SEITEN

Samstag, 30. November 2013

Prof. G. May: Die andere Hierarchie - Teil 13: Diözesanforum und Pastoralgespräche

Prof. Dr. Georg May

Die andere Hierarchie

Teil 13


Verlag Franz Schmitt Siegburg AD 1997



IV.  Diözesanforum und Pastoralgespräche

1.  Struktur

Die vielen Räte, die im Zuge der nachkonziliaren Strukturveränderungen geschaffen wurden, reichten anscheinend nicht aus, um dem Bedürfnis nach Reden Genüge zu tun. Viele deutsche Bischöfe riefen in ihrer Blindheit und Schwäche weitere Plattformen für Rederei ins Leben, die sogenannten Diözesanforen und Pastoralgespräche. Diese neuen Einrichtungen wurden geschaffen, um die strengeren Bestimmungen bezüglich der Diözesansynoden zu umgehen.

Ich erwähne das Diözesanforum in der Diözese Freiburg * (9). Das Diözesanforum ist nach der Satzung ein weiteres "Beratungsgremium". Darin vereinigen sich die Mitglieder der drei diözesanen Räte (Priesterrat, Diözesanpastoralrat und Diözesanrat der Katholiken), die Regionaldekane und die Dekane sowie berufenen Mitglieder und verantwortliche Mitarbeiter bei der Leitung der Diözese unter Vorsitz des Bischofs zur gemeinsamen Beratung. Das Diözesanforum soll dazu beitragen, das Leben in der Erzdiözese Freiburg auf der Grundlage des Glaubens zu erneuern und pastorale Orientierungen für die Evangelisierung zu erarbeiten (§1). Das Diözesanforum berät in Plenarsitzungen, Arbeitsgrupen und Kommissionen (§11). Auf die zahlreichen Einzelheiten der Ausgestaltung braucht hier nicht eingegangen zu werden. Die Ordnungen der Diözesanforen in den übrigen Diözesen sind von der Freiburger Satzung nicht wesentlich verschieden (10).


2.  Kritik

a) Einberufung

Schon die Einberufung dieser Foren war eine typische Fehlentscheidung von Bischöfen, die ihrer Führungsaufgabe nicht gewachsen sind.

Die Foren sind vom Ansatz her verfehlt. Sie vernachlässigen die grundlegende hierarchische Struktur der Kirche. Sie erwecken den falschen Anschein, als gebe es in der Kirche eine gleichberechtigte Mitbestimmung demokratisch legitimierter Kirchenglieder, die in Konkurrenz zu den Hirten der Kirche treten. Denn jedes Mitglied dieser Foren kann, wenn es genügend Unterstützung findet, Anträge einbringen und darüber abstimmen lassen. Mögen die so zustande gekommenen Beschlüsse auch lediglich als Voten oder Meinungsbilder firmieren, so erwecken  sie doch den Anschein, dadurch werde von Amts wegen etwas bewegt. Das Ergebnis einer Abstimmung steht als ein Faktum und lässt sich nicht mehr beseitigen.

Der Apostolische Stuhl hat die Gefahren, die der Kirche heute von Diözesansynoden und Diözesanforen drohen, erkannt. Die Instruktion vom 19. März 1997 (11) über die Diözesansynoden hebt hervor, dass der Bischof der einzige Repräsentant der Diözese ist, der ihr als sichtbares Prinzip der Einheit vorsteht. Die Synode als "Vertretung des Volkes Gottes" dem Bischof entgegenzusetzen, steht im Widerspruch zur hierarchischen Verfassung der Kirche. Der Heilige Stuhl hat in dieser Instruktion den lediglich beratenden Charakter von Diözesansynoden deutlich herausgestellt. Es handelt sich dabei nicht um ein sogenanntes Repräsentativorgan des Volkes Gottes, das dem Bischof entgegengestellt wird (Anm.: ebd. Nr. 1). Für die Diözesanforen gilt dasselbe.

Die Einberufung der Foren wird u. a. damit begründet, die Ansichten, die im Volke Gottes umlaufen, der "Diözesanleitung" zu Gehör zu bringen. Diese Begründung ist fadenscheinig. Um den Bischof über den Zustand und die Stimmungslage unter den nachkonziliaren Katholiken zu unterrichten, benötigt er kein aufwändiges Diözesanforum. Dazu braucht er nur die kirchlichen Statistiken anzusehen und Kontakt mit den Menschen zu halten. Wie die Masse der nachkonziliaren Katholiken denkt und was sie will, das ist jedem aufmerksamen und ehrlichen Seelsorger klar. Sie sind durch das geprägt, was die Systemveränderer unter den Theologen seit 35 Jahren in sie hineingerufen haben; nur das kann bei den Diözesanforen wieder an die Oberfläche kommen.

