SEITEN

Mittwoch, 18. Juni 2014

Prof. Georg May: Die andere Hierarchie - Teil 32: Die Gemeindreferenten

Prof. Dr. Georg May

Die andere Hierarchie


Teil 32


Verlag Franz Schmitt Siegburg AD 1997


Fortsetzung von hier

§ 9  Die Gemeindereferenten

Bis vor ca. 40 (Anm.: nunmehr ca. 57) Jahren waren Hilfspriester, Vikare oder Kapläne genannt, die selbstverständlichen Gehilfen des Pfarreres bei der Ausübung der Seelsorge. An seiner Seite und unter seiner Anleitung wuchsen sie in die Aufgaben hinein, die sie einmal bei Übernahme eines Pfarramtes selbständig übernehmen sollten. 

In der nachkonziliaren Kirche finden sich auch noch Kapläne, aber sie sind selten geworden. An ihre Stelle haben die deutschen Bischöfe andere Personen gesetzt. Der Priestermangel, an dem die Bischöfe und die progressistischen und modernistischen Theologen die Hauptschuld tragen, war der Anlass, sich nach Hilfe für die verbliebenen Priester, vielleicht auch nach Ersatz für die Priester umzusehen. Es entstanden die neuen kirchlichen Berufe der Gemeinderferenten und Pastoralreferenten.


I.  Einrichtung und Berufsbild

Die Einrichtung der Gemeindereferenten konnte auf ältere Vorgänger wie die Seelsorgehelferinnen zurückgreifen. Die Ausbildung erfolgte vor dem Konzil in kirchlichen Seminarien. Danach wurde sie vielfach an kirchliche Fachhochschulen verlegt.

Heute werden die Gemeindereferenten in theologischen Fachschulen, Seminarien oder Fachhochschulen ausgebildet. Das Rahmenstatut und die Rahmenordnung für die Gemeindereferenten in den Bistümern der Bundesrepublik Deutschland stammt vom 10. März 1987. Danach sind Gemeindereferenten für den Dienst in den Gemeinden bestimmt. Sie sollen die kirchlichen Amtsträger - gemeint sind wohl die Priester - unterstützen. (Anm.: Das Rahmenstatut vom 10. März 1987 wurde ersetzt durch die "Rahmenstatuten und -ordnungen für Gemeinde- und Pastoral-Referenten/Referentinnen" vom 01. Oktober 2011, hier als pdf.)

Die Gemeindereferenten sollen mitwirken bei den Grunddiensten der Gemeindepastoral und mit wenigstens einer besonderen Aufgabe selbständig betraut werden; bei der letzteren kommt ihnen "Eigenverantwortlichkeit" zu. Der Gemeindereferent kann zusätzlich auch zur Übernahme der einen oder anderen Aufgabe des kirchlichen Amtes herangezogen werden.

Die Einsatzebene der Gemeindereferenten ist normalerweise die Pfarrgemeinde. In der Regel soll dies eine mittlere oder größere Pfarrgemeinde sein. Dort sollen sie in Verkündigung, Gottesdienst und Diakonie tätig werden.

Die Satzung für die Gemeindereferenten sieht vor, dass sie einem für die Leitung verantwortlichen Priester unterstehen. Der verantwortliche Priester ist der unmittelbare Vorgesetzte des Gemeindereferenten. Dieser ist an dessen Weisung gebunden. Den Gemeindereferenten steht ein voller freier Tag in der Woche zu sowie ein freier Samstag und Sonntag im Monat.


II.  Beurteilung

Gegen die Mithilfe geeigneter und williger Leien in der Seelsorge des Pfarreres ist nichts einzuwenden. Unter den Gemeindereferenten waren und sind, sofern sie nicht während oder nach ihrer Ausbildung progressistisch verfremdet wurden, relativ viele gutwillige und diensteifrige Personen, denen an der Kirche und deren Wohlsein etwas liegt.

Doch höre ich immer wieder von Pfarrern, dass sie danach trachten, ihre wirklichen oder angeblichen Befugnisse möglichst auszuschöpfen oder auszudehnen. Ebenso wird geklagt, dass viele von der progressistischen Theologie stark beeindruckt und beeinflußt sind und danach ihre Tätigkeit ausrichten.

Die Gemeindereferenten stehen den Aufstellungen der kranken Theologie noch ungeschützter und hilfloser gegenüber als die Priester. Von der "qualifizierten Ausbildung" von Laien, die Theologie studiert haben, von der die deutschen Bischöfe in ihrem Papier "Der pastorale Dienst in der Pfarrgemeinde" sprechen (I1,4), halte ich wenig. In den meisten Fällen ist diese Ausbildung wenig gründlich, lückenhaft und verwirrend.

Zu den Tätigkeitsfeldern der Gemeindereferenten sind einige Fragen zu stellen. Man darf - wie bei jeder Beschreibung von Amtsaufgaben - nicht vergessen, dass die Kataloge erforderlicher oder erwünschter Tätigkeiten häufig lediglich auf dem Papier stehen. Die Wirklichkeit weist dagegen schwere Defizite auf. So wird den Gemeindereferenten u. a. die Aufgabe übertragen, Einzelgespräche zu führen und Hausbesuche zu machen. In welchen Pfarreien geschieht dies systematisch, konsequent und ausdauernd? Die Gemeindereferenten sollen Besuchsdienste, auch Krankenbesuchsdienst durchführen. Ich frage wiederum: In wievielen Pfarreien wird diese Aufgabe ernsthaft und über lange Zeit in Angriff genommen? 

Soweit mein Blick reicht, wenden sich die Gemeindereferenten fast ausschließlich der immer mehr zusammenschrumpfenden Zahl der praktizierenden Katholiken zu. Zum Ausgreifen auf die unermessliche Menge der abständigen und abgefallenen Christen fehlen ihnen Motivation, Anleitung und Kraft in gleicher Weise. So bleibt die Chance, die theologisch gebildete hauptamtlische Laien einer missionarischen Seelsorge bieten könnten, ungenutzt.


Fortsetzung folgt


Übersicht: Zu den bisher erschienenen Fortsetzungen

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen