Samstag, 22. Juni 2013

Priester am Altar: Auf die „Verkleidung“ verzichten?

Von P. Bernward Deneke FSSP, Wigratzbad 

Eine Erinnerung aus meiner Ministrantenzeit in einer deutschen Durchschnittspfarrei! An einem Sonntag hatte ein Jesuitenpater vorgerückten Alters die Messe übernommen. Über das Ringbuch, aus dem er die Texte vorlas, machte ich mir keine Gedanken, denn ich kannte die kirchlichen Vorschriften nicht und hatte auch bislang keine Kritik an den gottesdienstlichen Zuständen der Nachkonzilszeit vernommen.

Als der Pater aber nachher zu einer Frau, die als Lektorin fungiert hatte, sagte, am liebsten würde er gleich ihr auf „diese Verkleidung“ verzichten – er wies dabei auf die gerade abgelegten liturgischen Gewänder –, horchte ich auf. Nein, eine Messe, zelebriert in dem Zivil, das er wie die allermeisten mir bekannten Priester zu tragen pflegte, konnte ich mir einfach nicht vorstellen. Überhaupt war es mir bis dato niemals in den Sinn gekommen, Messgewand, Stola und Albe in Frage zu stellen. Nun aber hatte ein freundlicher Geistlicher aus dem Orden des heiligen Ignatius mein Problembewusstsein geweckt. Freilich in einer seiner eigenen Denkart entgegengesetzten Richtung…

Gelegentlich stelle ich mir seither tatsächlich die Frage, ob ein Priester nicht auf „diese Verkleidung“, die er bei der Heiligen Messe trägt, verzichten sollte. Jedoch nicht zugunsten des Straßenanzuges, sondern um sie mit einer angemesseneren, würdigeren und (auch das muss gesagt werden dürfen:) schöneren Gewandung zu vertauschen. Um nicht missverstanden zu werden: Ich möchte hier weder einem liturgischen Ästhetizismus das Wort reden noch meine Geschmacksvorstellungen zum allgemeinen Grundsatz erheben. Aber Faktum ist doch, dass weder die heute üblichen, eher beigen oder grauen als weißen „Alben“ (das lateinische Wort bedeutet immerhin „weißes Gewand“!) noch die lieblos gestalteten, kittelartigen Messgewänder das Bemühen um Würde und Schönheit erkennen lassen.

Aber wozu überhaupt liturgische Bekleidung? Der Gedanke, dass wir in der Taufe Christus „angezogen“ haben und uns immer wieder neu mit Ihm bekleiden müssen, ist uns von Paulus her bestens bekannt (vgl. Gal 3,27; Röm 13,14). Von alters her wird dieser gnadenhafte, unsichtbare Vorgang sichtbar vor Augen gestellt durch das weiße Kleid des Täuflings. Ähnlich verhält es sich mit den gottesdienstlichen Gewändern, allerdings mit dem Unterschied, dass sie, anders als das Taufkleid, nicht eine persönliche Gnade und Heiligkeit, sondern die Gnade und Heiligkeit der Weihe und des Amtes zeigen sollen.

Bei der Feier der heiligen Geheimnisse nimmt der Priester die Stelle des ewigen Hohenpriesters ein, er handelt als „ein zweiter Christus“ (lateinisch: alter Christus). Dieser geistigen Wirklichkeit der Stellvertretung einen sinnenhaften Ausdruck zu verleihen, um sie den Gläubigen und nicht zuletzt auch dem Zelebranten bewusst zu machen, ist überaus sinnvoll. Dabei kann es nicht um die äußerliche Ähnlichkeit mit Jesus gehen; ein derartiges Bemühen, das bei den Passionsspielen in Oberammergau und anderswo berechtigt sein mag, wäre innerhalb des kirchlichen Gottesdienstes unpassend, ja lächerlich. Vielmehr ist der leitende Gedanke für die liturgische Gewandung allein der, zur Darstellung zu bringen, dass der menschliche Zelebrant die Darbringung des eucharistischen Opfers in persona Christi vollzieht, d.h. in sakramentaler Personeinheit mit Christus, von Ihm ganz in Anspruch genommen und gleichsam eingehüllt.

 In der traditionellen römischen Liturgie erhält jedes der „Mess-Kleidungsstücke“ seine besondere Deutung durch ein Gebet, das beim Anlegen in der Sakristei zu sprechen ist: Das Schultertuch, das zuerst auf den Kopf gelegt wird, versinnbildet den „Helm des Heiles“, schützend vor den Angriffen des Feindes (vgl Eph 6,17); die Albe steht für die im Blut des Herrn empfangene strahlende Herzensreinheit (vgl Apk 22,14), das Zingulum für die Züchtigung der Sinnlichkeit; der Manipel, der am linken Arm getragen wird, weist zugleich auf die Leiden und die Arbeit (als Tränen- und Schweißtuch) wie auf den Lohn für die erduldeten Mühen hin; die Stola, Zeichen priesterlicher Amtsgewalt, erinnert an die Unsterblichkeit; das Messgewand schließlich ist das „sanfte Joch“ des Herrn (vgl. Mt 11,30), ein Symbol für das Kreuz, das der Zelebrant in der Heiligen Messe sakramental aufrichtet und das er auch persönlich auf sich nehmen soll.

Vielleicht ist die Ursache dafür, dass manche Geistlichen gerne auf „diese Verkleidung“ verzichten möchten, in dem Verlust der hier angedeuteten Dimension zu suchen? Seitdem die Tafeln mit den Ankleidegebeten und die Gebete selbst aus den Sakristeien verschwunden sind, ist wohl mehr Platz für netten Smalltalk des Pfarrers mit Ministranten und Ministrantinnen sowie anderen Gottesdiensthelfern entstanden. Doch damit verschwand auch weithin der Sinn für die Bedeutung der Gewänder. Und häufig nicht nur der Sinn für die Bedeutung der Gewänder, sondern auch das Wissen darum, was der Priester ist und tut.



Erklärung der Bedeutung der priesterlichen Kleidung und anderer liturgischer Fragen:
P. Martin Ramm FSSP: 
Zum Altare Gottes will ich treten - Die Messe in ihren Riten erklärt

Weiteres zum Thema:
P. Bernward Deneke: Liturgie und Armut
 

2 Kommentare:

  1. Danke für den schönen Artikel. Ich mag die Schlabberkaseln auch nicht leiden - alles im Gottesdienst soll zur größeren Ehre Gottes sein, und darum muß es folgerichtig schön sein! Alle Häßlichkeit, die wir in der neumodischen sakralen "Kunst" finden, ist vom Satan ...

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  2. @ Andrea S.
    Danke für den Kommentar.
    Manchmal hat man den Eindruck, man wolle mit Gewalt verhindern, dass man den Eindruck erwecken könne, man fröne Pracht und Schönheit in der Liturgie (sprich: in der Kirche). Dabei vergisst man aber, dass "moderne" Gewänder genauso teuer sind (manchmal noch teurer) als herkömmliche, oder solche, die ohnehin im Sakristeischrank hängen. Das einzige, was man aufgibt, ist die Schönheit und Angemessenheit für das Heiligste und Wertvollste, was der Herr uns auf Erden geschenkt hat, nämlich die Hl. Messe.

    Es war immer Anliegen der Kirche, den Gottesdienst und die Kleidung und Gerätschaften, die dazu notwendig sind, edel, kostbar und schön zu gestalten - aus Gottes-Liebe und als als Wertantwort auf eben dieses hohe Gut.

    s. auch:
    http://frischer-wind.blogspot.de/2013/03/liturgie-und-armut.html

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