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Dienstag, 25. Februar 2014

Prof. Georg May: Die andere Hierarchie - Teil 22: Schäden durch Theologen (3) - Der Katechismus der katholischen Kirche

Prof. Dr. Georg May


Die andere Hierarchie

Teil 22


Verlag Franz Schmitt Siegburg AD 1997


Fortsetzung: V. Schäden/ 2. Im Einzelnen
 
f)  Der Katechismus der katholischen Kirche

Ein besonders instruktives Beispiel, wie die progressistischen Theologen mit Äußerungen des höchsten kirchlichen Lehramtes umgehen, ist ihr Verhalten gegenüber dem Katechismus der katholischen Kirche.

Ich verweise auf das Buch des Fundamentaltheologen Verweyen (40). Die Behandlung des Lebens Jesu in dem Katechismus charakterisiert er als "einen ... historisierenden Jesus-Roman" (S. 23). Das ist Kritik daran, dass das Buch der unhistorisch-hysterischen Kritik an den Evangelien nicht genügend Raum gibt. Der Katechismus "bürstet ... das Lukasevangelium gegen den Strich" (24). Der unvermittelte Übergang von der Auswahl der Zwölf zur kirchlichen Hierarchie ist "von der Warte theologischer Wissenschaft her geradezu skandalös" (25). Der Umgang der Schrift im Katechismus ist "fundamentalistisch" (25). Der Katechismus fällt in die "neuscholastischen Denkgewohnheiten" zurück (35). Der Vorwurf "neuscholastischer Begrifflichkeit" (137) ist bekanntlich beinahe als solcher tödlich. Und das im Munde der Pluralismuspropheten! Das Zurückgreifen auf das Erste Vatikanische Konzil mit seinen präzisen Aussagen ist für Verweyen gewissermaßen der große Sündenfall des Katechismus.

Unverzeihlich ist für ihn, dass der Katechismus angeblich nicht bei den Vorgaben, die das Zweite Vatikanische Konzil gemacht hat, bleibt, sondern über sie hinweggeht. Diese Anklage kommt in seiner Schrift an vielen Stellen vor. Aus dem Buch von Verweyen ist freilich auch zu ersehen, welche Gefahren die vielfach unklaren, schwammigen Formulierungen des Zweiten Vatikanischen Konzils für den Glauben der Kirche bedeuten. Verweyen beanstandet, dass der Katechismus "eine der Kirche  vom Heiligen Geist verliehene Gabe der geistlichen Auslegung der Schrift behauptet" (51) (vgl. Dei verbum). Offensichtlich existiert sie für ihn nicht. Seine Sympathie gilt modernistischen Theologen wie Alfred Loisy (57).

Zu der Auslegung, die der Katechismus dem Messiasbekenntnis des Petrus zuteil werden lässt, schreibt Verweyen spöttisch: "Als Hellseher war mir Petrus noch nicht bekannt" (66). In solchem nörgelndem Ton ist die gesamte Schrift gehalten.

Es mag durchaus sein, dass nachkonziliaren Christen vieles in dem Katechismus "fremd und manchmal sogar anstößig erscheint (67). Das liegt aber nicht an dem Katechismus, sondern an der nachkonziliaren Theologie, welche das Glaubensbewusstsein der Kirchenglieder entscheidend verdorben hat.

In der Darstellung der Christologie findet Verweyen "einen kleinen Rückfall in den Monophysitismus" (68). In der Darstellung der Jungfräulichkeit Mariens "vermischt sich fromme Spekulation mit theologischer Unschärfe (71). Bei der Lehre von der Kirche stellt er "exegetisch haarsträubende Übergänge" fest (76).

Johannes Paul II. sieht in dem Katechismus "die reifste und vollendeteste Frucht der Lehre des Konzils" (Predigt vom 8. Dezember 1992: L'Osservatore Romano 22, 1992, Nr. 52/53 vom 25. Dezember1992, 10). Verweyen schreibt dagegen: "Hier weht ein anderer Geist als auf dem letzten Konzil" (77). Der Papst erblickt in dem Katechismus eine sichere Norm für die Lehre des Glaubens" und einen Dienst an der "Erneuerung" (Katechismus der katholischen Kirche 34). Verweyen wirft hingegen dem Katechismus "gravierende Fehlinterpretationen" des Konzils vor (80) und spricht in diesem Zusammenhang von einem "Ärgernis", "das in der Geschichte lehramtlicher Aussagen nach seinesgleichen sucht" (80).

Die Ausführungen des Katechismus über die Kirche als Leib Jesu Christi sind "weitestgehend unzutreffend" (79). Eine Aussage über die Sammlung des Gottesvolkes ist "unsinnig" (79). Nach Verweyen haben die Konzilsväter "eine volle Identifikation der Kirche des Credos mit der römisch-katholischen Kirche abgelehnt" (80). Der Katechismus erfährt Lob von Verweyen, wenn er Formulierungen gebraucht, die "geradezu von Hans Küng stammen" könnten (91).

