Montag, 4. August 2014

Über die Beichte: "Es tut mir leid, dass es mir nicht leid tut." - Eine geniale Idee?

Der Augsburger Theologe Peter Christoph Düren schreibt in seiner kleinen Sakramentenlehre "Christus in heiligen Zeichen" über das Bußsakrament unter anderem Folgendes:

Was ist zu einer gültigen Beichte erforderlich? (1)
Eine Beichte besteht aus drei "Leistungen" des Beichtenden (Marterie des Sakramentes):
  • Reue (einschließlich Gewissenserforschung)
  • Bekenntnis
  • Genugtuung (einschließlich Vorsatz)
und der Lossprechung des Priesters (Form des Sakramentes)

Was versteht man unter Reue?
Voraussetzung für die Reue ist die richtige und klare Bildung des Gewissens. Der Papst sagt: "Niemand gelangt zu wahrer und echter Buße, wenn er nicht einsieht, dass die Sünde der sittlichen Norm widerspricht, die seinem innersten Wesen eingestiftet ist" (2). Das heißt: Grundlage für die Reue ist erst einmal ein "schlechtes Gewissen", also die Erkenntnis gesündigt zu haben.

Wer sein schlechtes Gewissen nicht verdrängt, kann Reue erwecken. Die Reue muss nicht immer in Heulen und Zähneknirschen bestehen, sondern ist einfach "die klare und entschiedene Verwerfung der begangenen Sünde zusammen mit dem Vorsatz, sie nicht mehr zu begehen". (3)

Worin besteht das Bekenntnis der Sünden?
Das Bekenntnis besteht nicht nur im Aussprechen von Schuld, sozusagen als "Versuch psychologischer Selbstbefreiung" (4), sondern ist eine demütige und nüchterne Geste, in der sich der Pönitent selbst anklagt und sich als Sünder bekennt. Der einzelne wird in der Beichte als Person mit seiner je eigenen Schuld ernst genommen. Er stellt sich im Bußsakrament als unvertretbar einzelner Sünder mit dem Bekenntnis seiner persönlichen Schuld vor den barmherzigen und vergebenden Gott.

Der Priester übernimmt hier die Aufgabe eines Richters und Arztes, das heißt, er urteilt über die Echtheit der Reue und versucht, die Ursache der Sünde zu beheben.

Zur Vergebung der schweren Sünden ist ein Bekenntnis nach Art und Zahl notwendig. Die lässlichen Sünden müssen nicht alle einzeln gebeichtet werden. (5) Wenn jemand im Zweifel ist, ob es sich bei einer Tat um eine Todsünde handelt, muss er diese als "Zweifelhafte Todsünde" bekennen und dem Beichtvater das Urteil überlassen. (6)

Für jede Sünde ist ein einzelner Mensch verantwortlich, der in seiner Reue unvertretbar ist. Daher kann die Vergebung auch nur dem einzelnen zugesprochen werden, der sich aus der Anonymität der Gruppe herauslöst und sich zu seiner individuellen Schuld bekennt.

Was geschieht bei der Lossprechung?
Wenn der Priester keinen Zweifel an der Reue des Beichtenden hat, darf er die Lossprechung weder verweigern noch aufschieben. (7)

Im Augenblick der Lossprechung geschieht Sündenvergebung: "Die sakramentale Formel 'Ich spreche dich los...' sowie die Auflegung der Hände und das Zeichen des Kreuzes über den Beichtenden zeigen an, dass der reuige und bekehrte Sünder in diesem Augenblick der Macht und dem Erbarmen Gottes begegnet." (8) In diesem Augenblick ereignet sich die "Auferstehung" des Sünders vom "geistlichen Tod", in dem jede Sünde vergeben und ausgelöscht wird durch das geheimnisvolle Eingreifen des Erlösers" (9).


