Dienstag, 25. November 2014

Romano Guardini über die Ehe und ihre Ausschließlichkeit

Ein Ausschnitt aus Romano Guardinis "Der Herr", in dem er über die Frage der Pharisäer an Jesus nach der Erlaubtheit des Scheidebriefes handelt. Aber Guardini erklärt auch, wie der Wille Gottes, nämlich die Ausschließlichkeit und Unauflöslichkeit der Ehe zwischen zwei Personen, zu leben gelingt, nämlich nicht aus menschlicher Kraft und Macht, sondern nur durch die Gnade Gottes, die uns durch das Sakrament geschenkt wird. Es geht um die Begebenheit, die der Evangelist Matthäus im 19. Kapitel, Vers 1 bis 12 berichtet:

(...) Die Situation, von der er (Anm.: Matthäus) berichtet, ähnelt anderen, die wir schon angetroffen haben. Die Pharisäer - Theologen, Juristen, Fachleute der Orthodoxie - fragen: "Darf der Mann seine Frau aus jedem Grunde entlassen?" Diese Frage meint es ebensowenig ehrlich wie jene nach dem "größten Gebot" (...). Sie wollen garnicht belehrt sein, sondern eine Falle legen.
Zur Sache selbst gab es eine ausgebreitete Kasuistik: ob zur Ausstellung des Scheidebriefes dieser Grund hinreiche oder jener, wann der Grund erschwert, wann er abgeschwächt sei, welche Ausnahmen bestehen, und so fort in unendlichen Unterscheidungen und Streitigkeiten. Die Gegner rechnen darauf, Jesus, der so wenig von den Spitzfindigkeiten der Gesetzeswissenschaft, immer nur von den Dingen der Vorsehung, Liebe und Herzensreinheit spricht, werde sich in dem Wust nicht auskennen und sich eine Blöße geben. Er aber streift mit einer einzigen Bewegung alles weg und stellt die Frage auf eine ganz andere Ebene: überhaupt nicht darf er sie entlassen!

Die Ehe ist von Gott begründet. Gott hat den Menschen als Mann und Weib und also auf ihre Verbindung hin geschaffen. Recht geschlossen, bildet diese Verbindung eine Einheit, die aus Gott selbst stammt. Die beiden werden eins von Gott her; so innig, dass sie nur "ein Fleisch" sind und alles, was den einen berührt, auch den anderen angeht. Der Mensch kann trennen, was er selbst verbunden hat; was Gott (verbunden hat), steht über menschlicher Macht.

Der Mensch kann nach freiem Entschluss die Ehe eingehen, das liegt in seiner Gewalt. Tut er es aber, dann knüpft sich darin eine Bindung von Gott her, über die er keine Macht mehr hat. Das ist der über-menschliche Charakter der Ehe, der zu einem glückseligen, über allen Wandel hinaus Frieden und Halt gebenden Geheimnis werden kann; freilich auch zu einem schweren Schicksal.

Die Frager antworten empört: Warum hat aber dann Moses die ganzen Vorschriften über die Ausstellung des Scheidebriefes gegeben? Jesus erwidert: Der Härte eurer Herzen wegen. Weil ihr weder Liebe, noch aus Liebe bestimmte Treue habt. Weil ihr selbstsüchtig und sinnlich seid, und wenn euch nicht Zugeständnisse gemacht worden wären, euch aufgelehnt hättet, Gott aber zu barmherzig war, das zuzulassen.

Das Gesetz (...) war nicht Ausdruck des ersten göttlichen Willens, wie er noch Abraham gegenüber redet, gar im Paradies und in der Schöpfungsabsicht zu Tage tritt; sondern Zeugnis eines Abfalles des Volkes: eine Ordnung, die Gott gab, nachdem die eigentliche Ordnung des Glaubens und der Freiheit verlassen war.

Die Jünger sind erschüttert. Vielleicht kommen ihnen auch noch Jesu Worte aus der Bergpredigt zu Bewusstsein: "Ihr habt gehört, dass gesagt worden ist: Du sollst nicht ehebrechen. Ich aber sage euch: Jeder, der ein Weib ansieht, ihrer zu begehren, hat schon in seinem Herzen die Ehe gebrochen!" (Mt 5,27-28). Dann bedeutet ja heiraten eine furchtbare Bindung! Die Ehe mit nur einer Frau, ohne Möglichkeit der Lösung, und auch nur der lüsterne Blick nach einer anderen schon Ehebruch! Wenn es um das Verhältnis von Mann und Weib so bestellt ist, dann ist das Heiraten eine schlimme Sache!

Darauf Jesus: "Nicht alle fassen dieses Wort, sondern nur die, denen es gegeben ist" (Mt 19,11). Diese Ausdruckweise kehrt in Jesu Mund öfter wieder, so wenn er ruft: "Wer Ohren hat zu hören, der höre" (Mt 11,15). Sie deutet immer darauf hin, was er sagt, könne nicht aus dem unmittelbar Menschlichen oder aus dem Bereich des bloßen Gesetzes, sondern nur aus dem Glauben und der Gnade verstanden werden. So auch hier: Was euch über die Ehe gesagt worden ist, könnt ihr aus Menschennatur, Welt und Gesetz allein nicht verstehen, sondern nur aus dem Glauben. Und vollbringen könnt ihr es nicht aus eigener Anstrengung, sondern nur aus Gnade.(...)

Man sagt wohl, die christliche Ehe sei der Natur des Menschen gemäß. Das kann richtig, aber auch falsch verstanden werden. Gewiss entspricht sie der Natur des Menschen - aber so, wie diese war, als sie die klare Gestalt des göttlichen Willens in sich trug, auf Gott hingeordnet und von seiner Gnade durchwirkt war. Dem Menschen im Paradies wäre es "natürlich" gewesen, dass die Ehe, aus der Freiheit und Liebe seines gottgehorsamen Herzens geschlossen, einzig und unaufhörlich sein müsse - aber dem Menschen, wie er durch die Sünde wurde?

Fortsetzung folgt

(Hervorhebung durch Fettdruck von FW)

Romano Guardini, Der Herr - Betrachtungen über die Person und das Leben Jesu Christi; St. Benno Verlag GmbH Leipzig; AD 1954; S. 327ff



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