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Montag, 12. August 2013

Politik und christliche Werte - Zu Äußerungen von Erzbischof Zollitsch zur "Alternative für Deutschland" (AfD)

Vor wenigen Tagen hatte der Erzbischof von Freiburg und Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz (DBK), Dr. Robert Zollitsch, in einem Zeitungsinterview öffentlich geäußert, er wünsche, dass eine bestimmte, namentlich genannte Partei, ("Alternative für Deutschland (AfD)") bei der Bundestagswahl am 22. September 2013 an der Fünf-Prozent-Klausel scheitern und nicht in das Parlament einziehen solle. Seine Begründung: „Unsere Zukunft liegt in Europa und nicht in der Rückkehr in die Nationalstaaten.“ Er nannte die politisch engagierten Mitglieder der Partei "ein paar Nostalgiker" und begründete seine politische Überzeugung über die Alternativlosigkeit der europäischen Währungsunion mit dem Satz: „Denn der (Anm.: Euro) zwingt uns, weiter zusammenzukommen.“

Die Empfehlungen und politischen Vorstellungen des Freiburger Oberhirten lösen indessen bei Christen Befremden aus. In einem Video-Interview zu seinem 75. Geburtstag mit einem Vertreter der "Katholischen Nachrichten-Agentur" (KNA) freute er sich darüber, dass Angela Merkel inzwischen Positionen vertrete, die vor einigen Jahren noch die SPD vertreten hätte. Und zur Wählbarkeit der Partei Bündnis 90/ DIE GRÜNEN zitiert im August 2011 “ZeitOnline” die Meinung des Erzbischofs:
"Positiv äußerte sich der Freiburger Erzbischof zu den Grünen: “Auch bei den Grünen stelle ich immer wieder Übereinstimmungen mit christlichen Überzeugungen fest”, sagte Zollitsch, “da hat sich sicher einiges verändert seit den Anfängen der Grünen.” Sie seien “eine Partei, in der viele Christen sich beheimatet fühlen”.

Die Kandidatin der AfD, Beatrix von Storch, schrieb als Antwort auf die Äußerungen gegen die AfD einen offenen Brief an Erzbischof Zollitsch (freiewelt vom 09.08.2013):
Sehr geehrter Herr Vorsitzender der deutschen Bischofskonferenz,

von Ihnen hätten die deutschen Bürger eine Verteidigung christlicher Werte erwartet. Nun sehen sie mit Erstaunen einen katholischen Bischof, der das Einführen eines Machtstrukturprojektes dem Schutz christlicher Werte vorzieht. Sie warnen vor der Wahl der Alternative für Deutschland (AfD), nicht vor der der Piraten oder der Grünen, die – anders als die AfD – klar unchristliche Werte vertreten.

Herr Erzbischof Zollitsch, was vertritt die AfD, daß Sie so unkontrolliert gegen sie vorgehen? Für die AfD ist z.B. Familie die Keimzelle der Gesellschaft, also Vater, Mutter Kind. Die Piraten werben mit „Vater, Vater, Kind“- und sie wollen – als katholischer Bischof – daß wir scheitern? Sie missbrauchen Ihr Amt, um vor uns zu warnen?

Die Grünen wollen die Homo-Ehe. Und Sie warnen – als katholischer Bischof – nicht vor den Grünen, sondern der AfD? Was ist Ihre Aufgabe?

Die deutsche Verfassung bezieht sich auf Gott. Das dahinterstehende Menschenbild ist ein jüdisch-christliches. Die europäische Verfassung kennt keinen Gott. Das Menschenbild ist ein utilitaristisches, das den Nutzen in den Vordergrund stellt, nicht Werte. Und da sehen Sie – als katholischer Bischof – unsere Zukunft? Wo stehen Sie?

Der Euro spaltet Europa. Er bringt die Bürger und Völker gegeneinander auf. Er schafft von Tag zu Tag mehr Armut und Verzweiflung bei den Menschen. Er macht aus Nachbarn Schuldner und Gläubiger. Das ist, was Sie wollen?

Durch die sog. Euro-Rettungspolitik werden Menschen nicht gerettet. Das Gegenteil ist der Fall. Banken und Spekulanten, die Staaten erpressen und sich auf Kosten der Bürger bereichern, wird geholfen. Den Menschen im Süden geht es jeden Tag schlechter. Dem reden Sie das Wort?

Sie sagen „Unsere Zukunft liegt in Europa und nicht in der Rückkehr zu den Nationalstaaten“. „Rückkehr zu den Nationalstaaten“? Sind die denn schon abgeschafft? Von wem? Die Souveränität zur Abschaffung Deutschlands liegt ausschließlich beim deutschen Volk, nicht bei den Abgeordneten. Die Abgeordneten haben unsere Souveränität nur auf vier Jahre verliehen bekommen. Nach den vier Jahren fällt die Souveränität an den Bürger zurück. Und in der Zwischenzeit kann kein Politiker diese Souveränität an Dritte abgegeben. Das garantiert uns unsere Verfassung. Die AfD steht zu dieser Verfassung. Und Sie warnen vor uns?

Sie nennen uns „ein paar Nostalgiker”, die an der Fünf-Prozent-Hürde scheitern sollten.

Erzbischof Zollitsch, nur noch ein paar Träumer, aber vor allem die Spekulanten, Bänker, Politiker und Lobbyisten verschließen ihre Augen vor der Realität. Sie nennen uns Nostalgiker? In der Tat: wir sehnen uns nach Anständigkeit, Redlichkeit und Ehrlichkeit gegenüber den Bürgern. Wir wollen, daß die Regierungen sich an die EU-Verfassung halten. Wir wollen nicht mehr, daß Macht vor Recht geht. Wir wollen nicht, daß die Bürger und ganze Völker durch die Verschuldung in die Knechtschaft gebracht werden. Das ist Fakt in Griechenland und Zypern, Portugal und anderen Ländern. Machen Sie die Augen auf, sehen Sie die Realität an.