Die Ausführungen des Katechismus über die geschichtliche Seite der Auferstehung bleiben dagegen "im Rahmen vorkonziliarer Apologetik" (92). In den Darlegungen zur Erhöhung Jesu finden sich nach Verweyen ein "Widerspruch" und "Ungereimtheiten" (93). Der Katechismus versucht im Ganzen, "das Rad der verbindlichen katholischen Lehre auf eine vorkonziliare Stellung zurückzudrehen" (95), wobei er "sophistisch" vorgeht (96). Für die in der nachkonziliaren Theologie Aufgewachsenen ist der Katechismus "reaktionär" und "fundamentalistisch" (100). Verweyen wirft dem Katechismus Beteiligung an "der Demontage wirklicher Lehrautorität" vor (113).

So also geht Herr Verweyen, der an der theologischen Fakultät Freiburg die Studierenden in die Fundamente der Theologie einführen soll, mit einem so gewichtigen lehramtlichen Dokument, wie es der Katechismus der katholischen Kirche ist, um. Niemand hat ihn meines Wissens in die Schranken gewiesen.

Ich will noch einen weiteren Kritiker des Weltkatechismus erwähnen, den Redakteur der sattsam bekannten "Herder-Korrespondenz", Ulrich Ruh. Ruh arbeitet mit anderen Mitteln, um den Katechismus um seine Wirkung zu bringen. Er bemerkt, der Katechismus sei "noch nicht von der Kirche rezipiert" (6). Dass er nicht rezipiert wird, dafür wird die Ablehnungsfront der progressistischen Theologen sorgen. Sein Haupteinwand besteht wohl darin, dass der Katechismus der sogenannten historisch-kritischen Exegese, d. h. der Auflösung der Schrift durch vorgefasste Meinungen, nicht folgt (66f). Der Katechismus ist ihm auch nicht genügend selbstkritisch gegenüber der katholischen Kirche ((68f). Ruh rügt, dass im Katechismus der katholischen Kirche "Theologie und Frömmigkeit" des Protestantismus "ausgespart" werden (71).

Der oft gemachte Vergleich mit dem deutschen Erwachsenenkatechismus fällt regelmäßig zu Ungunsten des Weltkatechismus aus (81, 83, u. ö.), was einleuchtet, wenn man bedenkt, dass der deutsche Katechismus von Walter Kasper stammt. Ruh rügt, dass der Katechismus nicht "neuere theologische Theorien oder Überlegungen zur individuellen und kollektiven Eschatologie" aufgreift (91). Dass der Katechismus "ausführlich und affirmierend" über den Ablass handelt, gefällt ihm nicht (95). Auch "ein überhöhtes Priesterbild", das der Katechismus angeblich bietet, passt ihm nicht (98).

Bezüglich der moraltheologischen Partien vermisst Ruh die Berücksichtigung der "Neuorientierung der Moraltheologie" (102). Gemeint sind wohl die irrigen Ansichten von Leuten wie Böckle, Auer und Fuchs. 

Im Katechismus dominiert "das geschichts- und wirklichkeitsenthobene Ordnungsdenken" (110). Die Einwände progressistischer Moraltheologen gegen die verbindliche Sexualmoral der Kirche gelten nach Ruh auch gegenüber dem Weltkatechismus (113f). Im Ganzen ist der Katechismus für die Aufgabe, die er sich gesetzt hat, eher ungeeignet als geeignet, weniger "sichere Norm", mehr "Ausdruck von Unsicherheit und Verlegenheit" (136).

So also behandelt ein Mann, der als Redakteur der Herder-Korrespondenz die progressistische Verbildung der katholischen Laien betreibt, das Lehrdokument des Papstes.

Mancher Gegner des Katechismus lässt es bei verbalen Attacken nicht bewenden. Der Paderborner Theologe Peter Eicher wandte sich deswegen an den Ministerpräsidenten von Nordrhein-Westfalen, den dezidierten Protestanten Rau, und suchte ihn gegen den Katechismus zu mobilisieren. Er wollte erreichen, dass der Weltkatechismus im Lande Nordrhein-Westfalen nicht als ordentliches Lehrmittel zugelassen wird (41). (Anm.: Peter Eicher ist Unterzeichner des Memorandums „Kirche 2011: Ein notwendiger Aufbruch“) So also steht es um die Stellung von Theologen zu Äußerungen des höchsten Lehramtes der Kirche.


(40)  Hansjürgen Verweyen, Der Weltkatechismus: Therapie oder Symptome einer kranken Kirche?, Düsseldorf 1993
(41)  Eicher, Wie kannst Du noch katholisch sein? 173





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