(1)  Vgl. Konzil von Trient, Buße, 4. Lehrsatz, in: NR 666, DS 1704; dass., Buße, 3.-6. und 8. Kapitel, in : Nr 647-654, 656-658, DS 1673-1685, 1689-1690; Gottesdienstkongregation, Ordnung der Buße, in ED'IL 3178
(2)  Johannes Paul II., RP 31, III, in ApSt 60,S. 64; vgl. Röm 2,12-16
(3)  Johannes Paul II., RP 31, III, in ApSt 60,S. 64
(4)  Johannes Paul II., RP 31, III, in ApSt 60,S. 64
(5)  vgl. CIC can. 988
(6)  vgl. Thomas von Aquin, S. th.suppl.q.6, art.4 ad 3
(7)  vgl CIC can. 980
(8)  Johannes Paul II., RP 31, III, in ApSt 60,S. 66
(9)  ebd.


aus: Peter Christoph Düren, Christus in heiligen Zeichen - Eine kleine Sakramentenlehre; EOS Verlag Erzabtei St. Ottilien; AD 1990; S. 98-101 (s. Quellen)

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Soweit das Zitat von Peter Ch. Düren.
Aus dem oben Angeführten geht klar hervor, dass im Falle eines zivil geschiedenen und wiederverheirateten Gläubigen, der nicht den Vorsatz hat, sich künftig des Konkubinates mit dem zweiten (zivil angeheirateten) Partner zu enthalten, wegen fehlender Reue und/ oder wegen fehlendem guten Vorsatz (das Konkubinat aufzugeben) keine Absolution erteilt werden kann. Der Pönitent ist nicht bereit, sich den Geboten Gottes zu unterstellen (Du sollst nicht ehebrechen) und folglich ist er auch nicht dazu bereit, Vergebung anzunehmen.

Es ist auch keine Lösung, wenn ein Beichtvater (z. B.) zivil wiederverheiratete Geschiedene zum Sakrament der Buße einlädt, mit der Begründung, es täte ihnen doch sicher leid, dass sie ihre Situation nicht ändern könnten (eigentlich doch eher: nicht ändern wollen), das aber wäre schon ausreichend als Reue, und schließlich seien sie doch bereit, dafür Buße zu tun. Es geht jedoch nicht darum, irgendetwas zu bereuen (etwas anderes als diese konkrete Sünde), sondern es geht einzig um die Anerkennung der Schuld und des Übertretens von Gottes Gebot in dieser konkreten Sache (z. B. der Ehebruch gegenüber dem rechtmäßigen Ehepartner).

Hierbei muss nochmals unterschieden werden, ob der Beichtende Einsicht zeigt, ob er die Verstöße gegen Gottes Gebote bedauert und bereut, aber sich aus Schwachheit unfähig sieht, die Sünde zukünftig zu vermeiden, oder ob er sagt, ihm tue die Sünde garnicht leid, im Gegenteil, er stehe dazu und könne deshalb nicht bereuen - was ihm aber leid täte... Eine Sünde, die nicht bereut wird, wird auch nicht vergeben.

Oben genannte (Schein-)"Lösung"  ist ein großes Missverständnis und führt zum Missbrauch bzw. zur Ungültigkeit der Beichte, mit der Folge, dass der Pönitent sich einer falschen Heilsgewissheit hingibt und möglicherweise weitere Sakrilegien, z. B. unwürdige Kommunionen, begeht und somit neue Schuld auf sich lädt. Ein Großteil der Schuld - auch für die Verwirrung der Gläubigen - wird dabei aber den Priestern und Verantwortlichen in der Kirche zugeordnet werden müssen.