Sie meinen, wir brauchen den Euro, “denn der (Euro) zwingt uns, weiter zusammenzukommen.“ Der Mammon als identitätsstiftendes Bindeglied für Europa, statt gemeinsamer Werte? Europa ist nicht eine Währungseinheit durch Zwang, sondern eine Wertegemeinschaft in Freiheit, die sich auf der Identität des christlichen Abendlandes begründet. Sehen Sie das anders?

Herr Erzbischof, ist es nicht Ihre Aufgabe, sich für den Schutz christlicher Werte einzusetzen und sich um die Armen und Schwachen zu kümmern, statt sich auf die Seite von Macht und Geld zu schlagen? Bitte stellen Sie unverzüglich klar, daß Sie von den deutschen Bischöfen kein Mandat haben, öffentlich gegen die AfD Stellung zu beziehen. Gerne erwarte ich Ihre Antwort.

Die Bürger sind müde ob der Lügen, des Betruges und des Machtmissbrauches der Politik zu Lasten ihrer Freiheit und ihrer Ersparnisse. Wir, die Alternative für Deutschland, treten am 22. September 2013 dagegen zur Wahl an. Sie wollen, daß wir scheitern?

Erzbischof Zollitsch- wir werden Sie enttäuschen.


Mit freundlichen Grüßen,

Beatrix von Storch

Eine Wahl-Empfehlung ganz anderer Art gab der Metropolit von Köln, Joachim Kardinal Meisner vor wenigen Monaten im Hinblick auf das "Superwahljahr 2013". Er gab Antwort auf die Frage, welche Partei ein Katholik wählen könne (Joachim Kardinal Meisner am 05. Oktober 2012 auf der Plattform "Direkt zum Kardinal"):
Sehr geehrter Herr NN
(...)
Nur diejenigen Politiker und Politikerinnen sind für uns Christen wählbar, die sich in ihren politischen Auffassungen für die Würde des Menschen einsetzen, und zwar in seiner Unantastbarkeit und Heiligkeit von der Empfängnis im Mutterleib bis zu seinem Tod. Der Mensch darf also nicht im Mutterleib abgetrieben und auch nicht in Krankheit und Alter durch Hilfe zur Selbsttötung in anderer Form am Ende seines Lebens „abgetrieben“ werden. 
Außerdem sind nur die Politiker für einen Christen wählbar, die für die Einmaligkeit und Unvergleichbarkeit von Ehe und Familie eintreten und die für eine familienorientierte Erziehung der Kinder Sorge tragen. Ebenfalls halte ich es für selbstverständlich, dass nur solche Politiker wählbar sind, die Ehrfurcht vor Gott haben und die Zehn Gebote Gottes respektieren. 
Der Apostel Paulus gibt uns die Mahnung: „Prüft alles, und behaltet das Gute!“ (1 Thess 5,21). Das gilt auch für die nächste Bundestagswahl. Prüfen Sie kritisch die Politiker und geben Sie nur denen Ihre Stimme, die der Wirklichkeit Mensch als Ebenbild Gottes entsprechen.
Mit freundlichen Grüßen


+ Joachim Kardinal Meisner

 

Ob die im April 2013 gegründete Partei "Alternative für Deutschland (AfD)" eine Alternative zu anderen Parteien - oder auch zu der von vielen bevorzugten Option, ihre Stimme zu verweigern, aus welchen Gründen auch immer, darstellt, möge der geneigte Leser selbst beantworten...


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Benedikt XVI. zur Frage einer politisch aktiven Kirche:

"Diese politische Arbeit fällt nicht in die unmittelbare Zuständigkeit der Kirche. Die Respektierung einer gesunden Laizität – einschließlich der Vielfalt politischer Einstellungen – hat in der authentischen christlichen Tradition ihren wesentlichen Platz. Wenn die Kirche sich direkt in ein politisches Subjekt zu verwandeln begänne, würde sie für die Armen und für die Gerechtigkeit nicht mehr tun, sondern weniger, weil sie ihre Unabhängigkeit und ihre moralische Autorität verlieren würde, wenn sie sich mit einem einzigen politischen Weg und mit diskutierbaren Parteipositionen identifiziert.

Die Kirche ist Anwältin der Gerechtigkeit und der Armen, eben weil sie sich weder mit den Politikern noch mit Parteiinteressen identifiziert. Nur wenn sie unabhängig ist, kann sie die großen Grundsätze und unabdingbaren Werte lehren, den Gewissen Orientierung geben und eine Lebensoption anbieten, die über den politischen Bereich hinausgeht.

Die Gewissen zu bilden, Anwältin der Gerechtigkeit und der Wahrheit zu sein, zu den individuellen und politischen Tugenden zu erziehen – das ist die grundlegende Berufung der Kirche in diesem Bereich. Und die katholischen Laien müssen sich ihrer Verantwortung im öffentlichen Leben bewußt sein; sie müssen in der notwendigen Konsensbildung und im Widerstand gegen die Ungerechtigkeiten präsent sein."

Ansprache am 13.05.2013 in Aparecida zur Eröffnung der Generalversammlung der Bischöfe Lateinamerikas und der Karibik



Weiteres zum Thema "Wahlen":
Welche Politiker kann man als Christ wählen?

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