Dinge geneigt macht, die in anderen Menschen düstere Befürchtungen wecken. Zweifelsohne bietet ein leichtes und helles Gemüt gute Voraussetzungen zur Übung der Hoffnung. Weil diese aber eine übernatürliche Tugend ist, hängt sie nicht von unserem Naturell ab. Daher kann und soll auch eine eher schwermütig veranlagte oder durch bittere Enttäuschungen so gewordene Person hoffen. Denn der Hoffende stützt sich eben gerade nicht auf eigene Fähigkeiten, nicht auf Empfindungen und Erfahrungen von Glück und Erfolg, sondern auf die Zusage Gottes, dass Er uns beistehen und zum herrlichen Ziel führen wird, wenn immer wir uns im Glauben und der tätigen Liebe an Ihn halten.
 
Daraus wird klar, welche Gefahren der Hoffnung eines gläubigen Menschen drohen. Einerseits könnte er an der Zusage des Herrn zweifeln und dadurch verzweifeln; er hielte es dann einfach nicht für möglich, dass Gott für ihn noch einen Weg zum Heil hätte, entweder weil er sich durch einen finsteren Ratschluss des Allerhöchsten zur Verwerfung vorausbestimmt wähnte oder weil er sein Leben durch persönliche Schuld für endgültig verspielt erachtete. Andererseits könnte der Mensch die Verheißungen derart auslegen, dass sie seiner Meinung nach in jedem Fall, auch ohne sein aufrichtiges Bemühen um wachsende Vereinigung mit dem göttlichen Willen und um gute Werke, eintreffen müssten. Verzweiflung und Vermessenheit also sind die Abirrungen von der zweiten göttlichen Tugend, ihre und unseres ewigen Heils Todfeinde.
 
Demgegenüber wirkt sich die Hoffnung als Vitamin der Seele aus, Lebenskraft und Zuversicht spendend auch dort, wo menschlich besehen nichts mehr zu hoffen ist. Weil sie die Gewissheit wachhält, dass Gott denen, die Ihn lieben, alles zum Besten lenkt (Röm 8,28) und dass nichts uns zu scheiden vermag von Seiner Liebe (vgl. Röm 8,35), deshalb schafft die Hoffnung jene Stärke, die in der menschlichen Schwäche auch unter schwersten Prüfungen zur Vollendung kommt (vgl. 2 Kor 12,9) und den Sieg davonträgt.



Hinweise:
- mit freundlicher Genehmigung des Verfassers
- der Beitrag erschien bereits im
Schweizerischen Katholischen Sonntagsblatt (SKS)



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