Manche Bischöfe meinen, in diesen Gesprächsrunden werde "Dampf abgelassen". Das soll wohl heißen, wenn man die Leute nur reden lasse, seien sie zufrieden, und die Lage werde sich beruhigen. Dieses Bild ist falsch gewählt. In den Diözesanforen werden nicht berechtigte Anliegen zur Sprache gebracht, sondern dort wird die Agitation der theologischen Falschlehrer auf einer anderen, nunmehr amtlichen Ebene fortgesetzt. Die Atmosphäre wird nicht gereinigt, sondern aufgeheizt. Der endlose Prozess des Redens führt keine einzige Frage einer sachgerechten Lösung zu, vermehrt vielmehr die Konfusion und stärkt die destruktiven Elemente. Das Gespräch klärt nichts, aber verwirrt viele. Die Kirche ist kein Sprechsaal, in dem alle, auch die abweichendsten und verworrensten Ansichten vor der Öffentlichkeit ausgebreitet werden können. Die Kirche ist der Hort der Wahrheit und der Einheit. In ihr haben allein die Wahrheit und die Ordnung Existenzberechtigung.


b)  Gegenstände

Was in den Diözesanforen zur Sprache kommen würde, war klar, bevor sie einberufen wurden. Ich habe jeweils vor ihrer Eröffnung vertrauten Freunden die Gegenstände benannt, die dort aufs Tapet gebracht werden würden, und ich bin jedesmal in vollem Umfang bestätigt worden.

Ich zähle die Punkte auf, welche diese unseligen Veranstaltungen beschäftigen: Frauenordination, Abschaffung des Zölibats der Priester, Weihe verheirateter Männer, unbeschränkte Laienpredigt, Beteiligung der Gemeinden an der Bischofswahl, unterschiedslose Zulassung von Todsündern zur hl. Kommunion (wiederverheiratete Geschiedene), beliebige Empfängnisverhütung (12), Freigabe vorehelicher Sexualität, Billigung nichtehelicher Lebensgemeinschaften, Aufwertung der Homosexualität, ökumenische Exzesse jeder Art (13), gemeinsame Gottesdienste am Sonntagmorgen, Interkommunion.

Mit all diesen Punkten griffen die Foren auf Gegenstände über, für die sie keine Kompetenz haben. Die Appelle der Bischöfe, sich auf Vorschläge und Forderungen zu beschränken, die auf der Ebene des Bistums verwirklicht werden können, blieben erwartungsgemäß ohne jeden Erfolg. Zahlreiche Texte dieser Foren und Gespräche stehen im offenen Widerspruch zu Lehre und Ordnung der Kirche. An nicht wenigen Stellen ist der Affront gegen das Lehramt des Papstes mit den Händen zu greifen (14). Die Gremien wehren  die Angriffe auf die Lehre der Kirche nicht nur nicht ab, sie verstärken sie "medienwirksam durch Voten, die teilweise in eklatantem Widerspruch zum Lehramt der Kirche stehen und schwächen dadurch... den gesamten deutschen Katholizismus zusätzlich von innen" (15).

Nach der Instruktion vom 19. März 1997 darf der Bischof auf Diözesansynoden keine Diskussion über Positionen zulassen, die zur beständigen Lehre der Kirche in Widerspruch stehen oder über die andere kirchliche Autoritäten zu befinden haben. Ebensowenig dürfen derartige Gegenstände in der Form von "Voten" zur Abstimmung gebracht werden. Für die Diözesanforen kann nichts anderes gelten. Manche Gläubigen hegen den Verdacht, dass einigen Bischöfen die gegen Lehre und Ordnung der Kirche gerichteten Anträge und Beschlüsse mancher Diözesanforen gar nicht unwillkommen sind.

Für das Bistum Münster wurde beobachtet, dass im Vorfeld des Forums ausdrücklich über die Bistumszeitung für "die antirömischen Positionen" geworben wurde (16). Teilweise machte sich auf den Foren eine radikale, ja rabiate Laientheologie bemerkbar mit scharfer Aggression gegen Klerus und Hierarchie. Joseph Overath bezeichnet richtig das Kölner Pastoralgespräch als "das Kirchenvolksbegehren auf einer 'höheren' Ebene" (17). Indem man zwischen Voten und Meinungsbildern unterschied, machte man den untauglichen Versuch, die Auflehnung gegen Lehre und Ordnung der Kirche zu verharmlosen.

