Samstag, 28. April 2012

Unsere schöne Welt

P. Bernward Deneke FSSP, Wigratzbad

„Wissen Sie eigentlich, Herr Pater, wie wunderschön der Ort ist, an dem Sie hier wirken dürfen?“ So wird man als Priester, der nicht in einer städtischen Betonwüste, sondern auf dem Land eingesetzt ist, des öfteren gefragt. Die Antwort fällt nicht schwer, lässt man seinen Blick auch nur für Augenblicke über die anmutige, derzeit frühlingsselige Umgebung schweifen, über ihre saftig-grünen, blumenübersäten Wiesen und blühenden Obstbäume, über die sanft geschwungenen Hügel, hinab zum Bodensee und hinauf zu den weißen Gipfeln in der Ferne.-

Nein, es ist keine Selbstverständlichkeit, in einem derart gesegneten Landstrich leben und arbeiten zu dürfen. Es ist vielmehr ein unverdientes Geschenk des gütigen Gottes, für das man ihm nicht genug danken kann. Hand auf’s Herz: Wann haben wir diese Dankbarkeit zum letzten Mal in unseren Gebeten bekundet…?

Jede Gabe ist freilich auch eine Aufgabe; ein Auftrag, der uns in die Pflicht nimmt. Als der Schöpfer den Stammeltern die Erde übergab, betraute er sie zugleich damit, sich diese Gabe untertan zu machen und sie zu bearbeiten. Diese Verpflichtung besteht weiterhin und muss gerade heute mit Vorsicht und Voraussicht, mit Umsicht und Rücksicht ausgeführt werden.

Die Gefährdung der Schöpfung ist ja inzwischen der grossen Mehrheit der Menschen durchaus bewusst geworden. Gerade die Katastrophen der jüngsten Vergangenheit und der Gegenwart sollten auch die letzten Schläfer geweckt haben. Freilich scheinen uns die Gefahrenherde allzu weit entfernt, und daher erfasst uns die Furcht bei Schreckensnachrichten allenfalls für kurze Zeit, um alsbald wieder abzuklingen. Nur diejenigen, die daraus politisches Kapital schlagen und bestimmte Veränderungen herbeiführen wollen, zeigen sich besorgt, die Vorfälle in den Medien – und durch diese im öffentlichen Bewusstsein – als Dauerbrenner zu installieren.

Allgemein müssen wir uns jedenfalls die Frage gefallen lassen, ob unser Umgang mit der Schöpfung unserem Glauben an den Schöpfer und seinen Auftrag entspricht. Einer konservativen, d.h. auf Bewahren des Bewahrenswerten ausgerichteten Haltung steht es sehr wohl an, das Werk Gottes vor der Zerstörung, Verschmutzung und Entstellung schützen zu wollen. Wie schade, dass die Sorge um die Schöpfung über lange Zeit hin fast ausschließlich Kreisen überlassen blieb, die allgemein völlig unchristlichen Ideen anhängen und beispielsweise den Nachwuchs bestimmter Tierarten für schützenswerter halten als ungeborenes Menschenleben!

Die Bewahrung, Bepflanzung und Bebauung ist nicht die einzige Aufgabe, die sich an die Gabe der Schöpfung knüpft. Wir sind auch aufgefordert, sie zu erforschen und zu betrachten. Schon bei Kindern zeigt sich deutlich der Drang, die Welt zu erkunden und dabei dem Sinn und Zweck vieler Dinge auf die Schliche zu kommen. Dieser von Gott verliehene Antrieb ist gewiss nicht nur für die ersten Lebensjahre gedacht. Leider aber stumpft er, da weder von den Eltern noch von der Schule nennenswert gefördert, meistens ab. Und die ihn behalten, missbrauchen ihn nur zu oft im Sinne ehrfurchtsloser und gieriger Manipulation an der Natur.

Auch vielen frommen Menschen sagt die sichtbare Welt übrigens allzu wenig, huldigen sie doch der Auffassung, es komme allein auf das Unsichtbare an. So geht ihnen der Sinn für das Wunder der Schöpfung – das Staunen darüber, dass überhaupt etwas ist; und dass das, was ist, von solcher Grossartigkeit ist! – verloren. Bemerkenswerterweise sind es oft gerade diese Menschen, die gleichzeitig der absurdesten Wundersucht im religiösen Bereich erliegen.

Letztlich soll uns die Natur in ihrer Mannigfaltigkeit, ihrer Ordnung und Schönheit eine Quelle geistlicher Einsicht sein. Per visibilia ad invisibilia, „durch das Sichtbare zum Unsichtbaren“, lautet ein alter katholischer Grundsatz, der ganz den Worten des Völkerapostels über die Gotteserkenntnis aus den geschaffenen Dingen (Röm 1,19 ff.) entspricht. Die Schöpfung lädt uns zur Kontemplation ein, zum ehrfürchtigen und zugleich liebenden Anschauen, dem sie sich dann zuweilen wie ein Bilderbuch Gottes oder wie ein Fenster zum jenseitigen Reich öffnet und uns ganz betroffen und demütig macht:

„Herr, unser Herr, wie wunderbar ist Dein Name auf der ganzen Erde! Wenn ich anschaue Deinen Himmel, das Werk Deiner Finger, den Mond und die Sterne, die Du hergerichtet: Was ist der Mensch, dass Du seiner gedenkst, und der Menschensohn, dass Du ihn beachtest...“ (Ps 8,2.4 f.) „Die Himmel verkünden Gottes Herrlichkeit, und vom Werk seiner Hände erzählt die Feste. Ein Tag ruft dem andern die Botschaft zu, und eine Nacht vermeldet der andern die Kunde...“ (Ps 19,2 f.)

Diese und ähnliche Psalmworte, in denen die Schöpfung gepriesen wird und in ihr der Schöpfer, zeigen uns die richtige, ehrfürchtige und dankbare Haltung gegenüber der Welt. Wer so denkt und betet, der wird die Natur weder vergötzen noch schänden. Ihm ist sie Spiegel der unermesslichen Herrlichkeit Gottes.



Hinweise:
- mit freundlicher Genehmigung des Verfassers
- der Beitrag erschien bereits im Schweizerischen Katholischen Sonntagsblatt (SKS)

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