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Samstag, 22. Februar 2014

Prof. Georg May: Die andere Hierarchie - Teil 20: Schäden für die Kirche durch Theologen

Prof. Dr. Georg May


Die andere Hierarchie

Teil 20


Verlag Franz Schmitt Siegburg AD 1997


V.  Schäden


1.  Im Allgemeinen

(...) Von den theologischen Lehrstühlen nimmt das Unheil seinen Lauf. Priester und Religionslehrer, Pastoralreferenten und Erwachsenenbildner tragen die falschen Lehren in die Gemeinden. "Echte Propheten haben manchmal, falsche Propheten haben immer fanatische Anhänger" (Marie von Ebner-Eschenbach).

Sie verteufeln das Konzil von Trient, aber verstecken sich hinter dem, was sie als das Zweite Vatikanische Konzil ausgeben. Sie attackieren erbarmungslos jeden Bischof, der den Mut hat, der Zersetzung in der Kirche entgegenzutreten, aber sie berufen sich auf die Bischöfe, die in Königstein die katholische Sittenlehre verbogen haben.

Sie fallen über jeden Priester her, der, gelegen oder ungelegen, Gottes Wort verkündigt und den Gottesdienst gemäß den Vorschriften hält, aber sie weinen Krokodilstränen über jene korrupten Pfaffen, die es dahin getrieben haben, dass selbst der nachsichtigste Bischof ihrem Tun nicht länger zusehen konnte.

Dieselben Leute, die sich sonst nicht genug daran tun können, gegen die "Amtskirche" zu geifern, rufen augenblicklich die Amtskirche zu Hilfe, um Personen, Vereinigungn und Unternehmungen fernzuhalten, die nicht in ihr Konzept passen.

Die Massenmedien wie Presse, Rundfunk und Fernsehen halten sich fast ausschließlich an die progressistischen Theologen. Konsequent katholische Theologen kommen bei ihnen so gut wie überhaupt nicht zu Worte. Ich selbst habe elebt, wie ich von einem Sender eingeladen wurde, zu einer bestinmmten Frage zu sprechen, aber alsbald wieder ausgeladen wurde, als sich in der Vorbesprechung ergab, dass ich den Standpunkt der kirchlichen Autorität teilte.

Eine wichtige Position in der anderen Hierarchie nehmen auch die sogenannten Katholischen Akademien ein. Sie sind, von seltenen Ausnahmen abgesehen, Tummelplätze von Systemveränderern. Thematik, Teilnehmer und Preisgekrönte zeigen eindeutig, in welche Richtung hier gearbeitet wird.

Nach vorsichtigem Urteil wird man für den Bereich der deutschen Sprache festellen müssen, dass die Mehrheit der Theologen der Kirche Schaden zufügt und lediglich eine Minderheit Nutzen stiftet. Erzbischof Dyba sprach von einer "Vergiftung der Atmosphäre in Deutschland" (12). Ihm ist voll und ganz zuzustimmen.


2.  Im Einzelnen

Ich gebe einige Beispiele für den unermesslichen Schaden, den sogenannte katholische Theologen am Glauben anrichten. Dem Siegener Theologen Ingo Broer hat es "nie völlig eingeleuchtet", dass Theologe nur sein kann, wenn man gläubiger Christ ist. (13). Er hat offensichtlich den Zusammenhang von Glaube und Glaubenswissenschaft nicht begriffen. (Anm.: Der Exeget Broer ist Unterzeichner des Memorandums „Kirche 2011: Ein notwendiger Aufbruch“.)


a)  Die Erklärung der Heiligen Schrift

Von grundsätzlicher bedeutung ist das, was sich weithin in der sogenannten kaatholischen Exegese tut. Diese Schriftauslegung ist von ständigem Misstrauen gegen die Zeugen des Lebens Jesu, die Gemeinde und die Autoren bzw. Redaktoren der neutestamentlichen Schriften erfüllt.

Sie betrachtet es als ihre Hauptaufgabe, angeblichen Erdichtungen, Verbildungen und Fälschungen auf die Spur zu kommen. Was von den Schrifterklärern als "später" entstanden bzw. eingefügt angesehen wird, ist regelmäßig verdächtig, unecht oder legendär. 