Von Luigi Giussani, dem Gründer von Communione et Liberatione, sind Aufzeichnungen aus dem Jahre 1967 überliefert und noch immer im Umlauf, in denen er, über das Bußsakrament sprechend, an eine Erzählung aus dem Roman "Keiner kommt zu kurz" von Bruce Marshall erinnert:
"Erinnert euch an jene Episode bei Bruce Marshall, die ich immer an dieser Stelle zitiere. Es ist eine sehr scharfsinnige Erzählung von einer letzten Klarheit, wie ich meine. Abbé Gaston, der Protagonist des Buchs Keiner kommt zu kurz, muss einem Deutschen die Beichte abnehmen, den die französischen Partisanen gefangen genommen haben und der hingerichtet werden soll. Da er katholisch ist und am ganzen Leib zittert, erlauben die Partisanen, obwohl sie Kommunisten sind, dass er beichtet. Abbé Gaston sagt zu ihm: "Mein Junge, beichte gut, denn du musst gleich sterben. Was also waren deine Sünden?" Und jener sagt natürlich: "Die Frauen". "Dann wirst du jetzt also bereuen, weil du vor dem Gericht Gottes erscheinen musst." Und jener sagt ganz verlegen: "Wie soll ich das bereuen? Es hat mir gefallen. Wenn ich die Gelegenheit dazu hätte, würde ich es auch jetzt machen. Wie soll ich es da bereuen?" Da kommt dem Abbé Gaston, der ganz besorgt ist, da er diese Person nicht ins Paradies zu befördern vermag, eine geniale Idee: "Aber tut es dir Leid, dass es dir nicht Leid tut?" Und jener sagt ganz spontan: "Ja, es tut mir Leid, dass es mir nicht Leid tut." Dies ist der letzte Rest an Wahrheit in jenem Individuum, es ist die Anerkennung des Wahren." (Quelle: CL)

Nein, es handelt sich hier nicht um eine scharfsinnige Erzählung sondern um eine mit Humor und Schlitzohrigkeit. Es handelt sich nicht um eine Erzählung, die ernstzunehmen wäre oder gar als vorbildliche Fallerörterung für die Moraltheologie taugen würde. Man täte dem Autor Marshall wohl Unrecht, wollte man seine humorigen Beobachtungen, die manchmal nicht mehr als Scheinheiligkeit der Frommen entdecken können, als gelungene Bewältigung der Auseinandersetzung mit den alltäglichen Herausforderungen im Glauben interpretieren wollte.

Hat sich Kardinal Walter Kasper aber möglicherweise genau diese Sichtweise zu eigen gemacht? Wie sonst wäre zu verstehen, dass er zivil wiederverheiratete Geschiedene zum Bußsakrament zulassen will - obwohl sie keine Einsicht zeigen und die Missachtung von Gottes Geboten - aus welchen Gründen auch immer - nicht bereuen können bzw. nicht bereuen wollen?



Hl. Pfarrer von Ars, bitte für uns!

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5 Kommentare:

  1. Ich würde mich freuen, wenn Sie erläutern könnten, wie Sie das meinen mit "Oben genannte (Schein-)"Lösung" ist ein großes Missverständnis" - bezieht sich das auch darauf, dass der Beichtende zwar Einsicht zeigt und bereut, "aber sich aus Schwachheit unfähig sieht, die Sünde zukünftig zu vermeiden". Also mir geht es jetzt nicht speziell um die sogenannten wiederverheiratet Geschiedenen.
    Und noch eine andere Frage: ist es beabsichtigt, dass die Menüpunkte unter "Inhalt Sidebar" nicht anklickbar sind? :-(

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    1. Danke für Ihre Frage, Non Konform.

      Der Satz, beginnend mit: "Oben genannte (Schein-)"Lösung" ist ein großes Missverständnis..." bezieht sich auf den von Luigi Giussani vertretene Ansicht, dass es für die Beichte (und die Absolution) ausreichend sei, zu bedauern, dass dem Sünder eine bestimmte objektiv schwere Sünde nicht leid tut und man sich in dieser Angelegenheit auch in Zukunft nicht darum bemüht, nach dem Gebot Gottes zu leben. Diese Auffassung ist, und das meinte ich, eine irrige Ansicht, die mit der Lehre der Kirche nicht zu vereinbaren ist - eben eine Schein-Lösung, die in Wirklichkeit keine Lösung ist (deshalb schreibe ich hier "Lösung" in Anführungszeichen).