Insgesamt kann man nur staunen, was für phrasenreiche Dokumente auf den Foren verabschiedet wurden. Die wirklich dringenden, ja unerlässlichen Fragen wurden kaum irgendwo angegangen, geschweige denn mit hilfreichen Vorschlägen beantwortet. Soweit überhaupt Brauchbares zur Sprache kam, war es schon vorher bekannt und wurde versucht umzusetzen. Beachtet wurde aber nicht das Richtige und Vernünftige, sondern das Falsche und Unvernünftige.


c)  Triumph der anderen Hierarchie

Die Diözesanforen sind ein zeitraubendes und kräftezehrendes, völlig überflüssiges, aber um so gefährlichereres Palaver von Leuten, die mehrheitlich weder die wahre Lage der Kirche noch die wirklichen Ursachen der Kirchenkrise zu erkennen imstande oder gewillt sind. Zu selbständiger Beantwortung der aufgeworfenen Fragen sind die Mitglieder nicht in der Lage.

Die Diözesanforen wirken daher lediglich als Lautverstärker jener zersetzenden Ansichten, die seit über 35 Jahren von missvergnügten, verirrten, dem Protestantismus zuneigenden Theologen mit voller Unterstützung der Massenmedien in das Volk hineingerufen werden. Die Diözesanforen sind weithin Tummelplätze und Spielwiesen jener Kräfte, welche die Kirche ihres katholischen Charakters entkleiden wollen; die gutwilligen Gläubigen fungieren dabei als "nützliche Idioten". Walter Hoeres sprach in bezug auf die Diözesanforen richtig von dem "Dauergerede", "das die innerkirchliche Glaubenskrise... lautstark verdeckt" (18).

Was die Foren hervorgebracht haben, sind Berge von Papier. Was sie bewirkt haben, ist Vermehrung der Unzufriedenheit und Gereiztheit, Verminderung der Bereitschaft zu Dienst und Gehorsam, Verbreitung des Verdrusses an Kirche und Religion. Die Diözesanforen und Pastoralgespräche verstärken die Verwirrung und treiben die Verirrungen weiter. Sie sind zu ihrem Teil dafür verantwortlich, dass das Kirchenvolk immer mehr katholischem Denken entfremdet wird. Die Gespräche haben den einzigen Vorteil, aller Welt zu zeigen, dass die Mehrheit der deutschen katholiken unkirchlich und papstfeindlich eingestellt ist. Die Diözesanforen zeigen aber auch den Mitgliedern der kirchlichen Hierarchie, wohin man kommt, wenn man immer neue Plattformen für die Angehörigen der anderen Hierarchie schafft.


 
 * Dem Freiburger "Diözesanforum" entspricht in etwa die derzeitige Freiburger "Diözesanversammlung"
( 9)   Archiv für katholisches Kirchenrecht 160, 1991, 135-140. Vgl. Dokumentation zum Freiburger Diözesanforum. Heft 1: Die Voten. Heft 2: Vorlagen der Kommissionen für die abschließende Sitzungsperiode vom 25. bis 29. Oktober 1992
(10)  Presseamt des Erzbistums Köln im Auftrag ders Diözesanpastoralrates, Arbeitsergebnis des Pastoralgesprächs im Erzbistum Köln, Köln 1994; Pastorales Forum 19.-21. Juni 1944. Dokumentation mit Vorlagen zur 4. Sitzung (München); Beschlüsse des Pastoralforums 1994/95 (erster Teil), Regensburg (Pfarramtsblatt 69, 1996, 306-314); Presseamt des Erzbistums Köln, Schlussvoten und Meinungsbilder. Pastoralgespräch im Erzbistum Köln,  Köln 1996
(11)  L'Osservatore Romano Nr. 29 vom 18. Juli 1997 S. 8-12. Vgl. Herder-Korrespondenz 51, 1997, 426
(12)  In München und in Augsburg lehnten die Beteiligten eine Empfehlung der Natürlichen Familienplanung ab.
(13)  Das Diözesanforum Münster ermutigte die Gatten von Mischehen, sie könnten "aufgrund ihrer Gewissensentscheidung an Abendmahl und Eucharistie der jeweils gastgebenden Kirche teilnehmen". Eine Dreiviertelmehrheit sprach sich für die "Entflechtung von Priesteramt und Zölibat", d.h. für die Beseitigung des Zölibats, aus (Informationen aus Kirche und Welt. Hrsg.: Initiativkreis katholische Laien und Priester in der Diözese Augsburg e.V. Nr.  4/97 S. 3)
(14)  Joseph Overath, Petrusamt und Kölner Pastoralgespräch. Theologisches 26, 1996, 185-192.
(15)  Deutsche Tagespost Nr. 45 vom 12. April vom 12. April 1997 S. 9
(16)  Deutsche Tagespost Nr. 52/53 vom 29. April 1997 S. 13
(17)  Overath, Petrusamt und Kölner Pastoralgespräch 192
(18)  Walter Hoeres, Im Bündel billiger. Foren und Moderatoren: Theologisches 26, 1996,  444-448, hier 444



Fortsetzung folgt in unregelmäßigen Abständen

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen