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Dienstag, 24. Januar 2012

Der kämpfende Mensch (6)

Josef Seifert  (1975)

Fortsetzung, Teil 6

Kein Widerspruch zur christlichen Liebe

Nun hört oder spürt man heute immer wieder den Einwand:
Widerspricht Kampf und kämpferischer Geist nicht der Liebe? Ist es darum nicht völlig in Ordnung, daß man kaum noch dem Ausdruck "ecclesia militans" begegnet, daß sich die "streitende Kirche" mehr und mehr in eine Kirche der Entspannung verwandelt?

Ist die Liebe nicht das größte aller Gebote, und ist sie nicht in sich der Gegensatz zu jedem Haß und zu jedem Kampf? Ist nicht die wahre Definition des Christen: "einer, der liebt", einer, der Liebe ausstrahlt, und zwar nicht nur auf den oder jenen, sondern auf alle Menschen, nicht nur auf den "Nächsten", sondern gerade auch auf die Fernsten?

Nun, es gibt natürlich einen Haß, der mit der Liebe unverträglich ist: jenen Haß, der aus Begierlichkeit und Hochmut entspringt und sich gegen das Gute, letztlich gegen Gott richtet. Dieser Haß ist der Urgegensatz zur Caritas, zur christlichen Liebe.

Auch der Haß gegen menschliche Personen ist mit der christlichen Liebe nicht zu vereinbaren, auch dann nicht, wenn es sich um böse Menschen handelt. Es gilt: Die Sünde hassen, den Sünder lieben! Das Verbot des Hassens schließt aber nicht ein Verbot des Kämpfens ein: um das Gute durchzusetzen, muß der Christ nicht selten gegen die Parteigänger des Bösen antreten.

Aber auch hierbei muß er sich vorsehen, daß er sich nicht durch Gereiztheit, Bitterkeit, unnötige Schärfe, unrechte Mittel u. dgl. "vom Bösen überwinden läßt", sondern klug und gerecht, zuchtvoll und tapfer und immer liebend "das Böse durch das Gute überwindet."

"Interficere errorem, diligere errantem", sagt der hl. Augustinus: "Töte den Irrtum, aber liebe den, der sich irrt!"

Doch gibt es auch einen Haß, den der Christ nicht genug haben kann. Dieser Haß verträgt sich nicht nur mit der christlichen Liebe, er geht vielmehr notwendig aus ihr hervor, er ist das Nein, das einfachhin zu ihrem Ur-Ja gehört. Der Psalmist sagt: "Vos qui diligitis Deum, odite malum" ("Ihr, die ihr Gott liebt, hasset das Böse").

Die Wahrheit können wir nur lieben, wenn wir zugleich Irrtum und Lüge hassen und verabscheuen, das Gute können wir nur lieben, wenn wir das Böse hassen und von uns stoßen. Schon die Liebe zum Mitmenschen verlangt das: wir lieben ihn nur wirklich, wenn wir das Böse an ihm, das ihn ins Unglück stürzt: seine Fehler und Sünden bekämpfen, in dem Maß und in der Weise, wie es uns möglich ist.

Und schließlich: Wenn wir Gott lieben, die absolute Wahrheit und Güte, so müssen wir notwendig seinen erklärten und unbekehrbaren Feind, die "verkörperte Lüge" und Bosheit hassen. Dieser Haß gegen den Teufel ist einfach die Kehrseite der Liebe zu Gott, ist reine "Wertantwort", d. h. hier die innere Stellungnahme, die dem in sich Bösen und Verabcheuungswürdigen der teuflischen Bosheit gebührt.

Aus diesem Haß fließt das "abrenuntio" ("ich widersage") des Taufversprechens: allen Werken und aller verlockenden Pracht des Teufels sollen wir ein heiliges "Nein" entgegenstellen, das notwendig aus dem "Ja" zu Gott fließt.

Dieser Haß des Bösen geht Hand in Hand mit dem reinen Schmerz der Liebe darüber, daß Böses, Hassenswertes überhaupt existiert. Es ist sozusagen ein von Liebe durchglühter Haß, ein heiliger Haß im Sinne des Psalmisten: "Mit vollkommenen Hasse, O Gott, werde ich deine Feinde hassen."

Größte Grausamkeit: Feiges Schweigen vor Irrtum und Bosheit

Sicher ist der heute oft vernommene Hinweis richtig, daß die Ablehnung des Irrtums nicht selten mit Bitterkeit und Härte zusammengeht, daß die Ablehnung des Bösen die Liebe noch keineswegs garantiert. Aber daraus zu schließen, wir dürften nicht gegen Irrtum und Sünde kämpfen, ist eine ganz falsche Reaktion.

Vielmehr ist es gerade heute notwendig, die viel wichtigere Wahrheit herauszustellen (wie es Dietrich von Hildebrand in seinem schon erwähnten Buch "Das trojanische Pferd in der Stadt Gottes" im Kapitel über den Irenismus getan hat), daß jeder, der liebt, den Irrtum und das Böse hassen muß, daß also die Liebe die Bekämpfung des Irrtums und des Bösen einschließt - notwendig gehört dies zu wahrer Liebe, obwohl es so selten geschieht.

Wir müssen uns klarmachen, wie unverantwortlich die heutige Verschleierung klarer Begriffe durch den falschen Irenismus ist, der dadurch ja eine unerläßliche Tat der Liebe verhindert: die Menschen von ihren Irrtümern und allem, was für sie vom Übel ist, zu befreien.

Was man vom Arzt als ganz selbstverständlich verlangt: die möglichst klare Diagnose der Krankheit, das will man auf geistigem Gebiet, wo es um viel größere Werte und Gefahren geht, "um des lieben Friedens willen" hintertreiben.

Und weiter: Wird man es einem Chefarzt hingehen lassen, wenn er nicht einschreitet gegen ihm unterstellte Ärzte, die laufend Patienten durch Medikamente vergiften oder durch "Kunstfehler" umbringen oder wenigstens gefährden? Kann man ihn als lieblos, intolerant, oder fanatisch bezeichnen, wenn er solche Leute entläßt?

Auf geistigem und religiösem Gebiet sind aber entsprechende Fehlhaltungen gang und gäbe, und dabei geht es hier doch um viel höhere Werte bzw. viel schlimmere Übel, nicht nur um das zeitliche, sondern um das ewige Leben des Menschen.

So vollbringt also, wer hier eine klare Diagnose stellt und die Nebelschleier der "Entspannung" zerreißt, eine wirkliche Tat der Liebe; während andererseits jeder, der auf verantwortlichem Posten steht und Irrlehrer ungehindert gewähren läßt, verantwortungslos eine Pflicht der Liebe verrät.

Fortsetzung folgt



Prof. Josef Seifert: Der kämpfende Mensch ( Teil 1)    (bitte HIER klicken!)
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Über den Philosophen Josef Seifert (geb. 1945) bei wikipedia (bitte HIER klicken!)


 (Hervorhebungen durch Administrator) 

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