Der Apostel Johannes ist nicht der Verfasser des vierten Evangeliums. Der darin erwähnte Lieblingsjünger ist keine historische Person, sondern "eine fiktive Gestalt, die entsprechend den theologischen Notwendigkeiten gestaltet ist". Die Texte, die vom Lieblingsjünger sprechen, sind Fiktion, stammen nicht vom Jünger selbst, der eine unbekannte Person ist (14).

In dieser sogenannten Wissenschaft gilt regelmäßig jene Auslegung der Bibel als die treffendste, die am meisten Abstriche an der geschichtlichen Wirklichkeit und dem dogmatischen Gehalt macht. Die Ergebnisse des Wirkens der exegetischen Aufklärer sind verheerend. Alle, die unter ihren Einfluß gerieten, betrachten die Evangelien als eine Art Märchenbücher, in denen Phantasien und Interpretamente der Gemeinde ausgebreitet werden, nicht aber authentische Worte und Machttaten des Gottessohnes überliefert werden. In dieser Exegese wird den Dogmen der Kirche der Boden unter den Füßen weggezogen. Der "Großmeister" dieses Betriebs war der Freiburger Exeget Anton Vögtle (15). Das Heer seiner Gefolgsleute ist unübersehbar.


b)  Die Christologie

Die Auflösung erfasst an erster Stelle die Gestalt, das Leben und das Wirken Jesu Christi. Für Ottmar Fuchs ist die Menschwedung des Gottessohnes ein "Theologumenon" (16). Ein Theologumenon ist "ein Satz, der eine theologische Aussage macht, die nicht unmittelbar als amtliche Lehre der Kirche, als zum Glauben verpflichtender Satz des Dogmas betrachtet werden kann" (17).  (Anm.: Der Priester und Pastoraltheologe Ottmar Fuchs ist Unterzeichner des Memorandums „Kirche 2011: Ein notwendiger Aufbruch“.)

Nach Rupert Lay war Jesus nicht der Messias, sondern erst die Theologie des Paulus machte aus dem Menschensohn Jesus "den erwarteten Christus, den Erlöser" (18). In einer fundamentaltheologischen Untersuchung, welche die Berechtigung des Christentums erweisen will, steht der enthüllende Satz: "Jesus ist... der göttliche Offenbarer... Er ist nicht mehr als ein Mensch, sondern mehr Mensch" (19).

Nach Verweyen ist es ein Bestandteil "der traditionellen, vor-neuzeitlichen Christologie", zu glauben, dass der irdische Jesus "mit besonderen göttlichen, sprich: herrscherlichen Qualitäten ausgerüstet" war. Ein solches Verständnis Jesu ist nach ihm monophysitistisch verklärte Geschichte (20). Diese Art von Wissenschaft ist nicht imstande, zu klären, ob das Grab Jesu leer war oder nicht. Nach Rupert Lay kann das Grab auch nicht leer gewesen sein (21). (Anm.: Dem Priester, Philosophen und Managerberater Rupert Lay SJ wurde im Jahre 1996 die kirchliche Lehrerlaubnis entzogen.)

Für Ohlig sind die Erzählungen vom leeren Grab "narrativ gehaltene Interpretationen des Osterglaubens unter veränderten kulturellen Bedingungen und somit für die historische Frage nach der Auferstehung Jesu nicht verwertbar" (22). Die Berichte von den Erscheinungen des Auferstandenen "widersprechen sich in so gut wie allen Details". Wenn sie historisch gemeint wären, "müsste man sie... für absolut unglaubwürdig halten" (23). Diese Berichte bezeugen nicht etwa das Sichzeigen des Auferstandenen, sondern lediglich "den Glauben der jeweiligen Gemeinden und Autoren an den Auferstandenen". Der Glaube wird also in (erfundene) Erzählungen umgesetzt (24). Jesus hat sein Leiden nicht angekündigt, sondern die ihm in den Mund gelegten Leidensankündigungen sind "frühchristliche Bekenntnisformeln" (25). (Anm.: Der Religionswissenschaftler Karl-Heinz Ohlig leugnet u.a. auch das Dogma der Dreifaltigkeit Gottes.)