      Die (Schein)"Lösung" bezieht sich also auf die Passage, die beginnt mit: "Es ist auch keine Lösung, wenn ein Beichtvater..."

      Zu Ihrer zweiten Frage:
      Dieses "Missverständnis" trifft generell nicht zu für den Fall, dass der Beichtende zwar Einsicht zeigt und bereut, "aber sich aus Schwachheit unfähig sieht, die Sünde zukünftig zu vermeiden", was aus im vorangehenden Absatz Gesagten sicher schon deutlich geworden ist. Freilich muss der Beichtende, will er eine gute (d. h. gültige) Beichte ablegen, entschlossen sein, nicht wieder Gottes Gebot zu übertreten, und den Vorsatz haben, sich in dieser Sache zu bessern. Dabei mag ihm dennoch schmerzlich bewusst sein, dass es ihm mit großer Wahrscheinlichkeit doch nicht gelingen wird, seinem Vorsatz treu zu bleiben. Das ist der alltägliche geistige Kampf, den wir wohl bis an unser Lebensende kämpfen müssen.

      Und zu Ihrer letzten Frage:
      Die Menüpunkte unter der Rubrik "Inhalt Sidebar" sind in der Tat nicht anklickbar. Vielmehr handelt es sich um eine Art Inhaltsverzeichnis der Seitenleiste, weshalb ich sie nun auch in "Inhaltsverzeichnis Sidebar" umbenannt habe. Die Menüpunkte befinden sich der Reihe nach untereinander in der Seitenleiste und sind durch Herunterscrollen auffindbar. Das "Inhaltsverzeichnis" soll einen besseren Überblick über die doch recht umfangreiche Sidebar ermöglichen.

      In der Hoffnung, Ihre Fragen ausreichend geklärt zu haben

      Ihr Frischer Wind

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    2. Um mal, auch wenn man das nicht machen soll, Reue und Vorsatz auseinanderzudröseln:

      woran es hier hapert ist der Vorsatz.

      "Es tut mir leid, daß es mir nicht leid tut" ist vom *Wortlaut* her zwar auch keine Reue, ja. Vom Gefühl her, von dem, was der Beichtende eigentlich hier meint, kann er aber tatsächlich genauso gut sagen:

      "Ich weiß, daß der Herrgott solche Sünden bestraft. Ich würde der Strafe gerne auskommen. Und ich weiß natürlich auch, daß Er, nicht ich hier das Sagen hat. Daher lehne ich meine Handlungen ab."

      Das wäre dann Furchtreue - und ist wie gesagt von jemand, der sagt, ihm tue leid daß es ihm nicht leid tue, so durchaus auch zu sagen. Denn würde er seine Handlungen nicht aus Furchtreue ablehnen, würden sie ihm nicht nur nicht leid tun, sondern auch es würde ihm auch nicht leid tun, daß sie ihm nicht leid tun.

      [Dies setzt voraus, daß der Beichtende damit nicht nur bedauert hat, gegenüber dem Priester unhöflich zu sein.]

      Beim *Vorsatz* wird die Sache dann problematisch.

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  2. Vielen Dank, lieber Frischer Wind, für die ausführliche Erläuterung! Meinen Dank aber auch insgesamt für Ihr Blog-Engagement, für die vielen hilfreichen Links, die Basics (auch in Form von Blog-Artikeln), die "alten" Predigten oder Vorträge - für jemanden wie mich ist es wirklich vom hohen Nutzen, denn wie soll man denn nach etwas suchen (googeln), wenn man noch nicht mal weiss, wonach man suchen soll(?)

    Der HERR möge es Ihnen vergelten!

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    1. Herzlichen Dank, freut mich wenn es Nutzen bringt.

      Ihnen Gottes Segen!

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