 "Historisch greifbar" sind nach Ohlig weder das leere Grab noch die Erscheinungen des  Auferstandenen, sondern lediglich "der Glaube der Gemeinden und Redaktoren an die Auferstehung Jesu" (26). "Die Auferstehung bzw. das Zeugnis über Erscheinungen des Auferstandenen können eine Begründung von Christologie und Christentum nicht bieten" (27). Die Rede von der Auferstehung ist "metaphorische Sprache" (28). Metaphorisch heißt bildlich, übertragen. Die Rede von der Auferstehung geht nach Ohlig nicht auf ein wunderbares Geschehen, sondern auf irgendeine Bedeutsamkeit zurück.

Die Jesus gegebenen Prädikate wie Messias, Menschensohn, Gottessohn und der Auferstandene "sind nichts anderes als kulturbedingte symbolische Umschreibungen" der "Relevanz" Jesu (29). Ohlig behauptet, "dass es grundsätzlich in der Geschichte keinerlei übergeschichtliche Gewissheit geben kann, solange Geschichte fortdauert" (30). Mit dieser These werden Wirklichkeit und Wahrheit in gleicher Weise aufgehoben. (Anm.: Karl-Heinz Ohlig leitet noch heute die Arbeitstelle für Religionswissenschaft an der Universität Saarbrücken.)


c)  Die Eschata des Einzelnen

Jeder Christ, ja jeder Mensch ist brennend daran interessiert, zu erfahren, welches sein Schicksal nach dem irdischen Tod sein wird. Von den progressistischen Theologen erhält er darauf Antworten, die dem Glauben der Kirche widersprechen.

Nach Gisbert Greshake und Gerhard Lohfink geschieht im Tod des Einzelnen auch die Auferstehung (31). Die ewige Hölle wird keinem einzigen Menschen zuteil (32). Dies ist eine totale Verkehrung der christlichen Botschaft. Ihre Konsequenzen sind klar. Wenn es keine Gefahr gibt, ewig verloren zu gehen, dann bedarf es keiner Rettung vor dem ewigen Verderben, und das Christentum als Heilsveranstaltung und Heilsanstalt wird überflüssig.



(12)  Saka-Informationen 20, 1995,83
(13)  Broer, Der Glaube an die Auferstehung Jesu 51f.
(14)  Joachim Kügler, Der Jünger, den Jesus liebte. Literarische, theologische und historische Untersuchungen zu einer Schlüsselgestalt johanneischer Theologie und Geschichte. Mit einem Exkurs über die Brotrede in Joh 6 (= Stuttgarter Biblische Beiträge 16), Stuttgart 1988, 486 (Anm.: Der Priester und Neutestamentler Joachim Kügler ist Lehrstuhlinhaber an der Universität Bamberg und Unterzeichner des Aufrufs Kirche 2011: Ein notwendiger Aufbruch)
(15)  Broer, Der Glaube an die Auferstehung Jesu 57
(16)  Fuchs, Die mythisch-symbolische Dimension 72
(17)  Karl Rahner, Theologoumenon: LThK X, 2. Aufl., 1965, 80
(18)  Lay, Nachkirchliches Christentum 125
(19)  Perry Schmidt-Leukel, Demonstratio christiana, in: Heinrich Döring, Armin Kreiner, Perry Schmidt-Leukel, Den Glauben denken. Neue Wege der Fundamentaltheologie (= Quaestiones disputatae 147), Freiburg i. Br. 1993, 49-145, hier 132
(20)  Verweyen, "Auferstehung" 113
(21)  Lay, Nachkirchliches Christentum136f
(22)  Ohlig, Thesen 84
(23)  Ohlig, Thesen 84
(24)  Ohlig, Thesen 84
(25)  Ohlig, Thesen 85
(26)  Ohlig, Thesen 85
(27)  Ohlig, Thesen 90
(28)  Ohlig, Thesen 92
(29)  Ohlig, Thesen 90
(30)  Ohlig, Thesen 91
(31)  Gisbert Greshake, Jakob Kremer, Resurrectio mortuorum, Darmstadt 1986
(32)  Medhard Kehl, Eschatologie, Würzburg 1986, 295-298; Herbert  Vorgrimler, Hoffnung auf Vollendung. Aufriss der Eschatologie (= Quaestiones disputatae 90), Freiburg i. Br. 1980, 161-163; Gisbert Greshake, Himmel - Hölle - Fegefeuer im Verständnis heutiger Theologie, in: derselbe (Hrsg.), Ungewisses Jenseits. Himmel - Hölle - Fegefeer (= Schriften der Katholischen Akademie in Bayern Bd. 121), Düsseldorf 1986, 79-86



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